Kritik - Verriss - Beleidigung

  • Hallo, all ihr Veröffentlichten und Nicht-Veröffentlichten!


    Aus der Überschrift ist vermutlich schon erkennbar, worum es geht. Klar weiß ich, was eine "Kritik" ist. Ich kenne auch den Begriff "Verriss" - und "Beleidigung", damit habe ich sicher auch schon mal um mich geworfen. 8o


    Was mich interessiert, sind die Grenzen. Wann wird eine Kritik zum Verriss (wenn sie nur Negativa enthält? Wenn Spott bzw. Ironie fröhliche Urständ feiern?), wann wird eine Kritik bzw. ein Verriss zur Beleidigung?


    Nehmen wir an, jemand schreibt zu einem fremden Text: "Das ist Tonne, aber ganz unten!" ... ist das noch Kritik (destruktive), ist das bereits Verriss oder gar schon Beleidigung?


    Oder noch so ein Satz: "Bevor der Autor es wagen sollte, weiterhin solche Texte zu veröffentlichen, möge er erst einmal die Grundlagen der deutschen Rechtschreibung verinnerlichen!" ... weil der Autor auf 82 Seiten 186 Rechtschreibfehler eingebaut hat ... ist das eine Beleidigung?


    Was meint ihr? Wo endet das eine ... wo fängt das andere an?


    Grüße


    Siegfried

  • Lieber Siegfried,


    deine Frage gehe ich juristisch an, weil ich es so mal gelernt habe: Das deutsche Strafgesetz definiert die Beleidigung nicht. Juristen verstehen unter Beleidigung die "Kundgabe von Missachtung". Diese ist möglich durch Tatsachenbehauptungen und Werturteile. (Die Unterscheidung "Kundgabe gegenüber dem Adressaten oder einem Dritten" spielt hier keine Rolle.) Bei Tatsachenbehauptungen unterscheidet man noch, ob die Behauptung wahr, falsch oder nicht erweislich ist.


    Jedenfalls muss sich die Missachtung auf den Menschen beziehen, um eine Beleidigung zu sein. Drückt eine Textkritik also Missachtung des Autors aus, ist eine Beleidigung möglich.


    Ein Verriss drückt Missachtung für einen Text aus, meine ich.


    "Kritik" ist ja eigentlich ein neutraler Begriff. Sie bezieht sich ebenfalls nur auf den Text. Eine Kritik kann ein Verriss sein, ein Aufzählen von Stärken und Schwächen oder ein uneingeschränktes Lob.


    Jetzt habe ich allerdings nur geschrieben, was wohl jedem von uns klar ist, auch dir selbst, Siegfried. Mir ist ebenso wie Tom nicht ganz klar, in welche Richtung deine Frage zielt?


    Herzliche Grüße,


    Hugo

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Hallo Siegfried,


    mal aus Sicht der (Ex)Kritikerin:


    Der Begriff "Kritik" ist zunächst mal wertfrei. Man setzt sich "kritisch" mit dem Produkt auseinander und kommt dann zu einem Ergebnis, das gut oder auch schlecht ausfallen kann.


    Ein "Verriss" ist letztere Variante der Kritik. Er kann absolut sachlich gehalten sein, aber auch mit Ironie arbeiten.


    Zu einer "Beleidigung" wird der Verriss dann, wenn man nicht das Produkt (Schauspiel, Oper, Literatur etc.) kritisiert, sondern sich abwertend über dessen "Erschaffer" oder den Sänger, Schauspieler ... äußert.


    Die berühmte "Tonne" wäre demnach so lange ein Verriss, wie es bei der reinen "Tonne" bleibt. Setzt man dann noch eine Beleidigung dazu, die den Autor persönlich angreift, ist es ... naja, eben eine Beleidigung.


    Die Aussage, jemand solle erst einmal seine Rechtschreibung verbessern, bevor er/sie Texte zur Begutachtung freigibt, läuft für mich unter "kritischer Anmerkung". Damit beleidigt man schließlich nicht den Autor, sondern man äußert sich nur kritisch darüber, dass er seine Texte nicht wenigstens ein Mal von jemandem korrigieren lässt, der rechtschreibsicher ist. Dieser letzte Punkt fällt übrigens bei jeder Kritik in Zeitung, Radio oder Fernsehen weg, denn veröffentlichte Texte haben meistens ein Korrektorat durchlaufen :).


    Liebe Grüße


    Anja

  • Hallo, Siegfried.


    Was ist der Kontext? Beziehst Du Dich auf Textbesprechung, wie sie auch hier im Rahmen der BT-Runde stattfindet, oder geht es Dir um Text-/Literaturkritik allgemein?


    Übrigens kommen mir die Zitate irgendwie bekannt vor. 8-)


    Oha ... Kontext! ... Immer diese schwierigen Worte ... :D


    Ich beziehe mich auf Kritik/Rezensionen von veröffentlichten Texten, angefangen bei allgemein zugänglichen Texten im Internet über Zeitschriftenartikel bis hin zu Büchern ganz generell - wobei auch die Rezension öffentlich ist.


    Müssen alle Aussagen zum Text sich nur auf den Text beziehen oder sind Rückschlüsse vom Text auf den Autor erlaubt? Da kommt man schon in bestimmte Grenzbereiche - mal vorsichtig ausgedrückt.


    Ich greife mal zwei Rezensionen auf, die mir in letzter Zeit begegnet sind. Ich habe ein Buch gelesen, dass vom Verfasser im Selbstverlag erschienen ist (ein Sachbuch zu aktuellen gesesllschaftspolitischen Problemen). Ich sollte dazu eine Rezension schreiben. Die Orthografie im Buch war grauenhaft (daher mein Beispiel mit den 186 Fehlern auf 82 Seiten; es war wirklich so!) - ist das jetzt nur ein Mangel des Textes oder darf man deshalb den Autor kritisieren? Zum zweiten enthielt das Buch faktische Fehler, die sich mit einem Minimalaufwand an Recherche feststellen ließen (so wurden sowohl die Teilnehmer einer Konferenz als auch die Ergebnisse dieser Konferenz falsch benannt, ferner wurden Interessenverände im heutigen Deutschland mit abstrus falschen Mitgliederzahlen - um das Zehnfache überhöht - angegeben). Meine Schlussfolgerung war, dass hier jemand ein Buch verfasst hat, wo der Autor weder sprachlich noch faktisch die notwendige Qualifikation mitbringt. Das Buch ist - und das war meine Quintessenz - rausgeworfenes Geld.


    Die Folge war natürlich eine heftige Reaktion des Autors. Er war zutiefst beleidigt, hat mir als Leser seines Buches selbstverständlich jegliche Kompetenz abgesprochen und mir Unfähigkeit zum Verständnis attestiert. Solche Reaktionen kratzen mich wenig, weil ich immer der Auffassung bin, wer sich in die Öffentlichkeit wagt, dem weht der Wind ins Gesicht, und das kann dann auch mal schärfer sein. Allerdings frage ich mich natürlich, wie weit man bei einer Buch-Rezi gehen darf. Nur das Buch kritisieren bis hin zum Verriss - oder auch die Fähigkeiten des Autors mit in die Kritik einbinden, was dann vielleicht(?) als persönliche Beleidigung betrachtet wird?


    Eine zweite Rezension zu einem anderen Buch - diese Rezi habe ich in diesem Fall nur gelesen - bewegte sich nahezu ausschließlich auf der handwerklichen Ebene. Dort wurde vor allem die Logik, aber auch Schwachpunkte in der Dialoggestaltung, der erzählerischen Beschreibung, der Erzählperspektive und noch so einiges kritisiert. Am Ende hieß es dann, offenbar hätte man es hier mit dem Erstlingswerk (was nicht stimmte) eines Hauptschulabbrechers (unbekannt!) zu tun und deshalb sollte man ganz schnell das Buch und auch den Autor vergessen.


    Sehr schnell war hier die Rede von einer Beleidigung des Autors. Und der Autor würde sich vorbehalten, den Rezensenten für diese Bewertung wegen Beleidigung oder Rufmord zu belangen (solche Drohungen sind ja meistens nicht das TippEx auf dem Monitor wert :D ) - aber auch hier die Frage: Ist der Verriss des Buches in den Bereich der Beleidigung bzw. des Rufmords vorgestoßen?


    Also ganz generell: Darf man bei nachweislich schlechter Qualität eines Textes auf die Fähigkeiten des Autors schließen und diese in die Rezension einbinden? Ist das noch Meinungsfreiheit oder schon ein Gesetzesverstoß?


    Grüße
    Siegfried


    P.S.: I love the "Tonnenspruch"! 8-)

  • Interessant.
    Ich habe früher mit Leidenschaft Rezensionen Verrisse geschrieben. (Natürlich nur, wenn es auch kräftig was zu verreißen gab.)


    Für mich unterscheidet sich eine Negativkritik vom Verriss dadruch, dass der Verriss idR durch gewisse Maßnahmen in irgendeiner Weise unterhalten soll, während eine reine Negativkritik eher sachlich gehalten ist. Jemand, der verreißt, stellt sich selbst ein wenig dar und (be)nutzt den Text dafür.
    Ziel eines guten Verrisses ist es meist ein Kommentar wie: Die Rezi war unterhaltsamer als das Buch - ha-ha.
    Is gemein - is aber so.


    Bei Beleidigungen hört es für mich aber auf, nur ist der Grad natürlich schmal, wenn man in seiner Besprechung nicht ausschließlich beim Text bleibt sondern auch die Fähigkeiten des Autors anspricht.
    Grundsätzlich finde ich, dass die Beurteilung dann zu 100% bei den schriftstellerischen Fähigkeiten bleiben muss.
    Eine Aussage wie: "Der Autor beherrscht die RS nicht ausreichend", wäre okay, auch wenn "Im Text finden sich viele Rechtschreibfehler" im zweifelsfall eleganter wäre. Den Hauptschulvermerk sehe ich als Beleidigung. Rückschlüsse auf den Autor, sein Leben, seine Einstellungen usw. müssen mMn nicht sein.


    Bevor der Autor es wagen sollte, weiterhin solche Texte zu
    veröffentlichen, möge er erst einmal die Grundlagen der deutschen
    Rechtschreibung verinnerlichen!


    Na ja. Grenzwertig, finde ich, dem "wagen sollte" wegen. Das ist unnötig.
    Aber - wer sich darüber aufregt, hätte dies wohl auch getan, wenn du politisch korrekter formuliert hättest. Letztlich gibt es viele Menschen, die zwar Kritik wollen, aber bitte nur die positive. Nun ist zwar niemand glücklich über einen öffentliche Verriss (womöglich noch da, wo er werbewirksam ist) aber die meisten Autoren werden dazu wohl schweigen und sich ihren Teil denken. Heimliche Voodoo-Rituale oder böse Verwünschungen fielen mir da auf Anhieb als übliches Mittel ein ... :finger

  • Lieber Siegfried,


    Müssen alle Aussagen zum Text sich nur auf den Text beziehen oder sind Rückschlüsse vom Text auf den Autor erlaubt?

    natürlich beziehen sich Aussagen "zum Text" nur auf den Text. Etwas anderes hat man als Leser / Rezensent doch auch gar nicht. Ich sehe zwei Motivationen, um einen Text zu rezensieren:
    a) Situationen wie bei den BTs hier: Ich möchte einem Autoren bei seinem Text helfen. Frage: Wie kann man den Text verbessern?
    b) Ich möchte potentiellen Lesern bei der Entscheidung helfen, einen Text zu lesen oder nicht. Frage: Ist der Text gut geschrieben? Gut recherchiert? Kompetent? ...


    WARUM UM ALLES IN DER WELT brauche ich dazu "einen Rückschluss auf den Autor"? Wen interessiert das? Welche Relevanz hat das?


    Zitat

    Da kommt man schon in bestimmte Grenzbereiche - mal vorsichtig ausgedrückt.

    Nein. Es tut mir leid. Da gibt es keinen Grenz- oder Graubereich. Die eine Wertung bezieht sich auf den Text, die andere auf den Autor. Und beides ist klar voneinander abgegrenzt.


    Zitat

    Die Orthografie im Buch war grauenhaft (daher mein Beispiel mit den 186
    Fehlern auf 82 Seiten; es war wirklich so!) - ist das jetzt nur ein
    Mangel des Textes oder darf man deshalb den Autor kritisieren? Zum
    zweiten enthielt das Buch faktische Fehler, die sich mit einem
    Minimalaufwand an Recherche feststellen ließen

    Was interessiert es mich denn, ob der Autor selbst die Rechtschreibung beherrscht? Vielleicht geschahen die Fehler ja auch beim Druck, was weiß ich? Wenn der besprochene Text vor Fehlern strotzt, dann ist nur das eine Information. Und ob der Autor ansonsten recherchieren kann oder nicht - wen juckt's? Falls ein Sachtext Fehler enthält, enthält ein Sachtext Fehler.


    Rezensenten kennen Autoren doch nur aus ihren Texten. Jedes weiter gehende Urteil ist unseriös.


    Zitat

    Am Ende hieß es dann, offenbar hätte man es hier mit dem Erstlingswerk
    (was nicht stimmte) eines Hauptschulabbrechers (unbekannt!) zu tun und
    deshalb sollte man ganz schnell das Buch und auch den Autor vergessen.




    Sehr schnell war hier die Rede von einer Beleidigung des Autors.

    Da war nicht "sehr schnell die Rede"; die Äußerung des Rezensenten war eine Beleidigung, gerade wenn der Autor kein Hauptschulabbrecher war. UND BELEIDIGUNGEN SIND STRAFBAR! (Übrigens auch im Internet.) Ob die Staatsanwaltschaft eine Beleidigung weiter verfolgt, ist eine ganz andere Frage.


    Zitat

    Darf man bei nachweislich schlechter Qualität eines Textes auf die
    Fähigkeiten des Autors schließen und diese in die Rezension einbinden?


    Nein. Warum sollte man auch?


    Zitat

    Ist das noch Meinungsfreiheit oder schon ein Gesetzesverstoß?

    Die Beleidigung ist eine gesetzliche Schranke der Meinungsfreiheit, wenn beides kollidiert. Wenn ich einen Text beurteile und daraus abwertend über den Autor urteile, liegt keine Kollision vor.


    Dass in der Praxis Kritiker ohne Selbstbewusstsein am laufenden Band Beleidigungen ausstoßen und trotzdem nicht im Knast sitzen, ist ein anders Thema.


    Herzliche Grüße,


    Hugo

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • … Vielleicht geschahen die Fehler ja auch beim Druck, was weiß ich? …


    Hugo


    Vor Urzeiten, als Bücher noch in der Druckerei aus einem Setzkasten zusammengesetzt wurden, konnten Fehler »beim Druck« entstehen, wenn der Setzer statt zum f ein Kästchen weiter griff und das g aus der Setzkasten nahm oder in Eigenmächtigkeit ein ä durch ein e ersetzte usw. Wenn dann den Andruck niemand mehr Korrektur las und dem Drucker auf die Finger sah, gab es eben solche Druck-Fehler. Heute ist das nicht mehr der Fall. Die Manuskripte gehen schon Korrektur gelesen ins Layout und auch die PDF-Datei, die für den Druck erzeugt wird, wird noch einmal Korrektur gelesen (in den meisten Fällen) bevor sie in die Druckerei geht. Dort wird wirklich »nur noch gedruckt«. DA schleichen sich keine Rechtschreibfehler mehr ein.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Der Begriff Kritik ist tatsächlich neutral. Ein Verriss ist eine Kritik, die kein gutes Haar am Text lässt. Dabei spielt keine Rolle, woran diese Kritik festgemacht wird, ob es sich also um ein geschmäcklerisches Urteil handelt, ob es um nachweisbare Fehler, Recherchemängel, offenbaren Ideenklau o.ä. geht.


    Tatsächlich bin ich der Meinung, dass es die Schwelle zur Beleidigung in diesem Zusammenhang praktisch nicht gibt. Wer Texte veröffentlicht und sich damit zur öffentlichen Person macht, verzichtet aktiv auf den Schutz dieser öffentlichen Person vor jeder Art von Auseinandersetzung mit ebendieser. Anders gesagt: Es gibt kein Zulässig oder Unzulässig in Bezug auf die Art und Weise, wie kritisiert wird. Davon abgesehen sind Kritik am Text und Kritik am Autor definitiv nicht zu trennen. Wer das versuchen will, muss sich weit intensiver mit der jeweiligen Autorenpersönlichkeit auseinandersetzen, als das selbst in deren Freundeskreis geschieht, denn Sensibelchen und Hartgesottene gibt es auch unter Autoren. Der eine mag schon in Depressionen verfallen, wenn man nur vier statt fünf Sternchen vergibt, während dem anderen alles, was öffentlich über seine Texte gesagt wird, völlig am Arsch vorbeigeht. Kulturkritik würde überhaupt nicht mehr funktionieren, gäbe man etwas auf diesen Umstand. Und jeder Autor hat durchaus die Möglichkeit, auf die Wahrnehmung von Kritiken zu verzichten. Ich kenne nicht wenige, die das tun, die also nicht alle naselang den Rezensionenstand bei Amazon prüfen oder Ego-Googeln. Gut möglich, dass die glücklicher mit ihrer Arbeit sind.

  • Manchmal kann der Autor wirklich nichts für Fehler im Buch - wenn z. B. nach Druckfreigabe ohne sein Wissen etwas geändert wird und er es erst im fertigen Buch sieht. Habe ich selbst schon erlebt. Kann mutwillig durch den Verlag geschehen oder ein Versehen sein, wenn der Verlag einem Korrekturleser vertraut, der dann allerdings Mist macht und Fehler einbaut, wo er welche eliminieren soll.

  • Anders als Tom bin ich der Meinung, dass es so etwas wie Beleidigung durchaus gibt. Auch im Zusammenhang mit Rezensionen und Kritik. Wenn offensichtlich darauf abgezielt wird, den Autor als Mensch herabzusetzen und das rezensierte Werk ebenso offensichtlich nur als Mittel zum Zweck benutzt wird, dann passiert so etwas leicht. Ob so etwas juristisch anfechtbar ist und wie weiß ich nicht - das interessiert mich auch nicht sehr. Es lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass der Autor durch Veröffentlichung dieses Werkes die "Öffentlichkeit" gesucht hat. Wurde ein grottenschlechtes Werk veröffentlicht, so haben die Kritiker durchaus das Recht, dieses zu »verreißen« - durchaus mit drastischen Mitteln. Auch die Kompetenz der Autoren darf selbstverständlich in Frage gestellt oder angezweifelt werden. Ob aber irgend jemand das Recht hat, einen anderen Herabzusetzen - warum auch immer - das stelle ich doch in Frage.


    Horst-Dieter

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    Emanuel von Bodmann


  • Anders als Tom bin ich der Meinung, dass es so etwas wie Beleidigung durchaus gibt. Auch im Zusammenhang mit Rezensionen und Kritik. Wenn offensichtlich darauf abgezielt wird, den Autor als Mensch herabzusetzen und das rezensierte Werk ebenso offensichtlich nur als Mittel zum Zweck benutzt wird, dann passiert so etwas leicht. Ob so etwas juristisch anfechtbar ist und wie weiß ich nicht - das interessiert mich auch nicht sehr. Es lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass der Autor durch Veröffentlichung dieses Werkes die "Öffentlichkeit" gesucht hat. Wurde ein grottenschlechtes Werk veröffentlicht, so haben die Kritiker durchaus das Recht, dieses zu »verreißen« - durchaus mit drastischen Mitteln. Auch die Kompetenz der Autoren darf selbstverständlich in Frage gestellt oder angezweifelt werden. Ob aber irgend jemand das Recht hat, einen anderen Herabzusetzen - warum auch immer - das stelle ich doch in Frage.


    Horst-Dieter

    Dem möchte ich mich anschließen. Schon weil - bei aller Subjektivität - doch auf der sprachlichen Ebene meist ziemlich genau unterschieden werden kann, ob mit einer Kritik der Text oder der Mensch angegriffen oder beurteilt wird. Einfaches Beispiel: "Das Buch ist grottenschlecht" ist eine grundlegend andere Aussage als "Der Autor ist grottenschlecht." Aus einem vorliegenden Text gesicherte (Wert-)Urteile über den Verfasser und seine Fähigkeiten abzuleiten, ist meiner Meinung nach ebenso verlockend, wie unmöglich. Und ob irgend jemand das Recht hat, andere Herabzusetzen stelle ich ebenso in Frage wie Horst Dieter. Ich behaupte, auch Satire kommt ohne persönliche Beleidigungen aus.


    VG, Simona

  • Ein Autor, der grottenschlechte Texte vorlegt, ist ein grottenschlechter Autor. Dieser Autor mag es als Beleidigung empfinden, mit diesem Prädikat versehen zu werden, aber das ist alleine sein Problem. Eines von seinen Problemen.


    Einen Autor auf Grund seiner »Rasse« (schreibe ich jetzt so, weil ich damit eine ganz bestimmte Form der Literaturkritik im Auge habe), seiner politischen Gesinnung, seiner Weltanschauung - vielleicht auch seines Aussehens - im Rahmen einer Buchrezension anzugreifen und herabzusetzen ist aber eine Beleidigung. Genau auf solche Fälle habe ich in meiner Stellungnahme weiter oben abgezielt. Einen Autor an seinem Text zu messen - wenn es auch hart kommt - zählt für mich noch in den Bereich der erlaubten Kritik. Wer veröffentlicht sollte sich auf so etwas gefasst machen und es aushalten können oder aushalten lernen.


    Horst-Dieter

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    Emanuel von Bodmann


  • Schon weil - bei aller Subjektivität - doch auf der sprachlichen Ebene meist ziemlich genau unterschieden werden kann, ob mit einer Kritik der Text oder der Mensch angegriffen oder beurteilt wird.


    Hmm. Ich weiß nicht so recht. Gerade in der BT-Runde bewegen wir und ziemlich oft auf dieser Grenzlinie. Bisweilen fallen da auch Sätze wie "Du kannst nicht schreiben und wirst es auch nie lernen." Das ist hart, aber manchmal braucht es solche heftigen, markigen, vielleicht auch kränkenden Kommentare, um wirklich etwas zu verändern. Sonst bleibt das alles nur ein eitles Spiel.


    Bitte, das nicht falsch zu verstehen, ich plädiere nicht für grundloses Kandidaten-Bashing, ich fände es nur kurzsichtig, sich den grau bis schwarz-Bereich auf der Skala grundsätzlich zu verschließen, nur weil es wehtun kann. Wenn hier BTs besprochen werden, geht es doch auch immer irgendwo um die Person des Autors. Um dessen Fähigkeiten, um dessen Entwicklung. Es geht nicht nur um 'das ist ein guter Text', sondern auch um 'das hast du gut gemacht' bis hin zu 'du kannst das gut'. Oder um das Gegenteil.


    Dass die Beurteilungen in der Öffentlichkeit noch um einiges härter ausfallen können, scheint mir beinahe selbstverständlich, schließlich wollen Kritiker ihre Kritiken auch verkaufen und heftige Emotionen fördern die Verkäuflichkeit, würde ich denken...

    “Life presents us with enough fucked up opportunities to be evaluated, graded, and all the rest. Don’t do that in your hobby. Don’t attach your self worth to that shit. Michael Seguin

  • Nun ja, "ist ein grottenschlechter Autor" ist natürlich auch etwas zweifelhaft. Wer hat das zu behaupten?
    Beleidigungen fangen bei mir trotzdem erst später an. In meinem Genre ist eine Aussage wie "Der/die Autor/in lebt in dem Buch seine/ihre (seltsamen) sexuellen Fantasien aus" recht häufig anzutreffen, oder: "Der/ die Autor/in geilt sich an der Gewalt auf."
    Sowas ist beleidigend, weil niemand wissen kann, wie es wirklich im Autor aussieht. Vielleicht schreibt er/sie die Szenen so, weil der Verlag es will oder weil sich solche Bücher besser verkaufen - whatever.


    Andererseits ... wenn ein Autor sich nun z:b. offen zu seiner Religion bekennt, und in den Texten finden sich dann Parallelen, muss er sich vielleicht auch nicht wundern, wenn dies in die Rezensionen fließt. Wenn sich jemand offen dazu bekennt, seine zweifelhaft agierende Hauptfigur zu vergöttern, muss sie sich nicht wundern, wenn man das Weltbild des Autors anzweifelt, statt die Handlungen der Figur.

  • Ein Autor, der grottenschlechte Texte vorlegt, ist ein grottenschlechter Autor.

    Sorry, aber die Logik ist nicht zwingend. :brille Was ist zum Beispiel, wenn ein
    Autor ein (!) grottenschlechtes Buch veröffentlicht, aber schon drei
    Bestseller und einen Literaturnobelpreis vorweisen kann? Wenn ich als
    Leser nun ausgerechnet nur das Grottenschlechte gelesen habe, dann steht
    mein Urteil fest - ist aber trotzdem falsch.


    Ich kann mir tausende Gründe denken, warum jemand einen schlechten Text abliefert, nicht nur einen. :D

  • @Simona: Es gibt keine falschen Urteile in diesem Zusammenhang. Nur Subjektivität, nichts weiter (auch die Vergabe des Literatur-Nobelpreises ist das Ergebnis eines höchst subjektiven Urteils). Mir scheint, Ihr verwechselt Textarbeit mit Kulturkritik.


    Horst-Dieter: Wenn ich jemanden wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit, seines Aussehens, seiner Weltanschauung usw. diskreditiere, ist das immer eine Beleidigung, völlig unabhängig vom Zusammenhang. Aber, Vorsicht: Man kann die Weltanschauung, das Aussehen und - in engen Grenzen - die ethnische Zugehörigkeit selbst "herabsetzen". Es wird zwar - vor allem in Diskussionen rund ums Thema "Religion" - immer wieder versucht, das als Äquivalent zu verkaufen (Stichwort: "religiöse Gefühle"), aber das ist nur ein rhetorischer Trick. Anders gesagt: Ich kann z.B. den Glauben an das Fliegende Spaghettimonster (Geheiligt seien Seine Tentakel!) scheiße finden (und das auch sagen), aber jemanden scheiße zu finden, weil er an das FSM glaubt, ist mindestens grenzwertig. Hier droht allerdings dann auch gleich wieder die Schere im Kopf, weil "Political Incorrectness" und Beleidigung/Diskriminierung gerne als dasselbe verkauft werden.

  • Kleiner Exkurs. Privates Fernsehen. Gilt aber teilweise auch für das öffentlich-rechtliche Fernsehen.


    Ich empfinde als verachtenswert, beschämend, unwürdig und demütigend, was die Sender (überwiegend) produzieren, vom "Dschungelcamp" über "Reality-Soaps" bis hin zu "DSDS", aber es gilt auch für "sanftere" Formate wie etwa alles, was unter den Begriffen "Comedy" und "Infotainment" läuft. Das lässt sich faktisch sehr gut am Endprodukt festmachen; Widerspruch gegen diese Einschätzung dürfte zumindest in intellektuellen Kreisen die Ausnahme sein. Selbstverständlich sind die Produzenten und die Mitarbeiter der Produktionsfirmen in erster Linie Leute, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten, die nach dreißig Volontariaten endlich auf einer Position angekommen sind, wo "Irgendwas mit Medien" auch Geld einbringt, und - meine Lieblingsentschuldigung - sie tun nur etwas, das andere täten, täten sie es nicht selbst. Nichtdestotrotz nehme ich mir die Freiheit heraus, diese Leute, und zwar durch die Bank, für miese Arschlöcher zu halten. Ich kenne einige von ihnen persönlich, die meisten sind recht nett und durchaus bodenständig (und kaum einer von ihnen käme je auf die Idee, sich diesen Scheiß selbst anzusehen). An meiner Einschätzung dieser Leute für das, was sie "kulturell" tun, ändert das aber nichts.

  • …Aber, Vorsicht: … weil "Political Incorrectness" und Beleidigung/Diskriminierung gerne als dasselbe verkauft werden.


    Ja klar. Den Unterschied zwischen »sich beleidigt fühlen« und »beleidigt werden« herauszustellen ist selten ganz einfach.

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