Fremder Stammbaum - tabu?

  • Hallo,


    Ich habe eine Frau aufgestöbert, die 1850 in der Nähe von Berlin geboren wurde. Sie hat wegen Betrug in der Stadtvoigtei gesessen und ein recht wildes, unabhängiges Leben geführt. Alt ist sie wahrscheinlich nicht geworden.


    Ich habe folgende Frage (und bitte euch, in euren Antworten kenntlich zu machen, was ihr wißt und was ihr nur glaubt zu wissen).
    Ich habe in letzter Zeit nämlöich sehr viele, unterschiedliche Meinungen gehört....Alle mit großer Überzeugung vorgetragen.


    Ich werde demnächst verschiedene Archive aufsuchen, um noch mehr über diese wilde Frau herauszufinden.
    Ich glaube, ich weiß auch schon, dass es zumindest eine Nachfahrin gibt.
    Die sagt aber, dass die Gesuchte nicht in ihr Familienschema paßt.
    Ich denke mir, dass die Familie ihr schwarzes Schaf totgeschwiegen hat.


    Wenn die gesuchte Frau in diese Familie gehört (Geburtsstadt, seltene Namensschreibweise, Beruf des Vaters stimmen überein), können Nachfahren ein Forschen und Veröffentlichen verhindern?


    Das Forschen kann, soweit ich weiß, nicht unterbunden werden. Alle Sperrfristen sind inzwischen vorbei.
    Mir liegt auch nicht daran, den Familiennamen zu erwähnen. Berufe der Herkunftsfamilie und den Ort würde ich aber gerne im Original belassen.


    Also konkret:
    Nehmen wir an, dass die Frau unverheiratet und kinderlos gestorben ist. Es gibt also keine direkten Nachfahren.


    Ihr Vater hatte drei Brüder. Alle waren mit Kindern gesegnet. Das wären heute die Nachkommen ihrer Cousins und Cousinen.
    Ich vermute, dass die Frau Geschwister hatte.
    Wie sieht es mit den Urenkeln ihrer Nichten und Neffen aus?


    Ich spreche von einem Zeitraum zwischen 1850 (Geburt) und ca. 1890 (Tod).


    Wie definiert sich Familie? Wer könnte heute sagen: "Das will ich über meine Großtante/Vorfahrin, nicht in der Öffentlichkeit lesen" und hätte das Gesetz auf seiner Seite?


    Geschichte kann doch nicht nur aus Rücksichten bestehen. Wie will man die früheren Zeiten verstehen, wenn Erzählungen nur der Fantasie der Autoren entspringen?


    Grüße
    Topi

    Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
    wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.


    Mark Twain

  • Hallo, Topi.


    Alles, was in öffentlich zugänglichen Archiven verfügbar ist, darf auch für die Recherche benutzt werden. Die eigentliche Frage aber lautet, ob Du veröffentlichen darfst, was Deine Recherche ergibt. Nach Deiner Schilderung würde das mit den Persönlichkeitsrechten der Hinterbliebenen kollidieren, weil man Normalbürger nicht einfach so ans Licht der Öffentlichkeit zerren darf, wenn kein öffentliches Interesse besteht, und das dürfte hier nicht der Fall sein. Auch veränderte Namen helfen nicht, wenn der Vorgang nachvollziehbar ist. Will sagen: Wenn Du Deine Rechercheergebnisse offenlegst und der Prozess lässt sich nachstellen, ergibt sich für jedermann die Möglichkeit, entsprechende Verbindungen herzustellen. Die Situation ändert sich geringfügig, wenn die Person, die Ausgangspunkt Deiner Recherchen ist, für die Öffentlichkeit interessant ist. Aber Nachfahren einer interessanten bzw. öffentlichen Person geraten nur für eine oder zwei Generationen maximal in jenen Bereich, in dem Persönlichkeitsrechte eingeschränkt sind.


    Das ist zu 80 Prozent sicheres und zu 20 Prozent gefühltes Wissen, Fehlerwahrscheinlichkeit plus/minus 5 Prozent. 8-)

  • Hallo Topi,


    bitte verstehe das jetzt nicht als ein Ausweichen von mir, aber warum ist es wichtig, dass du die Frau mit ihrem richtigen Namen benennst? Mit einem fiktiven Namen würdest du meiner Meinung nach den größten Schwierigkeiten aus dem Weg gehen.


    Liebe Grüße
    Achim


    Edit: Tom war schneller. Mein Vorschlag bringt also nicht viel.

  • Wenn das in einen fiktionalen Text verpackt wird und alle Namen und ein paar Fakten geändert werden, ist man m.M.n. auf der ziemlich sicheren Seite. Viele Kriminalromane und -serien basieren auf realen Fällen; für die Arztserie "Dr. House" durchstöbern Dutzende Redakteure pausenlos Krankenhausarchive. So lange die Öffentlichkeit nicht halbwegs problemlos herausbekommen kann, wer gemeint ist bzw. als Vorlage diente, ist das machbar. Auf das "Basierend auf einer wahren Begebenheit" sollte man allerdings dann auch verzichten. ;)

  • Hallo Tom, hallo Achim,


    der Name ist mir überhaupt nicht wichtig.
    Ich würde gerne den Geburtsort nennen (kann da aber auch gerne R. schreiben - oder mir auch einen Ort ausdenken.)
    Die Männer der Familie waren Handwerker. Da kann der Sattler gerne zum Schmied werden. Das kann ich alles verschmerzen.


    Auch die Sache mit den Archiven ist soweit klar.
    Gerichte, Standesämter usw., geben ihre Unterlagen irgendwann in die Landesarchive.
    Was in den Landesarchiven schlummert ist jedermann öffentlich zugänglich.
    Was sich noch in Standesämtern und Kirchenbüchern befindet, hat die Schutzfristen längst hinter sich. Das habe ich so in genealogischen Foren und im Geschichtsforum erfahren.


    Es geht mir wirklich nur um die Nacherzählung heute.
    Können sich Nachfahren der Nichten/Neffen, Cousinen/Cousins 150 Jahre nach dem Tod eines Vorfahren noch ans Bein gepinkelt fühlen?


    Wie gesagt, die Frau hatte sehr wahrscheinlich keine Kinder, folglich keine Enkel, keine Urenkel...


    Grüße
    Topi

    Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
    wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.


    Mark Twain

  • Zitat

    Original von Tom
    Wenn das in einen fiktionalen Text verpackt wird und alle Namen und ein paar Fakten geändert werden, ist man m.M.n. auf der ziemlich sicheren Seite. Viele Kriminalromane und -serien basieren auf realen Fällen; für die Arztserie "Dr. House" durchstöbern Dutzende Redakteure pausenlos Krankenhausarchive. So lange die Öffentlichkeit nicht halbwegs problemlos herausbekommen kann, wer gemeint ist bzw. als Vorlage diente, ist das machbar. Auf das "Basierend auf einer wahren Begebenheit" sollte man allerdings dann auch verzichten. ;)



    Dazu noch, (Ich war gerade auf einem Seminar in Wolfenbüttel),


    "Alle Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorben Personen, sind zufällig..",
    schützt überhaupt nicht.
    Dieser Satz hat nur die Funktion, die Aufmerksamkeit des Kinobesuchers/Lesers, auf den Umstand zu lenken, dass die Basis der Handlung eben doch real ist.
    Ein Griff in die Trickkiste um Aufmerksamkeit zu erheischen.
    Dieser Satz steht ja auch nicht vor allen Geschichten.


    Grüße
    Topi

    Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
    wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.


    Mark Twain

    Einmal editiert, zuletzt von Topi ()

  • Zitat

    Dieser Satz steht ja auch nicht vor allen Geschichten.


    Wozu auch? Er ist immer eine Lüge. Nichts ist zufällig. Wer einen Text schreibt, verarbeitet automatisch - auch unbewusst - sein eigenes Erleben. Praktisch jeder Text ist in gewisser Hinsicht autobiografisch, selbst wenn man irgendeine Geschichte nur nacherzählt.

  • Zitat

    Original von Tom
    Hallo, Topi.


    Gegenfrage: Was genau planst Du?


    Im 19. Jh. hat sich ein junges Mädchen als Diakonission ausgegeben, um Vertrauen zu erwecken. Sie hat auch als "Gräfin" Zugang zu adligen Kreisen bekommen. Der Erfolg dauerte, soweit ich sehe, nie lange an. Das muß ein Leben auf der Flucht gewesen sein.


    Mich interessiert dieses Leben, gerade in dieser Zeit. Ich habe schon recht viel gefunden , auch Namen Geschädigter. Vielleicht muss ich mich damit zufrieden geben.
    Vor allem möchte noch herausfinden, wann und wo sie gestorben ist.


    ----Aber zwei Weltkriege, Schimmel usw. Es ist ja so viel kaputt gegangen.


    Was ich vor habe?
    Ich wollte eigentlich eine Schreibpause einlegen....
    Ich plane eine Erzählung. Muß mir über Anfang und Ende klar werden, dann kann ich den Umfang der Arbeit abschätzen.


    Grüße
    Topi

    Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
    wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.


    Mark Twain

  • Zitat

    Original von Tom


    Wozu auch? Er ist immer eine Lüge. Nichts ist zufällig. Wer einen Text schreibt, verarbeitet automatisch - auch unbewusst - sein eigenes Erleben. Praktisch jeder Text ist in gewisser Hinsicht autobiografisch, selbst wenn man irgendeine Geschichte nur nacherzählt.


    Es hindert dich doch niemand daran, Selbsterlebtes zu erzählen.
    Wenn du aber, bevor ein Film beginnt, liest "Alles fiktiv....", kannst du davon ausgehen, dass man dir sagen will "wir haben für den Spielfilm reale Personen verwurstet".
    Mich macht dieser Satz jedenfalls immer neugierig.


    Und laut Sandra Uschtrin, ist man damit nicht auf der sicheren Seite. Es genügt nicht, dem Publikum zu versichern: "Das habe ich mir alles ausgedacht".


    Grüße
    Topi

    Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
    wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.


    Mark Twain

  • Zitat

    Original von Tom
    Nichts ist zufällig. Wer einen Text schreibt, verarbeitet automatisch - auch unbewusst - sein eigenes Erleben. Praktisch jeder Text ist in gewisser Hinsicht autobiografisch, selbst wenn man irgendeine Geschichte nur nacherzählt.


    Diesen Satz kann man nicht oft genug wiederholen. Er steht über allem Schreiben und spricht mir zutiefst aus der Seele. Danke, Tom :anbet

  • Zitat

    Original von Tom


    Füll die Lücken entsprechend, ändere ein paar Namen, fertig. Wenn Du, wie ich das verstehe, sowieso nur über diese Frau erzählen willst, können Dir die Nachfahren überhaupt nichts.


    Da drehen wir uns schon im Kreis....


    Für mich ist es wichtig, möglichst viel Wirkliches herauszufinden. Das ist ein guter Schreibmotor. Hinterher kann ich natürlich verändern, was verändert werden muss.


    Wie würdest du reagieren, wenn jemand zu dir käme und sagte:
    Tom! Ich habe da einen Vorfahren von dir ausgegraben. Der war Pferdehändler und hat wahnsinnig betrogen. Er hing am Galgen und konnte sich in letzter Sekunde retten. Am Ende ist er aber im Schuldturm vermodert.
    Hast du Infos über diesen Mann? Ich plane die Geschichte zu veröffentlichen.


    Du kannst auswählen:


    Du sagst: Klar. Mach was du willst. (schreib bitte keinen Kitsch. Das würde meinen Ruf beschädigen)


    Du sagst: Ich will das nicht. Der Mann hieß ja so wie ich und Sarazin sagt, Dummheit und Boshaftigkeit sind erblich


    Du sagtst: Auf keinen Fall! Danke für den Hinweis. Die Geschichte schreibe ich! :P


    Grüße
    Topi

    Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
    wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.


    Mark Twain

    2 Mal editiert, zuletzt von Topi ()

  • Willst Du denn darüber schreiben, dass die Person lebende Nachfahren hat? Ich verstehe, um ehrlich zu sein, noch immer nicht ganz, worauf Du hinauswillst. Es gibt eine seit über hundert Jahren tote Person, deren Lebensgeschichte Dich interessiert. Du willst diese Geschichte in fiktional verbrämter Form, aber möglichst realistisch erzählen. Deine Sorge ist offensichtlich die, dass jemand daherkommen und sagen kann: Jo, aber das war meine Urahnin, und deshalb Finger wech. Diese Sorge ist unsinnig. Und der Nachfahre hat auch nicht das Recht, Dir diese Vorgehensweise zu verbieten, so lange im Ergebnis nicht eindeutig erkennbar ist, dass Du einen Teil seiner Familiengeschichte erzählst.


    Meine Antwort auf diese Frage wäre übrigens: Scheißt der Hund drauf. Mach doch, was Du willst. Was interessieren mich die längst vermoderten Typen, von denen ich eher zufällig ein paar Teilgene abbekommen habe? Du könntest auch über meine Omas schreiben. Wäre mir egal. 8-)

  • Wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es keine direkten Nachfahren. Keine Kinder, Enkelkinder und so fort. Und die anderen Nachfahren, die von Bruder oder Schwester deiner künftigen Protagonistin, die interessieren dich nicht. Und die können dir auch nichts. Schließlich kommen die heute lebenden Personen nicht in deiner Erzählung vor.


    Du machst dir zur falschen Zeit zu viele unnütze Gedanken.


    Schreib die Geschichte basierend auf so viele Tatsachen wie du beschaffen kannst. Hol dir möglichst wenig oder keine Informationen aus Nachkommen der Nebenlinien. Und veröffentliche die Erzählung als das, was es ist: ein Stück Belletristik ohne den Hinweis darauf hin, dass es auf Tatsachen beruht. Insbesondere dann nicht, wenn du die Wirklichkeit so veränderst, wie du es beschrieben hast.


    Du kleisterst die gerade den Kopf (und in Folge die Kreativität) zu mit unnützen Sorgen.


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von Tom
    Willst Es gibt eine seit über hundert Jahren tote Person, deren Lebensgeschichte Dich interessiert. Du willst diese Geschichte in fiktional verbrämter Form, aber möglichst realistisch erzählen.


    Genau.


    Zitat

    Original von TomDeine Sorge ist offensichtlich die, dass jemand daherkommen und sagen kann: Jo, aber das war meine Urahnin, und deshalb Finger wech. Diese Sorge ist unsinnig. Und der Nachfahre hat auch nicht das Recht, Dir diese Vorgehensweise zu verbieten, so lange im Ergebnis nicht eindeutig erkennbar ist, dass Du einen Teil seiner Familiengeschichte erzählst.


    Zitat

    Original von TomMeine Antwort auf diese Frage wäre übrigens: Scheißt der Hund drauf. Mach doch, was Du willst. Was interessieren mich die längst vermoderten Typen, von denen ich eher zufällig ein paar Teilgene abbekommen habe? Du könntest auch über meine Omas schreiben. Wäre mir egal. 8-)


    Das ist eine moderne Einstellung.
    Mir ist ein Beispiel eingefallen.
    Kinder und Enkel von Kriegsverbrechern können nicht verhindern, dass über ihren Vater/Großvater geschrieben wird.
    Sie können allerdings die Zusammenarbeit verweigern und verhindern, dass nicht Belegbares gedruckt wird.


    Vielleicht ist das der Dreh-und Angelpunkt: Die dunklen Punkte müssen beweisbar sein.


    Grüße
    Topi

    Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
    wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.


    Mark Twain

  • Zitat

    Die dunklen Punkte müssen beweisbar sein.


    Wovon zur Hölle redest Du? Diese Aspekte sind nur wichtig, wenn man journalistisch oder ein Sachbuch schreibt, wenn man Namen nennt. In Deinem Fall ist das komplett irrelevant. Außerdem ist diese Tante schon viel zu lange tot.


    Ja, Persönlichkeiten des öffentlichen Interesses müssen auf Persönlichkeitsrechte verzichten. Jedermann darf eine (nicht autorisierte) Biographie über Dieter Bohlen oder Angela Merkel schreiben. Er darf darin aber nichts Unwahres behaupten. Kriegsverbrecher sind auch Personen des öffentlichen Interesses.


    Aber das hat mit Deinem Projekt überhaupt nichts zu tun.

  • Lieber Topi,


    ich glaube, hier stellt sich das gleiche Problem wie immer, wenn es um Rechtsberatung geht: Es kommt auf den Einzelfall an.


    Ich habe gerade in meiner Erinnerung an meine Grundrechts-Vorlesungen gekramt: "Mephisto"-Fall - danach durfte Klaus Mann über Gründgens schreiben, auch wenn der gerade erst verstorben war, aus dem "GG"- einen "HH"-Namen machen und Gründgens richtig fies darstellen. Auch aus der Handlung war sofort klar, um wen es geht (wegen Gründgens' Popularität). In dem Fall wuchs eben mit der Popularität auch das öffentliche Interesse an Information und die Kunstfreiheit.


    Nur muss man da eben immer im Einzelfall gucken. Wie ist die Figur dargestellt? Wie lange ist der Mensch schon tot? Wie bekannt war er (auch ggf. nur lokal). Wie erkennbar ist der Mensch im Werk? ... Das sind nur ein paar Punkte. Ich kenne keine Pauschalierungen à la "Ab hundert Jahren darf man ..."


    Vielleicht hilft es dir, solche Punkte zu notieren und zu gucken, welcher in welche Richtung weist und wie stark er das tut und dann das Gesamtbild zu betrachten.


    Herzliche Grüße,


    Hugo

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)



  • Hallo Hugo,


    Topi ist ein "Sie".


    Soweit ich weiß, war "Mephisto" aber zunächst verboten.
    Und dann muß man den Gründgensens zugestehen, dass sie das Buch nicht mochten.
    Grüngens hat ja nicht jemanden erschossen, und ist dafür verurteilt worden. Wenn das so wäre, könnte man es sicher problemlos schreiben.
    Er hat sich von den Bösen umarmen lassen und hat sie umarmt. Er hat das Böse hofiert und sich verehren lassen.
    Gründgens hat später behauptet, er hätte seinen Einfluß genutzt, um anderen zu helfen.
    Klaus Mann ging es ja gerade darum, diese schlüpfrige Figur zu portraitieren.


    Wenn du sagst, ich müsse abwägen....
    Nun, ich hab mit dem Schreiben ja noch nicht einmal begonnen.
    Es kann sein, dass ich weitere Nachkommen ausfindig mache. Eine Frau habe ich, glaube ich, schon gefunden. Es wäre natürlich toll, wenn da jemand weitergegebene Erinnerungen kennt und mir erzählt.
    Für so ein Interview muss mir aber ganz klar sein: Was will ich schreiben? Was bedeutet mir diese Frau? Wie schätze ich sie ein? Und auch: was kann ich denn direkt öffentlich machen, was sollte ich mit fremden Namen tarnen?


    Ich finde das wirklich nicht so einfach. - Und interessanterweise gibt es viele verschiedene Ansichten.
    Aber lösbar. Ich werde zunächst mal in den Archiven weitere Fakten suchen --- und dann schaun wir mal!


    Grüße
    Topi

    Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
    wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.


    Mark Twain

  • Zitat

    Original von Topi
    Topi ist ein "Sie".


    LiebE Topi,


    ich bitte um Verzeihung, Madame.


    Zitat

    Soweit ich weiß, war "Mephisto" aber zunächst verboten.


    Meiner Erinnerung nach ging das hin und her: Die erste Auflage erschien, Familie Gründgens erwirkte eine einstweilige Unterlassunsverfügung, Autor und Verlag beschritten den normalen Rechtsweg ... und den gingen sie bis zum bitteren Ende. Dabei entdeckten die Gerichte dann noch, dass es nicht nur um die Ehre der Nachkommen, sondern auch um das "postmortale Persönlichkeitsrecht" des Toten geht. Klaus Mann und Verlag durften schließlich veröffentlichen, aber längst nicht in allen Einzelheiten so wie geplant.


    Auch dies sei ein Beispiel für mein "einerseits - anderseits".


    Zitat

    Wenn du sagst, ich müsse abwägen.... Nun, ich hab mit dem Schreiben ja noch nicht einmal begonnen. Es kann sein, dass ich weitere Nachkommen ausfindig mache. Eine Frau habe ich, glaube ich, schon gefunden. Es wäre natürlich toll, wenn da jemand weitergegebene Erinnerungen kennt und mir erzählt.


    Du bist ja noch in einem Stadium, in dem du Streit von vornherein vermeiden kannst. (Und das ist immer am besten.) Du kannst die Nachfahren ja einfach fragen - offen! - ob sie sich durch deine Erzählung persönlich betroffen fühlen. Das braucht ja nicht so zu sein. Und falls doch, kannst du vielleicht im Gespräch mit ihnen auf einen gemeinsamen Nenner kommen.


    Herzliche Grüße,


    Hugo

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)