Wenn Protagonisten diskutieren

  • Was meinst du denn mit "den Erzähler außen vor lassen"?



    Film laufen lassen - die Figur(en) zu sein, nix anderes, deshalb hat der Erzähler dann an dieser Stelle nix zu suchen, innerlich mitsprechen, nicht unbedingt im Gespräch tollste Sätze bringen, reden lassen. Später kürzen, wenns nötig wird. Kürzen ist eh Klasse.

  • So funktionieren auch Aufstellungen - privat, psychologisch, zu Schreibzwecken.

    Genau. Und wenn es angeleitet wird, klappt das natürlich besser, als wenn man allein mit leeren Stühlen arbeitet. Ich hab das hier bei den 42ern auch schon mal angeboten, aber es fanden sich nicht genug Teilnehmer, leider. ImPsychodrama kann man dann auch mit dem Rollentausch arbeiten - der Autor geht in alle Rollen selbst rein und guckt sich alles aus der betr. Perspektive an.

  • Wenn meine Protagonisten diskutieren (sollen), dann überlege ich mir, was die Herrschaften erreichen wollen, ob sie das gleiche Ziel haben oder unterschiedliche. Wenn sie schon so weit gereift sind, dass sie im Text miteinander diskutieren, dann weiß ich, was sie wollen, dann sagt einer was und ein Wort ergibt das nächste. Kann sein, dass dieser Dialog in meinem Kopf als Film vorhanden ist, darüber habe ich noch nie nachgedacht, ob das ein Film ist in meinem Kopf, ich protokolliere, was die beiden da von sich geben, ob sie einander ausweichen, sich ankeifen oder der eine den anderen nicht für voll nimmt. Dass davon beim Überarbeiten manches rausfliegt, kalkuliere ich ein. Aber erst einmal lasse ich sie plappern.

  • Nun, obwohl die meisten Autoren davon schwatzen und in Einzelfällen sogar den Präfix "Haupt" davorsetzen, haben Geschichten - im weitesten Sinne - meistens nur einen Protagonisten. Wenn er nicht gerade dieses Buch
    [buch]3831146950[/buch]
    liest oder gelesen hat, dürfte es ihm (oder ihr) schwerfallen, mit anderen Protagonisten zu reden, denn der "Prota", wie auch gerne gesagt und geschrieben wird, ist der Held, die (eine) Hauptfigur. Es gibt meistens nur einen. Und auch nur einen Gegenspieler, den Antagonisten. Die anderen Figuren des Romans sind schlicht Personal, also Personen oder eben Figuren, meinetwegen auch Charaktere, obwohl das ebenfalls zu bezweifeln wäre.


    Figuren reden ständig miteinander, und vieles davon könnte man als "Diskussionen" bezeichnen. Inwieweit sich das von anderen Dialogen unterscheiden soll, ist mir nicht ganz klar. Dialoge sind, hiervon unabhängig, hohe Kunst, denn sie spannend und zugleich lebensecht zu gestalten, ist nicht immer einfach. Was mit Thema oder Art des Gesprächs wenig zu tun hat.

  • Ich sehe das so, dass der "Protagonist" häufig eine Idee etc. ist, die (gerichtet gegen eine andere Idee ("Antagonist")) von mehreren Personen vertreten werden kann... und diese Personen könnte man dann "Hauptpersonen" oder eben (im konreteren Sinne) "Protagonisten" nennen: Personen, die den (einen) Protagonisten repräsentieren.

  • Man kann sich auch eine Senftransfusion legen lassen, Jürgen. Man kann vieles. Vieles davon ist irgendwie falsch. Zum Beispiel, einfach alle Figuren eines Romans "Protagonisten" (oder "Protas") zu nennen - und eine davon "Hauptprotagonist". Ich kann auch alle Mitarbeiter eines Unternehmens einfach "Chef" nennen. Sie sind es vermutlich trotzdem nicht, obwohl sie an der selben Sache mitwirken, der gleichen Idee folgen. ;)

  • Nochmal zum Dialog: Wenn meine Charas miteinander reden, dann sehe ich sie oft vor mir. Der ganze Dialog läuft vor mir ab, wie in einem Film. Und ich versuche einfach nur mitzuschreiben.
    Davor versuche ich mich auf den Dialog einzustimmen, indem ich die emotionale Lage der Charas zu erspüren versuche. Ihre Motivationen, ihre Sehnsüchte, ihre Probleme. Und natürlich versuche ich mir vor jedem Dialog klarzumachen, welchen Zweck er im Großen Ganzen haben soll. Und dann läuft der Film meist von allein.


    Aber Christianes Methode mit den Stühlen finde ich spannend. Das muss ich unbedingt mal ausprobieren. Nebenbei hätte ich auch nach wie vor Interesse an einem derartigen Workshop.

  • Der Threadtitel "Protagonisten diskutieren" ist durchaus etwas unpräzise, da der Protagonist wohl eine Streitfrage nur mit seinem Antagonisten diskutieren wird; mit einer Nebenfigur wird er allenfalls ein Gespräch führen. Trotzdem halte ich es für sinnvoller, den Protagonisten-Begriff nicht auf eine einzelne Person einzugrenzen, sondern ihn auch auf ein überindividuelles Prinzip anwendbar zu machen, weil wir dann als Autor und als interpretierender Leser einen größeren Gestaltungsfreiraum erhalten. Nur bei simpelsten Geschichten, wie bei Fabeln oder Kasperlegeschichten, wäre eine Einzelperson eindeutig als Protagonist zu identifizieren. Aber bei komplexen Geschichten wie in einem Roman wäre es doch töricht, die gesamte Handlung einer einzelnen Person aufbürden (als Autor) oder selbige allein aus ihr ableiten zu wollen (als Leser).
    Überhaupt ist die Rede von "kann nicht anders sein" oder "das ist so" Fehl am Platze: "Protagonist" ist kein objektiver Bestandteil des Textes, sondern ein Begriff, den wir von außen an den Text herantragen, um ihn zu analysieren. Und allein die Nützlichkeit entscheidet, ob man ihn besser so oder so benutzt.

  • Hallo, Jürgen.


    Klar, kann man machen. Ein Protagonist muss keine Einzelfigur sein, es kann sich auch um eine Gruppe handeln, um eine Idee, um eine Entwicklung, um einen intelligenten Gegenstand. Gleich bleibt, was damit gemeint ist. Der Protagonist führt die Handlung. Ersiees ist die Hauptfigur, die treibende Kraft, derdiedas, um dendiedas es geht.


    Dem steht gegenüber, wie der Begriff von einigen Autoren verwendet wird, nämlich schlicht als Synonym für die Besetzung von Geschichten. Nicht selten wird auch noch eine Figur "Hauptprotagonist" genannt, was dem gleichkäme, einen Hauptchef im Betrieb oder einen Hauptpräsidenten in der Regierung zu haben, während alle Mitarbeiter bzw. Bürger "einfache" Chefs oder Präsidenten sind. Ein "Hauptprotagonist" wäre also die Haupthauptfigur.

  • Mir ist gerade eingefallen: Wir hatten als Bestandteil des Forums früher ein Lexikon, in dem schriftstellerische, linguistische und grammatische Fachbegriffe erläutert wurden, darunter sicher auch Termini wie Pro- und Antagonist. Vielleicht sind die Daten noch irgendwo und man kann daraus ein allgemein verfügbares Dokument generieren? Meiner Erinnerung nach wurde der Punkt einem Update der Forensoftware geopfert.

  • Schöne Idee, das mit dem Glossar. Bin ich auch :dafuer


    nämlich schlicht als Synonym für die Besetzung von Geschichten


    Ich gestehe, ich gehöre zu ebenjenen, die das tun - und hab jetzt wieder was gelernt :)

  • Ich meine, wir haben das Glossar abgeschafft, weil sowieso niemand dort nachgeschaut hat. Deshalb denke ich, wir sollten das noch einmal diskutieren und überlegen, ob es keine Alternativen gibt. Allerdings im internen Bereich des Forums.

    BLOG: Welt der Fabeln


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    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Wie realisiert ihr das, wenn eine Gruppe diskutiert und der
    Redner Ping Pong hin und her geht. Es gibt viele Arten Dialoge zu
    qualifizieren. Doch manches Mal habe ich das Gefühl, dass selbst die
    Vielseitigkeit der Qualifizierungsarten so wenig sein könnte.

  • Film laufen lassen - die Figur(en) zu sein, nix anderes, deshalb hat der Erzähler dann an dieser Stelle nix zu suchen, innerlich mitsprechen, nicht unbedingt im Gespräch tollste Sätze bringen, reden lassen. Später kürzen, wenns nötig wird. Kürzen ist eh Klasse.

    Danke. Und ja, manchmal so (ganz ohne Erzähler), manchmal mit ein paar kleinen Erzähler-Einschüben (bei "tieferen" Dialogen zum Durchatmen).