eBook oder Print - wovon hängt das ab?

  • Die Fragestellung ist ein bisschen vage, daher genauer:
    Ich stolpere immer wieder darüber, dass Verlage ein neues Buch zunächst ausschließlich als eBook herausgeben.
    Ich gehe davon aus, dass es sich dabei um eine Art Testballon handelt und die Printauflage nachgeliefert wird, wenn die Verkaufszahlen des eBooks vielversprechend ausfallen, richtig?


    Aber so ganz grundlegend - wovon hängt es ab, ob ein Verlag ein neues Werk zunächst als eBook auf den Markt wirft?
    Ist das auch abhängig vom jeweiligen Verlag - Verlag A macht das immer so, Verlag B nie?
    Steht dahinter eine Aussage, inwieweit der Verlag selbst an das jeweilige Buch glaubt?
    Hat der Autor dabei ein Mitspracherecht?
    Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Printausgabe folgt?


    Vielleicht hat der ein oder die andere hier ja bereits Erfahrungen diesbezüglich gesammelt.

    Kira


    Just because you can explain it doesn't mean it's not still a miracle.
    Terry Pratchett

  • Hallo, Kira.


    Die "klassischen", großen Publikumsverlage sind Druckbuch- oder Buchdruckverlage. Ihr Kerngeschäft besteht aus der Herstellung physischer Bücher, das macht auch den Großteil ihres Umsatzes aus. Viele von ihnen haben als Imprints oder ergänzende Unternehmungen Digitalverlage gegründet, die aber eigentlich nur Profitzentren im selben Haus sind. Da geht es eher um Abrechnungssystematiken als um programmatische Entscheidungen. Die meisten Publikumsverlage sind auf das gedruckte Buch konzentriert und liefern E-Books als Ergänzung. Die Verlagsverträge werden auch über/für gedruckte Bücher gemacht, zugleich wird das digitale Nebenrecht erworben und das eBook konzipiert. Es stellt insofern auch eine Nebenverwertung dar. Der Normalfall ist also: Wer bei Aufbau, Heyne oder Rowohlt einen Verlagsvertrag "Belletristik" bekommt, von dem erscheint ein gedrucktes Buch, das es in den meisten Fällen auch als E-Book gibt.


    Nun haben aber erstens sehr viele kleine Verlage und zweitens auch die größeren Verlage entdeckt, dass sich mit eBooks Geld machen lässt - und zwar anderes Geld. Der E-Book-Markt hat, vorangetrieben durch die Selbpublisher, neue Subgenres und Textarten für die Vermarktung qualifiziert - kürzere, schnellere Texte, Genreliteratur ohne Wenn und Aber. Die Verlage wollen von diesem Kuchen auch ein paar Krümel und nehmen deshalb zuweilen auch Autoren unter Vertrag, mit denen sie keine gedruckten Bücher im Hauptprogramm, wohl aber Texte im E-Book-Segment machen wollen. Anderer Verlage betreiben das E-Book-Segment völlig losgelöst vom Printsegment und behandeln auch die Autoren unterschiedlich. Viele neue Verlage machen nur E-Books, weil das billiger ist und auch leichter logistisch zu bedienen.


    Und dann gibt es da noch diese Plattformen, für die man sich als Autor qualifizieren kann, woraufhin dann irgendwie, zum Beispiel über Publikumsabstimmungen, ein Vertrag angeboten wird, der zunächst ein reiner E-Book-Vertrag ist - der Verlag stattet das Buch aus, es gibt auch ein bisschen Lektorat oder so, und dann schaut man, was passiert. Ist der Titel erfolgreich, wird möglicherweise ein richtiger Buchvertrag angeboten. Droemer macht so etwas, andere tun es inzwischen auch.

  • Das ist ausführlich, vielen Dank!


    Es ist also meistens in erster Linie abhängig vom jeweiligen Verlag.


    Ins Auge gefallen ist mir noch diese Randbemerkung:

    Anderer Verlage betreiben das E-Book-Segment völlig losgelöst vom Printsegment und behandeln auch die Autoren unterschiedlich.

    "Behandeln die Autoren unterschiedlich" - was konkret sprichst Du damit an?
    Vermarktung? Vergütung?


    Ist es insgesamt klüger, auf einen Print-Vertrag hinzuarbeiten (ganz unabhängig davon, dass ich ohnehin etwas geknickt darüber wäre, einen auf dem Markt erscheinenden Erstling nicht gebunden an mein Herz drücken zu können)?
    Oder sind eBooks mittlerweile selbstverständliche Wegbereiter, bzw. können Wegbereiter sein?

    Kira


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    Terry Pratchett


  • Oder sind eBooks mittlerweile selbstverständliche Wegbereiter, bzw. können Wegbereiter sein?


    Der letzte Halbsatz gilt: E-Books können Wegbereiter sein.


    Der Weg vom E-Book zum gedruckten Buch ist immer noch eher ein seltener.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Hallo, Kira.


    Zitat

    "Behandeln die Autoren unterschiedlich" - was konkret sprichst Du damit an? Vermarktung? Vergütung?


    Es geht um den Fall, dass ein unabhängiger E-Book-Verlag betrieben wird, ob als Imprint oder logistisch völlig losgelöst.


    Das betrifft sicher auch Vermarktung und Vergütung. Von hinten nach vorne. Bei E-Books hat sich - leider, wie ich finde - durchgesetzt, dass eine Vergütung der Autoren auf Basis des Abgabepreises an den Händler erfolgt, der praktisch bei jedem Händler (E-Book-Distributoren) anders sein kann. Amazon bekommt 50 Prozent Rabatt, buecher.de vielleicht nur 40 - oder umgekehrt. Der Autor erhält x Prozent vom Rest (also von den verbliebenen 60 oder 50 Prozent). Bei gedruckten Büchern wird in aller Regel auf Basis des Nettoladenpreises vergütet, der aufgrund der Buchpreisbindung immer gleich ist. Dafür ist es bei E-Book in aller Regel mehr, die Tantiemen sind höher. Das gilt meiner Erfahrung nach bei E-Books, die aus Nebenrechten entstehen, genauso wie für reine E-Book-Veröffentlichungen. Auch ich bekomme bei gedruckten Büchern x Prozent vom Netto-Ladenpreis, aber y Prozent vom Händler-Abgabepreis bei E-Books.


    E-Books als reine E-Book-Veröffentlichungen erreichen eine andere und meistens kleinere Klientel. Die Marketingkanäle sind andere, netzbezogener. Der Marktanteil ist immer noch deutlich geringer als bei gedruckten Büchern. Deshalb gibt es zuweilen auch überhaupt keine oder nur sehr niedrige Vorschüsse bzw. Garantien - aber das mag in Einzelfällen unterschiedlich sein. Dieses "behandeln Autoren unterschiedlich" war aber nicht qualitativ gemeint, sondern produktbezogen. Ein Autor bzw. sein Buch, der/das für den Gesamtmarkt aufgestellt wird, zieht andere Mechanismen nach sich als ein Autor/Buch, der/das nur im E-Book-Segment veröffentlicht wird. Hier sind keine Vertreter unterwegs, das Marketing wird, wenn überhaupt, sehr viel gezielter stattfinden. Und so weiter.

  • Ich kann das, was Tom sagt, nur bestätigen.


    Man muss schon recht viele Ebook Verkäufe generieren, bevor man anschließend noch einen Printvertrag bekommt. Das passiert eher selten.
    Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass wenn sich ein Buch als Print verkauft, es sich auch (und manchmal sogar mehr) als Ebook verkauft.

  • Tom, vielen Dank.
    Das heißt also auch, dass der Autor nur insofern mit darüber entscheiden kann, indem er sich für oder gegen einen bestimmten Verlag entscheidet.


    Ulli, noch eine Anfänger-Frage hinterhergeschoben: "Viele eBook-Verkäufe" heißt?
    Vierstellig? Fünfstellig?


    (Ab wann würde man eigentlich überhaupt sagen, dass ein Buch sich "gut" oder sogar "sehr gut" verkauft?)

    Kira


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    Terry Pratchett


  • Ulli, noch eine Anfänger-Frage hinterhergeschoben: "Viele eBook-Verkäufe" heißt?
    Vierstellig? Fünfstellig?


    (Ab wann würde man eigentlich überhaupt sagen, dass ein Buch sich "gut" oder sogar "sehr gut" verkauft?)


    Ich würde sagen, mindestens vierstellig, wenn nicht sogar fünfstellig.


    Ab wann sich ein Buch gut oder sehr gut verkauft, hängt von der Betrachtungsweise ab. ;)


    Manches Buch kommt nicht über die erste Auflage hinaus.
    Ich denke mal, fünfstellige Verkaufszahlen sind schon ganz gut. Falls man sie überhaupt jemals erreicht.

  • Zitat

    Ab wann würde man eigentlich überhaupt sagen, dass ein Buch sich "gut" oder sogar "sehr gut" verkauft?


    Das hängt vom Verlag ab. Für einen kleine(re)n Verlag verkauft sich manch ein Buch schon gut bis sehr gut, wenn es vierstellig (also mehr als tausend Exemplare) innerhalb eines Jahres abgegangen ist.


    Bei Publikumsverlagen gilt - Fensterkreuz mal Pi: Ein Buch hat sich halbwegs rentiert, wenn mehr als +/- 5.000 Exemplare verkauft wurden, und zwar im Programmzeitraum (Frühjahr/Herbst). Gute Verkäufe sind fünfstellige, sehr gute hoch fünfstellige. Das ist auch saisonal unterschiedlich; man kann schon mit ein paar tausend Exemplaren pro Woche in die Bestsellerlisten einstiegen. Zehntausend Exemplare im Programmzeitraum sind ein kleiner Bestseller. Nach oben gibt es keine Grenze.


    Wie sich das bei E-Books verhält, weiß ich allerdings nicht.

  • Hallo,


    dass mit den "guten" Verkaufszahlen gilt, denke ich, nur für Bellestristik/Publikumsverlage. Im Fachbuchbereich (kleinere Zielgruppe) gelten andere Maßstäbe. Da ist man mit vierstelligen Verlaufszahlen schon gut dabei (je nachdem welcher Fachbereich). Alle Bücher die in die zweite Auflage gehen sind ein Erfolg (hat mir einmal ein Vertriebler gesagt). Durchschnittlich werden ca. 3000 Exemplare als Erstauflage gedruckt.


    LG
    Nina

    Ich muss beginnen. Egal was. Hauptsache anfangen. Egal was. Aber beginnen muss ich!
    (sueddeutsche)

  • Vielen Dank für eure Antworten, bisher hatte ich da wirklich gar kein so rechtes Bild vor Augen.


    (Ich finde den Gedanken übrigens einigermaßen erdrückend, dass da eventuell Leute an das glauben, was Du schreibst, sie für Dich eintreten, und am Ende verkauft es sich gar nicht. Mir ist schon klar, dass das deren Job ist, und sowohl Agenturen als auch Verlage sich dieses Risiko auch vergüten lassen, aber trotzdem.)

    Kira


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    Terry Pratchett

  • Hallo, Kira.


    Der deutsche Belletristikmarkt sieht pro Jahr mehrere zehntausend Neuerscheinungen, dazu kommen gut bestückte, unaufhörlich wachsende Mid- und Backlists. Die Anzahl der neuen Titel, die irgendwann die 10.000-Exemplare-Marke reißen, ist ziemlich gering. Die meisten neuen Bücher werden nicht einmal Achtungserfolge. Das gilt auch für größere Publikumsverlage. Niemand weiß genau oder gar im Voraus, ob und welcher Titel sich - gar exorbitant - gut verkaufen wird und welcher nicht. Dieses Spiel gehört zum Veröffentlichungsrisiko, und zwar sowohl für die Autoren, als auch für die Verlage. In vielen Publikumsverlagen gibt es zwei Chancen, manchmal aber auch nur eine. Das Angebot ist um ein Vielfaches höher als die Nachfrage. Der Verlagsvertrag ist nur eine Hürde von vielen - wenn auch eine der höheren. Und wenn man zwar das Glück hatte, einen Vertrag zu ergattern, doch in einem anderen Verlag erscheint parallel ein ganz ähnlicher Titel, der sich aber besser verkauft, bleibt man auf dem Zeug einfach sitzen. Es ist ein Markt wie jeder andere, zwar mit sehr merkwürdigen Eigenarten und Besonderheiten, aber es ist ein Markt. Auf dem es mehr Gemüse gibt, als irgendwer irgendwann essen könnte.

  • Tom, Du Stimme der Vernunft, danke. :)


    Ich werde mir Deinen Beitrag gegebenfalls ein paar Male am Tag einfach durchlesen und damit mein emotionales Hochkochen ein bisschen reduzieren. ;)

    Kira


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  • Ich kann auch nur bestätigen, was Tom und Ulli schon berichtet haben und zu Deiner Frage, wie viel Ebook "viele" sind noch ergänzen: Meine Leihtochter hat sich im ersten Monat im unteren vierstellige Betrag verkauft, genaue Download-Zahlen habe ich bisher nur von amazon, und sich danach dann auf mehrere hundert pro Monat "runtergeschraubt". Das gilt schon als gut bis sehr guter Verkauf. TROTZDEM habe ich keine Chance, dass das Buch auch als Print herauskommt, es sei denn, ich kümmere mich selbst darum (z.B. um für Lesungen physische Exemplare zu haben bzw. die Leserschaft zu erreichen, die noch nicht so wirklich mit Ebook-Readern warm werden). Grund ist nicht der zu geringe Verkauf, sondern weil mein Verlag - wie auch andere Verlage - einen reinen Ebook-Verlag neben den anderen Verlags-Editionen betreiben, um eine teilweise andere Zielgruppe zu bedienen. Meine Leihtochter würde in das Programm meines Hauptverlages gar nicht wirklich reinpassen.
    Übrigens ist mein Haupt-Verlag nicht der einzige, der z.B. die Preise für die Ebooks zu den Printbüchern gleich hoch aussetzt. Während ein reiner Ebook-Verlag in der Regel auch von einer gegenüber Print etwas geringeren Preisstruktur lebt.

  • Liebe Cordula, danke für Deine Antwort.
    Darf ich Dich noch fragen, warum Du Dich für "Die Leihtochter" für einen reinen eBook-Verlag entschieden hast?

    Kira


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  • Zitat

    Darf ich Dich noch fragen, warum Du Dich für "Die Leihtochter" für einen reinen eBook-Verlag entschieden hast?

    Es hat sich im Laufe der Zeit einfach herausgestellt, dass das Buch eher nur bei einem sehr kleinen Verlag oder einem Nischenverlag eine Chance hätte, vom Inhalt und der Zielgruppe her. Die Geschichte selbst passt nicht so zum "Mainstream". Dann hatte ich zwei Zusagen gleichzeitig, vom Gmeiner Verlag (aber auch dort nur für den damals im Aufbau befindlichen Ebook-Bereich) und eben books2read, die jetzt wie MIRA auch, HarperCollins sind.

  • Das heißt, Du hast es zunächst anderen Verlagen angeboten, oder?
    (Oder bist Du bei einer Agentur unter Vertrag?)


    Hast Du auch darüber nachgedacht, das Ganze selbst zu veröffentlichen?


    (Sag es mir bitte, wenn ich zu viel frage - mich interessiert im Moment diesbezüglich einfach alles.)

    Kira


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    Terry Pratchett

  • Zuvor nur vorsorglich noch mal den Hinweis, dass ich hier natürlich nur von meinen bescheidenen persönlichen Erfahrungen sprechen kann. Die können bei anderen ganz anders gewesen sein. :D
    Das Buch wurde in einer ersten Version, in der aber entscheidende Dinge anders gelöst waren, über eine Agentur etlichen Verlagen angeboten - ohne Erfolg (bis auf Gmeiner). Irgendwann telefonierte ich glücklicherweise mit einer Verlegerin, die mir ehrlich sagte, warum die Geschichte in ihren Augen nicht verkäuflich sei. Ich sah das ein, änderte den Plot der zweiten Hälfte, und gab es bei dieser Verlegerin dann zum Vertrag. Ich habe nicht mehr versucht, das Buch anderen Verlagen anzubieten. Wahrscheinlich hatte ich die Lust verloren oder war zu sehr mit meinem Hauptgenre Thriller beschäftigt.
    Wenn ich keine Verlag gefunden hätte, wäre es irgendwann über amazon oder neobooks dann von mir selbst veröffentlicht worden. Aber ein Verlagsvertrag hat für mich immer Vorrang. Das mag daran liegen, dass mir Selfpublishing zu teuer (notwendiges Lektorat und Cover) und zeitlich zu aufwendig (Werbestrategien etc.) ist. Ich mag in der Zeit lieber schreiben  
    Aber wie gesagt: das alles ist von Autor zu Autor unterschiedlich.

  • Cordula, vielen Dank für Deine ausführliche Antwort.
    Ich selbst kann mir im Moment (noch) gar nicht vorstellen, die eigenen Texte selbst zu veröffentlichen, ich glaube, da ticke ich ganz ähnlich wie Du:
    Ich will mich in erster Linie auf's Schreiben konzentrieren, und dafür habe ich ohnehin immer viel zu wenig Zeit.

    Kira


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    Terry Pratchett