Gedanken ohne Worte?

  • Am Sonntag wird ja die Retrospektive zu Gerhard Richter eröffnet. Mittwoch, in der Tagesschau, sagte der Direktor der Berliner Nationalgalerie, die Ausstellung vermöge Gedanken zu vermitteln, nicht unbedingt Worte, aber Gedanken.


    Der Herr Direktor sah so aus, als ob er diese Worte mit Bedacht wähle, sie nicht nur daher plappere. Ich dachte nach:


    Was sind Gedanken ohne Worte? Gibt es die? Was beinhalten sie?


    Möglich, dass ich gegenüber der Erklärung des Direktors begriffsstutzig bin, weil ich bei Ausstellungen oft rumstehe wie eine Kuh bei Donner. Vielleicht könnt ihr mir helfen: Kann man ohne Sprache denken? Kann man in Bildern denken oder in Musik oder sonst irgendwie abstrakt davon, wie man einen Gedanken anderen gegenüber ausformuliert, damit sie ihn verstehen?


    Damit meine ich nicht: "Ich habe Hunger/Durst, bin müde, bin scharf auf diese Frau / diesen Mann." Ich meine auch nicht, dass einem beim Entspannen die Lösung zu einem Problem einfällt, über die man vorher vergeblich nachgedacht hat. Ich meine: "abstraktes Nachdenken". Geht das?

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Jörg hat natürlich recht


    Was dich wahrscheinlich und zu recht irritierte, war wohl der Gebrauch des Wortes "Gedanken". Hätte er "Inspiration" oder "Empfindung" gesagt, wärest du vermutlich nicht darüber gestolpert. Mit dem Begriff Gedanken assoziiert man ja die gedachte Sprache und nicht rein visuelle Empfindungen. Beim Lesen von Büchern passiert mehr als nur in Sprache zu denken, da entstehen Bilder im Kopf. Im Gegensatz zu Syntax und Semantik von Sprache sind diese Bilder auch immer subjektiv. Wäre das nicht so, würde es keine Endlosdiskussionen über die Rollenbesetzung bei Buchverfilmungen geben, die sich ja nur selten um die schauspielerische Leistung drehen, sondern meistens um das Aussehen (Bild!) und individuelle Sympathie von Prota oder Anta. Hochinteressantes, aber hochkomplexes Thema.

  • Ich hatte das hier in einer anderen Diskussion schon mal angeführt: Die Sprache ist nur die oberste Schicht im Denken. Das, was darunter liegt, ist viel umfangreicher und effektiver, als in "Worten denken". Und wenn mir jetzt jemand kommt und sagt, ich meine »Wahrnehmung«, ergänze ich gerne, dass auch die Wahrnehmung nur ein Teil des Denkens ist und noch nicht einmal vollständig deckungsgleich, also nur eine Schnittstelle von Wahrnehmung und Denken vorliegt. Mit ein bisschen Übung kann man das an sich selbst beobachten, dass Denken auch jenseits von Sprache funktioniert.


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Vielleicht hilft Dir ja auch das weiter:
    Mein Großvater war Bildhauer. Er wurde eines Tages gefragt, was er mit einem bestimmten Werk hatte ausdrücken wollen. Seine Antwort: "Wenn ich das hätte in Worten sagen können, hätte ich keinen Meißel benutzen müssen."

  • Was dich wahrscheinlich und zu recht irritierte, war wohl der Gebrauch des Wortes "Gedanken". Hätte er "Inspiration" oder "Empfindung" gesagt, wärest du vermutlich nicht darüber gestolpert. Mit dem Begriff Gedanken assoziiert man ja die gedachte Sprache und nicht rein visuelle Empfindungen. Beim Lesen von Büchern passiert mehr als nur in Sprache zu denken, da entstehen Bilder im Kopf.

    Nun geht es mir ja allerdings genau um die Gedanken und nicht um Empfindungen. Ich unterstelle dem Direktor des Museums, dass er seine Worte mit Bedacht wählte. Dass Sprache in Bilder, Musik und anderes übersetzt werden kann - ja, klar, aber denke ich mit den Bildern, die ein Text in mir hervor ruft, über den Text nach?



    Die Sprache ist nur die oberste Schicht im Denken. Das, was darunter liegt, ist viel umfangreicher und effektiver, als in "Worten denken".

    Leider kann ich mir darunter nichts vorstellen. Ich weiß nicht, wie es ist, wenn man ohne Worte nachdenkt. Sicher mischt sich im Geist das Denken in Worten mit Empfindungen oder allgemein mit Wahrnehmung. Aber gehören die Empfindungen oder die Wahrnehmung damit zum Denken? Ich kann Kälte spüren oder Mitleid empfinden oder mich verlieben - denke ich damit? Ich glaube: nein.



    Er wurde eines Tages gefragt, was er mit einem bestimmten Werk hatte ausdrücken wollen. Seine Antwort: "Wenn ich das hätte in Worten sagen können, hätte ich keinen Meißel benutzen müssen."


    Wenn es darum geht, ein Gefühl darzustellen, eine Stimmung oder Ähnliches, dann kann ich mir gut vorstellen, dass Musik oder darstellende Kunst dabei noch viel präziser sind als Sprache.


    Ich glaube, es war Mahler, der sinngemäß gesagt haben soll: Wenn man nicht höre dass die Frau in seinem Stück rote Haare habe, dann habe er sein Ziel verfehlt. Möglich, dass Mahler damit überspitzt hat - jedenfalls drückt das Zitat doch aus, dass Musik ebenso beschreibt wie Sprache. Und genau das kann ich mir nicht vorstellen.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Definiere: "Gedanken". Sonst diskutieren wir wieder über Äpfel und Birnen. Hugo, für dich sind Gedanken etwas in Worte Gefasstes, richtig?
    Ich glaube aber, dass es "wortlose" Gedanken gibt, die durchaus keine Empfindungen sind. Sondern ein seltsames Gemisch aus Bildern, Empfindungen und einer Art von "Protosprache", die nur im Gehirn funktioniert. Das dann aufs Papier zu bringen, ist die eigentliche Schreibarbeit, zum Beispiel ...


    Edit/h: Rote Haare? Der spinnt, der Mahler. ;-)))


  • Ich schrieb ja auch, das Wahrnehmung nicht deckungsgleich mit dem Denken ist. Es gehört aber auch ein bisschen dazu, genau so wie die Empfindungen. Ohne beides ist Denken eigentlich auch nicht möglich. Aber das was du meinst, ist eigentlich nicht "Denken" sondern schlicht nur "Reflektieren". Worte und Sätze zu etwas bilden. Das wäre aber sehr armselig, wenn Denken nur das ist. Ich schrieb auch, dass man das beobachten kann, das Denken mehr ist. Nicht mal eben in 5 Minuten oder 1-2 Stunden sondern fortgesetzt über eine längere Dauer. Man wird irgendwann merken, dass das Denken in Sprache nur die oberste Schicht des Denkens ist. Das eigentliche Denken, das auch den Anstoß zur Sprache gibt, das ist viel umfangreicher und komplexer.


    Allein dass du Worten einen Sinn gibst, diese im Zusammenhang (Satz) eine Bedeutung zumessen kannst, dass ist auch Denken. Und das wiederum funktioniert ohne Sprache.


    Horst-Dieter

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  • Definiere: "Gedanken". Sonst diskutieren wir wieder über Äpfel und Birnen. Hugo, für dich sind Gedanken etwas in Worte Gefasstes, richtig?
    Ich glaube aber, dass es "wortlose" Gedanken gibt, die durchaus keine Empfindungen sind. Sondern ein seltsames Gemisch aus Bildern, Empfindungen und einer Art von "Protosprache", die nur im Gehirn funktioniert. Das dann aufs Papier zu bringen, ist die eigentliche Schreibarbeit, zum Beispiel ...


    Edit/h: Rote Haare? Der spinnt, der Mahler. ;-)))


    Liebe Susanne,


    du weißt aber schon, dass es Kapazitäten gibt, die das Denken eben nicht im Gehirn verorten, sondern … hm, wie soll ich das jetzt sagen? … na, etwas tiefer verortet eben :D

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  • Dann mal ganz anders Hugo ;)


    Du siehst auf der anderen Straßenseite wie Jemand einen streunenden Hund mit Füßen tritt und im nächsten Moment kommt er freundlich auf dich zu und fragt dich, ob du mit ihm einen Kaffee trinken möchtest. Du lehnst ab, weil die der Typ unsympatisch ist. Aber wie bist du in der kurzen Zeit zu diesem Resultat gekommen? Hast du wirklich erst in Worten denken müssen "Oh, der fremde Mann auf der anderen Straßenseite. Warum tritt er den Hund? Er ist ein gemeiner Tierquäler. Jetzt kommt er auf mich zu. Er lächelt mich freundlich an und fragt, ob ich einen Kaffee mit ihm trinken will. Warum sollte ich das tun? Trotz seiner Freundlichkeit ist er mir unsympatisch, weil ich Tierquäler nicht leiden kann....." Zwar wird in deinem Kopf vielleicht "Stichpunktartig" auch das ein oder andere "Wort" fallen (z.B. Tierquäler, Blödmann, verschwinde...) aber das passiert nicht, weil du ohne diese Wörter nicht zu dem Ergebnis kommen würdest, sondern weil du "normalerweise" mit Wörtern denkst. Aber manche Menschen brauchen halt nicht einmal mehr diese "Stichpunkte".


    Soweit erst mal :renn (hektisch, wegen eigentlich immer noch wenig Zeit) =)

  • Ich glaube aber, dass es "wortlose" Gedanken gibt, die durchaus keine Empfindungen sind. Sondern ein seltsames Gemisch aus Bildern, Empfindungen und einer Art von "Protosprache", die nur im Gehirn funktioniert.

    Das würde sich mit Modellen des Gedächtnisses decken, die davon ausgehen, dass Informationen in semantischen Netzwerken gespeichert werden. Die können aber alles mögliche enthalten: Bilder, Emotionen, Impulse, Körperwahrnehmungen und, ja, auch Worte oder Sätze. In meinem Job geht es häufig darum, diesen Inhalten Worte zu verleihen, manchmal die Dämonen in Worte zu bannen. Von da her: Ja, ich bin mir sicher, dass es Gedanken ohne Worte gibt und dass Worte vielmehr nur eine Teilmenge der Gedanken darstellen.




    HG Michel


    "Protosprache"

    Geiles Wort. Muss ich mir merken.

  • Hugo, und dann fällt mir noch ein: Wenn jemand durch einen bestimmten Vorfall sprachlos ist, bedeutet das ja nicht, dass er in dem Moment aufhört zu denken, sondern nur, dass ihm für sein Denken die passenden Worte fehlen. =)

  • Inzwischen habe ich den Original-Wortlaut des Museumsdirektors entdeckt (a. E. des Beitrags). Er lautet: "Sie (die Bilder Richters) vermögen mit uns Gedanken auszutauschen, nicht unbedingt Worte, aber Gedanken auszutauschen."


    Gefunden habe ich auch einen Artikel aus der Südwestpresse mit dem Satz: "Hinterher bleibt das Gefühl, etwas mehr verstanden zu haben. Was das ist, lässt sich schwer beschreiben. Gerhard Richter fasst seine Gedanken nicht in Worte, er entwickelt sie als Bilder." Den unterstrichenen Satz halte ich für leeres Feuilleton-Gewäsch, weil jeder Maler sich in Bildern ausdrückt.


    Aber auch die Südwestpresse setzt ja voraus, dass der Maler einen Gedanken hat (was immer das ist: Worte oder ein Gemisch aus Sprache und Empfindungen und Ähnlichem) und diesen Gedanken dann in ein Bild übersetzt. Der Direktor der Nationalgalerie will mit seinem Zitat zu Gedanken und Worten ja gerade die Richter-Ausstellung charakterisieren. Falls jeder Maler Gedanken mit dem Betrachter austauschte, dann wäre auch das Zitat im ersten Absatz leeres Gewäsch, aber dem Direktor scheint es ja gerade auf die Begriffe "Gedanken" und "Worte" anzukommen, denn sonst würde er wohl nicht die Apposition benutzen.


    SusanneG:

    Zitat

    Definiere: "Gedanken". Sonst diskutieren wir wieder über Äpfel und Birnen. Hugo, für dich sind Gedanken etwas in Worte Gefasstes, richtig?

    :evil Das wäre ganz schön hinterfotzig von mir - nach einem Begriff (nämlich "Gedanke") zu fragen und dabei für mich schon eine Antwort gefunden zu haben. So etwas tu' ich doch nicht. :baby


    Im Ernst: Natürlich kann ich "Gedanken" für diesen Fred nicht definieren, weil ich mich gerade frage, ob er nur aus Worten besteht oder nicht. Allerdings kann ich mir etwas anderes als Worte für Gedanken nur schwer vorstellen, außer, jedes Gefühl und jedes Gemisch mit Worten fällt unter das Denken.


    Zitat

    Ich glaube aber, dass es "wortlose" Gedanken gibt, die durchaus keine Empfindungen sind. Sondern ein seltsames Gemisch aus Bildern, Empfindungen und einer Art von "Protosprache", die nur im Gehirn funktioniert. Das dann aufs Papier zu bringen, ist die eigentliche Schreibarbeit

    Okay - nehmen wir an, dass Gedanken aus einem Gemisch bestehen. Was ist dann die "Protosprache"? Das interessiert mich. Ist sie nicht vielmehr ein diffuser Zustand, und die Aufgabe des Denkens besteht darin, diesen Wust zu ordnen und ihm die Ordnung und Klarheit der Worte zu verleihen?



    Horst-Dieter:

    Zitat

    Ich schrieb ja auch, das Wahrnehmung nicht deckungsgleich mit dem Denken ist. Es gehört aber auch ein bisschen dazu, genau so wie die Empfindungen. Ohne beides ist Denken eigentlich auch nicht möglich. Aber das was du meinst, ist eigentlich nicht "Denken" sondern schlicht nur "Reflektieren". Worte und Sätze zu etwas bilden. Das wäre aber sehr armselig, wenn Denken nur das ist. (...) Das eigentliche Denken, das auch den Anstoß zur Sprache gibt, das ist viel umfangreicher und komplexer.

    "Reflektieren" ist ein Synonym von "Nachdenken", sagt der Duden. Dass das Denken umfangreicher sei als eine Abfolge von Wörtern, mag ja sein, aber wie sieht es denn konkret aus?



    Jörg:

    Zitat

    Du siehst auf der anderen Straßenseite wie Jemand einen streunenden Hund mit Füßen tritt und im nächsten Moment kommt er freundlich auf dich zu und fragt dich, ob du mit ihm einen Kaffee trinken möchtest. (...)

    :) Natürlich läuft in so einer Szene viel über Empfindungen: Mitleid mit dem Hund, Abneigung gegenüber dem Tierquäler, daraus folgend die Ablehnung der Einladung zum Kaffee. Aber ist das ein Beispiel fürs Denken? Gerade Sympathie und Antipathie folgen meist aus Gefühlen, die mit rationalem Denken nichts zu tun haben.


    Gedanken können auch viel schneller sein als das gesprochene Wort. Glaubt man Goethes Schilderung, dann war "Wandrers Nachtlied" auf einmal als Ganzes in seinem Kopf, bevor er es in den Fensterrahmen im Harz ritzte. Es gibt Menschen, die in Sekundenschnelle die Quadratwurzel aus einer sechsstelligen Zahl im Kopf errechnen könnnen. Aber geschieht das ohne Worte?


    Zitat

    Wenn jemand durch einen bestimmten Vorfall sprachlos ist, bedeutet das ja nicht, dass er in dem Moment aufhört zu denken, sondern nur, dass ihm für sein Denken die passenden Worte fehlen.

    Fehlen ihm dann wirklich die Worte, oder bringt er sie nicht über die Lippen? (Laut Walter Jens können schlagfertige Menschen den "Filter" in ihrem Kopf abschalten und irgendetwas raushauen.)



    MichelK:

    Zitat

    Das würde sich mit Modellen des Gedächtnisses decken, die davon ausgehen, dass Informationen in semantischen Netzwerken gespeichert werden. Die können aber alles mögliche enthalten: Bilder, Emotionen, Impulse, Körperwahrnehmungen und, ja, auch Worte oder Sätze.

    Ich bestreite nicht, dass man alles mögliche in seinem Gedächtnis abspeichern kann. Das ist für mich nur kein Fall des Nachdenkens. Ich bezweifle, dass es sinnvoll ist, Empfindungen, Wahrnehmungen und Worte gemeinsam ins Nachdenken zu pressen.


    Was Gerhard Richter mir nun an Gedanken vermitteln kann, das weiß ich immer noch nicht. Vielleicht sollte ich ja mal ab Sonntag in die Nationalgalerie gehen.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

    Einmal editiert, zuletzt von Hugo ()


  • He, nicht wieder rumtrollen. Ich habe nur gewagt, aus deinen Postings diesen Schluss zu ziehen und wollte dann darauf (also auf meinen Eindruck) eingehen. Du hast aber auch keine andere Erklärung angeboten, also lag ich (bis zum jetzigen Stand) mit meiner Vermutung richtig.





    Zitat

    Gedanken können auch viel schneller sein als das gesprochene Wort. Glaubt man Goethes Schilderung, dann war "Wandrers Nachtlied" auf einmal als Ganzes in seinem Kopf, bevor er es in den Fensterrahmen im Harz ritzte. Es gibt Menschen, die in Sekundenschnelle die Quadratwurzel aus einer sechsstelligen Zahl im Kopf errechnen könnnen. Aber geschieht das ohne Worte?


    Bei Menschen, die in Mathematik denken können, geschieht das vollkommen ohne Worte. Ich gehöre nicht dazu, aber eine Freundin hat so ein "Zahlengefühl". Erst, wenn das, was dabei rauskommt, anderen vermittelt werden soll, kommt die Sprache ins Spiel.

  • Na gut Hugo, ein Beispiel hab ich noch ;)


    Du stehst in eine dir sehr , sehr vertrauten Stadt. Fast alle Straßen bist du schon ewig abgelaufen. Nun kommt jemand und fragt dich nach einem Weg. Eigentlich ist es blos 200 m geradeaus dann rechts, bis zur nächsten Kreuzung und wieder links. Wenn die Frage kommt, siehst du "in Gedanken" nur zwei Bilder, nähmlich die Ecken wo man abbiegen muß. Erst dann machst du "mit Worten" dem Anderen den Weg (deine Gedanken) verständlich. =)


  • Mein lieber Hugo, du machst es dir sehr leicht. »Los, sag mal!« kann man natürlich schnell fordern. Sich von anderen etwas liefern zu lassen ist immer einfacher, als selbst zur Erkenntnis zu kommen. Ich schrieb zweimal, dass man selbst beobachten kann, dass Denken mehr ist als die in Sprache gefassten Begrifflichkeiten. Wenn du das nicht tun magst, ist es gut. Aber wenn du es wirklich wissen willst, dann hilft dir weder Diskutieren noch der Duden.


    Selber essen macht fett! :)


    Horst-Dieter

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    Emanuel von Bodmann


  • Okay - nehmen wir an, dass Gedanken aus einem Gemisch bestehen. Was ist dann die "Protosprache"? Das interessiert mich. Ist sie nicht vielmehr ein diffuser Zustand, und die Aufgabe des Denkens besteht darin, diesen Wust zu ordnen und ihm die Ordnung und Klarheit der Worte zu verleihen?


    Wie kann man das erklären? Es ist gleichzeitig ein Gemisch von allem Möglichen und auch schon die "Vorstufe" von sprachlicher Formulierung. Kennst du das, wenn du eine Szene im Kopf hast, die du aufschreiben willst und die ist vollkommen klar, farbig, greifbar, lebendig ... aber die Formulierung ist trotzdem sauschwer? Du siehst es vor dir, kannst es fühlen, riechen, hören, schmecken, aber das in Worte-Fassen bringt dich beinahe zur Verzweiflung? Das ist der Schritt vom "protosprachlichen" Zustand in den der konkreten Worte.