Es gab eine Zeit, da klebte man Fotos noch in Alben. Man verwendete dafür meist sog. Fotoecken; irgendwann in den 1970-ern (?) kamen auch Alben mit selbstklebenden Seiten auf, wo die Fotos unter einer Folie verschwanden und wahrscheinlich bis zum Sanktnimmerleinstag auf dem fliegenpapierähnlichen Trägerpapier pappten. Heute werden Alben zwar noch verkauft, in Zeiten der Digitalfotografie, selbst, wenn es auch immer noch die Möglichkeit gibt, digitale Fotos auf Papier drucken zu lassen, erscheinen sie mir aber eher ein Produkt von schwindender Beliebtheit geworden zu sein.
Apropos nun Sanktnimmerleinstag: Was geschieht mit diesen meist ja vom Besitzer wertgeschätzten Alben, wenn derselbe verstirbt? Sie teilen das Schicksal von allem ohne fass-, also bezifferbaren Wert: Hat er keine Erben oder solche, die mit ihm nicht sehr verbunden waren, landen diese Alben wohl nicht selten auf dem Müll oder gehen an einen Haushaltsauflöser, sprich Händler.
Lichtbilder (im Gegensatz zu Lichtbildwerken) sind 50 Jahre nach Veröffentlichung, oder, wenn eine solche nicht erfolgte (was für die meisten Privatfotos gelten mag), nach Entstehung gemeinfrei. Das bedeutet, dann entfallen die sonst automatisch greifenden Urheberrechte. Solange kann ein Urheber – bei Lebzeiten, versteht sich – bestimmen, was mit seinen Fotos geschieht, wem und wo er sie zeigt. Was bedeutet, da es „früher“, vor Erfindung des Internets und dem Aufkommen entsprechender Plattformen, überhaupt keine Möglichkeit gab, Fotos einem größeren Kreis an Leuten bekannt zu machen: Die Fotos waren im Album und nur dort und wurden allenfalls Verwandten und Freunden gezeigt (ob die wollten oder nicht, aber das ist eine andere Geschichte …).
In der Müllverbrennungsanlage gehen die Bilder also den Weg allen Dinglichen. Entgehen sie dem, können sie – auf dem Flohmarkt, über Ebay … - nun aber auch in die Hände völlig Fremder gelangen, die dann, vorausgesetzt, das Urheberrecht ist erloschen, die Bilder auch publik machen dürften.
Man darf sich nun fragen: Warum sollte man das tun? Und: Wen interessieren Schnappschüsse von Fremden, wo einem schon die von der eigenen Verwandtschaft lästig sind? Darf man, ist aber müßig. Ich finde die Frage viel interessanter: Auch wenn das Urheberrecht erloschen ist, sind andere Kriterien ja nicht ganz von der Hand zu weisen: Einerseits finde ich es kaum abträglich, wenn Bilder statt in der Verbrennung auf Fotoplattformen landen. Man kann das durchaus auch als eine Art Würdigung verstehen. Des Bildes, aber auch der (unbekannten) Person, die sie gemacht hat. Andererseits: Vielleicht hat Onkel Otto in einer Sektlaune mal Tante Klara mit nichts als einer Perlenkette abgelichtet. Oder Onkel Otto selbst posiert mit stolzgeschwellter Reversbrust, an der ein kleines, rundes, verräterisches Abzeichen prangt, mit dem man nach Fünfundvierzig nun auch nicht mehr hausieren gehen wollte.
Soll heißen: Auf der einen Seite ist die juristische Seite, die sagt „mach damit, was Du willst“, auf der anderen eine – ja, von mir aus – ethische, die besagt: Man sollte zumindest vorsichtig sein mit den Motiven (siehe oben) …