Beiträge von Michael Höfler

    Ich setze mich auch praktisch damit auseinander - durch Ausprobieren wie ein Kind mit einem neuen Spielzeug. Jetzt gibt es ja neuerdings KI-Videos, und die Herausforderung ist, aus den starken Limitationen das Beste herauszuholen, am besten was mit Humor. Gestern war ich krank zuhause und habe mir damit die Zeit vertrieben. Dieses und dieses sind aus der Kategorie Witz, den die KI unbeabsichtigt macht.

    Dieses Eitelkeitsformat und Geschäftsmodell kenne ich aus der Wissenschaft schon lange. Immer gut, seine Impulse zu hinterfragen, wenn man auf irgendetwas klickt.

    Das hier gibt es leider nur gebraucht bzw. antiquarisch, was ich sehr schade finde. Ralf Bönt habe ich über den PEN Berlin kennengelernt und bislang ein-, zweimal getroffen. Der promovierte Physiker und ambitionierte Hobbyphilosoph hat irgendwann die Wissenschaft für die Literatur aufgegeben, vor fünfzehn Jahren war er Preisträger in Klagenfurt. Da hatte er diesen Roman quasi schon im Gepäck, der 2009 erschien. Er erzählt die Lebensgeschichte von Michael Faraday, auf den u.a. der Faradaysche Käfig zurückgeht, der aber vor allem die Grundlagen für die Elektromechanik gelegt hat. Bönts feinsinnig, klug und wissensreich erzählte Romanbiografie zeichnet nicht nur Faradays Leben nach, sondern auch ein Bild der Wissenschaftlercliquen jener Zeit, zu denen von Humbolt, Ampere, Volta und viele, viele andere heute noch bekannte Namen zählten. Im Kern geht es aber vor allem um den Impuls, der viele Forscher antreibt, um die Lust am Rätselhaften und den Wegen zur Lösung. Und, natürlich, um eine Epoche, in der es noch jede Menge zu entdecken gab und entdeckt wurde, in der die Religionen viele Erstschläge abbekamen. Viel klüger und detallierter und nachvollziehbarer als Kehlmanns "Die Vermessung der Welt", aber leider nicht so spannend, weshalb Bönt nun auch nur noch antiquarisch zu kriegen ist. Ich meine, du bist mit Ralf auch per Facebook verbandelt, Michael.


    ASIN/ISBN: 3832195173

    Danke, Tom. Das lese ich vielleicht. Solche Forschergeschichten interessieren mich, bin ja auch in dieser Branche.

    Danke, Horst-Dieter, das Russland-Buch habe ich mir gespüeichert. Dzu hattest auch letztes jahr ein Buch vorgeschlagen, das Physikalisches erklärt. Da bin ich leider nicht weit gekommen, habe es aber verschenkt.

    Liebe Forende!


    Damit mein Lesejahr so durchstartet wie das letzte, bin ich auf Eure geschätzen Leseempfehlungen angewiesen. Bitte aus folgenden Kategorien:


    - Sachbücher mit Erkenntnissen, die den Frühjahrsputz im Oberstübchen bewerkstelligen

    - dadaistisch-anarchistischer Humor und qualifizierter Nonsens
    - Romane mit brillianter Sprache

    - Autobiographien "crazy-verrückter" (R. Moshammer) Menschen


    Besten Dank und ein schönes Restjahr Euch allen

    Dateien

    Diesen Punkt nennt man Kipppunkt und die Wissenschaftler sind sich einig, dass es diese gibt, sagen sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten sehr exakt voraus und sind sich auch einig, dass sie irreversible sind - zumindest wird es so geschrieben.

    Ich weiß. Die waren teils schon 2018 bekannt. Eines von 100 Dingen, die mir in dem Buch fehlten.

    So eine Faktenzusammenstellung ist doch immer nur eine Momentaufnahme und zeigt nichts (oder wenig) über die weitere Entwicklung. Interessant wäre, wenn Herr Roslin einen Faktencheck zum Jahr 2023 vornehmen würde und mit dem von 2018 vergleicht. Subjektiv meine ich, ist dann weniger Anlass gegeben, eine positive weitere Entwicklung anzunehmen.

    Interessanterweise ist einer der Denkfehler, die er nennt, die Extrapolierung, z.B. gerader Linien, und er sagt selber, dass man Prognosen überprüfen soll. Eine weitere Auslassung von ihm ist die Sache mit dem schwarzen Schwan: Prognosen basieren meist auf der Annahme von Gleichförmigkeit und scheitern gerade dort, wo sie am wichtigesten wären: bei der Vorhersage, wann ein System kollabiert

    Aus der Kategorie "für eine starke Aussage musst du halt mit Auslassungen arbeiten". Der schwedische Gesundheitsökonom Hans Roslin hat im selben Jahr, 2018, sein Plädoyer "Factfulness" geschrieben wie Stephen Pinker "Aufklärung jetzt" ("Enlightenment Now: The Case for Reason, Science, Humanism, and Progress"). Beide argumentieren, dass der allgemeine Pessimismus den Fortschritten widerspreche, die die Menschheit in punkto Armutsbekämpfung, Geburtenkontrolle, Lebenserwartung, Bildung und Kriminalität inzwischen gemacht habe. Roslins Fakten sind amtliche Statistiken, nach denen z.B. etwa 80% der Kinder auf der Welt gegen wenigstens eine Krankheit geimpft sind. In ungezählten Umfragen entscheiden sich aber die allermeisten Menschen für sehr niedrige Prozentzahlen, die schon längst überwunden sind. Rosling ist zugute zu halten, dass er in seinen Ausführungen zum Fortschritt ohne die völlig falsche Prämisse Pinkers auskommt, dass der Urzustand menschlichen Zusammenlebens der Hobbessche Kampf jeder gegen jeden sei (ausführlichst widerlegt von David Graeber und David Wengrow). Dafür dreht Rosling immer wieder dieselben inhaltlichen Schleifen, statt über die Dichotomie seiner Argumente hinauszugehen, wo sich dies aufdrängen würden. Beispielsweise habe ich mal gehört, dass die Sache mit der weltweit sinkenden Armut von der Armutsdefinition abhänge, und würde gerne etwas über das Für und Wider der verschiedenen Definitionen erfahren, um mir selbst eine Meinung über diesen "Fakt" bilden zu können (ich glaube eher daran, dass es stimmt). Unbenommen macht Rosling viele richtige Punkte über selbst unter Experten vorherrschende Denkfehler. So klicken Angst und schlechte Nachrichten ungleich besser als etwa eine Meldung über die großen Entwicklungsfortschritte in Nigeria, Ghana und Äthiopien.


    Wäre nur nicht die Endlichkeit der Ressourcen und das Problemgemengelage um Klima und Arten. Er erkennt das zwar ausdrücklich an, bringt das Thema jedoch erst am Ende, als würde es nicht sein schon 2018 fragwürdiges "traut unserem System etwas zu!" arg infrage stellen. Vor allem aber ist der kognitive Fehler, die Unterschätzung der Probleme, hier andersrum gelagert. Tatsächlich schlägt Roslin seine "Factfulness" als Umgang mit dem Klimawandel vor und spricht sich gegen Angstmache und einen zweifellos nicht hilfreichen dystopischen Umgang damit aus. Schließlich hebt er nochmal auf die Themen Krankheiten, Armut, Migration und Krieg ab. Es gelte, den Marathon zuende zu laufen - was jedoch schwerlich mit dem Fakt zusammen geht, dass praktisch alle Klimaexperten diese Fortschritte infolge der Erderhitzung in großer Gefahr sehen. Den Zusammenhang mit Armut und Migration streitet er sogar explizit ab. Anders gesagt: Roslins "Factfulness" erscheint ohne den Fakt des viel zu langsam abnehmenden Systemversagens recht irrelevant.


    Fazit: Ich werde jetzt abwechselnd ein Buch lesen, das die Fahne der Vernunft hochhält (hier nicht so recht gelungen), und eines, das die Grenzen der Vernunft aufzeigt.

    "Die Illusion der Vernunft" ist ein sehr ausführliches Buch über die fließenden Grenzen zwischen dem, was als normal gilt, und Unvernunft bis Wahn. Es erzählt recht langsam, was Neurowissenschaft und Psychologie über die Kontinua dazwischen wissen, und welche Zwecke Verschwörungsglaube und teils sogar Wahn erfüllen. Dafür bedient sich der Psychiater Philipp Sterzer sehr der Theorie des Predictive-processing, wonach das Gehirn immer wieder anhand seines aktuellen Weltbilds das Geschehen antizipiert und dann mittels Wahrnehmung und Kognition danach trachtet, das Weltbild so gut wie möglich aufrecht zu erhalten. Mir fehlte dabei nur die sich heute durchsetzende Erkenntnis, dass alles zwischen den Ohren von Emotionen gefärbt ist und diese Emotionen stets reguliert werden müssen.
    Der Epilog handelt von der Corona-Zeit, die nach Beginn des Schreibens einsetzte, und wie man mit Menschen umgehen sollte, die der Schwurbelei anheim gefallen sind. Er kommt zu dem nicht ganz neuen, originellen, aber sicher richtigem Schluss, dass Reden besser ist als Nichtreden und dass man das Gegenüber ernst nehmen muss, wenn man überhaupt eine Chance haben möchte, etwas anzustoßen. Hier wären mehr Details gut gewesen.

    Da fehlt mir das Anfüttern, um zu glauben, dass das besser ist als Deepl write. Was es nicht können wird, weil KI das grundsätzlich nicht kann, ist etwas Originelles zu formulieren.


    Lustig, neulich muss der Bundespräsident beim Spiegel anlässlich des 100. Geburtstags von Rudolph Augstein eine Rede gehalten haben, die von Chat GPT hätte sein können. Aber ich befürchte, die war sogar handgemacht.

    Ich würde den Film wirklich gern sehen, aber bei dreieinhalb Stunden stellen sich mir alle Haare auf !oo-)

    Oppenheimer fand ich trotz der beängstigenden drei Stunden wirklich kurzweilig, würdest du das über Killers of the Flower Moon auch sagen? Ich liebe DiCaprios Arbeit, aber ich habe leider die Aufmerksamkeitsspanne einer Eintagsfliege.

    "Oppenheimer" habe ich leider verpasst, bei "Killers of the Flower Moon" finde ich die Länge teils berechtigt, weil der Film davon lebt, dass sich das Grauen langsam aufbaut und er die Welt, in der er spielt, ausführlich zeigt. Das ist schön und sehenswert. Andererseits ist der Film zu lange, weil ihm jenseits des sich steigernden Grauens die Dramaturgie fehlt.

    Gerne gesehen und in einiger Hinsicht gut gefunden. Wahre Geschichten um die Native Americans finde ich hochinteressant, und diese über die von Ölfunden tragisch beschenkten Osage ist schön und sensibel erzählt, obwohl die Täterperspektive überwiegt. Die Dramatik könnte besser sein, denn es fehlt lange ein Gegenpart zu dem sich aufbauenden Grauen aus Erbschleicherei und Mord. Der Plot funktioniert teils nur durch Auslassungen in der Beziehung der Hauptfiguren (aber brilliant: Leonardo DiCaprio und Lily Gladstone). Fun fact: Trotz der leidlich bekannten Synchronstimme habe ich stundenlang nicht kapiert, dass der Gangster-Opa Robert De Niro ist.

    Eine Gruppe "Chronauten" lebt in einer Zukunft der Glückseligkeit und versucht, per Zeitreisen in die Vergangenheit einzugreifen, um für die Menschen das Leben in den schlechteren Zeiten besser zu machen. Trojanow fabuliert das mitunter toll, beispielsweise den Versuch, Piraten und Sklaven in der Karabik des 16. Jahrhunderts zusammen zu bringen, um gemeinsam den Kolonialismus zu besiegen. Kontrafaktisches Denken, sich die Welt anders vorzustellen statt vor den Umständen zu kapitulieren, weil diese angeblich nicht veränderbar seien, wird hier in fantasiereichen Erzählungen anschaulich. So sehr Trojanow aber mit vielem in seiner Weltsicht recht hat, und so weise viele seiner Einsichten auch sind, literarisch funktioniert sein Roman nicht. Wie die FAZ zurecht feststellt, entsteht aus der Saturiertheit der Problemlosigkeit keine Spannung (die Chronauten können auf ihren Zeitreisen nicht sterben), die die Geschichte über 500 Seiten tragen würde. Nennenswerte Konflikte entwickeln sich erst sehr spät und nur im Umgang mit dem "Damalsdort". Das Problem der abgehobenen Perspektive wird durch den Pathos in der Erzählstimme noch verstärkt (in einer besseren Dramaturgie wäre sie stark), und der Erzähler stülpt dem Geschehen nicht nur seine immer wieder geschilderte Weltsicht über, sondern übererklärt auch die Gedanken seines Personals. Da hilft auch das Unterhaltungselement einer KI nicht, die auf den Zeitreisen mit ihrem antrainierten Weltwissen assistiert, und der menschliche Eigenschaften zugeschrieben werden. Wer sollte eine KI so programmieren, dass sie ihre Benutzerinnen mit ihrer Schlaumeierei nervt? Ich war mir nicht sicher, ob ich das kritisieren soll, wird sich die KI vielleicht irgendwann doch verselbständigen; aber ich tue es dann doch, weil ich das Ende des Romans um diese KI schwach finde.