Stellungswechsel - Tom Liehr

  • Ein ganz persönlicher Lesebericht...


    Frank wird arbeitslos (war Journalist für die Männerkolumne bei einer Frauenzeitschrift), seine Freunde Olli und Gy sind auch finanziell in Bedrängnis. Olli hat sich vor einem Jahr mit "Deutsche Feinkost" selbstständig gemacht, Gy leidet unter schlechten Zähnen, die von seinem Polizistengehalt kaum gerichtet werden können, erst recht nicht mehr, als er auch noch 3000 Euro Selbstanteil für einen Auffahrunfall seiner - zugegebenermaßen von ihm verunsicherten - neuen Kollegin Daphne zahlen muss. Da kommt ihnen die Idee, einen Escort-Service (mit Orgasmus-Garantie) aufzumachen. Frank will nicht mitmachen (er hat eine langjährige Freundin, Sabine, und ist relativ zufrieden mit seiner Hausmannrolle (oh Mann, watt'n Mann!)). Kurzerhand werden der ältliche, ehemals erfolgreiche Abteilungsleiter Giselher und der jugendliche Wahnsinn Lasse, ein Jungmann zum Anbeißen, ins Boot geholt. Aber es herrscht Flaute, sprich keine Dame ruft an, bis Frank auf dem Arbeitsamt wegen eines Seitensprungs seiner Freundin einer Steuerfahnderin auf den Leim geht und Kumpel (und Bulle ) Gy ihn herauspaukt. Gys Kollege von der Steuerfahndung nutzt die Gunst der Stunde, sich an dem Don Juan in Uniform für einen Seitensprung seiner Frau zu rächen und die "Deutsche Feinkost zum Anfassen" (immer noch mit Orgasmus-Garantie) in die Zeitung zu bringen. Das ist zwar den Jungs erstmal peinlich, aber dann doch ganz lieb, denn nun boomt das Geschäft und dem Happy-End steht nichts mehr (naja, fast nichts) im Weg.
    Toms Roman zeigt deutlich, dass er ein Roman zum Film ist. Anfangs muss man sich an die sehr ausführlichen Beschreibungen gewöhnen. Hin und wieder stört das allzu kleinlich Bildliche. Aber die Figuren sind zauberhaft gezeichnet, schrammen wir Gy am Klischee vorbei, erhalten im Laufe des Romans alle Tiefe, auch die spät ins Spiel gekommenen Lasse und Giselher (für mich gewinnen diese beiden ganz ungemein durch ihr Date). Dass Gy der einzige ist, der bei seinem Date nur endloses Gelaber ertragen muss, verstehe ich als poetische Gerechtigkeit, die ich absolut nachvollziehen, aber Tom nicht zuschreiben kann (würde ein Mann so etwas verfassen, frage ich mich noch 2 Tage nach Beendigung der Lektüre). Flott geschrieben, flott zu lesen.


    Ein paar Kritikpunkte an der Story (sprich dem Drehbuch) hätte ich dann doch - mir ist das Happy-End zu kurz und zu happy. Selbst für eine deutsche Komödie. Und die Autoren waren sicher nie als Intellektuelle (sprich Doktoren der Geisteswissenschaften) auf dem Areitsamt, sei dies Jobcenter heißt. Da gibt es arge Diskrepanzen zur Wirklichkeit (ich bin Doktorin der Geisteswissenschaften und war in den letzten zwei Jahren auf dem Arbeitsamt). Aber wurscht, so wenige geisteswissenschaftliche (und andere) Doktoren gibt es, das kann wohl nur ein Prozent der Arbeitslosen ausmachen. Oder?


    Gruß,
    Karen

  • Hallo, Karen.


    Zitat

    Flott geschrieben, flott zu lesen.


    :)


    Schaust Du Dir den Film noch an?


    Zitat

    Dass Gy der einzige ist, der bei seinem Date nur endloses Gelaber ertragen muss, verstehe ich als poetische Gerechtigkeit, die ich absolut nachvollziehen, aber Tom nicht zuschreiben kann


    Das ist mir auch nicht zuzuschreiben, höchstens in seiner poetischen Gewalt, die ich im Vergleich zum Film (denke ich wenigstens) noch verstärkt habe. :) Aber - ja, ich hätte derlei auch selbst mit dieser Figur gemacht. Andererseits wäre ich ohne den entsprechenden Anlaß sicher nie auf die Idee gekommen, diese Art von Geschichte zu erzählen. BTW, das zugrundeliegende Drehbuch stammt von einer Frau. ;)

  • Hallo Tom


    Dass das zugrundeliegende Drehbuch von einer Frau stammt, habe ich wohl bemerkt. Finde ich auch interessant. Mich würde auch gleich noch interessieren, was sie an Deinem Skript gut und was schlecht findet. (Obwohl wir da sicher weit auseinanderliegen würden). Meine eigentlich wichtigste Frage, die ich doch glatt vergessen habe, lautet: Welchen der Kerle fandest Du persönlich (und ich meine ganz persönlich) am interessantesten, aber auch nettesten (und ich bin mir bewusst, dass das ein Unterschied sein kann)? Das habe ich doch glatt vergessen zu schreiben! Wenn Du's verrätst, tu ich's auch (nach dem Roman, den Film habe ich ja noch nicht gesehen - und ja, ich würde den gern sehn, nur aus Neugier auf den Kontrast, nicht weil ich das Gefühl habe, etwas verpasst zu haben).


    Gruß,
    Karen

  • Hallo, Karen.


    Ich habe mit der Drehbuchautorin und Regisseurin nicht gesprochen (weil ich es leider nicht zur Premiere nach München geschafft habe), aber meine Lektorin sagte mir, daß sie (die Autorin) sehr zufrieden mit meiner Dramatisierung wäre. Es gab auch - was eher unüblich ist - keinerlei Änderungswünsche oder Anmerkungen von dieser Seite oder von Seiten der Produktionsfirma. Das hat alle im Verlag ziemlich verblüfft.


    Meine Lieblingsfigur ist - mit großem Abstand zu den anderen - der Polizist Gy. Und Olli, den Feinkosthändler, mochte ich beim Schreiben sehr gerne, da habe ich, denke ich, auch die größte Empathie entwickelt. Frank, der ja eigentlich die Hauptfigur sein soll, empfand ich als zu passiv und eher blaß, und die anderen beiden, die ja erst im zweiten Teil wesentlich zur Handlung beitragen, haben mich wenig von meinen beiden bevorzugten Figuren abgelenkt. Daß Frank, Gy und Olli die eigentlichen Protagonisten sind und die beiden anderen "nur" eine weitere Sicht auf die Sache repräsentieren, schien mir auch für die Umsetzung wichtig.

  • Hallo Tom


    Den Eindruck hinterlässt Dein Buch auch. Frank, Olli und Gy - in irgendeiner Weise die Hauptpersonen. Ich finde es trotzdem erstaunlich, dass Du sowohl Giselher als auch Lasse dann noch so viel Raum eingeräumt hast (was sicher nicht sehr leicht war).


    Mich als Frau wundert's nicht, dass die Drehbuchautorin mit Deinem Script zufrieden war (und ich muss mich in letzter Zeit oft wundern, wie typisch ich als Frau bin - was mich ärgert). Aber dass ausgerechnet Gy ... Nein, Quatsch, genau der, man merkt schon, dass da sich wirklich was ändert und so.
    Egal. Ich muss das nicht beurteilen. :D Aber stimmt schon, Gy ist derjenige, der am meisten abweicht vom Ursprünlichen.
    Gruß,
    Karen
    P.S.: Olli8 finde ich übrigens auch Klasse!

  • Ich habe es heute bekommen und schon angelesen. Karens Eingangsposting habe ich nicht gelesen, weil ja sonst die ganze Spannung weg ist - obwohl frau schnell merkt, worauf das Ganze hinausläuft. Den Film würde ich mir wohl nicht ansehen, an dem Buch interessiert mich die Autorenschaft, ist doch klar.
    In dem Zusammenhang warne ich vor der Verfilmung von Walsers Novelle "Ein flieg(h)endes Pferd" - sooo blöde gemacht.
    Toll der neue Jodie-Foster-Film: Die Fremde in mir!
    So, zurück zur Lektüre. :)
    (Oder soll ichs auf der lange Fahrt zu den Elmauer Literaturtagen lesen? Aber dort müsst ichs dann verstecken...)

  • Zitat

    Aber dort müsst ichs dann verstecken...


    Barum? :wow


    Ich habe mich mit Deinem "Wassermann" in der Öffentlichkeit gezeigt. 8)

  • Zitat

    Original von Tom


    Barum? :wow


    Ich habe mich mit Deinem "Wassermann" in der Öffentlichkeit gezeigt. 8)


    Da wird ja auch nicht so oft die Stellung gewechselt. ;)
    Also die Kerle wären mir alle keinen Tausender wert gewesen.
    Aber hast es flott, wenn auch seeeehr dezent, beschrieben. :blume

  • Drei Münchner stecken in finanziellen Schwierigkeiten, und irgendwann hat einer die Idee, einen Begleitservice für Frauen zu gründen. Zwei weitere Männer werden engagiert, und man bastelt an einen frechen Internetauftritt, auf dem unter dem Titel „Deutsche Feinkost zum Anfassen“ eine „Orgasmusgarantie“ erteilt wird. Die Sache funktioniert natürlich zuerst gar nicht. Blöderweise geht einer von ihnen, Frank, bei der Akquise zahlungswilliger Damen auf dem Arbeitsamt (!) einer V-Frau der Steuerfahndung auf den Leim und drückt ihr einen Flyer mit der Webseite in die Hand. Polizist Gy will ihn entlasten, was dazu führt, dass ein Kollege Gys Foto auf dem Internetauftritt wiedererkennt und das ganze gleich an ein Boulevardblatt weitergibt. Nach dem folgenden Zeitungsartikel stehen die einsamen Frauen auf einmal Schlange .


    Da wären zunächst Gy, der abgebrühte Aufreißer und Frank, der feinfühlige Germanist, der als Kolumnist einer Frauenzeitschrift scheitert. Dann der gemütliche Delikatesshändler Olli, der Exabteilungsleiter Giselher und der blutjunge, südländische Beau Lasse. Im Laufe ihrer Unternehmensgründung treten immer mehr die Unzulänglichkeiten der fünf im Bezug auf das andere Geschlecht zutage: Gy ist völlig beziehungsunfähig, Frank kann sich nicht von seiner untreuen Freundin lösen, Olli flüchtet sich in lukullische Vergnügen, Giselherr hat sein sexuelles Selbstbewusstsein mit seinem Job verloren, und Lasse noch nie mit einer Frau geschlafen. Natürlich lässt sich nicht verhindern, dass das ganze sehr glücklich ausgeht.


    Das ist für mich die Geschichte, und es ist im Grunde eine gute Geschichte. Was machen nun Film und Buch daraus? Der Film braucht eine recht lange Anlaufzeit für die eigentliche Handlung, weil er versucht alle möglichen Fazetten des Themas humoristisch abzudecken. Obwohl durchaus nachdenklich und subtil gibt es allzu viele Reminiszenzen an den vordergründigen Witz der Beziehungskomödien aus den 90ern. Tom Liehr benötigt nur ein gutes Viertel seines Buches, um die Helden zu versammeln und das Unternehmen in Gang zu bringen. Auch gibt er der wie im Film blassen Hauptfigur Frank (interessanterweise der Charakter, der am ehesten verzichtbar wäre) zugunsten der anderen Akteure weniger Raum. Was Liehr natürlich nicht machen kann, ist die Anzahl der Figuren zu reduzieren. Gy, der interessanteste Charakter mit dem für Münchner höchsten Wiedererkennungswert (im Film famos: Sebastian Bezzel), wird im Buch auch sehr plastisch, nur leider hat er dort seinen Dialekt eingebüßt. Liehr nutzt die Chance seines Mediums manche, wenn auch nicht jede Lücke aus dem Film zu schließen (z.B. woher Frank, Gy und Olli sich kennen). Er ergänzt die eine oder andere Episoden zugunsten von Szenen, die im Kino besser funktionieren.


    Sprachlich war mir das Buch dagegen, vor allem am Anfang, durch den konsequenten Verzicht auf Füllwörter zu unrund. Andererseits gibt es viele sehr schöne Bilder, und die Wortwahl ist präzise und oft sogar originell. Erzählerisch macht Liehr fast alles richtig, und das Ende ist sogar richtig gut. Insgesamt ist ihm ein sehr lebendiger Roman zu einem unterhaltsamen Film gelungen. Mehr konnte und sollte man auch nicht erwarten.

  • gemäß der "deutschen kinocharts", die auf die DPA zitiert werden, ist stellungswechsel auf nr. 3 eingestiegen, siehe zb hier. für mich erstaunlich und erfreulich, wo ich ca. 10 leute gezählt habe, die sich den film mit mir (allerdings um 17.15) angeschaut haben. hat jemand eine ahnung wie diese hitlisten zustandekommen, es gibt ja mehrere davon? kino.de hat zb eine andere.

  • Steht doch da :
    "Die Kino-Besucherzahlen wurden vom 4. bis 7. Oktober in 339 Sälen der Cinemaxx-Kinos mit insgesamt rund 89.000 Plätzen ermittelt."
    Oder habe ich jetzt was nicht verstanden ?


    Ich werde heute jedenfalls den Cinemaxx Zähler in Hamburg um 3 Personen erhöhen.
    :D

  • Erst einmal einen herzlichen Dank an Tom für die Signatur, und dafür, dass er sich darauf eingelassen hat, wie sie in mein Buch kommt.
    Danke.


    Trotzdem es nicht unbedingt mein Thema ist, habe ich das Buch gern gelesen.
    Den Film werde ich mir nur auf DVD ansehen, vorerst also wahrscheinlich nicht, ich bin kein Kinogänger.


    Zur Story selbst nur so viel: Mir ist der Schluss auch etwas zu knapp ausgefallen. Ich habe den Eindruck, hier fehlt die 7. Sequenz (von acht). Interessant wäre es auch gewesen, zu erfahren unter welchen Umständen und warum Daphne das getan hat, was sie getan hat, nachdem sie bei der Faschingsfeier einen nachhaltigen Eindruck von dem bekommen hat, in den sie verliebt ist. Liebe allein, als Erklärung, wäre mir zu wenig. Sabine - das ist mir alles zu glatt; warum ist Frank nicht bei Birte Hausmann geworden? Oder ist er es?


    Das Buch weicht in der Art ab (was Wunder!), erzählt in Bildern, mit Sätzen, die (sehr) gut formuliert sind; Worten, die sorgfältig ausgesucht sind. Das ist jedenfalls mein Eindruck.
    Was mich auch schwer beeindruckt hat, das ist, wie Tom zwischen der Handlung und der Motivation in knappen, gezielten Worten vermittelt. Mit diesen Worten Bilder im Kopf entstehen lässt, die eigentlich die Augen präsentieren sollten, dargeboten auch von den Schauspielern.
    Er schafft es, Orte zu beschreiben ohne einen damit zu langweilen oder zu drücken bis zum er-. Er hat es geschafft sich in die Szenen hinein zu denken und uns daran teilhaben zu lassen.
    Tom hat mit diesem Buch zum Film ganze Arbeit geleistet.

  • hallo charly,

    Zitat

    Original von Charly
    Interessant wäre es auch gewesen, zu erfahren unter welchen Umständen und warum Daphne das getan hat, was sie getan hat, nachdem sie bei der Faschingsfeier einen nachhaltigen Eindruck von dem bekommen hat, in den sie verliebt ist. Liebe allein, als Erklärung, wäre mir zu wenig. Sabine - das ist mir alles zu glatt; warum ist Frank nicht bei Birte Hausmann geworden? Oder ist er es?.


    ich erinnere mich leider besser an den film: da fehlt die erklärung zu daphnes verhalten völlig. es muss wohl liebe gewesen sein wie der weibliche wunsch den mann auf den rechten weg zu bringen..


    im film gehört frank am ende zumindest nicht mehr zu den männern, die aktiv an dem projekt teilnehmen.


    viele grüße,
    michael

  • Tach zusammen,
    um es kurz und knapp zu machen: Mir hat das Buch nicht gefallen. Die Handlung erinnerte mich an "Ganz oder gar nicht", einen Film, in dem, so weit ich mich erinnere, ein paar sehr unattraktive Männer aus finanziellen Erwägungen eine Stripper-Karriere anfangen.
    Die Motivation der Helden des vorliegenden Buches halte ich durchgehend für nicht überzeugend (was nicht nur für die Hauptagierenden gilt, sondern beispielsweise auch für Daphne - ich hatte gelegentlich den Eindruck, daß zwischendurch ganze Zeitabschnitte fehlten, in denen womöglich nachvollziehbare Entwicklungen der Charaktere hätten stattfinden können), einzig schlüssig vom Handeln her fand ich Giselher, der nur mitgemacht hat, weil er durch Verschweigen der ganzen Wahrheit quasi überrumpelt wurde.
    Mag sein, daß ich mein logisches Denkvermögen bei Komödien (Zitat auf dem Cover: "Die Kinokomödie des Jahres", und das bereits vor Erscheinen des Films!) nicht genügend ausschalten kann und daß Buch und Film ein Renner werden, meine Sache ist es nicht.
    Für mich das einzig Positive: Tom ist seinem Stil treugeblieben, soweit das bei einer vorgegebenen Handlung und mehr oder weniger "fertig" servierten Charakteren überhaupt möglich war, und hat zumindest den Vorgang des Lesens einmal mehr zu einer unterhaltsamen Angelegenheit gestaltet. Ist doch wenigstens etwas, odrrr? ;)
    Viele Grüße aus'm Pott
    Kaelo

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    kaelo.de

    2 % aller Menschen besitzen einen IQ >130, die restlichen 98 % nicht. Das erklärt meine Skepsis gegenüber Mehrheitsmeinungen. (Kaelo)

  • Hallo Cordula,


    ich habe erst den Film gesehen und werde jetzt wohl bald das Buch anfangen können. Ich wollte die Entstehungsreihenfolge der Medien einhalten.
    Dann kann ich auch Toms Leistung besser einschätzen.
    Dass diese exzellent war, sagen ja schon die Kommentare hier im Forum.
    Tom hat auch (natürlich) erst den Film gesehen und dann geschrieben.
    Ich finde es interessant es auf diese Art nachvollziehen zu können.


    Peter

  • Mit elf oder zwölf stand ich eines Tages im Oktober, am Weltspartag in der Sparkasse und wollte den für alle Schüler gestifteten Preis für fleißiges „Kleinstsparen“ abholen - ein Buch. Das Buch, das mir die Frau hinterm Tresen entgegenhielt, mochte ich aber zunächst nicht nehmen.
    „Das ist für Mädchen!“
    „Die Preise kann man sich nicht aussuchen“, hieß es „und außerdem sind Mädchenbücher auch für Jungs interessant.“
    Da stand ich also draußen und hielt ein Mädchenbuch in der Hand, war wahnsinnig enttäuscht und schwor mir, nie wieder zu sparen. Zu Hause warf ich das Buch in die Ecke - die Frau aus der Sparkasse konnte mir viel erzählen - und schwor mir, es nie zu lesen. Später schenkte ich es einer Cousine und ich glaube, dass die es auch nicht gelesen hat.

    Jetzt, nach der Lektüre von Tom’s „Stellungswechsel“ habe ich das Gefühl, doch noch ein „Mädchenbuch“ gelesen zu haben. Eigentlich wollte ich ja kein „Buch zum Film“ lesen (auch wenn es dafür einen schönen Fachbegriff gibt), aber Tom hat natürlich bei der Lesung in Spaichingen geschickt ein Kapitel ausgesucht, das geeignet war, gute Vorsätze über den Haufen zu werfen.


    Beklagen kann ich mich eigentlich nicht. Das Buch ist gut geschrieben, die Handlung stimmig entwickelt. Die Personen sind nach jeweils wenigen Seiten schon deutlich entwickelt, andererseits gibt es aber auch keine mit wirklichem Tiefgang. Am Ende geht alles irgendwie überraschend schnell, aber ich wüsste auch nicht, was man bei der Geschichte noch viel hätte schreiben sollen? Es ist eine von den Geschichten, die auch regelmäßig im frühen Abendprogramm gebracht werden, damit sich die Damen etwas Abwechslung von Pilcher-Geschichten verschaffen können. Ganz ein kleines bisschen schockierend - aber niemals so erzählt, dass wirklich an der heilen Welt gekratzt wird. Ich glaube nicht, dass ich mir den Film ansehen werde und die Chance, dass mich eine meiner beiden Töchter mit ins Kino schleppt ist gering geworden, da beide neuerdings aus dem Haus sind.


    Nach dem Lesen hatte ich das Gefühl, das Tom seine Aufgabe gut erledigt hat, aber nirgends bis an den Anschlag gegangen ist. Das ist zwar einerseits gut, wenn man merkt, dass der Autor noch Spiel hat, seine Fähigkeiten nicht bis zum letzten ausgereizt wurden. Andererseits macht es aber auch neugierig, was da noch kommen könnte. Ich wünsche mir eigentlich, dass sein Agent aufhört, ihm den Umschwenk (oder Abstecher) in anderer Genres auszureden. Das könnte spannend werden, davon bin ich überzeugt.


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann