Charaktereigenschaften

  • Hallo,


    wie beschreibe ich eine Figur in meiner Story? Welche Eigenschaften kann ich ihr zuordnen? Da mich diese Frage gerade umtreibt und ich auf der Suche nach den gängigsten menschlichen Charaktereigenschaften bin, habe ich mal dazu ein wenig internetiert. Google mit dem tiefenpsychologischen Ansatz war nicht ganz so hilfreich, aber ich bin auf das hier gestoßen. Vielleicht findet es die eine oder andere auch interessant. Falls ihr noch Quellen habt, bin ich für Hinweise dankbar.


    Liebe Grüße
    Achim

  • @lametta: Wow, zwei Fehler in einem Drei-Wörter-Satz! Tagessieg! ;)


    Achim: Willst Du mit solchen Listen als Inspirationsquelle arbeiten? "Mmh, ich glaube, ich werde jetzt mal einen kasuistischen Charakter entwickeln." Etwas in dieser Art?


    Bei mir - und einigen anderen Autoren, mit denen ich Kontakte pflege 8-) - ist es so, dass ich einen Konflikt als Ausgangspunkt wähle, letztlich also die Geschichte, die ich erzählen möchte. Dann entwickle ich eine Figur, die in diesen Konflikt geraten könnte, die ihn aber auch zu lösen vermag, ggf. im Anschluss an eine Wandlung. Die meisten Eigenschaften, die eine solche Figur haben muss, ergeben sich direkt hieraus.


    Ansonsten sollte sich das Personal m.E. selbst zeichnen, durch sein Verhalten, durch Dialoge oder auch innere Monologe. Der Ansatz, sie aus einem Fundus von Charaktereigenschaften quasi willkürlich zusammenzusetzen, ist mir neu. Aber die Liste ist tatsächlich interessant. ;)

  • Hm, von solchen Listen halte ich nichts. Wenn ich eine Figur erschaffe, lerne ich sie erstmal kennen, indem ich sie interviewe und in ihren Körper schlüpfe. Dann merke ich ja auch, was für Eigenschaften, Ängste und Stärken sie hat. Beim Schreiben kristallisiert sich dann oft noch mehr heraus.


    Und dann gibt es natürlich auch solche Basics in meinem Genre, die Helden müssen halt stark sein, weinerlich und ängstlich geht da nicht. Und die Heroine darf nicht eitel und selbstverliebt sein, denn sie ist ja der Schlüssel für die Geschichte, die Leserin muss sie mögen, mit ihr zusammen das Abenteuer erleben. Also muss sie sympathisch und interessant rüberkommen, darf aber auch nicht zu weit weg von einer normalen Frau sein, selbst wenn sie einen außergewöhnlichen Beruf hat.
    Da gibt es so einige do´s und don´ts.


    Außerdem hab ich für gewöhnlich zuerst die Figur im Kopf, dann spinne ich die zu ihr passende Geschichte. Und bis dahin weiß ich schon einiges über die Figur.

  • Entgegen mancher Kritik möchte ich dieser Liste einen positiven Gebrauch anheften. So kommt es immer wieder vor, das man im Eifer an einer Wortfindungsstörung leidet, das Wort, das sonst so fließend durch die Kehle gurgelt, bleibt verschollen, trotz der festen Überzeugung, dass es mit einem „k“ beginnt. Also schnell in die Charakterliste geblinzelt, bei „k“ den Begriff in Erinnerung kopiert und auf dem Rückweg bei „e“ im Überflug eine weitere Eigenschaft (für alle mit akuter Adjektivphobie) aufgesattelt; so verführt eine solch herrliche Liste bestimmt durch mannigfaltigen Gebrauch zu überaus kreativen Konstellationen.
    Für eine Inspiration ist eine solche Zusammenfassung sicherlich eine lohnenswerte Entdeckung.
    Damit ein Dankeschön an Achim, der uns daran teilhaben lässt. Alte Zunftmeister hätten diese Liste bestimmt in einer Truhe vor den gierigen Blicken junger Nachwuchstalente versteckt.


    Es grüßt nach einigen Wochen der Foren-Abstinenz:


    Der Andy

  • Es gibt da ja sicher ganz unterschiedliche Herangehensweisen, aber ich setzte mich nicht hin und bastele mir die Figuren zusammen, indem ich jedem 12 oder 20 Charaktereigenschaften mitgebe.


    Ich habe eine Idee, aus der sich eine Geschichte herausschält, die sich dann mit Figuren füllt. Die Figuren entwickeln sich und wenn sie damit fertig sind, dann kann ich sagen der eine hat diese Stärke, Schwäche, Vorliebe usw. und der andere jene.


    Aber interessant ist die Liste schon, da dürften manische Adjektivisten gleich das Sabbern anfangen… :evil

  • Ja, so als Wortfindungsliste kann man sie brauchen, aber einen Charakter kann man damit höchstens beschreiben, wenn man ihn schon entworfen hat, finde ich.


    Aber ich glaube, Achim ging es ja gerade ums Beschreiben, nicht ums Entwerfen ... wenn ich den Post richtig verstanden hab.


    Meistens fange ich auch mit dem Konflikt an, das ist die Idee, die Geschichte. Und die Charaktere ergeben sich dann daraus. Sie müssen sich eben für den Konflikt eignen.
    Dann skizziere ich sie und überlege, wie sie im Alltag reagieren würden und frage mich zum Beispiel: Würden sie auf der Straße eine fremde Frau mitnehmen? Würden sie zum MacDonalds gehen, zum Burgerking oder zum Running Sushi? Ottoversand oder Shoppingmeile? VW Polo oder irgend ein Japaner? Das kann man endlos so machen.


    Meistens, wenn ich dazu ne Seite beisammen habe, so pro Char, kenne ich sie schon recht gut. Und ich kann immer spicken, wenn ich mal zweifle. :o)

    Einmal editiert, zuletzt von Frank ()

  • ... ist schon cool, mit was man manchmal Diskussionen auslöst =)


    Tom
    Ich brauchte so eine Liste für ein spezielles Projekt. Es geht darum, ganze Völkerschaften zu charakterisieren. So in Richtung Fantasy oder wie man es von Roleplaygames kennt, wo ja auch per Eigenschaften (Mut, Gewandtheit etc) und dann auch noch per Schieberegler =)Fähigkeiten und Verhaltensweisen definiert werden. In einem solchen Kontext halte ich so ein Vorgehen für legitim, weil es genreüblich ist.
    Ansonsten: Der Konflikt, der Hintergrund und die grobe Handlung stehen schon, die Hauptakteure auch und deren Eigenschaften ergeben sich aus meiner Fantasie, bzw. aus einem inneren Dialog mit Handlung und Hintergrund.


    Interessant ist für mich, dass Tom und Maren anscheinend unterschiedlich an ihre Projekte rangehen, wobei ich ein wenig vermute, dass das unterschiedlicher klingt, als es realiter ist. Bei mir läuft das so ab, dass ich eine Idee habe, die ich immer weiter ausspinne. Manchmal nur ein Bild oder ein Satz. Und dann fange ich an zu überlegen, was da für ein Typ agiert, wo das spielt, welche Auseinandersetzungen da ablaufen usw. usw. Das schreibe ich wild durcheinander auf und warte ab, ob mich die Sache auch richtig interessiert (meine Festplatte ist voll von Ideen, die mich nach kurzer Zeit langweilten oder die einfach nur Kopfgeburten waren). Irgendwann kommt dann der Punkt, an dem ich das Ganze ordnen muss wenn ich ernsthaft mit dem Schreiben anfangen will. Mir persönlich hat da die sogenannte Schneeflockenmethode gute Dienste geleistet. Ist sicherlich nicht jedermanns Sache, aber gerade für Anfänger ein passables Gerüst.
    Ob der Ausgangspunkt der Konflikt war (zB ich möchte wissen, wie eine Person mit dieser oder jener Sache umgeht - welche Person soll es sein?) oder umgekehrt (zB ich habe eine Person, die ich ein Stück weit begleiten will - was kann ihr zustoßen?) ist dann letztlich Geschmackssache, weil man sich doch letztlich immer mit den gleichen Komponenten einer guten Geschichte auseinandersetzen muss.
    Oder sehe ich das falsch?


    Um auf diese Liste zurückzukommen: Ich habe früher mal versucht, mir Charaktere quasi per Baukasten zusammenzustückeln. Mann, waren die flach und bescheuert 8o!
    Trotzdem halte ich so eine Liste für durchaus nützlich: Mir fehlt manchmal einfach eine Idee, wie ich zu den gewünschten/erforderlichen Eigenschaften eines Charakters einen Kontrapunkt setzen kann, eine kleine Widersprüchlichkeit, die ihn interessanter macht. Da kann es für mich durchaus inspirierend sein, anstatt krampfhaft in meiner Erinnerung zu kramen, über so eine Liste zu schauen und zu sehen, bei welcher Eigenschaft es bei mir funkt, welche ich interessant und passend finde. Entscheidend dabei ist, dass man nicht einfach etwas völlig Unzusammenhängendes draufpatscht, sondern etwas findet, was in den Gesamtzusammenhang passt.
    Außerdem nervt es mich manchmal, wenn ich bei einer kleinen Nebenfigur hängen bleibe, die nur eine spezielle, temporäre Funktion hat und mir fällt nichts richtig zu der ein. Ich meine, selbst, wenn so eine Figur nur einen begrenzten Job hat, darf ein wenig Charakter durchscheinen oder aufblitzen, ohne, dass sie dadurch gleich zu viel Gewicht in der Geschichte bekommt.
    Für sowas - glaube ich - könnte so eine Liste eventuell hilfreich sein. Ich werd es ausprobieren und sie ansonsten wieder von meiner Linkliste löschen.


    An Alle: Nehmt die Liste oder lasst sie. Ihr seid erwachsene Autoren =). Aber ich habe hier im Forum schon so viele gute Hinweise und Links geliefert bekommen, da will man sich doch mal revanchieren :baby, newahr?


    Liebe Grüße
    Achim

  • Über das Thema "Charaktereigenschaften" ist schon viel gedacht und geschrieben worden. Ich mag in diesem Zusammenhang Fritz Riemann empfehlen - Grundformen der Angst

    ASIN/ISBN: 3497007498


    Das Buch hat zwar schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel, vielleicht kommt es auch dem ein oder anderen etwas weitschweifig vor, aber es ist für den durchschnittlichen Forenbenutzer wahrscheinlich gut zu verstehen :evil und das Grundkonzept halte ich für sehr hilfreich, wenn es beim Schreiben um glaubwürdige Charakterkonzepte geht.

    “Life presents us with enough fucked up opportunities to be evaluated, graded, and all the rest. Don’t do that in your hobby. Don’t attach your self worth to that shit. Michael Seguin

    Einmal editiert, zuletzt von Marvin ()

  • Witzig, wie so manche an ihre Projekte rangehen. Ich bin vermutlich ein Exot, aber bei mir geht's in den allermeisten Fällen mit der Szenerie los. Ne einzelne Szene oder ne Szenenkette. Figuren, Konflikte, Story, das kommt alles später und ist ein Mordsakt (man könnte auch Mordsscheiß sagen), weil ich meist recht unvorbereitet einfach mal loslege. :achsel


    Die Liste werd ich wohl nicht verwenden. Ich denke, wenn einem zu einer Figur keine Eigenschaften einfallen, ist die Figur unnötig.


    Gruß ...


    Jo


  • … hat nicht schon mal jemand einen ganzen Roman über einen »Mann ohne Eigenschaften« geschrieben? ;)

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    … hat nicht schon mal jemand einen ganzen Roman über einen »Mann ohne Eigenschaften« geschrieben? ;)


    Mit Sicherheit ist R. Musils unvollendeter Wälzer eines jener Bücher, dessen Titel (fast) jeder kennt, aber kaum jemand gelesen hat. =)

  • Der Faden ist schon älter, aber trotzdem:
    Zu so manchen psychischen Leiden gibt es hier wiss. Papers bzw. auch längere Arbeiten.
    Und vor einiger Zeit habe ich verdammt grosse Augen bekommen, als ich dieses Buch hier las:
    "Der Geschwisterkomplex" von Francine Klagsbrun
    Es durchleuchtet Biographien psychisch "gesunder" Menschen und bringt auch Vergleiche aus Film und Literatur. Grundlage sind langjährige wissenschaftl. Studien.
    Das empfehlen wohl auch öfter mal Therapeuten ;) , weil es Klarheit schafft. Eigentlich nicht zum Lachen.


    Christoph



    ed.: klärendes Detail ;)

  • Zitat

    Original von Kristov
    [...] vor einiger Zeit habe ich verdammt grosse Augen bekommen, als ich dieses Buch hier las:
    "Der Geschwisterkomplex" von Francine Klagsbrun
    Das empfehlen wohl auch öfter mal Therapeuten [...]



    Zur Charakterisierung von Persönlichkeitsstörungen durfte ich in der Psychotherapie-Ausbildung u.a. Filme gucken, z.B. "Taxi driver" oder "The Big Lebowski" - da reichte mitunter die Analyse einer prägnanten Szene, um zentrale Eigenschaften / Probleme / Denkverzerrungen verstehen zu lernen, häufig mit der Frage nach dem zentralen Motiv oder der zentralen Angst. Damit sind wir wieder bei den Beschreibungen oben: Was ist der zentrale Konflikt?
    Ich würde die Liste auch eher als Lexikon sehen, in dem ich blättern kann, wenn mir eine konkrete Bezeichnung fehlt für etwas, das ich ansonsten schon kenne.


    Gruß Michel