Der Anschlag auf Charlie Hebdo ...

  • die RAF lag auch, insoweit sich das überhaupt bestimmen ließ, ideologisch weitab von allem, was die Linken je vertreten haben.

    Der Kandidat hat 550 Punkte. Dann hast Du den Vergleich mit Islamisten und Islam ja anscheinend doch verstanden. Aber wofür sollte "dieser Menschenmüll, der solche Taten verübt", laut Deinem Zitat denn bitte sonst "exemplarisch" sein als für "Religonen sind Brandsätze"?


    Meine (Ex-)Schwägerin ist Muslima. Es ist eine absolute Frechheit, ihr und ihrer Familie zu unterstellen, ihre Religiosität habe auch nur das Geringste mit Terroranschlägen zu tun. Butter bei die Fische: Die Bertelsmann-Stiftung stellt gerade ihren Religionsmonitor über den Islam in Deutschland und Europa vor. Dann reden wir doch über die Integration von Moslems und die Einstellung ihnen gegenüber. Aber bitte mit Zahlen. Und nicht mit diffusen Gefühlen und Unterstellungen.


    Die Attentäter von gestern sind Mörder. Terroristen. Extremisten. Das sind keine Moslems. Im Gegenteil. Das sind fanatische Verbrecher. Dasselbe sagen islamische Verbände in ganz Europa.


    Zeit, sich zu erinnern, dass das hier ein Autorenforum ist. Der angesehenste deutsche Dichter hat mal so etwas geschrieben wie den "West-Östlichen Divan".


    Zitat

    Jesus fühlte rein und dachteNur den Einen Gott im Stillen;Wer ihn selbst zum Gotte machtekränkte seinen heil'gen Willen.Und so muß das Rechte scheinenWas auch Mahomet gelungen;Nur durch den Begriff des EinenHat er alle Welt bezwungen.

    Zitat

    Ob der Koran von Ewigkeit sei?Darnach frag’ ich nicht! ...Daß er das Buch der Bücher seiGlaub’ ich aus Mosleminen-Pflicht.Dass aber der Wein von Ewigkeit sei,Daran zweifl’ ich nicht;Oder dass er vor den Engeln geschaffen sei,Ist vielleicht auch kein Gedicht.Der Trinkende, wie es auch immer sei,Blickt Gott frischer ins Angesicht.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • "Die Analyse der Religion darf nicht dabei stehenbleiben, dass sie die
    psychologischen Prozesse im Menschen aufdeckt, die seiner religiösen
    Erfahrung zugrunde liegen. (...) Was die Menschen denken und fühlen, hat
    seine Wurzeln in ihrer Charakterstruktur, und dieser Charakter wird
    geprägt durch die gesamte Struktur ihrer Lebenspraxis – genauer gesagt,
    durch die sozio-ökonomische und politische Struktur ihrer Gesellschaft.
    In Gesellschaftsformen, wo eine Minorität die Macht in Händen und die
    Massen in Unterwerfung hält, wird das Individuum so von Furcht erfüllt
    sein, so unfähig, sich stark und unabhängig zu fühlen, dass seine
    religiöse Erfahrung autoritärer Natur sein wird. (...) Wo sich hingegen
    das Individuum frei und für sein eigenes Schicksal verantwortlich fühlt
    oder innerhalb einer Minorität für Freiheit und Unabhängigkeit kämpft,
    entwickelt sich eine religiöse Erfahrung humanistischer Art." ― (1950a:
    Psychoanalyse und Religion, in: Erich-Fromm-Gesamtausgabe (GA) Band VI,
    S. 256f.)

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    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt

  • Ja, ich sehe es. Aber in einem Verein wie dem unseren muss das auszuhalten sein.


    Yep. Genauso ist es. Auch wenn´s weh tut.


    @ Tom: :like , aber: Es ist an der Zeit, jene in ihre Schranken zu verweisen, die immer noch meinen - glauben -, dass es ein irgendwie geartetes
    göttliches Recht gibt, das über allen anderen steht.

    Ja, ja, ja, doch wie, zum Teufel, sollen wir das machen? Passivität nach dem Motto "Ruhe bewahren, mäßigen, alles nicht so schlimm ..." scheint nicht zu klappen. Was dann? Seit zwei Jahrzehnten rede und schreibe ich für eine rigorose Säkularisierung - wie andere viel bessere und viel wichtigere Leute als ich auch - und bewirke nichts. Welche konkreten Aktivitäten kann man sich denken, die tatsächlich die o. a. Gemeinten "in ihre Schranken" verwiesen?

    Ich bin ratlos.

  • … Es ist an der Zeit, jene in ihre Schranken zu verweisen, die immer noch meinen - glauben -, dass es ein irgendwie geartetes göttliches Recht gibt, das über allen anderen steht. Und das gilt für die Hirntoten, die ihre Kinder in Sekten pferchen, für die Kreationisten, die ihre Schützlinge mental verkrüppeln, für die katholischen Angstmacher auf ihren Kanzeln und, nicht zuvorderst und nicht zuletzt, sondern mittendrin, für die Glaubenskrieger, die den Fortschritt wegbomben wollen.…


    Obwohl ich eine von deiner unterschiedliche Weltsicht habe, würde ich ein solches Vorgehen kompromisslos und ohne Einschränkung unterstützen. Das Problem ist: Wie macht man das? Wie weist man derartige Fanatiker in ihre Grenzen? Durch Gegengewalt? Durch Totbomben, einsperren, verdrängen, vertreiben? Solidaritätskundgebungen - so wichtig und gut die sind - scheinen ja wirkungslos zu sein.

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    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Im Deutschlandfunk thematisiert die Schriftstellerin Gila Lustiger ihren Eindruck zur Lage in Frankreich.
    Und mein Eindruck ist, das genau dieser von ihr angesprochene Punkt Ersatzidentität für junge Männer und Frauen, ein ganz wichtiger ist, wenn über Lösungen für das Problem Rassismus weltweit nachhaltig überlegt werden will.
    Ich habe mich z.B. immer schon gefragt, wie Kinder, die früh institutionalisiert aufwachsen, also als "Herdentier" erzogen werden, es schaffen eine eigene Identität zu finden. Die Krawalle der Jugendlichen in den Neunzigern waren für mich schon ein deutliches Zeichen dafür, dass da was faul ist und sich innerlich haltlose Menschen irgendwie Bedeutung zu verschaffen suchen. Wenn ich jetzt hier in Deutschland beobachte, dass das Écol-Maternelle-Model auch hier Einzug hält, mache ich mir so meine Sorgen. Ich möchte hier keine Herd-und Hausfrauen-Diskussion anzetteln. Aber ich halte allzu viel Institution im Familienleben tatsächlich für bedenklich für die kindliche Entwicklung.

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  • Anders Breivik hat vor viereinhalb Jahren 77 Menschen getötet, überwiegend Kinder, und sich auf das Christentum berufen. Selbstverständlich steht dieser Mann nicht für das Christentum, nicht einmal für einen äußerst kleinen Bruchteil davon, sondern ausschließlich für sich selbst. Es ist auch niemand auf die Idee gekommen, das anders zu betrachten. Obwohl im Namen des Christentums viele, viele Gräueltaten begangen wurden, geben sich z.B. die römisch-katholische Kirche und ihre Anhänger in der Außendarstellung derzeit überwiegend recht friedvoll, verzichten fraglos auf Waffengewalt, Attentate und ähnliches. Dass die Organisation selbst nicht ganz unproblematisch ist, um es vorsichtig auszudrücken, muss man kaum erwähnen, und auch dass ihre Mitglieder vieles tun, das Menschen ausgrenzt und Schützlinge schädigt, von dem sie aber zugleich glauben, es wäre im Sinne ihres Glaubens, steht ebenfalls ziemlich fest. Das ist ein paradigmatisches Problem; wer meint, im Namen oder Auftrag eines Gottes zu handeln, ist schlicht und ergreifend zu allem fähig: Das irdische Leben hält er schließlich für einen Übergang; die Judikative logiert im Jenseits.


    "Den" Islam gibt es nicht. Er kennt keine übergeordnete Organisationsform, keine Weltgemeinschaft, es gibt keine Sprecher oder Oberhäupter, sondern viele, viele Strömungen und Gruppierungen. Um Muslim zu werden, muss man nur das Glaubensbekenntnis vor zwei Zeugen ablegen, man muss nirgendwo eintreten oder seine Mitgliedschaft nachweisen. Diese amorphe Struktur, die keine ist, begünstigt einiges, erschwert aber auch vieles, zum Beispiel den Versuch, "den" Islam als Ganzes zu betrachten. Deshalb ist es auch gefährlich, das zu versuchen, und man begünstigt durch den Versuch möglicherweise, dass sich Menschen auf gefährliche Weise umorientieren, die vorher nicht auf diese Idee gekommen wären. Aber es scheint mir auf der anderen Seite zu einfach zu sein, all die Gewalt, die derzeit im Namen dieses Glaubens verübt wird, nicht zumindest in dessen Nähe zu verorten, was die Ursachen anbetrifft - umso mehr, da es nur wenige Stimmen aus der Gruppierung (die keine ist) heraus gibt, die helfen würden, das anders zu sehen. Ich stelle mir eine Partei vor, die sich ansonsten in der Mitte der Gesellschaft zu befinden scheint, und bei der einzelne Mitglieder auf die Idee kommen, Attentate gegen die Mitglieder anderer Parteien zu verüben. Es würde kaum die Dauer eines Wimpernschlags beanspruchen, bis diese Leute erstens aus der Partei ausgeschlossen, zweitens diese Leute verhaftet und drittens die Partei aufgelöst wäre. Aber "der" Islam ist keine Partei, er ist nicht einmal "etwas", sondern nur eine Idee. An dieser Stelle scheitert jeder Versuch, Verbindungen herzustellen, aber auch zu lösen. Wie also geht man damit um? Wie unterscheidet man? Versucht man, die herzigen Mitteilungen, befreundete Muslime seien die friedfertigsten Menschen der Welt, zu verinnerlichen, und gleichzeitig die Schreckensnachrichten auszublenden? Ignoriert man das religiöse Fundament einfach? Womit aber geht man dann um? Ist es nicht ein bisschen zu einfach, all die Mörder als Einzeltäter zu kategorisieren, all die Herrscher, die die Religion nutzen, all die Generäle? Liegt es nicht vielleicht doch daran, dass Absolutheitsanspruch und alles andere ausschließende Dogmen letztlich genau das, was wir seit Jahren erleben, provozieren? Dass diese tolldreiste Überzeugung, den einzig wahren Gott und den einzig wahren Weg zu ihm zu kennen ein menschenverachtender Anachronismus ist, der sich umso mehr in einer täglich aufgeklärteren Welt nur mit Gewalt durchsetzen lässt? Ich weiß es, ganz ehrlich, nicht, aber ich sehe nirgendwo da draußen eine vernünftigere Erklärung.


    Das bezieht sich jetzt alles ein bisschen sehr auf den Islam, aber damit ja auch auf den Anlass. Was im Namen Allahs geschieht, ist eben der aktuell plakativste Ausbruch religiöser Idiotie. Das heißt nicht, dass anderswo kein Gefahrenpotential liegt. Früher lag es ausschließlich dort. Und wir alle wissen, dass die Vergangenheit nie verschwindet. Die Erklärung, dass das Christentum während der vergangenen Jahrhunderte eine Entwicklung durchgemacht hat, die dem Islam noch bevorsteht, kommt mir zu einfach vor - in beiderlei Hinsicht.

  • H.Dieter schrieb: "Seit zwei Jahrzehnten rede und schreibe ich für eine rigorose Säkularisierung"


    Da hast Du meine volle Sympathie. Leider steht zu befürchten, daß wir beide da kein Ergebnis mehr erleben werden. Du müßtest nur mal mit ansehen, mit was für hochnäsigen und aalglatten Gesichtern sich hier gutbetuchte Politiker und Wirtschaftseliten nebst holden Gattinnen etc. im katholischen Bischofshaus ein Stelldichein geben. An den fürstbischöflichen Höfen kann es nicht elitärer zugegangen sein. Und natürlich müht sich auch die evangelische Seite (Sachsen ist ja lutherisch), bei diesem Tete-a-Tete der Macht von Staat und Kirche nicht ins Hintertreffen zu geraten. Die Menschen hier werden durch diesen Klüngel von Bonzen so belogen und betrogen wie selten in der sächsischen Geschichte. Bei den letzten LANDTAGSwahlen hatten die NICHTWÄHLER die ABSOLUTE MEHRHEIT. Die Menschen haben die Schnauze gestrichen voll von dieser Politik. Die Pegida-Demos sind doch nur ein Ventil dieser asozialen Gesellschaftsentwicklung. Nach den Ereignissen in Frankreich könnten sich die Demonstrantenzahlen hier in Dresden noch erhöhen.


    Ich kann die Opfer und Täter von Paris nur in mein Gebet einschließen und Gottes Ratschluß überantworten. Mehr bleibt mir DANACH nicht mehr zu tun.


    MfG Walter Hilton


  • Das bezieht sich jetzt alles ein bisschen sehr auf den Islam, aber damit ja auch auf den Anlass. Was im Namen Allahs geschieht, ist eben der aktuell plakativste Ausbruch religiöser Idiotie. Das heißt nicht, dass anderswo kein Gefahrenpotential liegt. Früher lag es ausschließlich dort. Und wir alle wissen, dass die Vergangenheit nie verschwindet. Die Erklärung, dass das Christentum während der vergangenen Jahrhunderte eine Entwicklung durchgemacht hat, die dem Islam noch bevorsteht, kommt mir zu einfach vor - in beiderlei Hinsicht.


    Tom
    Die Aussage ist nicht korrekt. Der Islam hat von Anfang an eine ziemlich rigide Eroberungspolitik betrieben. Die Machtfrage innerhalb dieser religiösen Bewegung nach dem Tod Mohammeds wurde heftig und grausam geführt. Bei den Eroberungen ging man nicht weniger brutal vor. In den eroberten Gebieten gab es dann allerdings zeitweise friedliche Phasen mit großer Toleranz anderen Religionsgemeinschaften gegenüber.


    Dies nur, um die allzu plakativen Behauptungen etwas zu ergänzen.


    Viel wichtiger erscheint mir aber die Frage, wie es zu solchen Bewegungen kommt. Der Islam entstand beispielsweise in einem Umfeld großer sozialer Probleme. Das Christentum wuchs unter der römischen Eroberung und Unterdrückung. Missbrauch religiöser Ideen für machtpolitische Zwecke ist so leicht umzusetzen. Gilt aber auch für andere - nichtreligiöse - Ideen, wie man an der Ukraine sieht (und nicht nur dort). Gleichwohl ist der Einsatz von religiösen Ideen zur Manipulation von Menschen sehr viel einfacher, als jede andere Ideologie. Man muss ja nichts beweisen und kann alles behaupten. Sogar das man aus übermenschlicher (göttlicher) Weisung handelt.


    Dies alles funktioniert um so besser, je ungebildeter und je notleidender die Menschen sind. Meines Erachtens sind Bildung und soziale Absicherung die beste Voraussetzung um den Einfluss religiöser Unterdrückung zu minimieren.

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    Emanuel von Bodmann


  • Ach, Breivig ist ein Arsch, und die gibt es überall! Solche finden immer einen Grund, so viel Schaden wie möglich anzurichten. Die legen ein Strohfeuer nach dem nächsten und freuen sich, dass die Zündschnur immer weiter gereicht wird.
    Die stoßen einen Dominostein an, und die Menschen hauen sich die Köpfe ein.


    Vielleicht bin ich in dem Punkt pessimistisch, aber ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es Menschen gibt, deren einzige Intention es ist, so viel Schaden wie möglich anzurichten, und die es immer schaffen werden, die Mühlen in Gang zu halten.


    Über Religion möchte ich gar nicht diskutieren.

    "Die Literatur hat ihren eigenen Wahrheitsgrund." Jan Drees

  • Doch. Das Christentum hat ein paar Jahrhunderte mehr auf dem Buckel als der Islam.


    Das ist zwar richtig, du schriebst aber auch, dass es früher Gefahrenpotentiale ausschließlich dort gab. Das ist nicht korrekt, nicht das Alter der religiösen Bewegung. Ausgeklammert sind auch Probleme anderer religiöser Bewegung in der Zeit bis zur Entstehung des Islam. Und die gab es in den frühen Jahrhunderten zu Hauf.

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  • Was wir hier alle wissen und die schießenden Dumpfbacken nicht: Die Feder ist mächtiger als das Schwert!


    Die Dumpfbacken tun auch nur das, was jemand anders mal niedergeschrieben hat. Die Dumpfbacken nehmen ernst, was ihr heiliges Buch sagt. Und da frage ich mich, wer näher am wahren Islam und wer die Randgruppe ist. Die schießenden Dumpfbacken oder die dumpfen Spießer, die mitmachen, weil es in ihrer Gesellschaftsordnung Mainstream ist und ansonsten mit den Schultern zucken aber mit den Dumpfbacken nichts zu tun haben wollen.
    Desweiteren wird immer gerne der Unterschied zwischen einer Religion/Ideologie, diesbezüglich spezielle Organisationen bzw. Konfessionen/Auslegungen der Ideologie und einzelnen Personen übersehen. Auch in diesem Strang. Der Anhänger einer mißtratenen Ideologie kann ein friedliebender Mensch sein, der niemandem etwas zuleide tun kann, das macht die Ideologie nicht besser. Und der Verweis auf ein paar wenige extreme Einzelfälle, die die Ideologie im Exzeß befolgen, entschuldigt die Ideologie auch nicht. Von ein paar extremen KZ-Mördern könnte man dann ja auch nicht folgern, daß Nationalsozialismus schlecht sei, die Millionen anderer Anhänger sind schließlich ganz brave Bürger, die mit sowas schrecklichem nichts zu haben wollen oder gar davon wissen.

    Περὶ θεῶν λέγε, ὡς εἰσἰν. Von den Göttern sage: sie sind. (Bias von Priene)
    [buch]3939459801[/buch]

  • Charlie ist nicht tot - die Franzosen stehen hinter der Zeitschrift und es werden zig mal mehr Exemplare gekauft. Man kann den Franzosen ziemlich viel nehmen, aber eines nicht: die Freiheit. Und als solches sehen sie den Anschlag, als einen Hieb gegen la liberté.
    Gefährlich ist es, wenn jetzt die Barrikaden gestürmt werden. Ganz im Ernst: mein Monsieur ist als Offizier in Bereitschaft. Und DAS finde ich null witzig.

  • AnMa

    Zitat

    Die Dumpfbacken tun auch nur das, was jemand anders mal niedergeschrieben hat. Die Dumpfbacken nehmen ernst, was ihr heiliges Buch sagt. Und da frage ich mich, wer näher am wahren Islam und wer die Randgruppe ist. Die schießenden Dumpfbacken oder die dumpfen Spießer, die mitmachen, weil es in ihrer Gesellschaftsordnung Mainstream ist und ansonsten mit den Schultern zucken aber mit den Dumpfbacken nichts zu tun haben wollen.
    Desweiteren wird immer gerne der Unterschied zwischen einer Religion/Ideologie, diesbezüglich spezielle Organisationen bzw. Konfessionen/Auslegungen der Ideologie und einzelnen Personen übersehen. Auch in diesem Strang. Der Anhänger einer mißtratenen Ideologie kann ein friedliebender Mensch sein, der niemandem etwas zuleide tun kann, das macht die Ideologie nicht besser. Und der Verweis auf ein paar wenige extreme Einzelfälle, die die Ideologie im Exzeß befolgen, entschuldigt die Ideologie auch nicht. Von ein paar extremen KZ-Mördern könnte man dann ja auch nicht folgern, daß Nationalsozialismus schlecht sei, die Millionen anderer Anhänger sind schließlich ganz brave Bürger, die mit sowas schrecklichem nichts zu haben wollen oder gar davon wissen.

    Danke für diesen Beitrag, AnMa. Er entspricht im Wesentlichen exakt dem, was Hamed Abdel-Samad in dem von mir verlinkten Artikel ausfuehrt. 8-)

    Einmal editiert, zuletzt von Manuela ()

  • Charlie ist nicht tot - die Franzosen stehen hinter der Zeitschrift und es werden zig mal mehr Exemplare gekauft.


    Dass die Zeitschrift jetzt vermehrt verkauft wird, davon war auszugehen. Es bleibt aber abzuwarten, was langfristig daraus wird. Selbst wenn man pragmatisch davon ausginge, dass die Ermordeten fachlich zu ersetzen wären - ihren Familien und Freunden sind sie als Menschen sicherlich nicht zu ersetzen: Welchen Effekt werden diese Morde haben ...? Die Redaktion stand ja schon unter Polizeischutz ...

  • ies alles funktioniert um so besser, je ungebildeter und je notleidender die Menschen sind. Meines Erachtens sind Bildung und soziale Absicherung die beste Voraussetzung um den Einfluss religiöser Unterdrückung zu minimieren.

    Richtig: Bildung, soziale Absicherung aber auch ganz banal: Bindung!
    Es geht hier keiner wirklich auf meine Überlegung ein, vielleicht bin ich komplett auf dem Holzweg? Aber leuchtet nicht ein, dass ein gefestigter, beziehungsfähiger Mensch unempfindlicher gegenüber Ideologien ist? Was ist mit diesen jungen, überwiegend, Männern?

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt

  • Richtig: Bildung, soziale Absicherung aber auch ganz banal: Bindung!
    Es geht hier keiner wirklich auf meine Überlegung ein, vielleicht bin ich komplett auf dem Holzweg? Aber leuchtet nicht ein, dass ein gefestigter, beziehungsfähiger Mensch unempfindlicher gegenüber Ideologien ist? Was ist mit diesen jungen, überwiegend, Männern?

    Liebe Stefanie,


    junge, ungebundene Männer sind allgemein die größte Tätergruppe in der Gewaltkriminalität. Ich erinnere mich da an Kriminologie im ersten Semester. Bildung, Sicherung - ja, klar. Ist nur schwierig umzusetzen. Gewalttätigkeit hat oft gemeinsame Ursachen, ob die Täter nun Anders, Abdullah oder Wolfram heißen.


    Einfache Lösungen wie: Das liegt am Islam! An der Religon! An den manipulierbaren Gläubigen! - führen dazu . Dann beschießen manipulierbare Wer-auch-immer muslimische Einrichtungen. Das sind Schein-Erklärungen für Denkfaule.


    Dein Ansatz geht viel tiefer, Stefanie. Allerdings befriedigt er auch nicht so sehr und nicht so schnell. Man kann nicht alles haben.


    Herzliche Grüße,


    Alexander

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Genau: tiefer will ich. Die Ursachen im Menschen ergründen. Frieden kann nur so gehen, wenn Menschen in die Lage gebracht werden, über sich selbst zu reflektieren, Mitgefühl zu empfinden und Bindung zu leben. Diese und nur diese "Lage", dieses Umfeld ist ein Staat verpflichtet, zu ermöglichen. Aber darin versagt er weltweit.


    Jungen sind heute überwiegend von Frauen erzogen und beschult, mit allem vermeintlich weiblichen Ansprüchen zugeschüttet, ohne ihre stereotyp männlichen guten Anteile von Vorbildern abzugucken und auszubilden. Väter sind seit der Zeit der Industrialisierung mehr und mehr abwesend in den Familien. Und seit einigen Jahrzehnten haben Kinder schon ab dem zweiten Lebensjahr oder sogar früher, auch kein "Recht" mehr darauf, wenigsten die Mütter als täglichen, verlässlichen Punkt zu erleben. Alle diese wichtigen kleinen, psychischen Entwicklungsschritte muss es aufgeteilt auf Erzieherinnen, Mitkinder in den diversen Einrichtungen und auf die Eltern von 17Uhr bis zur Bettzeit "erledigen". Wo ist Platz für die ausgedehnte Trotzphase, wenn ein Kind schon von früh auf lernt, jeden morgen parat zu stehen? Zu welcher Person ist die Bindung am stärksten und kann das Kind erleben, dass es sich von ihr abgrenzen kann und dennoch geliebt wird?
    Im Eiltempo und großen Pulk klappt sowas nicht. Mir tun die Kleinen leid. Funktionieren steht im Vordergrund heutzutage. Aber wer weiß, Hirne lernen ja nachhaltig und die Wirtschaft wird uns schon alle umerziehen zu braven Leistungserfüllern und "Nicht-Geborgenheit-Benötigern". Sanktionen per Hartz IV, Leistungstest schon im Kindergarten... Diese Affekte der Gewalt sprechen Bände und Psychologen und Soziologen wissen schon lange, was da falsch läuft. Keiner hört auf sie. Es wird eben nur herum gedoktert und geflickt. Boah, wo ist bloß mein Equilibrium wieder. :frust

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  • Hallo, Alexander.


    Obwohl die Hintergründe des Anschlags längst nicht feststehen, deuten alle bekannten Informationen darauf hin, dass die Täter zumindest von sich meinten, religiöse Motive zu haben. Wie bei den unfassbar zahlreichen Anschlägen, die es in den letzten Jahren weltweit gegeben hat, wobei vermutlich - so behaupten jedenfalls einige Politiker - noch eine erkleckliche Anzahl verhindert wurde, entsprangen diese religiösen Motive einem ganz bestimmten Hintergrund. So verhält es sich - leider - auch, was die kriegerischen Auseinandersetzungen anbetrifft, die derzeit auf dem Planeten stattfinden (einzige Ausnahme: Ukraine). Es sind, wie der Kabarettist Dietmar Wischmeyer heute irgendwo richtig angedeutet hat, keine Mormonen oder Buddhisten oder FSMler (Ergänzung von mir), die da metzeln und morden, sondern nahezu ausschließlich Leute, die sich auf den Islam beziehen. Das bedeutet zwar keineswegs, dass diese Religion generell zu verurteilen wäre, jedenfalls nicht über das hinaus, was man an allen Religionen verurteilen könnte, aber es legt zumindest den Schluss nahe, dass vor allem hier etwas geschieht, das die allseits beliebten Einzeltäter- oder Zellentheorien zumindest ins Wanken geraten lässt. Damit spreche ich nicht von einer islamischen/islamistischen Verschwörung oder ähnlichem, sondern von etwas, das man vielleicht als "Werteverschiebung" bezeichnen könnte. Es ist absolut in Ordnung, unermüdlich zu wiederholen, dass die meisten Muslime, dass eine überwältigende Mehrheit der Muslime gegen all das ist, dass diese Menschen friedfertige, soziale und verantwortungsvolle Mitbürger sind, aber das ändert nichts daran, dass die meisten Gewalttaten bestimmter Kategorien einen bestimmten Hintergrund haben. Es wäre ebenso falsch, das zu ignorieren, wie es falsch ist, es überzubewerten oder daraus Schlüsse zu ziehen, die die falschen Leute betreffen.
    Ginge es um Katholiken, wäre das Prozedere vergleichsweise einfach. Der Papst würde erklären, dass die Täter im Höllenfeuer landen - unfehlbar, wie er nun einmal ist, wäre das sicher wirksam. Aber die Muslime haben keinen Papst. Es gibt nicht einmal "die Muslime". Es gibt Gemeinden, zuweilen (kaum akzeptierte) Organisationen, und dann ganz, ganz viele Grüppchen, Gruppen und Strömungen. Und es gibt den Koran. Die einen - die meisten - beherzigen Sure 5, Vers 32, die anderen haben Sure 9, Vers 5 fest im Blick. Einen, der ihnen erklärt, was davon richtig ist, gibt es nicht.