vom richtigen Zeitpunkt

  • Wann ist der Moment, ein Großprojekt wie einen Roman in Angriff zu nehmen? Seit einem Jahr habe ich das Gefühl, hier permanent zu früh oder zu spät mit zu sein. Sprich - Romananfänge ohne Ende.


    Fange ich wild drauflos mit dem ersten Kapitel an, stecke ich nach einer Woche fest und habe keine Lust mehr. Schreibe ich erst den Plot, wird mir das Projekt zu fade, bevor ich die ersten Worte geschrieben habe.


    Und vielleicht liegt es auch ganz woanders dran: Wenn ich diesmal was zuende schreibe soll es besser sein als beim ersten Mal (ihr werdet schon noch sehen, was ich meine ;)) und alle Anfänge sehen irgendwie doof aus.

    “Life presents us with enough fucked up opportunities to be evaluated, graded, and all the rest. Don’t do that in your hobby. Don’t attach your self worth to that shit. Michael Seguin

  • Hallo Marvin,


    schreib IRGENDEINEN Anfang, Hauptsache, Du kommst in die Geschichte hinein.


    Der Anfang ist meiner Erfahrung nach der Abschnitt eines Textes, der am häufigsten nachher überarbeitet wird.


    Aber wenn Du den Monitor anstarrst oder in der Theorie Inhalt konstruierst, wirst Du wahrscheinlich nie weiterkommen.


    Es gibt Menschen, die können das: erst detailiert plotten, dann einfach das Gerüst mit Text ausfüllen.
    Ich könnte das auch nicht. Ich weiß aber auch aus meiner Schreiberfahrung im Journalismus (wo man ja immer ziemlichen Zeitdruck hat), dass es nur einen Weg gibt, um einen Text zu schreiben: Man muss anfangen. Erst im Prozess des Schreibens strukturieren sich Deine Gedanken, Du strukturierst sie sozusagen selber beim Schreiben neu.


    Es kann gut sein, dass Du die ersten zwanzig Seiten nachher verwirfst, aber ab S. 21 weißt Du dann, was Du mit dem Text machen möchtest, und dann musst Du den Anfang nachjustieren oder komplett neu schreiben.


    Liebe Grüße
    Anja

  • Hallo, Marvin.


    Irgendwo habe ich sinngemäß gelesen: Es gibt da draußen wahrscheinlich Millionen Romananfänge, die nach dem obligaten Goethe-Zitat fulminant beginnen und dann auf Seite 30 versanden.


    Ich habe davon auch einige auf Halde. Sehr einige. ;)


    Das ist kein Weg, jedenfalls für mich nicht, wie ich herausgefunden habe. Anfänge verkaufen zwar Romane, aber sie sind nicht die richtige Basis, um Romane zu entwickeln. Man sollte der Versuchung widerstehen, einfach loszuschreiben, lieber die guten Formulierungen irgendwo notieren, die einem eingefallen sind. Und stattdessen erst die Geschichte entwickeln: Ein Treatment, dann ein Exposé. Und nur wenn das überzeugt, stimmig ist, auch mit dem Schreiben anfangen. Alles andere krepiert noch im Rohr.

  • Herrjeh, wie soll ich dir zu einem Problem einen Rat geben, das ich selber habe? Ich habe 3 Romane fertig geschrieben, teils sogar recht zügig und bis auf einen, keinen richtig überarbeitet. Dann habe ich bis zu zehn Projekte in der Schublade, zwischen denen ich seit über einem Jahr immer wieder hin- und herhüpfe. Mal da was geplottet, da die ersten zwei Kapitel geschrieben, einen vierten Roman bis aufs Ende geschrieben, da mal eine Textprobe, hier recherchiert bis zum geht nicht mehr, dort den Hintergrund abgeklopft - und nichts wird fertig, weil ich mich einfach nicht entscheiden kann.

  • Hallo Tom,


    stimmt nicht :).
    Ich habe zunächst nur ein Grobgerüst im Kopf. Ich muss in den Text einsteigen, damit er sich entwickelt. Während des Schreibens notiere ich mir dann sämtliche Ideen, egal, ob tragfähig oder nicht. Die schaue ich mir dann sogar ab und zu wieder an, aber die, die für meine Texte brauchbar sind, behalte ich ohnehin im Gedächtnis.


    Es geht andersrum, glaub mir. Bei mir liegt zwar auch schubladenweise Text auf Halde, der nie über Seite 30 rausgekommen ist. Aber ich habe mit meiner Technik auch schon Texte zu Ende bekommen.
    Man muss nur nachher einen sehr analytischen Blick auf den eigenen Text werfen und wirklich so nacharbeiten, dass am Ende eine in sich schlüssige Geschichte entsteht.


    Liebe Grüße
    Anja

  • Hallo Marvin,


    egal, welcher Weg der beste für jeden Einzelnen ist: Wenn Du Romane schreiben willst, gehört dazu auch, durchzuhalten, es zu schaffen, einen Geschichte fertig zu erzählen. Egal, wie gut oder schlecht, aber rund, nachvollziehbar, miterlebbar, den roten Faden gelegt, sich nicht verloren haben - fertig eben.


    Dieses gehört zum Handwerk dazu. Wenn Du das noch nicht beherrschst, was in Deinen Worten anklingt, dann solltest Du Deine Ansprüche an die Qualität (zunächst) etwas zurückschrauben und einmal ein Projekt zu Ende führen, sonst wird das nix.

  • Hallo, Anja.


    Seit fast 10 Jahren gibt es diese "Romananfänge auf Halde" bei mir nicht mehr. ;) Davor habe ich Dutzende produziert.


    Jedem Tierchen undsoweiter. Bei mir klappt es so und ich weiß von vielen Autoren, dass sie sich auch dazu zwingen, nicht loszuschreiben, bevor sie wissen, wo die Reise hingehen soll. Ob man ein "Grobgerüst" baut oder Treatment und Exposé entwickelt, nimmt sich nicht viel. Man sollte m.E. einfach wissen, welche Geschichte man erzählen will. Man geht ja auch nicht in den Supermarkt, schmeißt allen möglichen Krempel in den Wagen und fragt sich dann an der Kasse, was davon man eigentlich benötigt.

  • Hallo Tom,


    gut, so ein Grobgerüst habe ich natürlich auch.
    Aber ich brauche keinen kompletten Plot vorher mit genauer Szenenfolge.


    Und bei Marvin scheint es eher so zu sein, dass er vorher schon wissen möchte, dass es nach seinem Konzept dieses Mal sicher klappt.


    Und so ein Konzept gibt es meiner Ansicht nach nicht.


    Da funktioniert nur die Lerning-by-Doing-Methode: macht fängt mal und sieht dann, ob es klappt. Zumindest für die ersten Jahre scheint das fast so eine Art Regel zu sein. Du hast Dich ja genauso durch den Berg arbeiten müssen, bis Du so weit warst, dass Du zielgerichtet schreiben konntest :).


    Mir kann es übrigens beim Schreiben durchaus passieren, dass ich Ideen verwerfe oder die Reise eine etwas (allerdings nicht grundlegend) andere Richtung nimmt als ursprünglich geplant.


    Und zum Einkaufen: Ich kenne tatsächlich jemanden, der nach dem Prinzip einkauft. Der kocht allerdings nicht (ich rede nicht von mir selber, ich mache inzwischen sogar Einkaufslisten). Du siehst: Sogar das gibts :D.


    Liebe Grüße
    Anja

  • Finde einen Plot auch unverzichtbar...übrigens egal ob ich kürzeste Lyrik, längste Geschichten oder unsere Theaterstücke schreibe. Muss doch wissen, wo ich hin will...jedenfalls ungefähr...der Rest ist günstigenfalls dann ein Fließen lassen...Material durchforsten, dass ich zusammengetragen habe...und dieses dann einflechten...


    ...antwortet dir, lieber Marvin eine, die noch ganz am Anfang steht...also Vorsicht mit... :rolleyes
    LG Stefanie

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt

  • Zitat

    Original von Petra E
    Ja, aber wie entscheidet ihr euch für ein Projekt? :(


    Ich schließe mich der Frage nachdrücklich an ... :dichter

    Frau: "Warum müssen Frauen immer still sein?"
    Mann: "Weil sie dann länger schön bleiben."
    (Der Hexer, 1964)

  • Ich bin zu meinem Roman ganz anders gekommen und wenn ich mich auf das Abenteuer des Romanschreibens noch einmal einlassen sollte, dann nur so.


    Ich habe eine Kurzgeschichte geschrieben.
    zum Veröffentlichen war sie nicht gedacht.
    Weil ich das Thema und die Figuren so interessant fand, hat sie mich nicht mehr losgelassen.
    Zuerst war der Gedanke da, das könnte etwas Längeres werden.
    Ich wußte ja, wie die Geschichte endet, was aus den Figuren wird usw.
    Ein Exposee habe ich vorher nicht geschrieben.
    Ich habe einfach den Figuren Raum gegeben, das Personal erweitert.


    Ich muss allerdings einräumen, dass das Schreiben nicht nur ein Spaziergang gewesen ist.
    Der erste und der vierte Teil machten sich von allein.
    Der dritte Teil war Arbeit, weil ich mich auf fremdes Terrain begab und sehr viel recherchieren musste. Also Arbeit - aber interessant.


    Der zweite Teil war Qual. Hier musste ich dann allerdings ein Gerüst einziehen.
    Selber Schuld, in meiner Kurzgeschichte kam der 2. Teil gar nicht vor.
    Meine Figuren haben mich dazu überredet - genötigt, würde ich eher sagen.



    Ich würde einen Roman nur wieder mit einer schlüssigen Kurzgeschichte beginnen.
    Einfach mit einer Idee anfangen? Das geht für mich gar nicht und bei einer zu genauen Vorplanung würde aus der Idee bald die Luft raus sein.


    Aber eins kann ich sagen: Es ist einfach genial sich von einer Romanidee tragen zu lassen. Wenn man seine Figuren gut kennt, beginnen die ein eigenes Leben zu entwickeln. Das ist wirklich unbeschreiblich schön!


    Grüße
    Topi

    Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
    wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.


    Mark Twain

  • Hat Marvin nicht nach dem eigenen "Reifepunkt" gefragt? War mir so...
    Auf die Frage von Petra E:
    Es muss mich drängen und pieksen, nicht loslassen und dann...ein ganz wichtiger Zeitpunkt...ich muss die Zeit dazu haben.
    Die Diskrepanz, die sich daraus ergibt nervt mich oft ganz extrem.

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt

  • Zitat

    Original von Berit


    Ich schließe mich der Frage nachdrücklich an ... :dichter


    So wie ich mich im Leben für alles entschieden habe (z.B. auch bei Auswahl von Frau, Hund, Haus und Beruf): Ich wähle blind das Risiko, entscheide garantiert falsch und versuch dann das Beste daraus zu machen :D


    Das funktioniert weitgehend ;)


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von Tom


    Ich mache das gute. =)


    Ach, so war das :kopfhau Wenn wir dich nicht hätten. :streichel1

    Frau: "Warum müssen Frauen immer still sein?"
    Mann: "Weil sie dann länger schön bleiben."
    (Der Hexer, 1964)

  • Um die Frage ernsthaft zu beantworten: Ich sammle Ideen und lasse sie reifen, meistens sogar, ohne irgendwas aufzuschreiben. Irgendwann gewinnt eine der Ideen die Oberhand und wird gedanklich zu einer Geschichte ausgearbeitet. Und erst dann setze ich mich hin und entwerfe den Plot. Wenn der mir auch noch gefällt, mich also überzeugt, fange ich damit an, ihn umzusetzen. Meistens in dieser Phase bereits unter Hinzuziehung von Agentur und/oder Lektorat.

  • Zitat

    Original von Tom
    Meistens in dieser Phase bereits unter Hinzuziehung von Agentur und/oder Lektorat.


    Das stelle ich mir spannend vor...und evtl. nervenaufreibend?



    Topi: Danke vor mir, für deine genaue Ausführung. Finde ich spannend.

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt

  • Zitat

    Original von Horst Dieter
    So wie ich mich im Leben für alles entschieden habe (z.B. auch bei Auswahl von Frau...: Ich wähle blind das Risiko, entscheide garantiert falsch und versuch dann das Beste daraus zu machen :D



    Horst-Dieter


    Hast du mal mit deiner Frau darüber gesprochen? ;)


    Topi


    deiner natürlich --- nicht einer---gerade geändert

    Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
    wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.


    Mark Twain

    Einmal editiert, zuletzt von Topi ()