Man kommt kaum hinterher, und dieses Mal hat es etwas Gutes. Auf einer gestrigen (19.10.2015) Veranstaltung der heterogenen Unterschicht-Rechtsruckkommune "Pegida" faselte "Felidae"-Autor Akif P. allerlei, darunter auch davon, dass die "KZs derzeit leider außer Betrieb wären", was (vermutlich) nicht nur ironisch gemeint war. Inzwischen wird allerorten heftig protestiert - und die Verlagsgruppe Random House hat sofort alle belletristischen Titel des "Deutschland von Sinnen"-Autors aus dem Programm genommen. Im Sekundentakt melden Buchhandlungen per Facebook, sämtliche Bücher zu remmittieren oder, wenn das nicht möglich ist, einfach in die Tonne zu klopfen. Amazon hat einige Bücher ausgelistet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Ärgerlich zwar, dass auch dies eine Form von Marketing darstellt, also (aus Sicht des Betroffenen) auch positive Effekte haben dürfte, aber unterm Strich dürfte die Abgrenzung klarer und deutlich ausfallen.
Wir haben uns andernorts und mehrfach bereits darüber unterhalten, was Autoren als Autoren dürfen, sollten und müssen. Also beispielsweise zu gesellschaftlichen Themen Stellung beziehen, die eigene Popularität nutzen, um Benachteiligten Gehör zu verschaffen, aktuelle Themen aufgreifen. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass man all das kann, aber keineswegs muss. Uns eint lediglich, dass wir Bücher schreiben. Akif P. ist genauso wenig mein "Kollege" wie Juli Zeh oder Heinrich Steinfest. Wir sind Leute, die schreiben, viel mehr haben wir nicht gemein. Je nach Selbstverständnis kann man das als Basis oder Ausgangspunkt für politisches Engagement nutzen, und Akif P. hat genau das getan. Allerdings auf eine Weise, die aus Sicht vieler eher unwillkommen sein dürfte. Schon mit seinen jüngeren Veröffentlichungen (am 21.10. erscheint ein Buch mit dem Titel "Die große Verschwulung" in der Manuscriptum Verlagsbuchhandlung) wurde sehr deutlich, welche Richtung er da eingeschlagen hat, und dem folgte gestern (eigentlich aber schon mehrfach zuvor) die deutliche Klarstellung mit dem dazugehörigen Kontext.
Es geht mir nicht darum, P.s Äußerungen inhaltlich zu qualifizieren. Ich kann anmerken, dass ich den Terminus "Unsinn" noch für eine maßlose Untertreibung halten würde, überlasse ansonsten die Analyse anderen. Ich will mich mit den Äußerungen dieses Mannes überhaupt nicht beschäftigen müssen. Oder mit den Demonstrationsteilnehmern, die auch am Schluss noch kräftig applaudiert haben. Damit meine ich eine wie auch immer geartete Auseinandersetzung auf argumentativer Ebene. Die wäre sinnlos. Leuten, die so denken, kann man nichts erklären. Man muss sie einfach nur bekämpfen.
Ohne seine Bucherfolge hätte es diesen Auftritt nicht gegeben. Der Mann konnte dort sprechen, weil er Bestsellerautor ist. Er hat seine Position und vermeintliche Popularität genutzt, und die Veranstalter wollten das umgekehrt auch tun. Ganz wertfrei betrachtet hat Akif P. genau das getan, was ich am Anfang des zweiten Absatzes ausgeführt habe: Zu gesellschaftlichen Themen Stellung bezogen. Seine Popularität genutzt, um (aus deren Sicht) Benachteiligten Gehör zu verschaffen. Aktuelle Themen aufgegriffen. Es gab und gibt keine andere Qualifikation als die, ein relativ bekannter Autor zu sein. Deshalb wurde er eingeladen, konnte er sprechen, wurde er angehört.
Wir stellen Popularität über die Qualität der Expertise. Wir hören Leuten zu, weil sie prominent sind - und nichts weiter, einfach nur prominent. Das ist es, was passiert, wenn wir Personengruppen Rechte (und Verantwortungen) zuerkennen, für die sie sich nie qualifiziert haben. Es gibt Autoren (und Musiker und Maler und Tänzer und Schauspieler), die in einigen Fragen über einen Background verfügen, der sie als Gesprächspartner interessant macht. Für die meisten aber gilt das nicht. Ich höre gerne Sozialwissenschaftlern, Politologen, meinetwegen sogar gut ausgebildeten Journalisten zu, wenn es um relevante gesellschaftliche Fragen geht, aber bitte doch nicht diesen Suppenkaspern, die zufällig erfolgreiche Bücher geschrieben, Platten produziert oder Filme inszeniert haben, was ja sogar noch eine Qualitätsanforderung darstellt, die meistens unterschritten wird. Wir adeln diese Berufsgruppen auf völlig unangemessene Weise. Hören wir damit auf. Dann hört auch keiner mehr einem Akif P. zu.