Schreibwerkstatt Waldviertel - Erfahrungsbericht

  • Ich habe letztes Wochenende nun schon zum dritten Mal in Österreich, diesmal im Kloster in Horn, ein Seminar der Schreibwerkstatt Waldviertel mitgemacht und berichte mal, warum diese Seminare eine gute Empfehlung sind.
    Die Werkstätten sind gefördert und deshalb trotz hochkarätiger Referentinnen einigermaßen erschwinglich, finde ich. Es ging von Donnerstag Abend bis Sonntag Mittag. Ich habe mit Frühbucherbonus 225.- Euro bezahlt plus 200 Euro für Unterkunft und Essen. Hinzu kommt die Fahrt. Mein Vorteil: ich kann es absetzen, und das fällt ins Gewicht, weil man für Hotel und Verpflegung die üppige Auslandspauschale ansetzen kann.
    Diesmal war ich im Kurs "Über literarischen Stil" von Evelyn Schlag, eine ausgesprochen renommierte österreichische Autorin, außerdem eine tolle Frau, sehr nett, witzig, konstruktiv im Feedback und trinkfest am Abend, eine echte Persönlichkeit. Gustav Ernst leitete den parallel laufenden Kurs über biografisches Schreiben (und wie es zu Literatur wird).
    Vorbereitung: sich anmelden über schreibwerkstatt.at , einen Text hinschicken, sich Donnerstag und Freitag frei nehmen, sich für ein Zimmer intern oder außerhalb im Hotel entscheiden, von Nürnberg sechs Stunden Zug fahren, Donnerstag Abend ankommen.
    Es ging um 19.00 Uhr mit einem Abendessen und erstem Beschnuppern los, ich war die einzige Deutsche, viele in meinem Alter, Männer und Frauen. Danach erste Einheit mit Vorstellung der Teilnehmer, wir sind nur zu sechst. Evelyn führte uns in das Thema ein mit tollen Zitaten und einer Runde, welche Autoren wir für ihren Stil bewundern und welche Eigentümlichkeiten sich in unserem Stil finden lassen oder sich da eingeschlichen haben. Schon fühle ich mich wohl. Ist das nicht ein unglaublicher Luxus, drei Tage mit intelligenten Leuten über Texte, Literatur und Gott und die Welt zu diskutieren? Der Abend findet in der Kneipe kein Ende... Schön!
    Am nächsten Tag bekommen wir eine Schreibaufgabe. Ich wähle "Kleine Nachmittage", es gibt auch "Belastungs-EKG" und "Sollbruchstelle". Dann wird geschrieben, ich im Restaurant mit Blick ins Tal, andere im Seminarraum oder auf dem Zimmer. Drei Stunden. Ich hacke in die Tasten. Am Nachmittag werden die Texte besprochen. Was kennzeichnet den Stil? Was sind gelungene Formulierungen? Was sind Redundanzen, was muss weg, was stört und warum? Die beiden Sitznachbarn haben sich ausführlicher mit dem Text beschäftigt und stellen ihn vor, jeder in der Runde wird gebeten, was dazu zu sagen. Am Schluss gibt Evelyn ihr Feedback. Das Niveau sowohl der Texte und besonders der Rückmeldungen ist hoch. Puh, mein Text ist gut angekommen, guter Stil, Figurentiefe, aber auch Hinweise, wann es mit mir durchgeht und ich ein paar Schleifen oder Formulierungen zu viel drauf setze.
    Am nächsten Tag das gleiche Spiel. Die Aufgabe war, etwas Biografisches mit etwas Erfundenem zu verbinden. Ich schreibe eine wirklich schöne Kurzgeschichte, konzentriert, ich bin im Fluss. Die Texte haben insgesamt qualitativ zugelegt. Wir arbeiten intensiv. Wesentlich ist das Potential der Texte, wohin können sie sich entwickeln, das nicht Gelungene steht nicht im Fokus, wird benannt, aber nicht lustvoll breitgetreten. Die Atmosphäre ist wohlwollend, ernsthaft, respektvoll und ehrlich. Ich bekomme Anerkennung und Ermutigung, die Geschichte kann ich weiterverwenden für Wettbewerbe usw.
    Am Abend findet eine öffentliche Lesung mit Evelyn Schlag und Gustav Ernst statt, feierlich mit Musikbegleitung, tolle Location im Kloster, ein schöner Abend, der wieder mal beim Wein und sehr spät endet.
    Am Sonntag werden noch die eingeschickten Texte besprochen, dann Mittagessen und wehmütiger Abschied. Und schon ist wieder ein Kontakt entstanden, der bleiben wird, eine Wiener Drehbuchautorin. Ein guter Grund, mal wieder nach Wien zu reisen!
    Ich habe wirklich was gelernt und zwar individuell auf mein ganz persönliches Schreiben bezogen. Ein Arbeitsurlaub, eine Schaffensauszeit, wunderbar.
    Im Zug fielen mir sofort die Augen zu...

  • Danke für den Bericht, Heike!


    Das Seminar klingt wirklich toll. Schon allein, dass Ihr Euch für drei Stunden zum Schreiben zurückziehen konntet (mal im Restaurant, mal am Fluss), finde ich sehr schön.


    Ich habe für mich die Erfahrung gemacht, dass ich so am besten arbeiten kann: Wenn ich weiß, ich muss etwas vorweisen, wenn ich wieder in den Raum zurückgehe! Sonst sitze ich nämlich vor meinem Laptop, schreibe ein oder zwei Sätze, surfe wieder im Internet ...


    Ein weiterer Pluspunkt: Dass es die Möglichkeit gab, einfach miteinander zu plaudern. Ich liiiiiiiebe es, mich mit anderen Schreibwütigen auszutauschen. Echt toll!

    "Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt." - Albert Einstein
    "Gib jedem Tag die Chance, der schönste Deines Lebens zu werden." - Mark Twain
    "Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt." - Mahatma Gandhi

  • Danke, Jasmin!
    Mir ging es genau so. Einfach gezwungen zu sein, konzentriert zu arbeiten, ohne Ablenkung, Internet, Anrufe usw.
    Ich liebe es auch!

  • Ja, wenn das Thema stimmt, kann Kloster was sehr Inspirierendes sein. Ich war ebenfalls mal im Waldviertel, allerdings im Kloster Geras. Die hatten schon in den 80ern entdeckt, dass die alten Gemäuer durchaus Anziehendes haben. Da gab es sogar Aktmalerei-Kurse (Nein, hab ich nicht gebucht, ich hab nur über das Angebot an und für sich eine Reportage geschrieben.) Was natürlich ein ganz gewichtiger Grund für so einen Kurs wie deiner ist, liebe Heike, ist das Wort trinkfest. :evil
    Aber summa summarum gönne ich dir das Ganze von Herzen. In gewisser Weise profitiert ja auch unsereins davon. Hoffentlich. ;)

  • Danke, lieber Gerald! Ist schon eigen, das Waldviertel, oder? Nur eine oder zwei Stunden von Wien, aber da liegen Welten dazwischen.
    Genau genommen war es ein ehemaliges Kloster, Witwenheim und Gymnasium, jetzt Kunsthaus Horn. Sehr strenge Mauern und sehr spartanische "Zellen" als Zimmer. Aber die Abgeschiedenheit, das für sich sein, hat viel Kreativität freigesetzt.

  • Stark! Dankeschön für deinen so lebendigen Bericht, liebe Heike. Ich weiß gar nicht, ob ich ohne das Chaos hierzuhause schreiben könnte...also wenn ich so richtig Zeit und Ruhe dafür habe. Durch den Rummel hier bin ich ja geradezu veranlasst, mich ab und zu in mich selbst zurückzuziehen.
    Aber doch: das hat was, die Vorstellung, sich mal tageweise auf sein Schreib-Ich einzulassen. Und vor allem auch noch mehr Handwerk zu trainieren. Ich werde das mal probieren demnächst.

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    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt