Mariana Leky: Was man von hier aus sehen kann

  • Luises Großmutter Selma hat das zweite Gesicht: Immer, wenn sie von einem Okapi träumt, stirbt jemand. Und weil alle um die Wahrhaftigkeit dieser Gabe wissen, versetzen diese Träume die ganze Westerwälder Dorfgemeinschaft in Aufruhr.


    Ich frage mich, warum mir das Buch nicht gefallen hat. An der Sprache kann’s nicht liegen. Leky schreibt originell und humorvoll. Am Inhalt kann’s nicht liegen. Die Buchbeschreibung hat mich sofort für sich eingenommen. An den Personen? Alle sind skurril in diesem Buch, durch die Bank, oder haben skurrile Eigenschaften. Selma, die wie Rudi Carrell aussieht, der Vater, der durch die Welt gondelt, die Mutter mit ihrem Eismann, die abergläubische Elsbeth, die schlecht gelaunte Marlies, der Optiker, mit seinen Stimmen im Kopf und der nie eingestandenen Liebe zu Selma. (Überhaupt, dieses gebetsmühlenartige Wiederholen, der Optiker, der Optiker, der Optiker …) Die Ich-Erzählerin selber, die einen buddhistischen Mönch liebt, der im fernen Japan lebt und Briefe in den Westerwald schreibt. Obwohl für mich Figuren eines Buches nicht sympathisch sein müssen (sie sollen gut geschrieben sein, das reicht): Kaum einer wird mir lange in Erinnerung geblieben. Ihre Marotten überdecken alles. Alles ist krampfhaft originell. Und da begann es dann wahrscheinlich auch für mich zu kippen, konnte ich die Sprache nicht mehr so schätzen, wie man sie wahrscheinlich schätzen sollte: Wenn alle und alles außergewöhnlich ist, wird’s auch wieder beliebig.


    Davon soll sich niemand abhalten lassen, das Buch zu lesen. Dutzende bei Amazon wiedergegebene Pressestimmen überschlagen sich vor Lob. Wir passen wohl einfach nicht zueinander, dieser Roman und ich.


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  • Hallo, Petra.


    Ich hab's angefangen und vorläufig beiseitegelegt, weil ich's auch als zu bemüht originell empfand, außerdem als zu handlungsarm und stilistisch gewöhnungsbedürftig. Stattdessen habe ich dieses hier angefangen und bin bislang aber auch noch nicht viel glücklicher geworden.


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  • Hallo Tom,


    handlungsarm, ja, das habe ich auch so empfunden. Gegen den Stil hatte ich nichts einzuwenden, es gibt ein paar feine Sätze, die ich mir angestrichen hätte, wenn ich denn ein Buch aus Papier vor mir gehabt hätte. Stattdessen habe ich es als Hörbuch gehabt - und das hat meinen Eindruck eines eher betulichen Textes durch die Art, wie gelesen wird, wahrscheinlich noch verstärkt.


    Nun bin ich aber bereit einzuräumen, dass mir was Entscheidendes entgangen sein könnte (ein philosophischer Überbau oder so was) und hatte von daher auf Widerspruch von jemandem gehofft, der das Buch gern gelesen hat. Niemand?


    Gruß,
    Petra

  • Ich habe es sehr gerne gelesen (s. a. Blogbeitrag), kann aber mit einem philosophischen Überbau auch nicht dienen. Ich glaube, den (oder irgendeinen sonstigen Wahnsinns-)Anspruch hat das Buch auch gar nicht ... Vielleicht ist es gerade die Summe von kleinen, doofen, (allzu) menschlichen aber im Endeffekt doch irgendwie tauglichen Lebensphilosophien, die sich die Figuren mehr oder weniger unbeholfen selberzusammenzimmern, die das Buch lesenswert (oder je nach Geschmack eben nicht lesenswert macht). Schwer zu definieren; viele unserer Kunden in der BuHa sind ebenfalls hell begeistert. Ich schätze, die Frage ist, ob es was in einem anrührt oder nicht.

  • Habe es auch sehr gerne gelesen. Ich finde diesen bodenständigen Pragmatismus versus Spleen sehr spannend und lustig. Diesen Spagat auf zwischen Weltlichkeit und Rückständigkeit. Auch wie liebevoll verschroben sie ihre Figuren zeichnet, herrlich.

    Ebenso das Selbstreferenzielle, mit welcher Aussprüche/Weisheiten/Erlebnisse immer wieder in einen anderen Kontext übertragen werden, ist (für mich) lustig.

  • Ich habe dem Buch kürzlich eine zweite Chance gegeben. Da es schon eine halbe Trilliarde Rezensionen dazu gibt, verzichte ich auf eine weitere. Nur so viel: Einerseits ist das ein sehr schönes, sehr poetisches, sehr eigenständiges, zwingend erzähltes und liebenswürdiges Buch. Andererseits hat es mich ungefähr ab der Hälfte oft gelangweilt. Das Gedankenmodell steht, die vielen Wiederholungen, Selbstreferenzen und unkonventionellen Namen sind etabliert und verinnerlicht, und man beginnt darauf zu warten, welche Entwicklung all das nehmen soll, wo es hinführt, was die Botschaft ist. Während man wartet (und darauf hofft, dass es anders endet als man schon seit einer Weile annimmt), gerät das Modell hin und wieder ins Wanken, weil doch zu viel angenommen, zu viel vorausgesetzt wird, das bei näherer Betrachtung ein Hinterfragen verträgt. Die Stimmen im Kopf des Optikers, Selmas Verhalten, der über allem stehende und unantastbare gute Wille, die Endlosigkeit der Harmonie - solche Dinge. Obwohl Mariana Leky um Längen besser, klüger und interessanter erzählt, musste ich immer wieder an Paolo Coelho denken. Am Ende war ich dann froh, dass es vorbei war. "Die Herrenausstatterin" hat mir deutlich besser gefallen.

  • ...ich hab es auch gelesen. Auch zu Ende. Es ist schon ein sehr besonderes Buch. Und sie hat einfach eine sehr eigene Erzählweise. Ich habe dieses Buch an Freundinnen verschenkt, von denen ich wusste, dass sie mit genau dieser Art der Erzählung etwas anfangen können.Und ich habe bei diesen Frauen einen Volltreffer gelandet, was mich natürlich sehr gefreut hat. Man muss es mögen. Ich mochte es auch, aber ich hätte jetzt von mir aus kein weiteres Buch von ihr gelesen. Wenn aber der Herrenausstatter „besser“ ist, dann schaue ich mal. der Titel ist schon mal super.