Zur Genderideologie

  • Cordula

    Die Sache ist der Artikel der beiden Autoren in der SZ im Sommer, in dem sie scheinbar wissenschaftlich darlegen, dass eine genderisierung unserer Sprache zwingend notwendig ist. Scholten geht auf diesen Artikel ein und hintefragt ihn, untersucht zitierte Belege und angeführte Zusammenhänge.


    Ich finde es merkwürdig, dass ich erklären muss.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Na ja, liebe Cordula, es ist schon ein wenig fahrlässig, wenn alle über eine Threadüberschrift diskutieren - das aber durchaus engagiert, ein gehöriges Arsenal aufbietend -, statt nach der Schlagzeile auch noch den Text des Artikels (und den Text im Text) zu inhalieren und also auf die Konkretisierung zu antworten, statt nur auf die Schlagzeile. Ich nehme mich da nicht aus.

  • In den ersten Beiträgen ging es ausschließlich um den Podcast und seinen Inhalt. Flaschengeist und Jürgen bezogen sich definitiv darauf. Auch die Frage, ob solche Polemik wie von Scholten angemessen sei (oder überhaupt Polemik in einer wissenschaftlichen Debatte sinnvoll ist), kam auf. All das ist "an der Sache" diskutiert. Erst dann kam von Heike die emotionale Einlassung auf die Genderthematik, und in Folge noch einige andere.


    Ich persönlich bin ja leider nicht in der Lage, eindeutig Position zu beziehen. Ich finde immer wieder auch noch Argumente, die mir einleuchten, auf der anderen Seite. Jürgen oder Tom, die für sich ganz klar in dieser Sache sind, beneide ich deswegen. Das geht mir leider auch bei anderen Themen so und, wie ich beobachte, wird das mit dem Alter nicht besser, sondern eher schlimmer.

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    Emanuel von Bodmann


  • Ich ärgere mich schon, dass ich an dieser Diskussion, bzw. dem Postingaustausch teilgenommen habe, da ich an einem bestimmten Punkt immer persönlich angegriffen und beleidigt werde. Auch den Ehrentitel eines "Rechtspopulisten" habe ich schon verliehen bekommen (von einer Dame, die nichts anderes als den Artikel der Süddeutschen gelesen hatte, wo die Kritiker ja in die AfD-Nähe gerückt werden). Ich sollte mich vielleicht doch besser zurücklehnen, Privates tun und einfach nur zusehen, wie dieses ganze Sprachgenderspektakel von selbst in sich zusammenkracht. Wie gesagt, das Sprachzentrum ist autonom und lässt sich von keinem in sein Kerngeschäft reinquatschen.

    ASIN/ISBN: 395494104X


    "schönheit ist das versprechen, daß das werden kann, was wir uns wünschen." (Ronald M. Schernikau: Die Tage in L.)

  • Ganz so einfach ist es nicht, Jürgen. Man fühlt sich verunsichert, wie bei der Rechtschreibreform, und die Verunsicherung lässt einen auch daran zweifeln, es richtig zu tun, oder implantiert überhaupt erst den Gedanken, dass es einen falschen Weg geben könnte. Das ist möglicherweise auch die Absicht einiger.


    Bei einer Vereinssitzung, bei der ich letztens zufällig zugegen war, ohne jenem Verein anzugehören oder angehören zu wollen, hat die Vorsitzende in einer Rede ganz unironisch fortwährend von "Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder" gesprochen.

  • Zitat

    Bei einer Vereinssitzung, bei der ich letztens zufällig zugegen war, ohne jenem Verein anzugehören oder angehören zu wollen, hat die Vorsitzende in einer Rede ganz unironisch fortwährend von "Liebe Mitgliederinnen und Mitglieder" gesprochen.

    Als Floskel wird uns das wohl erhalten bleiben: Bei öffentlichen Reden und Vorträgen. Meine Tochter erzählte mir, dass einer ihrer Unidozenten immer "Lehrer-innen" gesagt habe (wobei das i immer stärker als das Leh betont wird) und auch durchgehalten hat. Aber so was schleift sich doch nicht in das alltägliche Reden ein. Ich mache mir gerne den Spaß und höre ganz genau hin: Das gibt's nämlich immer einen Stotter-Stolper vor dem "Bürgerinnen und Bürger", weil diese Paarformel ja gegen unsere Prosodie verstößt. Da ist vorher und nachher so eine Art Synkope, die die Rede lustig ins Schlingern bringt. Solch läppische Sachen juckt doch unsere Sprache nicht...

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    "schönheit ist das versprechen, daß das werden kann, was wir uns wünschen." (Ronald M. Schernikau: Die Tage in L.)

  • Wie gestern schon gesagt: Das gefällt mir gut. Es ist klug gemacht, spannend vorgetragen, sympathisch.


    Es zeigt aber auch das - u.a. intellektuelle - Dilemma dieser "Diskussion", die m.E. und mit/bei allem Respekt in der Sache völlig idiotisch ist.


    Unsere Sprache ist geschlechterneutral, was das biologische Geschlecht anbetrifft. Was uns weiszumachen versucht wird, nämlich dass grammatisches Geschlecht und biologisches Geschlecht (in einigen Fällen?) übereinstimmen oder nicht zu trennen sind, stimmt einfach nicht. Das ist eine - politische - Bewertung, die hier vorgenommen wird, und es geht nach meinem Dafürhalten nicht darum, eine Art von Gerechtigkeit herzustellen.


    Der Chemiker ist ein Mensch bzw. eine Person (der Mensch, die Person - beides hat mit dem biologischen Geschlecht der Hälfte der bezeichneten Individuen - das Individuum - überhaupt nichts zu tun, nada, null, niente), der bzw. die sich naturwissenschaftlich mit Themen der Chemie auseinandersetzt (tatsächlich ist das keine Berufsbezeichnung). Wenn man von Chemikern spricht, meint man Personen gleich welchen Geschlechts, die das tun, die diesen Beruf ausüben, aber man meint sie abstrakt. Dass viele Menschen, wenn sie an Chemiker denken, mittelalte, barttragende, leicht nerdige, weiße, christlich sozialisierte, heterosexuelle, konservativ wählende, omnivore Männer vor ihrem geistigen Auge sehen, ist ein Problem dieser Menschen, an dem sie arbeiten müssen. Zu dieser Arbeit kann man sie aber nicht zwingen, in dem man den abstrakten Begriff auf ungebührliche Weise konkretisiert und mit ihm nun plötzlich auch das Geschlecht der Personen zu bezeichnen versucht, die diesen Beruf ausüben. Das ist völliger, hanebüchener Blödsinn. (Warum dann nicht auch gleich noch Hautfarbe, Glauben, sexuelle Neigung usw. usf.?)


    Außer, wir meinen das. Hier "gendern" wir doch alle längst und seit Jahren. Wer eine Rede vor Chemikern hält, wird diese konkreten Menschen mit "Chemikerinnen und Chemiker" ansprechen, das gebietet die Höflichkeit - und das meint man in diesem Fall vor allem. Wird jedoch in der Rede vom Berufsstand gesprochen ("Chemiker sollten wissen, dass man im Labor eine Schutzbrille trägt"), kann man die Konkretisierung aufgeben. Die falsche Höflichkeit an dieser Stelle würde zur Lächerlichkeit werden. Chemiker aller Geschlechter wissen, dass man im Labor Schutzbrillen trägt, und man muss nicht explizit darauf hinweisen, dass nicht nur die Männer, sondern gefälligst auch die Frauen und Menschen unbestimmten/indifferenten Geschlechts daran denken sollten, eine verdammte Brille zu tragen. Die ätzende Wirkung von Chemikalien interessiert sich nicht dafür, was man zwischen den Beinen hat.


    Dieser Ansatz ist völlig verkorkst. Er ist dafür gut, die Ungleichbehandlung und die nach wie vor existierende Ungerechtigkeit ins Bewusstsein zu rücken, aber er ist der falsche Ansatz dafür, das Problem zu lösen. Zudem ist er ein Fass ohne Boden, und dann auch noch ein polygones, keineswegs rundes Fass, denn diese vermeintliche Geschlechterungerechtigkeit in der Sprache ist ja sehr uneinheitlich und gilt nur in einem Teil der Fälle. Das ganze etymologisch und linguistisch betrachtend, kann man sich nur die Haare raufen. Und die Aufräumarbeiten, die hier nötig wären, um wirklich die gesamte Sprache von allen Fällen zu befreien, in denen man bei bestimmter Sichtweise eine Ungleichbehandlung, fehlende Neutralität (sic!) erkennt, wären unendlich. Wir müssten eine gänzlich neue Sprache erfinden, und selbst die obskuren Vorschläge, die es in diesem Bereich bereits gibt, wären nur die Spitze des Eisbergs.


    Mai führt aus, dass es Frauen gibt, die sich nicht angesprochen fühlen, wenn man von Chemikern spricht. So ist es auch. Sie sind nicht angesprochen, ebenso wenig wie Männer, weil es bei diesem Begriff und seinem Artikel und also seinem grammatischen Geschlecht nicht um konkrete Personen und nicht um Biologie geht. Dass dieser Zusammenhang vermutet und unterstellt wird, fußt auf einem Irrtum. Und die Korrektur dieses irrtümlich angenommenen Missstandes führt auch nicht dazu, dass plötzlich mehr Frauen Chemiker oder Feuerwehrleute oder Bundeskanzler oder Müllwerker oder Friseur oder Erzieher werden, insofern es dort unausgewogene Geschlechterverhältnisse gibt. (Dass man nicht mehr Feuerwehrmann oder Krankenschwester als Berufsbezeichnung verwendet, finde ich angemessen, aber hier trägt die Veränderung einer erfolgten gesellschaftlichen Veränderung - endlich - Rechnung.)


    Das sind nicht nur meine zwei Cents, das ist es einfach. Ich kann die Diskussion verstehen, ich kann den Ansatz verstehen, ich kann Zorn und Ärger über noch immer, im Jahr 2019, bestehende Ungerechtigkeiten verstehen, aber der Ansatz, über eine Zerstörung der Sprache nebenbei die Ungerechtigkeiten zu beseitigen, wird nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Diese Ansätze fraktionieren nur, sie trennen, sie werfen der Entwicklung Knüppel zwischen die Beine.