Vom »Glauben« an den Zufall …

  • Zitat


    Die Wahrscheinlichkeit, dass die Erde per Zufall entstanden ist, ist aus mathematischer Sicht genauso groß wie die Wahrscheinlichkeit, dass nach der Explosion einer Druckerei ein mehrbändiges Lexikon auf der verbrannten Erde steht. Wer das glaubt - und das tun die meisten Wissenschaftler - ist gläubiger als jedes Sektenmitglied.


    Dieses Zitat, von mir willkürlich und absichtlich aus dem Zusammenhang gerissen ;) findet sich in diesem Interview. Dr. Michael Schröter-Kunhardt berichtet über seine Forschung zu Nahtoderfahrungen. Lesenswert, gut zum diskutieren und streiten und noch für einige andere Zitate nutzbar, die man da herausreißen kann :D


    Mir gefällt jedenfalls das obige Zitat ausgesprochen gut, auch wenn ich damit gar nichts anderes beweisen will als das es da nichts zu beweisen gibt.


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Lesenswert, gut zum diskutieren und streiten und noch für einige andere Zitate nutzbar, die man da herausreißen kann :D


    Dann reiße ich mal noch ein Zitat heraus:


    Zitat

    Ich bin aber durch die Beschäftigung mit der Sterbeerfahrung wieder
    religiös geworden. Hier habe ich die Möglichkeit gesehen, Wissenschaft
    und Religion wieder zu vereinbaren.

    Ich nehme an, mit "Wissenschaft" meint der Nervenarzt Dr. Schröter-Kunhardt die Naturwissenschaft. Weil es hier keinen betrifft, erlaube ich mir zu schreiben: Das halte ich für Blödsinn. Glaube und Wissen haben rein gar nichts miteinander zu tun. Wo das sichere Wissen einen "Glauben" verdrängt, gibt es keinen Glauben mehr.


    Ich las einmal ein Buch des polnischen Philosophen Leszek Kolakowski, Originaltitel: "If there is no God". Kolakowski hatte damals einen Lehrstuhl in Stanford und untersuchte die Religiosität bei seinen amerikanischen Kollegen aus Natur- und Geisteswissenschaften. Ergebnis: Unter Naturwissenschaftlern war die Religiosität erheblich höher als unter Geisteswissenschaftlern.


    Kolakowski erklärte das Ergebnis damit, dass die Naturwissenschaften wertfrei seien. Sie vermittelten dem Menschen kein System für seine Weltanschauung. Jede Naturwissenschaft stoße bei der Frage nach dem "Warum?" an eine Grenze, die mit Wissen nicht mehr zu füllen sei. Deshalb gehört der Glaube nach Kolakowski geradezu zum naturwissenschaftlichen Weltbild.


    Herzliche Grüße,


    Hugo

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • In diesem Zusammenhang verweise ich auf Josef Pieper. Der erläutert in einem von der Zeit mit beklagenswert kapriziöser Typografie wiedergegebenen Artikel aus dem Jahr 1953, dass die wahre Philosophie eine christliche sein müsse.

  • In diesem Zusammenhang verweise ich auf Josef Pieper. Der erläutert in einem von der Zeit mit beklagenswert kapriziöser Typografie wiedergegebenen Artikel aus dem Jahr 1953, dass die wahre Philosophie eine christliche sein müsse.


    Liebe blaustrumpf,


    ich weiß nicht genau, ob du mit deinem Beitrag und deinem Link auf Kolakowski abstellst, aber der war noch Atheist, als er "If there is no God" schrieb.


    Herzliche Grüße,


    Hugo

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Der Begriff "Zufall" ist kein mathematischer, und auch "echte Zufallszahlen" (die. es. nicht. gibt.) erzeugen Mathematiker mit Hilfe physikalischer Systeme (z.B. über radioaktiven Zerfall). Was unsereins - also Nichtmathematiker - "Zufall" nennen, hat darüber hinaus wenig mit jenen Theorien zu tun, die die Entstehung der Welt ohne Einfluss denkender/übergeordneter Systeme zu erklären versuchen.

  • Der Begriff "Zufall" ist kein mathematischer, und auch "echte Zufallszahlen" (die. es. nicht. gibt.) erzeugen Mathematiker mit Hilfe physikalischer Systeme (z.B. über radioaktiven Zerfall). Was unsereins - also Nichtmathematiker - "Zufall" nennen, hat darüber hinaus wenig mit jenen Theorien zu tun, die die Entstehung der Welt ohne Einfluss denkender/übergeordneter Systeme zu erklären versuchen.


    Hawking spricht neuerdings davon, dass Universen und Multiversen zufällig aus dem Nichts flirren und wieder verschwinden.

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    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • In der funktional-deterministischen Weltsicht, die die meisten Naturwissenschaftler teilen, hat Tom Recht: "Zufall" ist ein Platzhalter für Dinge, die nicht oder nicht vollständig erklärt werden können, z.B. weil Millionen umherschwirrende Staubpartikel beteiligt sind oder Makroelemente wie Menschen, die bereits in sich unglaublich komplex sind. Bliebe noch die Quantenmechanik für die kleinsten Teile, in der es aus Sicht der Makroebene echten Zufall gibt. Doch diese Zufälle mitteln sich auf Makroebene, soweit ich weiß, fast immmer raus, sonst würde z.B. kein CD-Spieler funktionieren.


    Das Eingangszitat halte ich längst durch das anthropische Prinzip (in seinen Varianten) für widerlegt: In Universen ohne komplexes Leben ist niemand da, der so ein Universum für wahrscheinlich halten kann.


    Mit 20 oder so habe ich ein Buch über Nahtoderfahrungen eines Dr. Murphy, glaube ich, gelesen. "Zum Licht". Damals hat mich das beeindruckt, weil er nur junge Menschen beschrieben hat, die ausdrücklich nicht aus religiösem Umfeld kamen. Heute zeigt das für mich nicht mehr, als dass das Gehirn, wenn es stirbt, oft nochmal eine finale Hormondusche spendet. Vielleicht durch Evolution erklärbar: So wird den Menschen die Angst vor dem Tod genommen.


  • Das Eingangszitat halte ich längst durch das anthropische Prinzip (in seinen Varianten) für widerlegt: In Universen ohne komplexes Leben ist niemand da, der so ein Universum für wahrscheinlich halten kann.



    Solange es uns nur möglich ist unsere Erfahrungswirklichkeit aus einem Universum heraus zu gestalten, ist jede Spekulation über weitere Universen auf dem Niveau vorhandener Schöpfungsmythen. Man kann sie akzeptieren - niemals widerlegen oder beweisen. Deshalb habe ich das Zitat vorgeholt: Es ist (für mich) in seiner drastischen Aussage so offensichtlich richtig, wie es gleichzeitig als objektive Wahrheit niemals in Frage kommen kann. Noch schöner sind nur noch Zen Koans.

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    Emanuel von Bodmann


  • ät Hugo
    So ich meinen Hinweis auf Josef Pieper in den Zusammenhang zu Deinem Beitrag hätte stellen wollen, hätte ich das angedeutet.


    Vielleicht durch Evolution erklärbar: So wird den Menschen die Angst vor dem Tod genommen.


    Aber zu welchem Zweck? Und wer beschlösse, dass das überhaupt notwendig sei?

  • Dieses Zitat gefällt mir und habe ich schon des öfteren gelesen.


    Das Gleiche gilt für die Entstehung des Lebens. Auch hier soll es sich immer um Zufälle gehandelt haben, doch wenn man sich allein die unterschiedlichen Zellen des menschlichen Körpers betrachtet, kommt einem das mit dem Zufall schon komisch vor. Die Komplexität der einfachsten Zellen sind erstaunlich.


    Vielleicht kommen wir noch drauf. ;)


    Liebe Grüße Birgit

  • Wenn etwas sehr unwahrscheinlich erscheint, heißt das längst nicht, dass es ausgeschlossen ist. Und wer so viele Bibliotheken verbrennt, dass die Gesamtzahl > 100 Nullen hätte, findet möglicherweise anschließend auch ein Lexikon vor. Oder eine Skulptur des Eiffelturms. Oder Eiweißmoleküle, aus denen dann später, über Milliarden von Jahren, andere Dinge entstehen.

  • Zitat

    In diesem Zusammenhang verweise ich auf Josef Pieper. Der erläutert in einem von der Zeit mit beklagenswert kapriziöser Typografie wiedergegebenen Artikel aus dem Jahr 1953, dass die wahre Philosophie eine christliche sein müsse.

    Josef Pieper stammt aus einer Zeit, in der in katholischen Kreisen kritiklos die Religion in den Vordergrund gestellt wurde. Ich bin zu dieser Zeit in Münster, wo Pieper lehrte, in eine katholische Schule gegangen und Pieper war unsere Bibel. Die Zeit hat ihn zum Glück überholt. Viel dazugelernt hat die Kirche allerdings nicht.

  • Tja. cosmea.
    Ich hatte ja das Glück, Pieper nicht durch "Vermittlung" zu erleben. Trotz des erzbischöflichen Mädchengymnasiums, in dem man der Meinung war, an einem großen Teil meiner Allgemeinbildung mitgearbeitet zu haben. Da stellt sich das, was Pieper wie sagte, vielleicht doch ein bisschen anders da.
    ;)

  • Hallo, Birgit.


    Es geht nicht darum, das zu glauben. Darum geht es nur beim Fliegenden Spaghettimonster. Und diesem Typen. Gott.


    Menschen haben ein Problem mit großen Zahlen und großen Zeiträumen. Sie sind auf ihre paar Lebensjahrzehnte fixiert und auf den kleinen Planeten, auf dem wir hocken, möglicherweise sogar nur auf die drei, vier Querstraßen, in denen ihr Leben stattfindet. Deshalb ist verständlich, wenn ihnen die Möglichkeit fehlt, in dieser Weise zu abstrahieren. Setz Dich mit drei Bauklötzen von Deinem Sohn, Neffen, Enkel hin und wirf sie, sagen wir, ein halbes Jahr lang mit beiden Händen so hoch wie es geht in die Luft, ununterbrochen. Einmal pro Sekunde oder einmal alle zwei, drei, vier, fünf Sekunden. Du wirst es vielleicht ein- zweimal schaffen, dass die Bauklötze in einer Anordnung aufeinander landen, bei der man von oben schauend nur noch ein einzelnes Quadrat sieht. Vielleicht gelingt es nie. Aber es ist möglich. Wenn die Bauklötze auch noch mit Adhäsionsmaterial beschichtet sind oder leicht magnetische Kerne haben oder was auch immer, wird es vielleicht häufiger geschehen. Anschließend wirst Du lahme Arme und ein stark verringertes soziales Umfeld haben. Du wirst trotzdem nicht verstehen, was sehr große Zahlen bedeuten, obwohl Du möglicherweise ein-, zweimal Zeuge von etwas recht Unwahrscheinlichem geworden bist, auf dessen Eintreten kein Mensch sein Leben verwetten würde (durchaus jedoch auf die Möglichkeit, dass ein Gott die Bauklötze lenkt). Du wirst weiterhin annehmen, dass die Mythen wahrer sind als das bisschen, was man heute schon beweisen kann. Das sei Dir zugestanden. Den meisten geht es nicht anders.

  • Horst-Dieter: Wenn Dein Argument stimmt, trifft es erst recht auf das Eingangszitat zu. Wenn mehrere Universen gemäß derselben Naturgesetze (aber z.B. nicht mit dem minimalen Unterschied zwischen Materie und Antimaterie) möglich sind, greift das anthropische Prinzip sehr wohl. Also: Gemäß der Konstellation unmittelbar nach dem Urknall (also: gemäß Urknalltheorie) war ein Universum wie das unsere sehr unwahrscheinlich. Wäre die Sache anders ausgegangen, hätte es keine bewussten Wahrnehmer dessen gegeben.


    @Blaustrumpf: In der Evolution passiert nichts aus einem Zweck (ein weitverbreitetes Missverständnis), und niemand beschließt etwas. Es gibt lediglich zufällige Mutationen, von denen manche besser zu den Umweltbedingungen passen und daher deren Träger überleben. Bei Nahtoderfahrungen könnte es so sein, dass Sippen, in denen jemand euphorisch von einer Nahtoderfahrung spricht, optimistischer (oder etwas in der Art) sind, was sie flexibler gegenüber der Umwelt macht als eine andere Sippe, die sich vor Todesangst apathisch verhält. Vielleicht war gar Religiosität generell ein Überlebensvorteil?

  • Auch der Kollege Schröter-Kunhardt bezieht seine originellen Stochastikbetrachtungen auf das unsrige Universum (jedenfalls den Teil, den wir erahnen können) und lässt außenvor, dass es parallel/vorher/nachher eine fantastische Menge weiterer Universen geben kann/gegeben haben kann/vielleicht geben wird (sofern unsere Zeitbegriffe nicht auch völliger Murks sind). Gäbe es nur Herrn Schröter-Kunhardt, in einer abgeschlossenen Höhle sitzend, in der sich ansonsten nur ein Ochsenfrosch befindet, ließe er vielleicht völlig andere Äußerungen vom Stapel. Wenn ich die Goldfische in meinem (nicht existenten) Aquarium fragen würde, wie die Welt entstanden ist, wäre die Antwort eindeutig - und trotzdem falsch.

  • Menschen haben ein Problem mit großen Zahlen und großen Zeiträumen. Sie sind auf ihre paar Lebensjahrzehnte fixiert und auf den kleinen Planeten, auf dem wir hocken, möglicherweise sogar nur auf die drei, vier Querstraßen, in denen ihr Leben stattfindet.

    Das mit den großen Zahlen und dem Verständnisproblem bei den Menschen sehe ich ebenfalls so. Es gibt aber eine schöne Möglichkeit, dem Menschen große Zeiträume plastisch vor Augen zu führen.


    Das Universum ist nach vorliegenden Untersuchungen (Hubble-Teleskop und Gravitationslinsen) mit 13,75 Milliarden Jahren veranschlagt. Diese Zahl sagt sich sehr schnell, aber kann ein Mensch so einen Zeitraum verstehen?


    Stellen wir uns einfach vor, wir stellen diese Gleichung auf: 1 Jahr = 1 Millimeter. Dann kommen wir beim Universum auf 13,75 Milliarden Millimeter. Das sind 13.750 km. Die Entfernung Berlin - Santiago de Chile beträgt "nur" 12.541 km. Wenn man in Gedanken diese Strecke fliegt, also in Santiago startet mit dem Ziel Berlin, dann entsteht die Erde etwa auf der Höhe von Nouakchott, der Hauptstadt Mauretaniens (oder für Puristen: etwa 1.000 km südlich der Kanarischen Inseln). Das entspricht 4,6 Milliarden Jahre.


    Wenn man gedanklich Madrid passiert, treten auf der Erde die ersten Lebensformen auf (die Gunflint-Bakterien). Die ersten Dinosaurier, für uns Menschen urzeitliche Tiere, tauchen im mittleren Trias auf, das ist vor 235 Mio. Jahren ... Für unseren Langstreckenflug von Santiago de Chile nach Berlin bedeutet dies, dass wir gerade Braunschweig hinter uns gelassen haben. Den Zeitpunkt des Aussterbens der Dinos kann man mit der Position Werder/Havel vergleichen - wir sind also im Landeanflug auf Berlin-Schönefeld (bzw. Flughafen Berlin-Brandenburg, oder wie das Ding heißen soll).


    Den Menschen als Kulturwesen gibt es seit etwa 12.000 Jahren, als die letzte Eiszeit zu Ende ging. Das sind auf unserer Flugstrecke von Santiago de Chile nach Berlin gerade einmal ... 12 Meter. Also etwa Sitzplatzreihe 15 bis Ausgang Flugzeug. Ein menschliches Leben von 80 Jahren entspricht 8 Millimeter auf einer Flugreise von 13.750 Kilometer.


    Kein Wunder also, dass wir Menschen uns mit großen Zeiträumen so schwer tun - und an solche Dinge wie Zufall oder eine höhere schöpferische Gewalt glauben. :)


    Und jetzt versuchen wir uns vorzustellen, wie groß das Universum ist - mit seiner Ausdehnung von 78 Milliarden Lichtjahren ... oder umgerechnet ... 78.000.000.000 x 9.500.000.000.000 km = 741.000.000.000.000.000.000.000 km


    Oder dass es im Weltall mehr Sonnen gibt als Sandkörner auf der Erde ... :)


    Grüße
    Siegfried


  • Kein Wunder also, dass wir Menschen uns mit großen Zeiträumen so schwer tun - und an solche Dinge wie Zufall oder eine höhere schöpferische Gewalt glauben. :)

    Grüße
    Siegfried


    Und was sollen uns dann diese großen Zahlen objektiv und verlässlich sagen?


    rätselnde Grüße


    Horst-Dieter

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    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann