"Welcher Schriftsteller ist kein Kotzbrocken?"

  • Viele große Schriftsteller glauben, sei seien nur dann gute Schriftssteller, wenn sie auch Kotzbrocken seien - ich kann mich gut erinnern an die 80er Jahre - die erfolgreichen jungen Männer, die einen spüren ließen, dass sie etwas Besonderes waren. In den 90ern dann die Fräuleins, die waren auch nicht besser. Sehr erfolgreiche, sehr reiche Schriftsteller gebärden sich auch heute noch als Kozbrocken, vielleicht fürchten sie, dass man sies in ihrer Rolls sonst nicht ernstnimmt. Ich weiß bis dato nicht, ob Bescheidenheit und eine gewisse Demut sich mit dem Schriftstellersein vereinbaren lassen. Obwohl es sicher sinnvoll wäre in einem Zeitlalter, wo digitale Errungenschaften mehr zählen als Wort und Schrift. Ich denke wirklich, heutzutage ist mehr Leisetreten und eine stillere Freude am Schriftstellerdasein angesagt, wenngleich die Großkotze sich natürlich auch Respekt verschaffen.

  • Hallo, Susanne.


    Zitat

    Sehr erfolgreiche, sehr reiche Schriftsteller gebärden sich auch heute noch als Kozbrocken, vielleicht fürchten sie, dass man sies in ihrer Rolls sonst nicht ernstnimmt.


    Namen? Beispiele?


    Schriftsteller sind Leute. Es gibt die leisen, die einfach nur ihren Job machen (und lieben), es gibt die Zwischendrins, die die (vergleichsweise geringe) Popularität zur Kenntnis nehmen, sich auch in die mediale Tretmühle begeben, und natürlich gibt es auch Kotzbrocken, die jede Gelegenheit nutzen, feucht in ein Mikrofon zu furzen (Kameras werden seltener auf Schriftsteller gehalten). Das ist bei Schriftstellern wie bei Postboten, Flugbegleitern oder Zahnärzten. Nur hört werden Postboten, Flugbegleiter und Zahnärzte nicht so oft interviewt.


    Tatsächlich scheint es nach meiner Beobachtung so zu sein, dass man sich inzwischen nicht mehr so gerne weit aus dem Fenster lehnt. Einen neuen Handke sehe ich unter den deutschen Autoren derzeit nicht, nicht einmal einen Houellebecq. Ein Akif Pirinçci markiert (glücklicherweise) die Ausnahme, ein Tilo Sarrazin, der ja auch kein Schriftsteller ist, sowieso. Gegenseite: Juli Zeh nimmt gelegentlich Stellung, übt sich aber gerne auch im Relativieren. Zoë Beck engagiert sich, nimmt sich aber als Person nicht so wichtig. Und so weiter.


    Ich finde Kotzbrocken und Arschlöcher und Selbstdarsteller interessant, so lange es sich um kluge Kotzbrocken, Arschlöcher und Selbstdarsteller handelt. Davon gibt es aber nicht so viele.

  • @Alexandra: Vea Kaiser wird erwähnt. ;)


    Und es gibt eben nicht viele Schriftstellerinnen, die bei Suhrkamp und dort bei Fellinger sind/waren und das - wertfrei gemeint - Format von Bernhard, Walser, Handke und Konsorten haben/hatten. Isso.


    das bedeutet ja nicht, dass es sie nicht gibt. kotzbrockenwirtschaft.

  • @Alexandra: Vea Kaiser wird erwähnt. ;)


    Und es gibt eben nicht viele Schriftstellerinnen, die bei Suhrkamp und dort bei Fellinger sind/waren und das - wertfrei gemeint - Format von Bernhard, Walser, Handke und Konsorten haben/hatten. Isso.


    das bedeutet ja nicht, dass es sie nicht gibt. kotzbrockenwirtschaft.


    Bei Suhrkamp/Fellinger nicht, sagt Tom. Nichts anderes. Ich habe auch gestutzt, weil mir spontan einige Namen einfallen, die auf Augenhöhe von Bernhard, Walser, Handke und Konsorten sind - etwa Elfriede Jelinek, ihr Gegenentwurf: Marlene Streeruwitz, Marlene Haushofer – aber wurden & werden eben nicht von Suhrkamp verlegt sondern von S. Fischer, Rowohlt u.a. Verlagen.

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    Emanuel von Bodmann


  • Ingeborg Bachmann war Stammautorin bei Piper und ist erst kurz vor ihrem Tod zu Suhrkamp gewechselt.


    Nun ja, sie hat diesen Schritt selbst vollzogen, also kann man sie mit Fug und Recht Suhrkamp-Autorin nennen.

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  • "Ich finde Kotzbrocken und Arschlöcher und Selbstdarsteller interessant, so lange es sich um kluge Kotzbrocken, Arschlöcher und Selbstdarsteller handelt. Davon gibt es aber nicht so viele."


    Hallo Tom,
    mir halben solche Typen halt oft negativ zu schaffen gemacht. Tolle Lesungen, abe die Diskussionen hinterher oft überheblich hoch Drei. Meine Fragen aus dem Publikum oft hochmütig abgetan, keine Chance zum Gespräch. Namen nenne ich nicht, weil es meine persönlichen Wahrnehmungen sind. Vielleicht haben die ja recht, Arroganz ist berechtigt, wenn man als Schriftsteller was bringt. Aber ich fand es verletzend und überzogen. Bin aber trotzdem immer wieder in die Lesungen großer Autoren gegangen, um was zu lernen.
    Liebe Grüße
    Susanne

  • Ich! Ich möchte das - wobei pflegeleicht ja nicht mit durchschnittlich gleichzusetzen ist. Für eine pflegeleichte, kluge, witzige und zugewandte Ulrike Almut Sandig und einen ebensolchen Rolf Lappert lasse ich mit Freuden die arroganten Grantler links liegen, deren Namen ich aus denselben Gründen nicht nenne wie Du, Susanne. Wen Mutter Natur mit überdurchschnittlichen kognitiven Fähigkeiten ausstattet, darf wegen mir gerne einen kleinen Teil davon in Empathie und höflichen Umgang stecken, ob Zahnarzt oder Autor. Natürlich muss er oder sie das nicht automatisch und wird das auch nicht tun, also ist's mal wieder Ideal- und Wunschdenken.

    "Aim high, expect nothing."

    (Uschi Obermaier?)

  • Und was sollte der Lektor dann Interessantes schreiben? "Es lief alles glatt, wir haben uns in kürzester Zeit geeinigt." :gaehn


    Der Lektor muss gar nichts schreiben. Der muss lektorieren!

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  • Wenn es sich um ein Interview mit einem Lektor handelt (wie in diesem Fall), sollte er schon etwas schreiben oder sagen. Eine ganzes Interview lang zu schweigen wäre zwar gewagt, aber sicher nicht zielführend.


    Das ist zwar richtig, aber dass der Inhalt eines Interviews mit einem Lektor nur aus Peinlichkeiten über seine betreuten Autoren bestehen muss, um interessasnt zu sein, zweifle ich an.

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  • Ganz sicher nicht nur aus Peinlichkeiten. Andererseits wurden die Fragen im vorliegenden Fall genau dahingehend gestellt.


    Es muss ja nicht jede Frage mit einer Antwort beschädigt werden! ;)

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