Amazon hui - Amazon pfui

  • Über Amazon zu schimpfen wird ja langsam zum Volkssport, auch unter Autoren. Spiegel-Online berichtet von einem offenen Protestbrief von 909 Autoren in der New York Times: http://www.spiegel.de/kultur/l…-jeff-bezos-a-985243.html und in der Zeit gab es kürzlich eine Umfrage unter 15 Autoren zu amazon: http://www.zeit.de/2014/30/buchhandel-amazon-autoren. Auch dort überwiegen die kritischen Stimmen eindeutig.


    Manche der Autoren in der Zeit-Umfrage geben ganz verschämt zu, dass sie schon ab und zu mal bei amazon gekauft haben. Aber ganz selten und mit schlechtem Gewissen. So ähnlich klang das früher, wenn jemand zugab, auch schon mal einen Porno gekuckt zu haben. Nein, die meisten kaufen beim Buchladen um die Ecke. Ich finde es schon komisch, wie viele Leute einen Buchladen gleich um die Ecke haben. Ich hatte das nie. Ich kaufe auch Bücher in Buchläden, aber ich werde den Verdacht nicht los, dass diese geheimnisvollen Buchläden mit ihren so äußerst liebenswürdigen und überaus kenntnisreichen Buchhändlern ein modernes Märchen sind. Natürlich sind die meisten Buchhändlerinnen und Buchhändler freundlich und zuvorkommend, dass sind alle Menschen im Verkauf. Aber dieses Gewese und Geraune geht mit ehrlich gesagt auf die Nerven. Der normale Buchhändler versucht zu verkaufen, was er da hat und wenn es sein muss, bestellt er eben, was der Kunde will. So what? Für manche Leute in unserem schizophrenen Land ist offensichtlich nicht nur die Frage, was für Bücher sie lesen, sondern auch wo sie sie kaufen, eine moralische Frage.


    Bei Amazon finde ich alles, was ich brauche und noch viel mehr. Die Lieferung ist schnell, der Service freundlich. Und ich habe überhaupt kein schlechtes Gewissen dort zu kaufen. Ich finde schon die Idee, dass dies irgendetwas anrüchiges haben sollte, im höchsten Grade absurd.


    Aber das ist ja nur die eine Seite. Bei all dem Geschimpfe auf Amazon geht es ja auch um die Selbstverleger, die "Underdogs der Literaturszene" wie sie im Spiegel-Artikel so schön heißen. Zu den Unterzeichnern des offenen Briefes gehören u.a. Stephen King und John Grisham, die sich lieber durch Verlage vertreten lassen. Wer hätte das gedacht? Das sollen sie auch ruhig machen. Niemand wird einem Autor vorwerfen, bei einem Verlag zu veröffentlichen. Aber das sollte auch umgekehrt eine Selbstverständlichkeit sein.


    Ich habe Bücher sowohl bei Verlagen wie auch bei Amazons Kdp veröffentlicht und die Einnahmen bei Kdp machen bei mir ein Vielfaches der Verlagstantiemen aus. Kdp war der größte Befreiungsschlag seit ich begonnen hatte, Manuskripte an Verlage zu schicken. Und hier im Forum gibt es einige Leute, die dort erfolgreich sind.


    Bei der Self-Publisher-Bibel gibt es übrigens eine Replik auf die Zeit-Umfrage: 15 Autoren, die sehr wohl bei amazon kaufen und publizieren: http://www.selfpublisherbibel.…chreiben-die-fortsetzung/. Und mir kommen diese Statements weniger gezwungen vor.


    Wir haben als Autoren unsere eigenen Interessen, und das sind nicht die der Verlage und nicht die der Buchhändler. Ich sehe Verlage und Buchhändler nicht als Gegner, sondern als potentielle Partner. Unsere Ziele decken sind zu einem Teil, aber sie unterscheiden sich auch. Und wenn die eine oder die andere Buchhandlung schließen muss, dann ist es eben so. Es gibt auch keine Kopisten und keine Drucksetzer mehr und die Literatur ist nicht untergegangen. Mir kommt das manchmal so vor, wie einstmals das Gejammer als die Tante-Emma-Läden verschwunden sind. Und ganz ehrlich: Ich kaufe lieber im Supermarkt als bei Tante Emma.

  • Lieber Siegfried,


    es wäre schön, wenn du auch etwas zum Hintergrund dieser Aktion sagen würdest. Es geht nämlich unter anderem um den Versuch von Amazon, eine Art Preisdikatat durchzusetzen. Das hat zu dem Brief von (amerikanischen) Autoren geführt, und das führt demnächst auch hierzulande zu einem offenen Brief von Autoren.


    Das ist keineswegs eine Aktion gegen Selfpublisher, sondern gegen ein Unternehmen, das sich mit allen Mitteln eine Monopolstellung sichern will.


    Und damit kein Missverständnis aufkommt: Ich rufe nicht zu einem Boykott von Amazon auf und ich habe auch nichts gegen Selfpublisher.


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Amazon pfui, weil die Belegschaft mies behandelt wird und der Paketbote nix für seine Arbeit kriegt (was nicht nur, aber auch mit Amazon zu tun hat).


    Solange sich da nix ändert, kauf ich nicht. Gut, Amazon dürfte das wurscht sein :)



    Grüßle ... Jo

  • Die (möglichen) Arbeitsbedingungen oder der Rabattkrieg sind nur Nebenschauplätze. Im Prinzip geht es um das Kaninchen, das vor der Schlange sitzt.


    Es ist zweifelsohne so, dass Amazon nicht nur den Versandhandeln revolutioniert hat - man denke an deutsche Vorläufer wie den Otto-Versand, Neckermann oder Quelle (nur zwei davon gibt es überhaupt noch) mit ihren riesigen, inhaltsleeren Katalogen, die zweimal im Jahr die Briefkästen von Millionen Haushalten verstopften -, sondern eben auch das Geschäftsmodell der Zuschussverlage moralisch entschlackt und zu einer echten Option entwickelt hat (ohne sich, wie die DKZV auch, nur einen Deut für die Qualität zu interessieren). Hinzukommen Optionen wie der nahezu einmalige Verkaufsrang, der im Gegensatz zum vergleichbaren Versuch anderer Onlinehändler eine echte Kennziffer ist, das Partnerprogramm, die Anbindung der Laienkritiker und vieles mehr. Unterm Strich ist Amazon zwar immer noch überwiegend "nur" ein Versandhändler, aber Potenz und Komfort sind mit dem Wettbewerb kaum vergleichbar. Deshalb ist die Frage im ZEIT-Interview, das mit zwanzig Autoren geführt wurde, wie viele Sterne man denen geben würde, ziemlich absurd, denn dafür müsste es Vergleichsmöglichkeiten geben, und die gibt es nicht.


    Aus dem Revolutionär ist nun leider ein Diktator geworden, und zwar ohne Putsch oder Krieg, sondern ganz einfach dadurch, dass er den Konsumenten wie Lieferanten das bessere Angebot macht - eines, das man kaum ablehnen kann. Ja, er hat einige davon auch in die Abhängigkeit getrieben, aber nie behauptet, dass es nicht so wäre. Der Diktator wäre ein dummer Diktator, würde er seine Macht nicht auszunutzen, um die eigene Position weiter zu verbessern. Genau das geschieht jetzt. Es wird sich weiter fortsetzen. Die Margen der Selbstveröffentlicher werden reduziert; begonnen hat dieser Prozess bereits (bei Audible). In vielen anderen Bereichen werden kleinere wie größere Stellschrauben angezogen - fast vergessen ist, wie Amazon seit drei Jahren mit den Rezensenten umgeht, die jahrelang unermüdlich Besprechungen geschrieben haben, um irgendwann im "Vine"-Olymp zu landen und kostenlose "Produktproben" zu erhalten, um plötzlich weit hinten auf den internen Ranglisten zu landen, weil Rezensenten aktueller Artikel aus nachvollziehbaren Gründen bevorteilt wurden. Amazon besitzt den Einen Ring, und sie verwenden ihn. Das ist das Problem. Verbunden mit der idiotischen Annahme, man hätte es immer noch mit einen sogar altruistischen Revoluzzer zu tun, dabei dürfte es kaum ein härteres Unternehmen dieser Größe geben, von ein paar Ölbohrern abgesehen.

  • Da merkwürdigeweise immer Anfeindungen erfolgen, wenn man es wagt, kritisch gegenüber Amazon zu sein, einmal zur Klarstellung, was dieser Aufruf nicht ist:


    - Er ist KEIN Aufruf zu einem Amazonboykott
    - Es ist KEINE Verteufelung von Amazon
    - Es ist KEINE Parteinahme für Verlage, geschweige denn eine Behauptung, dass dort alles richtig läuft


    Interessanterweise wird Aufrufe wie die der amerikanischen und jetzt deutschen Autoren mit Hass und Häme begegnet. Ich habe dabei den Eindruck, dass von diesen Hasskritikern keiner die Aufrufe gelesen hat.

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    Emanuel von Bodmann


  • Ich kaufe fast nichts bei Amazon, es gibt genügend Alternativen.
    Horst-Dieter
    Sehe ich genauso. Die Entsolidarisierung zwischen Autoren kann ich nicht nachvollziehen. Ich finde es richtig stark, dass auch renommierte und Bestseller-Autoren sich einmischen, die haben es nämlich am wenigsten nötig. Die werden sowohl von den Verlagen als auch im Zweifelsfall von Amazon hofiert, die lassen überall die Kassen klingeln und haben ihre Schäfchen im Trockenen.

  • Ich kaufe fast nichts bei Amazon, es gibt genügend Alternativen.


    Ich kaufe auch nach wie vor noch bei Amazon, zwar keine Bücher mehr, weil ich da eine bessere Alternative habe, aber bei allem Ärger halte ich einen Totalboykott nicht für hilfreich. Ich bin für einen fairen Wettbewerb, deshalb kaufe ich auch nicht bei Amazon nur weil ich etwas dort am billigsten bekomme sondern ausschließlich dann, wenn es für mich der wenig umständlichste Versandweg ist. Ansonsten liebe ich den Fachhandel, vor allem wenn er Kundenorientiert ist. Bücher kaufe ich bei Osiander oder im örtlichen Buchhandel. Beide bilden aus. Buchhändlerinnen und Buchhändler und behandeln vor allem die Mitarbeiter gut. Und was viele nicht wissen: Bestelle ich heute ein Buch im Buchladen - persönlich oder per Telefonat - dann habe ich es morgen (wenn, das Morgen gerade kein Feiertag oder Sonntag ist). Klappt das nicht so schnell, bekomme ich es gleich gesagt. Dann würde es aber auch im Versandbuchhandel nicht schneller gehen.


    So wenig, wie ich möchte, das Amazon Monopolist wird, sowenig möchte ich, dass Amazon verschwindet. Wettbewerb finde ich gut.

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  • Ich kaufe auch nach wie vor noch bei Amazon, zwar keine Bücher mehr, weil ich da eine bessere Alternative habe, aber bei allem Ärger halte ich einen Totalboykott nicht für hilfreich. Ich bin für einen fairen Wettbewerb, deshalb kaufe ich auch nicht bei Amazon nur weil ich etwas dort am billigsten bekomme sondern ausschließlich dann, wenn es für mich der wenig umständlichste Versandweg ist. Ansonsten liebe ich den Fachhandel, vor allem wenn er Kundenorientiert ist. Bücher kaufe ich bei Osiander oder im örtlichen Buchhandel. Beide bilden aus. Buchhändlerinnen und Buchhändler und behandeln vor allem die Mitarbeiter gut. Und was viele nicht wissen: Bestelle ich heute ein Buch im Buchladen - persönlich oder per Telefonat - dann habe ich es morgen (wenn, das Morgen gerade kein Feiertag oder Sonntag ist). Klappt das nicht so schnell, bekomme ich es gleich gesagt. Dann würde es aber auch im Versandbuchhandel nicht schneller gehen.


    So wenig, wie ich möchte, das Amazon Monopolist wird, sowenig möchte ich, dass Amazon verschwindet. Wettbewerb finde ich gut.

    kann ich so unterschreiben und - was die schnelle Lieferung in Buchhandlungen angeht - auch bestätigen!
    Und hier übrigens ein Danke an den Vorstand dafür, von einer Unterschrift des Vereins gegen Amazon abzusehen.

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt

  • Warum unterschreiben die 42er nicht? Ich bin wirklich an Argumenten interessiert und habe noch keine ganz klare Meinung.
    Ist es nicht ein Zeichen für den Monopolisierungswillen des Unternehmens Amazon, dass sich Autoren und auch Verlage gar nicht mehr vorstellen können, ohne Amazon auszukommen?
    Ich würde nur in sehr seltenen Fällen zu einem Boykott aufrufen, weil ich da immer diese Aufrufe der Nazis im Kopf habe, das ist halt so drin. Aber ich selbst kann doch entscheiden, wo ich kaufe, und durch die Buchpreisbindung ist es doch wurscht, ob ich zu Amazon gehe oder lieber zu einem der Wettbewerber oder zum Buchhandel, und da unterstütze ich doch lieber den Buchhandel. Die bezahlen Fläche, Mitarbeiter, Azubis, bereichern die Innenstädte und bekommen zum Teil weniger Prozente als Amazon, wo jemand für 5 Euro in der Stunde Bücher in einen Karton packt. Großstädte wie in USA ohne Buchhandel sind für mich der absolute Albtraum. Wo soll ich dann stöbern, herumlesen und Buchhändlerinnen was fragen? Da wird sogar mein Hund freundlich begrüßt! Freundlicher als ich als Autorin übrigens, da habe ich alles erlebt. Aber die persönliche Kränkung nehme ich nach einiger Wut dennoch zurück, wenn es um größere Zusammenhänge geht. Auch Leser haben mich gekränkt, sie kaufen nämlich mein Buch nicht. Amazon kann nicht persönlich kränken und zurückweisen als eine Art Maschine. Aber auch nicht bestätigen, ermutigen, unterstützen, verbessern und zu Entwicklung beitragen.

  • Warum unterschreiben die 42er nicht? Ich bin wirklich an Argumenten interessiert und habe noch keine ganz klare Meinung.


    Dazu gibt es einen eigenen Fred im Wohnzimmer!

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    Emanuel von Bodmann


  • Apropos pfui, das können andere auch. Großhändler Libri verheimlicht offenbar jedes Buch, das über CreateSpace (100%ige amazon-Tochter, direkte Konkurrenz der 100%igen Libri-Tochter BOD) hergestellt wird.
    Ein Blog dazu, siehe auch diverse andere Einträge im August '14: http://philipp-winterberg.blog…isperre-ein-beispiel.html

    Περὶ θεῶν λέγε, ὡς εἰσἰν. Von den Göttern sage: sie sind. (Bias von Priene)
    [buch]3939459801[/buch]

  • Interessanterweise wird Aufrufe wie die der amerikanischen und jetzt deutschen Autoren mit Hass und Häme begegnet. Ich habe dabei den Eindruck, dass von diesen Hasskritikern keiner die Aufrufe gelesen hat.


    Die Häme sehe ich eher auf der anderen Seite und bei der Berichterstattung über das Thema. Nur zwei Beispiele: Am Wochenende gab es einen Kommentar in den Nürnbergerr Nachrichten, wo die Autoren gemeinsam mit Verlagen und Filmschaffenden in einer Front gegen die Krake Amazon gesehen werden. Es wird so getan als hätte es irgendetwas Anrüchiges, bei Amazon zu kaufen. In einem ähnlichen Artikel auf Spiegel-Online fehlen auch die üblichen Seitenhiebe auf die Selbstverleger nicht. Haben die Verlage wirklich das Wohl der Autoren zum Ziel? Fördern die Buchhändler unbekannte Autoren? Denen geht es auch um Profit und sonst nichts. Ist doch auch ihr gutes Recht. Aber bei Amazon soll das nicht gelten? Diese Moralisierung ökonomischer Entscheidungen hat für mich etwas Scheinheiliges.


    Mit Amazon ist ein ziemlich großer Fisch im beschaulichen Bücherteich aufgetaucht. Aber dieses Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Warum sollten wir auch? Es war Amazon, das das Tor für Selbstverleger geöffnet hat. Die anderen sprangen erst auf. Es war Amazon, wo die höchsten Tantiemen angeboten wurden, und die anderen zogen schrittweise nach. Amazon hat eine Revolution auf dem Buchmarkt ausgelöst und ich bin nicht so naiv, zu glauben, alles was Amazon tut, wäre gut. Aber für viele Autoren ist das Veröffentlichen auf KDP eine Riesenchance. Dort werden auch gute Bücher veröffentlicht und so mancher verdient auch noch sehr gut dabei. Ich weiß wovon ich rede.

  • Lieber Siegfried,


    der Aufruf, um den es geht, enthält kein Wort gegen die Krake Amazon oder gar einen Aufruf zum Boykott. Er ist sachorientiert und kritisch, aber nicht voller Häme oder Hass. Er geht auch nicht gegen Selbstverleger. Man kann natürlich argumentieren indem man irgenwelche dummen Äußerungen an anderer Stelle zitiert, das ist aber auch keine faire Stellungnahme. Auch der Hinweis, dass im Verlagswesen nicht alles in Ordnung ist passt hier nicht. Das steht nämlich gar nicht zur Debatte und wird von den meisten auch nicht in Frage gestellt.


    Das Gegenbild des blinden Aktionismus gegen Amazon - den es durchaus gibt und den ich nicht teile - ist die überzogene, empfindliche und oft ebenso fragwürdige Reaktion von Selfpublishern auf Kritik an Amazon. Oft auch von denjenigen, die früher immer gegen "das System" und "den Kapitalismus" gewettert haben (damit meine ich jetzt nicht dich!). Man wirft den Autoren der Petition vor, sie hätten sich vor den Karren der Verlage spannen lassen und übersieht dabei, dass man dabei ist, sich selbst vor den Karren von Amazon zu spannen. Besser wäre es, wenn die Selfpublisher beginnen würden, ein vernünftiges Selbstbewusstsein zu entwickeln.


    Zum Thema Ausbeutung: Die von dir genannten Löhne sind zwar untere Grenze (nicht unterste!) aber keine Ausbeutung, das ist richtig. Das gibt jedoch nicht das ganze Bild wieder. Das Amazon in Stoßzeiten (z.B. Weihnachten) billige Arbeitskräfte aus dem Ausland ankarrt und zu fragwürdigen Bedingungen unterbringt ist die andere Seite. Hinzu kommt, dass Hartz IV Empfänger als Lückenbüsser in diesen Zeiten eingesetzt werden. Amazon kann also trotz der von dir genannten Löhne auch Ausbeutung. Andererseits stehen sie damit nicht allein. Hier ist nicht speziell auf Amazon zu schimpfen sondern generell gegen solche Praktiken vorzugehen und dabei auch die Agentur für Arbeit mit einzubeziehen, die das unterstützt.


    Und wenn wir schon mal bei einem Rundumschlag sind: Das Amazon sich auf die vorhandene Infrastruktur stützt und von dieser profitiert, sich aber in Sachen Steuerzahlung drückt wo es nur geht, ist ebenfalls anzumerken. Das machen zwar auch andere (vor allem, aber nicht nur amerikanische) Unternehmen, es ist deshalb aber trotzdem nicht entschuldigt oder zu übersehen. Und dann noch die Ausbildung. Der gesamte Buchhandel von den Verlagen über die Distributoren bis hin zu den Buchhandlungen bilden aus. Buchhändler, Verlagskaufleute, Informatiker, für logistische Berufe usw. Sie nehmen damit eine Aufgabe wahr, die Amazon nur unzureichend erfüllt. Amazon bildet auch aus, aber sehr begrenzt im Rahmen seiner logistische Tätigkeit.


    Dies alles hat mit der Petition aber nichts zu tun. Da geht es nur um ein ganz bestimmtes Verhalten, das die Manipulation von Kunden mit einschließt und zwar um das Kaufverhalten so zu beeinflussen, dass die Verhandlungspartner in die schwächere Position geraten. Die Autoren stehen zwischen diesen Fronten und sind die Leidtragenden. Die Petition ist nicht in allen Punkten glücklich formuliert (Beugehaft) aber im Großen und Ganzen und in der Sache ist sie richtig. Deshalb habe ich sie auch mitunterschrieben.


    Mit dem Aufbegehren der Selfpublisher gegen derartige Kritik erweisen sie sich selbst einen Bärendienst. Leider.


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

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    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Um es abzukürzen: Die Verlagskonzerne benutzen Autoren, um ihre Programme möglichst preiswert zu füllen und arbeiten programmatisch (jedenfalls die vier Großen) nach dem Gießkannen- und Ex-und-Hopp-Prinzip.
    Amazon ist als Plattform für Self-Publisher unverzichtbar und bietet sowohl faire Konditionen, als auch präzise Abrechnungen. Ohne KDP könnten NOCH weniger AutorInnen von ihrer Arbeit leben.


    Im Amazon-Krieg geht es um Marktanteile und das große Geld. Wer sich als Autor von den Verlagen dazu benutzen lässt, deren Gewinnmargen zu heben, ohne dass er selbst was davon hat (und der Trend, dass AutorInnen von den Verlagen schlechter und schlechter bezahlt und behandelt werden, ist ja unbestreitbar zu erkennen), der muss sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen, dass er sich kritiklos vor einen Karren spannen lässt.


    Die Pro-Amazon-Bewegung hingegen ist Aufschrei derjenigen, die mit diesem Vertragspartner gerne und hervorragend zusammenarbeiten. KDP ist eine für SP saubere Sache. Ob der Logistik-Partner, der auch Kaffeemaschinen und Computer vertreibt, seine Lagerarbeiter am unteren Ende des Tarifs bezahlt, ist, sorry, das Problem der Gewerkschaften. (Und DAS sage ich im Brustton der Überzeugung als langjähriges VERDI-Mitglied. Die machen das schon. ^^)
    Wenn ihr euch btw. mal die Bezahlung von BUchhändlern ansehen möchtet ... nur so als Hinweis ...

  • Huhu, Susanne.


    Zitat

    Die Verlagskonzerne benutzen Autoren, um ihre Programme möglichst preiswert zu füllen und arbeiten programmatisch (jedenfalls die vier Großen) nach dem Gießkannen- und Ex-und-Hopp-Prinzip.


    Programme, die in erster Linie verkauft werden sollen. Nicht nur "gefüllt".


    Ich weiß nicht, worauf Deine Meinung basiert, aber wahrscheinlich sind es Erfahrungen. Denen kann ich meine Erfahrungen und diejenigen befreundeter Autoren entgegenhalten. Bis zum derzeit noch aktuellen Roman war ich bei einem der wenigen unabhängigen Verlage (nämlich Aufbau), mein nächster wird bei Rowohlt erscheinen, also einem der Holtzbrinck-Gruppe angehörenden Verlag. Dort wird keinesfalls nach dem Gießkannen- oder Ex-und-Hopp-Prinzip gearbeitet, sondern genau umgekehrt. Das war auch bei Aufbau so. Es mag Publikumsverlage geben, denen es um preiswerte Einkäufe und ein möglichst umfangreiches Programm geht, ganz egal, woraus das besteht. Den meisten dürfte es jedoch um andere Aspekte gehen. Verkäufe spielen fraglos elementare Rollen, aber da sitzen keine Doofkläuse, die nach dem Billig-und-viel-Prinzip arbeiten. Sonst gäbe es die meisten Häuser längst nicht mehr. Vor meinem aktuellen Vertragsabschluss haben mein Agent, die Programmleiterin, meine zukünftige Lektorin und ich sehr intensive Gespräche geführt, in denen es nur am Rande um die Höhe der Garantie ging. Sondern in erster Linie um mich. Und so kenne ich das auch von Kollegen, die im gleichen Haus oder vergleichbaren Häusern veröffentlichen. Da passiert nicht irgendwas. Ganz im Gegenteil macht man sich jede Menge Gedanken darüber, wie sich Autoren entwickeln, wo sie hingehören, sich heimisch fühlen, akzeptiert und nachgefragt werden. Wie sich die Symbiose aus Autor, Verlag und Inhalten entwickeln kann. Auch viele große Häuser nehmen Titel ins Programm, von denen sie wissen, dass sie sich nicht verkaufen werden. Das tut man nicht, weil das Programm gefüllt werden muss, sondern weil es Ideen davon gibt, wie sich die Dinge entwickeln können. Der Verlag "benutzt" mich nicht. Wir arbeiten gemeinsam an einer Sache.


    Zitat

    Die Pro-Amazon-Bewegung hingegen ist Aufschrei derjenigen, die mit diesem Vertragspartner gerne und hervorragend zusammenarbeiten.


    Warum zur Hölle muss es eigentlich immerzu sofort Fraktionen geben? Pro Amazon, contra Amazon - Blödsinn. Amazon ist ein Dienstleister und ein Versandunternehmen. Es macht Dinge gut und andere nicht so gut. Aber es ist in erster Linie auch ein Unternehmen, das Geld verdienen will, soll und muss. Mit dem KDP und assoziierten Leistungen hat Amazon eine Revolution in Bewegung gesetzt. Das haben sie aber nicht getan, um die Autoren zu befreien, um den Kulturmarkt zu bereichern oder aus sonstigen altruistischen Gründen. Sondern schlicht, um noch mehr Geld zu verdienen. Was absolut in Ordnung ist. Ob die Konditionen so bleiben werden, wie sie sind, ob der Markt weiter wachsen wird, ob die Akzeptanz auch beim Normalleser entstehen wird, das sind alles Fragen, die sehr wahrscheinlich demnächst beantwortet werden. Aber die Antwort darauf, warum sich Amazons Engagement in diesem Bereich so darstellt, wie es das im Moment tut, bleibt: Es geht um Geld und Marktbeherrschung. Die Autoren sind nur Mittel zum Zweck. Mal schauen, was passiert, wenn sie den erfüllt haben.

  • und grau dazwischen.
    Ich habe mich gewundert, warum ich nicht unterschrieben habe. Ich müsste ja rundum gegen alle Konzerne in diesem Spätkapitalismus unterschreiben, die in der Werbung uns eine heitere Welt vorgaukeln und - in Wirklichkeit in jeder Weise, die Artenvielfalt einschränken, uns belügen und betrügen, ob nun Random House oder in Sachen Samen und Gen oder Fleisch oder Neulandhuhn oder oder oder ....
    Amazon ist die Lösung für den Alltag: seien es von Bosch Röllchen für die 25 Jahre alte Spülmaschine, mein Parfüm von Guerlin, die Greifzange, was auch immer - oh ja - wir haben früher alles vor Ort artig abgeklappert: dann heißt es in der Stadtparfümerie, aber ja, also äh, also äh, äh, nach dem dritten Besuch - ja, unser Umsatz könnte manchen Einzelhändler erfreuen, aber nur den, der freundlich wäre. Ach so - die Bücher, ja - früher gab es in Münster die wunderschöne Buchhandlung Baader, Regensberg, dann knickte das ein, weil ja da keine Idee war, ob man vielleicht freundlich sein könnte. Baader immer. Irgendwann war auch da alles vorbei. In Kanada, in Montreal habe ich dann eine Buchhandlung erlebt, in der man den ganzen Tag leben konnte: Das war wunderschön. Kaffee, Churchill lesen (wer kommt darauf, aber da sass ich und lass, wofür Mister Churchill den Literaturnobelpreis bekommen hatte). Alles war da. Auch Internet. Ok, das kann keine Kleinstadtbuchhandlung, aber freundlich sein? Statt zu sagen, ja vielleicht morgen oder übermorgen oder... also ich bezahle und erbirnge dann die Dienstleistung dreimal je 9 Kilometer zu fahren. Nee.
    Die andere Seite: Veröffentlicht ganz ordentlich habe ich genug, wobei auch Sender Raubritter waren und sind, aber auch Wohltäter, alles gut. Obwohl sich immer für alles was "Anständiges" fand, war es absolut gewinnbringend das erste E-Book bei Amazon einfach zu machen. Das war echtes Geld. Mehr als ...
    Also es ist ziemlich grau. Und vor allem es bleibt dabei - es geht nicht um diese Bücher, es geht um den späten Kapitalismus, die Politik der Konzerne. Es geht um die Idee, wie wir leben wollen. Wir. Amazon und die Konzerne und ein paar Leute, die da Geld verdienen, leben hoffentlich so, wie sie leben wollten. Aber wir? Im Grauen eher. Und dann schieben wir die Dominosteine hin und her. Da ich nicht mehr so gut gehen kann, blöd, aber letztlich geht es um eine Straße, auf der wir uns zeigen - ohne lechts rinks.
    Allen liebe Grüße
    Jay