Wenn es nicht gelegentlich erwähnt würde, würde man kaum bemerken, dass Wahlkampfzeit ist. Die einzigen Nachrichten, die sich damit auseinandersetzen, betreffen Skandälchen, die keine sind: Ulla Schmidts (absolut legale, allerdings etwas dümmlich kommunizierte) Dienstwagennutzung. Irgendwelche Gutachter, die (erstaunlicherweise gegen Honorar) bestellt worden sind - eine übliche Praxis, schon seit Jahrzehnten. Schließlich ist das billiger, als Leute einzustellen, die man danach nicht mehr braucht. Heute dann das Ackermann-Diner bei Frau Merkel. Irgendein nutzloser Hinterbänkler fördert etwas zutage, was gängige Praxis ist, und die Sommerlochpresse feiert lahme Schlagzeilen. Doch, da war ja noch Steinmeiers Vollbeschäftigungsprogramm. Wie originell. Und so gehaltvoll wie Gerhard Schröders seinerzeitiges Versprechen, bis zum Ende der Legislaturperiode die Arbeitslosenzahlen auf 3,5 Millionen zu senken. Der Bund mag einer der größen Arbeitgeber im Lande sein, aber so große Kapazitäten hat(te) er dann doch nicht. Macht ja nichts, vier Jahre später ist sowieso wieder alles vergessen. Oder man schiebt die Nichteinhaltung des Wahlversprechens auf nicht vorhersehbare Umstände. Warum dann überhaupt etwas versprechen? Fällt da eigentlich noch jemand drauf rein? Gibt es Menschen, die tatsächlich glauben, FW Steinmeier könne für Vollbeschäftigung sorgen?
Tja, was soll man auch machen, wenn man gemeinsam regiert hat? Erfolge für sich in Anspruch nehmen? Das riecht nach Erbsenzählerei. Die Amtszeit im Nachhinein als Misserfolg werten? Daran wäre man beteiligt gewesen. Bleiben nur die Fünfte-Wahl-Skandale, von denen man mehrere tausend zutagefördern könnte, denn sie alle nutzen ihre Dienstwagen privat, bestellen Gutachter und setzen Arbeitsessen ab. Beschämend ist, dass in diesem Zusammenhang der Sozialneid ins Kalkül einfließt. Das "Die da oben machen sowieso, was sie wollen"-Klischee. Dabei sind die Leute, die solche Nachrichten generieren, selbst "die da oben".
Abseits von aussagefreien Slogans habe ich auf noch keinem Wahlkampfplakat der größeren Parteien visionäre Ideen vorgefunden. Gesichter allüberall, als wären wir ein Analphabetenstaat, in dem auf den Wahlzetteln Bilderchen anzukreuzen wären. Wen interessiert denn, wie der Wahlkreiskandidat aussieht? Die gleichen sich doch. Okay, bei der Kreuzberger CDU-Tante war ein aussichtsreiches Brustbild zu sehen. Frau Pauli ist ja nun leider nicht dabei, von der hätte es vielleicht auch knackige Fotos gegeben. Aber so jemanden wählt man ja sowieso nicht.
Und wen wählt man? Die Ergebnisse stehen, so scheint es, ohnehin fest. Schwarzgelb wird schwarzrot folgen. Vielleicht. Ich wage aber die Prognose, dass die kleinen Parteien die Nutznießer dieses Unwahlkampfes sein werden. Ich überlege ernsthaft, die Zweitstimme an die PIRATEN zu vergeben. Warum soll ich jemanden wählen, der das ohnehin erwartet - und mich nicht einmal ernsthaft umwirbt? Aber was mache ich mit der Erststimme? In meinem Wahlkreis liefern sich CDU und SPD jedes Mal ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Gewählt wird nur einer, alle anderen Stimmen sind verloren. Mmh. Dann werde ich wohl den Wahlkreiskandidaten der "Partei bibeltreuer Christen" wählen.
Und Ihr?