Und je länger sie ihn ansah, umso mehr begann er, einem Leoparden zu ähneln. Bis er schließlich ... Verdammt, dachte sie, der gehört doch nun wirklich gar nicht in diese Geschichte.
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Leopard, überlegte sie weiter, was will der hier oder sind es einmal wieder diese verdammten Halluzinationenb, und siehe, während ich das dachte, verschwand er, Gott sei es getrommelt.
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Epi log!
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"Epilog", dachte sie. "Welche Stimme hat da gerade etwas von Epilog geflüstert? Nur weil jetzt dieses Raubtier da steht und mich ansieht, als wäre ich sein Nachmittagsimbiss, ist die Geschichte noch lange nicht beim Abspann angekommen."
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Wieder eine Stimme - nein, ich kann sie nicht gebrauchen, diese Stimme, aus der die Ungeduld brüllt.
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Leopold und nicht Leopard, diese Stimme gehörte ihm und ihr innerer Schweinehund hatte sie einfach mal wieder zum Narren gehalten, aber jetzt würde sie sich konzentrieren.
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Und dann kam Anne D.
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"Jede, bloß die nicht", dachte sie. "Nicht jetzt." Anne D. trug Konfektionsgröße Null, hatte lange Locken und dieses widerlich unschuldige Gesicht, das bei jedem Mann sofort Beschützerinstinkte wachrief. Und wohl auch noch ein paar mehr Instinkte.
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„Huhu, Helen!“, rief Anne D. schrecklich konfektionslos, „wie gut, dass ich dich treffe, Süße, ich muss unbedingt mit dir reden, über Leopold, er ist ja soooo süss, aber er interessiert sich überhaupt nicht für mich!“, schluchzte sie und presste ein paar peinliche Krokodilstränen aus ihrem Kindchenschema.
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Leopold! - bei der bloßen Erwähnung des geliebten und doch so verhassten Namens aus dem Mund dieses Miststücks, das sich ausschließlich von Komplimenten und Selterswasser zu ernähren schien, umklammerte eine eisige Hand Helens Herz und presste es zusammen.
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Sonst hilft das ja. Das Kindchenchema. Aber Leopard und Haifisch - der mit Fluppe im Mundwinkel - die waren auf einmal gegen das Krokodil und diese Tränen. Und das war Anna D. denn doch zu viel pralles Leben. Hilfe, schrie sie, mit tonloser Stimme, aber so einer Oktave, daß ringsum alle entsetzt die Augen aufsperrten und peinlich berührt am liebsten ganz klein geworden wären.
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Sie wusste, es gab nur noch eine Hallidon, die sie einnahm und entzückt raste sie ihrem Ende entgegen.
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Helens Apokalypse läutete die große Stunde von Leopard und Haifisch ein, auch wenn die beiden durch den tonlosen Schrei der Gläserspringenlassenoktavenstimme nun auf ein Zehntel ihrer normalen Körpergröße geschrumpft waren.
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»Hilfe« schrie sie noch einmal und zeigte auf Leopard und Haifisch. »Die machen mich zu einer anderen. Ich bin nicht AnnA, ich bin AnnE, und wer mich kennt, nennt mich Änn – Änn D.
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Der hat ein Rad ab, total surreal, und unendlich dumm.
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So eine üble Nachrede wollten weder der Haifisch noch der Leopard auf sich sitzen lassen und schlossen sich zu einer Gruppe zusammen, der beizutreten AnnE D. aufgrund ihrer schrecklichen Konfektionslosigkeit auf immer verwehrt bleiben musste.
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„Haifisch?“ Mit aller ihr verbliebenen Kraft versuchte AnnE D. die Lider ihrer Augen noch einen Spalt weit offen zu halten, um den Schemen, der sich über sie beugte, deutlicher sehen zu können. „Leopard?“ Sie stutzte. „Jo ... Jochen?“, hauchte sie in seligem Erkennen. Und indem das Leben aus ihr wich, bewegten sich sanft die cremefarbenen Vorhänge vor dem offenstehenden Fenster, erzitterten die Blätter der mächtigen Pappel und füllten raunend die Schwärze der Neumondnacht.
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Kein Mensch hat zur Kenntnis genommen, dass Epi fortwährend die Unwwahrheit sagt. Also gut, dachte sie sich, dann mache ich jetzt weiter, aber richtig. Ich werde die Reichen und Schönen aufsuchen und so anschwindeln, dass etwas von deren Glanz und Reichtum an mir haften bleibt. Je dicker ich auftrage, um so mehr werde ich bekommen. Das ist in diesen Kreisen ja wohl üblich.
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Ha, die Reichen und Schönen, ich habs mir überlegt, bin ich denn blöd, bei denen herumzuschmarotzern, denn schön sind sie nicht, aufgeplustert, voller Farbe, aber ich, durchsichtig und vom Wesen her undurchsichtig, mit einer Stimme, die im Laufe der Geschichte zu mir kam, ich werde mich auf die große Brücke setzen, da an der Moldau, mal schauen, was passiert, wenn ich als Undurchsichtige spreche.
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Und wenn ich eine Brücke in Prag nehme, wer weiß, vielleicht kommt ja eines Tages Mozart vorbei und schreibt einen neuen "Don Giovanni", extra für meine Stimme. Ich schaffe mehr Höhen als jede Koloratursopranistin weltweit.