Janosch: Das Auto hier heißt Ferdinand

  • Moment, Stop! Vorstellung und Rezension eines Bilderbuches?
    Über sage und schreibe 11 Seiten mit 123 Wörtern?!
    Dieser Joschik. Entweder er hat sie nicht alle ... oder er nimmt uns auf den Arm. Oder beides.
    Vielleicht stimmt das so. Oder es ist doch ganz anders.


    Zum Inhalt:


    Da steht er also, der Ferdinand, gelb, sportlich, dynamisch am Bergesrand.
    Und eben diesen Berg gilt es zu besteigen, schließlich will er sich den Leuten zeigen.
    Doch da er alleine zu schwach ist, muss Unterstützung her, die auch prompt zur Stelle ist.
    Vom Taxi Sieben, dem Auto von der Post, der Feuerwehr und last but not least vom Bauern Nolte, der mit des Treckers Riesenkraft dann die letzten Meter schafft.
    Doch kaum auf dem Gipfel, geht es auch schon im freien Fall hinunter.
    Dem nicht genug, fällt Ferdinand auch noch in die unendlichen Tiefen eines Sees. Und so wäre Ferdinands Ende jämmerlich besiegelt gewesen, hätte ihn nicht ein Pferd gerettet.


    Damit wäre alles erzählt. Also hat er doch nicht alle Tassen im Schrank.


    Fazit:


    Ich mag nicht verschweigen, dass mir dieser Meilenstein der Weltliteratur circa 1983, im Kindergarten, das erste Mal in die Hände fiel. Lesen konnte ich da noch nicht, somit war ich, den mir wohlgesonnen Momenten des Betreuungspersonals ausgeliefert. Dennoch faszinierte mich das kurze »Abenteuer« des Hauptprotagonisten ungemein.
    Insofern bin ich eventuell nicht ganz objektiv bei der Bewertung dieses Kleinods, jedoch denke ich das es mehr als »nur« eine nette Geschichte ist.


    Denn ein (bißchen) Ferdinand steckt doch in jedem von uns. Der Wunsch den Berg des »Gesehen-Werdens« zu erklimmen, um ein kleines Stück Unsterblichkeit zu erlangen.
    Doch wer bleibt übrig, wenn es dann den Berg hinunter geht? Im schlimmsten Fall zumindest ein Pferd.


    Oder ist das Ganze am Ende eine Art Metapher? Für den Sieg der Natur über die Technik.


    Man weiß es nicht. Und eben dieser Interpretationsspielraum macht es so spannend.
    Eine Geschichte die simpler nicht erzählt werden kann und doch zugleich Lebensweisheit vermittelt, ohne sie auszusprechen.
    Ein Buch, geschaffen von einem Künstler, lange bevor ihm der kommerzielle Erfolg mit Tigerente & Co. beschert war. Bevor uns Tiger und Bär von Tassen, Tellern und Bettwäsche entgegen grinsten.
    Dazu illustriert, fern ab von den Zeichnungen der heutigen Bilderbuchgeneration, kindlich naiv und doch so passend.


    Vielleicht aber, um Janosch zu zitieren, ist es aber auch alles Unsinn, was ich sage.


    Das Auto hier heißt Ferdinand ist derzeit in einer Neuauflage ershältlich
    Für kleine Kinder, solche die es geblieben sind oder für jeden der ein wenig Fünf-Minuten-Lebensphilosophie im Handtaschenformat sucht.


    [buch]3407793162[/buch]

    ... und ich verrenk mir mein Gehirn bloß um zu sagen was ich will,
    das ist nicht viel aber auf jeden Fall besser als Schweigen - Gisbert zu Knyphausen

  • Ich finde das gar nicht unpassend, hier auch mal Kinderliteratur zu erwähnen.


    Eines meiner Lieblingsbücher, dessen ... doch, ich würde sagen: fast schon philosophischer Grundgedanke meinem Sohn allerdings damals nicht so ganz nahezubringen war, ist das von der Maus Frederick. Ich habe damals, als er im entsprechenden Alter war, mehrere Interpretationsansätze unternommen, aber ich weiß immer noch nicht, ob ich ihm das erklären konnte :).
    Ich glaube, der iPhone-Generation kann man das nicht mehr vermitteln :)


    [buch]3407760078[/buch]

  • Oder ist das Ganze am Ende eine Art Metapher?

    Es ist eine Parabel! Die Du hier wunderbar erläuterst, vielen Dank! Und nee, bloß nie Kinderbücher unterschätzen, es ist verteufelt schwer, gute zu schreiben (und überhaupt welche zu schreiben, geht mit einer Riesen-Verantwortung einher, oder?).

  • Zitat

    es ist verteufelt schwer, gute zu schreiben


    Das stimmt. Die beiden Königsdisziplinen, wenn es um Unterhaltungsliteratur geht: a) Wirklich witzig sein und b) Kinder begeistern.

  • Bei deiner Begeisterung für dieses Kinderbuch wird mir ganz warm ums Herz. Danke für den Hinweis, dass dieses Buch neu erschienen ist. Hab einen Babyneffen, den ich früh genug ans Buch bekommen muss. :)


    Ich mag das hier von ihm gern:
    [buch]3407760388[/buch]
    Wunderbares Tröstebuch für kleine Kinder...und große...

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt

  • Beschäftigt gewesen, nun aber ...


    Ich muss gestehen Anja, dass Frederik komplett an mir vorbei gegangen ist.
    Aber er befindet sich bereits auf dem Postweg. Ich brauche eh noch Urlaubslektüre.
    Für den Strand.
    Auch wenn Alle immer seltsam schauen, wenn ein erwachsener Mensch Bilderbücher "studiert". Danke für den Tipp. :dhoch


    Parabel heißt das Wort ... und schon hat es sich gelohnt hier beigetreten zu sein.
    Ich habe was gelernt Kristin. Ich finde sowas gut. "Merci" würde der Franzose wohl sagen. Ich bin kein Franzose. Aber es klingt trotzdem gut. :)


    Ja Stefanie, ideal für Babyneffen. Im Übrigen auch für eigene Kinder, Enkel, Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Cousin, Oma, Opa, Nachbarn, den Chef, gute Freunde, schlechte Freunde (häh?!), die Frau an der Kasse, Förster, Automechaniker, den Postboten usw. Für jeden(man könnte meinen, ich arbeite für Beltz & Gelberg). Nein. Stimmt nicht. Das ist wahr.
    Aber wer weiss?
    Falls das mit dem Schreiben nicht funktionieren sollte und falls jemand mal bemerkt das ich von meinem alltäglichen Job auch keine Ahnung habe (wobei ich das gut kaschiere) bleibt mir immer noch der Marketingjob im Großverlag.
    Naja ... Zumindest Flyer verteilen in der Fußgängerzone sollte drin sein. :nick


    In diesem Sinne, habt alle einen guten Abend.

    ... und ich verrenk mir mein Gehirn bloß um zu sagen was ich will,
    das ist nicht viel aber auf jeden Fall besser als Schweigen - Gisbert zu Knyphausen

  • Als Urlaubslektüre ist "Frederick" nicht so geeignet, außer vielleicht für Kinder, denen man Bücher ja immer wieder vorlesen kann. Du bist mit dem kleinen Büchlein in spätestens zehn Minuten durch :)
    Aber wenn Du noch ein paar schöne, schwere Bücher einpacken willst, dann schau Dir doch mal die "Ich bin der/die kleine ..."-Reihe an. Lauter Tiere, gestaltet für ... ich würde sagen ... Zweijährige :)
    Also gut, vielleicht nicht gerade Urlaubslektüre, aber hübsch gestaltete Bücher sind das durchaus.


    Und für größere Kinder gefallen mir immer noch die "Klassiker" von Preußler, Lindgren und Co am besten. Und aus der heutigen Autorengeneration die von Kirsten Boie.


    Tom: Nicht nur Kinder zu begeistern ist wichtig, sondern auch, ihnen keinen zweitklassigen Mist vorzusetzen, "weil das ja ohnehin nur Kinder sind und die gar nicht so zwischen Niveau und Müll unterscheiden können". Das passiert leider immer noch, in allen künstlerischen Bereichen. Und es gibt auch Künstler, die für Erwachsene nicht bestehen können und deshalb anfangen, für Kinder zu arbeiten, eben "weil die ja weniger anspruchsvoll sind". Das ist zwar der völlig falsche Ansatz, er wird aber immer wieder vertreten.


    Liebe Grüße
    Anja

  • ... und dann soll es noch so aussehen, als wäre es überhaut nicht anstrengend gewesen.


    Wenn ich (ausnahmsweise einmal wirklich) ehrlich bin, habe ich noch nicht mal vor dem Romanschreiben mehr Respekt als vor dem Verfassen von Kindergeschichten.
    Zumindest kann ich mir in einem Roman im Zweifelsfall eine individuelle Lösung ausdenken - getreu dem Motto: Entspricht zwar nicht dem Konsens, aber passt schon ...


    Bei Texten für jüngere Menschen kann ich mir nicht auf diese Weise Freiheiten herausnehmen, ist es nicht so?


    Wie dem auch sei:
    Ich freue mich über deinen Tipp, Joschik, Janosch habe ich ein paar mal mit Freuden verschenkt. Vielleicht werde ich seine Geschichten mal intensiver lesen.

  • Zehn Minuten, Anja ? Perfekt. Viel länger reicht meine Konzentration sowieso nicht.
    Nein. Nur Spaß, zwanzig gehen auch. Aber im Grunde verfasse ich eh nur Bilderbuchtexte momentan, insofern ist kurze, knappe Lektüre genau das Richtige.
    Schließlich kann man sich da eine Menge abgucken. :nick


    Ich weiß nicht Sabrina. Vielleicht hat derjenige der epische Werke verfasst mehr Respekt vor demjenigen der kurze Kinderliteratur schreibt. Und umgekehrt. Oder ganz verkehrt.
    Ich weiß es wirklich nicht. ;)
    Ich sehe es in etwa so. Wenn ich schreibe "Es war einmal ein blauer Bär der lebte in einer kleinen Höhle unter dem Meer ...." wird vermutlich kein kleines Kind sagen : "Aber blaue Bären gibt es doch gar nicht."
    Insofern hat man, zumindest für jüngere Kinder mehr Freiraum seine Fantasie spielen zu lassen. Ich finde das macht es einfacher.
    Ich ziehe meinen Hut vor Leuten dies es schaffen 800 Seiten Romane zu verfassen. Und dann auch noch für "Erwachsene".
    Könnt ich nicht. Zumindest jetzt nicht. Aber es gibt ja nichts was nicht geht ... sagt man zumindest. ;)


    Und noch ein Nachschlag. Oder Nachtrag, wie es beliebt.
    Stefanie, das Buch ist wirklich sehr schön. Und es hat, zumindest meiner bescheidenden subjektiven Meinung entsprechend, den schönsten Anfang denn ....


    "Einmal kam der kleine Tiger aus dem Wald gehumpelt. Konnte nicht mehr gehen,nicht mehr stehen und fiel um."


    In diesem Sinne, einen guten Start in die Woche.

    ... und ich verrenk mir mein Gehirn bloß um zu sagen was ich will,
    das ist nicht viel aber auf jeden Fall besser als Schweigen - Gisbert zu Knyphausen

  • Och, da muss ich dir beipflichten: Auch vor den Vielschreibern habe ich großen Respekt.


    Wie schafft man es nur, ein 800-Seiten-Buch zustande bringen?


    Aber um zum Thema zurückzukehren: Ich finde (und das ist wohl mehr meine Meinung, wissenschaftliche Erkenntnise gibt es da, schätze ich, nicht), dass Kinder am wenigsten eine fehlerhafte Ausbildung verzeihen. Oder zumindest schneller irritiert sind. Eben seltener ein Augen zudrücken als Erwachsene. :oma:oma

  • Nun ja. Ich habe keine Ahnung :rolleyes
    Aber ich sollte es heraus finden. Schließlich sollte man sein Klientel kennen ... wobei, sind das eigentlich Kinder oder eher deren "belesene" Umgebung? Fragen über Fragen ...


    Gruß von der See.

    ... und ich verrenk mir mein Gehirn bloß um zu sagen was ich will,
    das ist nicht viel aber auf jeden Fall besser als Schweigen - Gisbert zu Knyphausen

  • Hallo Joschik,


    ein Kindergeschichtenschreiber und Liebhaber! Kindergeschichten werden unterschätzt. Ich mag Bilderbücher, ich mag Lindgren, Boi, Preußler. Ich mag die Verbindung von Bild und Geschichte, aber auch freies erzählen. Ich kenne so viele gute Bilderbücher und so viele schlechte Bücher. Wie wäre es mit: "Du hast angefangen - Nein du!" oder mit "Kamfu mir helfen?" oder mit "Mein Haus ist zu eng und zu klein" oder "Es fährt ein Boot nach Schangrila" oder "Der Grüffelo" oder "Zilly, die Zauberin"...


    LG
    Nina

    Ich muss beginnen. Egal was. Hauptsache anfangen. Egal was. Aber beginnen muss ich!
    (sueddeutsche)

  • Geschätzte Joni,
    ich mag den Grüffelo. Trotzt Klauen und Zähnen. Und der giftigen Warze.
    Die Maus mag ich nicht … zu verlogen. Spaß beiseite, schönes Buch.
    Danke für die Tipps, ein Buch ist auf meiner 3-Kinderbücher-pro-Monat Liste gelandet, der August kann kommen.


    Apropos Liste. Frederick ist durch. Es gefällt. Danke, werte Anja, für den Tipp. :chapeau
    Die anderen zwei (Lügengeschichten aus dem wilden Westen & Schnuddels Gute-Nacht-Geschichten) hab ich auf einem Büchermarkt an der Nordsee entdeckt.
    Aber eigentlich … ist das unwichtig.
    Ich und mein Geplapper mal wieder. :gaehn


    Beste Grüße,


    Joschik

    ... und ich verrenk mir mein Gehirn bloß um zu sagen was ich will,
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