TA 2: Dan Brown - Das Sakrileg (Kapitel 1 bis 3)

  • Der Schreibstiel Dan Browns oder zumindest deren Übersetzung erinnert mich sehr stark an ein Handbuch für Journalisten, dass ich vor Jahren mal las.


    Mit kurze klare Sätze, voll gestopft mit Adjektiven, ohne jegliche Füllwörter, platzen seine Sätze vor Handlung. Ich finden den Kunstgriff eine Actionreiche Szene mit kurzen Sätzen zu untermauern, die bei den Lesern automatisch zu eine Erhöhung der Lesegeschwindigkeit führt, völlig legitim. Im Umkehrschluss können längere Satzformen zu eine Reduzierung der Lesegeschwindigkeit führen, um dem Leser eine kleine Pause zu gönnen.
    Doch der Stil wurde meiner Meinung nach nicht konsequent durch gezogen. Bei seinen Texten bekomme ich eher den Eindruck einer Überstrapzierung des Stilmittels.


    Aktive Satzformen geben dem Leser unmittelbar das Gefühl, dabei zu sein. Ein Geschichte wirkt dadurch deutlich lebendiger. Vereinzelt verirren sich Passivformen unter den Aktivsätzen, vermutlich um den Blick des Lesers auf einen Punkt zu Fokussieren.


    LG


    Mario

    Einmal editiert, zuletzt von mario ()

  • Hallo ihr Lieben,


    mir geht es wie Inge, in der deutschen Version gehen so gut wie alle Stilmittel unter, die Brown einsetzt. Voran das liegt, kann man nur vermuten (20 Minuten pro Seite, wenn man noch genug verdienen will, um davon zu ieben, Verlagsvorgaben, die Leser nicht zu überfordern, etc.), deshalb nehme ich für die Analyse das Original. :P


    {i]Renowned curator Jacques Saunière staggered through the vaulted archway of the museum's Grand Gallery. [/i]


    Renowned curator - Der anerkannte Curator
    vaulted archway - der gewölbte Torbogen/Gang


    Klingt erst einmal (wie der gewölbte Torbogen/Bogengang) nach einer Tautologie, denn natürlich sollte der Kurator eines Museums ein anerkannter Wissenschaftler sein, und natürlich ist ein Torbogen gewölbt. Auf deutsch. Auf Englisch aber kann es beides sein, ein Durchgang oder ein Gewölbe. Die Adjektive in diesen beiden Fälle setzen also den Fokus, den man haben möchten. Es ist nicht irgendein Spinner, sondern ein Wissenschaftler, der da in seinem eigenen Museum (dessen Sicherheitseinrichtungen ihm bekannt sein müssen) das erst (beste) Gemälde von der Wand reist, dass ihm entgegen kommt. Und es ist ein Gewölbe, also ein altes Haus, in dem das alles stattfindet.


    Zwei Adjektive setzen hier also das Setting.


    Das Verb - stolperte, wankte/taumelte - zeigt an, dass sich der Kurator in einem Zustand physischen (und damit impliziert psychischer) Verwirrung und Anspannung befindet.


    Voller Name und Blickwinkel von oben oder der Seite setzen zumindest für den Prolog den allwissenden Erzähler. Der Blickwinkel für den Leser könnte der des Wachmanns am Monitor sein.


    Das alles mit ganz schlichten Mitteln, aber für einen ersten Satz sehr gekonnt. Wenn das Brown nur passiert, hätte ich gern seine Intuition. 8-)




    He lunged for the nearest painting he could see, a Carravagio. Grabbing the gilded frame, the seventy-three-year-old man heaved the masterpiece toward himself until it tore from the wall and Saunière collapsed backward in a heap beneath the canvas.


    Aktion, gepackt in einen kurzen und einen ziemlich langen Satz, eine gebundene Handlung, die nicht zerhackt wird, sondern verfolgt.


    Adjektive:


    nearest - das nächste, also nicht ein bestimmtest, sondern irgendeines


    Verb


    lunged - Satz nach vorn, nach etwas langen, Ausfallschritt beim Fechten, stürzen


    Huch, da taucht Subtext auf. Das Wort reicht vom schlichten Greifen bis zur koordinierten Abwehrbewegung, zusammen mit dem taumeln verändert es unseren Blick auf die Handlung des Kurators. Eben noch unkoordiniert ist er hier fokussiert auf das, was er tut. Etwas hat sich geändert. Aber der Tunnelblick ist noch da, denn erst auf den zweiten Blick (die Apposition) erkennt er, der das Museum eigentlich beherrscht, was das für ein Bild ist. Nicht einmal jetzt das Individuum, sondern nur die Kategorie: Carravagio.


    Gerundive Konstruktion - unmittelbare Handlung, die die Art und Weise der Handlung zeigt


    Altersangabe - verstärkt das Gefühl der Anstrengung und der Unwahrscheinlichkeit der Handlung. Da riskiert einer ein ganzes der Wissenschaft gewidmetes Leben


    Adjektive


    gilded - vergoldet: zusammen mit Carravagio entsteht das Bild eines prächtigen Barockrahmens


    die Alterangabe hatte ich schon (-:


    Verben


    grab - fester Griff bis zum Krallen


    heaved - hochheben unter Anstrengung, hieven


    tore - reißen, aber auch tränen


    collapse in - stürzen, zusammefallen


    Ja, das sind Verben, die viel Aktion enthalten, aber schauen wir hin. Erst krallt sich der Kurator in den Rahmen - mäßig kontrolliert, dann die kontrollierte Kraftanstrengung, wenn er den Rahmen hoch zieht und nach vorn (toward himself), bis es schließlichm also nach länger einwirkender Kraft (until) von den Schnüren reißt, plötzlicher Impuls, der in unkontrollierte Bewegung umsgesetzt wird, und richtig landet der Kurator auf dem Hosenboden und die Leinwand auf ihm (backward/in a heap), nicht etwa der Rahmen (canvas).


    Der Blickwinkel rutscht langsam auf die Figur zu und setzt sich mit dem nächsten Satz auf seine Schultern.



    As he anticipated, a thundering iron gate fell nearby, barricading the entrance to the suite. The parquet floor shook. Far off, an alarm began to ring. The curator lay a moment, gasping for breath, taking stock. I am still alive. He crawled out from under the canvas and scanned the cavernous space for someplace to hide.


    Wie er erwartetet hatte - die Erkenntnis setzt wieder ein, gemeinsam mit dem gut bekannten Ablauf. Trotz der prekären Situation gibt es einen Moment Ruhe für den Kurator. Er weiß, die ganze Flucht der Ausstellungsräume ist gesperrt, trotzdem schleicht schon das Ungewisse, Ungebekannte ein, weil es donnert und der Boden bebt. Trotzdem bleibt Zeit für eine Bestandsaufnahme, die in der Erkenntnis mündet, dass er noch lebt. Um diese möglichst eindringlich zu machen, geht der AE hier direkt in den Kopf der Figur I am still alive und verzichtet auch auf eine Kontraktion. Das klingt im Englischen wie Ich! bin! am! Leben!.


    Er dann krabbelt er unter dem Bild hervor (was dessen Größe nochmeinmal sichert) und sucht gezielt nach einem Versteck in der großen Halle (natürlich taucht hier Coolridges caves meassureless to men) auf. Und auch die STabreime verstärken die poetischen Anklänge (convas cavernous, space someplace (hier tritt noch ein Endreim dazu),



    A voice spoke, chillingly close. "Do not move."
    On his hands and knees, the curator froze, turning his head slowly.


    Die Ellipse spiegelt die Reaktion des Kurators, der mit vielem gerechnet hat, aber nicht damit, dass er offensichtlich die ganze Zeit beobachtet wurde.



    Only fifteen feet away, outside the sealed gate, the mountainous silhouette of his attacker stared through the iron bars. He was broad and tall, with ghost-pale skin and thinning white hair. His irises were pink with dark red pupils. The albino drew a pistol from his coat and aimed the long silencer through the bars, directly at the curator.


    Wir folgen weiter der Erkenntnis der Figur. Erst optische Eindrücke (Hilfsverben, die Fakten aufzählen), dann ihre Verarbeitung zu sinnführender Erkenntnis. Brown richtet dabei unsere Aufmerksamkeit auf den Schalldämpfer, der gleich sagt, dass der Mensch jenseits der Stäbe kein Offizieller ist. Gleichzeitig ist silencer natürlich auch einfach ein Synonym für zum Schweigen bringen, etwas, dass sich durch SChalldämpfer nicht widergeben lässt.


    "You should not have run." His accent was not easy to place. "Now tell me where it is."


    Interessante Stelle, denn hier geht der AE noch tiefer in den Verstand der Figur und beobachtet, wie aus der Erkenntnis eine Verbalisierung wird (His accent ...)


    "I told you already," the curator stammered, kneeling defenseless on the floor of the gallery. "I have no idea what you are talking about!"


    Broqn, ganz anders als der Übersetzer folgt dem üblichen Verfahren, dass Stottern in die Sprechanzeige zu verschieben. Und zwar so, dass er einen Sprechtext benutzt, der keine wichtigen Inhalt enthält, der darunter leiden könnten, dass die Betonung von dem, was gesagt wird, auf die Art, wie es gesagt wird, verschiebt.


    Imfolgenden bleibt der Ae bei Souniere, aber in seinem Kopf (was sich auch darin zeigt, dass der volle Name nicht mehr benutzt wird. Brown spielt dabei mit verschiedenen stilistischen Mittel, vor allem vielen Stabreimen, immer dann, wenn es darum geht, den Gegner als geisterhaft und gefährlich zu zeigen.



    Ich sage oft, dass selbst Grisham ein größerer Stilist sei als Brown, aber das ist keine Wertung, weil es nur dafür steht, bisweiligen ein bisschen sprachliche Innovation in den Vordergrund zu stellen. Brown beschreitet den anderen Weg, zieht die Stilmittel soweit zurück, dass sie beinahe unsichtbar werden, aber da sind sie trotzdem und sehr gezielt eingesetzt. Er arbeitet auf klanglicher Ebene wie eine Filmvertonung. Hohe und tiefe Klänge je nach Bedrohung und Situation. Das alles zeugt von Absicht für mich, von sehr viel Überlegung und Können, und dem Mut, sich als Stimme vollständig der Handlung unterzuordnen, so das es oberflächlich betrachtet nach Absichtslosigkeit aussieht. In Wirklichkeit jedoch ist die Sprache elaboriert, da wimmelt es von mehrsilbigen, lateinisch stämmigen Wörter, etwas, was zumindest im amerikanischen Formatroman als ungewöhnlich gilt.


    Im Prinzip ähnelt Browns Strategie der von K. Dick, dem ja auch der Ruf voraneilt, kein Stilistiker zu sein, bei genauer Betrachtung aber nur diesen Rückzug auf das Gemeinsprachliche benutzt hat, um Verfremdung zu erreichen.


    Was kann man daraus fürs eigene Schreiben Lernen? Das zurückgezogenen Stilmittel an anderen Stellen große Freiräume schaffen, wie man mit wenigen Strichen, aber eben indirekt Räume aufbaut, wie man einen Vertrag über die Erzählstimme schon im ersten Satz schließt und ja, ja leider, dass Übersetzungen schon mal den Blick auf das Können von Autoren verstellen.


    Liebe Grüße
    Judith

    Nay, thy lordship, me ain't no thief, not even a smart one - Piper Quickfingers



    Der Tokee in Die rote Kammer [buch]393991407X[/buch]

  • Hallo Marivin,


    nur keine Scham. Die ist völlig unangebracht. Ich jedenfalls finde, man kann allen Texten etwas lernen, auch an der nicht besonders sorgfältigen Übersetzung ließe sich einiges zeigen.


    Die Berührungsängste zwischen E und U, die nicht nur deutsch sind, wenn auch hierzulande stark ausgeprägt scheinen, sind einfach nur hinderlich, wenn es um das Handwerk geht. Jedenfalls für mich. Brown hat viele, viele Leser erreicht, auch in der Übersetzung. Das hat seine Gründe, die zu untersuchen ist wertschöpfend für mich. Die Ablehnung geht wahrscheinlich auch darauf zurück, dass der kommerzielle Erfolg dieses zurückgenommenen Stils uns zu sagen scheint: Warum denn anstrengen, wenn es es auch mit Fast-Food geht.


    Aber mal abgesehen davon, dass Brown gar nicht so schlicht schreibt, wie es wirkt, kann es beim Handwerk genau um die Frage eigentlich nicht gehen, sondern nur um das Sammeln von Möglichkeiten. Was und wie man das in die eigene Schreibe übernimmt, muss jeder für sich selbst entscheiden, möglichst ohne große Wertung, sondern einfach nur auf der Grundlage, was zu einem passt und was nicht.


    Sicher, es ist leicht, einen Text einfach deshalb für schlecht zu halten, weil einem die Stilmittel nicht behagen, weil sie möglicherweise auch von vorn herein auf den kommerziellen Erfolg gerichtet sind. Aber dass es bei Brown mehr geben muss, zeigt auch, dass seine Bücher sich lange verkaufen und nicht wie klassische Formatromane für ein paar Wochen. Er kann Menschen einfangen mit seinen Geschichten und das kann er nur, weil seine Sprache diese erreicht. :evil


    Um beim Hamburger zu bleiben, das ist eben kein Ketten-Fleischklops, sondern einer vom Diner, wo der Wirt noch Wert auf Identität und Qualität legt. :evil


    Wenn man dann den Blick auf den Autor und dessen Ausbildung richtet (was, wie ich beim letzten TA schon gesagt habe) seine eigenen Probleme aufwirft, merkt man eben auch, dass er gut ausgebildet ist.


    http://www.religionnewsblog.co…-in-da-vinci-code-case-14


    LIebe Grüße
    Judith

    Nay, thy lordship, me ain't no thief, not even a smart one - Piper Quickfingers



    Der Tokee in Die rote Kammer [buch]393991407X[/buch]

  • Wow, Judith,
    da hast Du Dir wirklich Mühe gegeben.


    Eine kleine Anmerkung habe ich noch: Meiner Meinung nach ist schon der erste Satz kaum eins zu eins zu übersetzen.


    Zitat

    Original von Judith
    (...) {i]Renowned curator Jacques Saunière staggered through the vaulted archway of the museum's Grand Gallery. [/i]


    Renowned curator - Der anerkannte Curator
    vaulted archway - der gewölbte Torbogen/Gang


    Im vertrackten "renowned" steckt nicht nur die Anerkennung, sondern auch noch Ruhm. Saunière ist viel mehr als "nur" anerkannt, er ist eine Kapazität. Und mit diesem (Fremd-)Wort hätte man dann schon husch, husch, eine Menge Leute aus dem Buch hinauskomplimentiert ("Du kommz hier nich rein.").

  • Hallo ihr Lieben,


    natürlich gilt eigentlich immer noch: So genau wie möglich, so frei wie nötig.

    Aber die Regel wurde hier ziemlich gedehnt, eigentlich fast bis zum Zerreißen. Die Gründe kenne ich nicht, wohl aber, dass das gerade in als "Fast-Food" deklarierten Werken gar nicht so unüblich ist.


    Das liegt zum einen möglicherweise tatsächlich an direkten Vorgaben des Verlags, aber auch daran, dass Übersetzen schlicht nicht ausreichend bezahlt wird und Populärliteratur nur selten aus Passion übersetzt wird, die eben nicht die Uhr im Blick hat oder die Förderpreise, die es für Ulysses-Übersetzungen gibt.


    Subtexte und Klänge, selbst Stabreime, mit zu übertragen ist schwierig, braucht Zeit und die Einstellung, eben nicht gleich die erste Bedeutung als gegeben hinzunehmen.


    Liebe Grüße
    Judith

    Nay, thy lordship, me ain't no thief, not even a smart one - Piper Quickfingers



    Der Tokee in Die rote Kammer [buch]393991407X[/buch]

  • Hallo Inge,


    natürlich hast du recht. Ich glaube auch nicht, dass es eine 1:1 Üersetzung geben kann, das liegt schon in Sprache selbst begründet. Ich finde es aber spannend, dass Brown durchaus mit Hochsprache arbeiten kann, der Übersetzer die aber wegschleift. Da Autoren wie Übersetzer Sprache eigentlich lieben, vermute ich dahinter tatsächlich - ganz verschwörungstheoretisch - eine Vorgabe.


    Und ist es nicht interessant, dass die Fast-Food-Gesellschaft hier offensichtlich mehr Leine lässt als die der Dichter und Denker. :evil


    Liebe Grüße
    Judith

    Nay, thy lordship, me ain't no thief, not even a smart one - Piper Quickfingers



    Der Tokee in Die rote Kammer [buch]393991407X[/buch]

  • Die Sache mit dem Übersetzen für ein bestimmtes Publikum ist übrigens schon etwas älter.
    Ich erinnere mich an Tarzan-Übertragungen, die praktisch nichts mehr mit dem Original zu tun hatten. Gut, der Plot war noch da, irgendwie. Aber der Rest?
    Und nicht nur Edgar Rice Burroughs war da "Opfer" (oder waren das die Lesenden?), auch Louis L'Amour, beispielsweise.


    Wenn ich es recht bedenke, war das aber auch schon so bei den Schlegel-Tieck-Übertragungen von Shakespeares Werken.

  • Hallo Thomas,


    ehem, der durchschnittliche IQ sinkt? Das regt mich ja schon bei Sarrazin auf, aber bei dir wundert mich diese bloße Übernahme. Wie kann ein definierter Durchschnittswert sinken? Der liegt nun mal per Definition bei 100% pro Stichprobe. Und, herrje, Schillers Schauergeschichten hatten ein ähnlich breites Publikum wie Brown, konnte er deshalb nicht schreiben? Waren sie Anzeichen dafür, dass seine Gesellschaft dümmer wurde, weil sie sie goutierte?


    Außerdem konnte mir noch keiner eine valide Studie vorlegen, dass Bücher sich an bestimmte Schichten richten, höchsten, dass bestimmte Schichte dazu stehen, dass ihnen etwas gefällt, das andere im Shakespeare verstecken (huch, verdammt, falsches Bild, Shakespeare schrieb für Geld und ein Publikum, das von Königin bis groundling reichte und sich im yard des Globe Theatres auch schon mal prügelte).


    Wirklich, mir geht dieses Schubladenaufreißen ziemlich auf den Geist. Was ist es nur, dass so viel Angst vor dem macht, was eine breite Leserschaft erreicht?


    Schiller oder Shakespeare scheinen solche Ängste jedenfalls nicht oder nur wenig gehabt zu haben.


    Was Textanalysen angeht, ist es gut, sich die von anderen anzusehen, aber den Sockel hochzuschauen, bringt da nur bedingt weiter IMHO. Es geht doch beim Handwerk darum, sich einen eigenen Satz an Stilmitteln zu erarbeiten, und nicht um LIteraturkritik wie Ecos, die sicher erhellend und sehr amüsant sein kann, aber eben nichts darüber sagt, was man, wenn nötig trotzdem lernen kann.


    Liebe Grüße
    Judith

    Nay, thy lordship, me ain't no thief, not even a smart one - Piper Quickfingers



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  • :freutanz:freuhuepf:dafuer

    "Man muss immer noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können." Nietzsche

  • Zitat

    Original von Judith

    Das liegt zum einen möglicherweise tatsächlich an direkten Vorgaben des Verlags, aber auch daran, dass Übersetzen schlicht nicht ausreichend bezahlt wird und Populärliteratur nur selten aus Passion übersetzt wird, die eben nicht die Uhr im Blick hat oder die Förderpreise, die es für Ulysses-Übersetzungen gibt.


    Dazu gibt es einen schönen Artikel in der heutigen SZ. hier


    Zitat


    Subtexte und Klänge, selbst Stabreime, mit zu übertragen ist schwierig, braucht Zeit und die Einstellung, eben nicht gleich die erste Bedeutung als gegeben hinzunehmen.


    Liebe Grüße
    Judith


    Und das Übersetzen von Stabreimen und ähnlichen alten Reimformen kann selbst dann, wenn es mit Zuschüssen und Subventionen und viel Zeit für den Übersetzer verbunden ist so spontan heftigen Reaktionen Sprachkundiger führen. Siehe hier

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von Horst Dieter
    Und das Übersetzen von Stabreimen und ähnlichen alten Reimformen kann selbst dann, wenn es mit Zuschüssen und Subventionen und viel Zeit für den Übersetzer verbunden ist so spontan heftigen Reaktionen Sprachkundiger führen. Siehe hier


    Culpa rubet vultus meus.

  • Hallo
    Ich hatte ja schn nicht mehr damit gerechnet, dass doch noch etwas sinnvolles hier gepostet wird, das wirklich etwas mit dem Text zu tun hat. (Abgesehen von ein paar kleinen Versuchen)
    Da hätte ich mir locker die ersten fünf Seiten sparen können.


    Judith hat sich wirklich ins Zeug gelegt. Und ich muss mich jetzt auch nicht mehr fragen, ob ich tatsächlich so einen schlechten Geschmack habe. 8o


    Ich lese Brown gerne. Ja tue ich. Oje, jetzt nimmt mich hier keiner mehr ernst =)
    Aber egal, ich mag das Tempo und die Geheimniskrämerei.
    Auch was den Ort der Geschichte betrifft, können sich viele Leser mit identifizieren, da viele schon einmal dort waren. Selbst wenn nicht, schreibt er sehr ausführlich, so dass man sich hineinversetzen kann.


    Liebe Grüße Birgit

  • Hallo ihr LIeben,


    ja, Tolstai weiß auch ein Lied davon zu singen und von Stevenson, Swift und den anderen zum ("pädagogischen") Jugendbuch kastrierten ganz zu schweigen.


    Liebe Grüße
    Judith

    Nay, thy lordship, me ain't no thief, not even a smart one - Piper Quickfingers



    Der Tokee in Die rote Kammer [buch]393991407X[/buch]

  • Hallo Judith,
    sehr erhellend, toll. :blume


    Wäre das nicht ein guter Zeitpunkt, um die Übersetzerei mal etwas zu entzaubern? Übersetzer sind doch in aller Regel nicht einfach unterbezahlte Sprachgenies, sondern Menschen, die erlernte Techniken auf geschriebene Sprache anwenden.


    Ich durfte mal bei einer Roman-Teilübersetzung helfen, und das haben wir so gemacht, dass wir zunächst eine möglichst wörtliche Übersetzung erstellt haben ohne auf den Schönheitswert der Formulierung zu achten. Dann haben wir eine freie Version erstellt, die wir für schön hielten. Dabei haben wir dann nicht mehr am Original geklebt.


    Eine Mischung aus diesen beiden Texten wurde dann nach etlichen Revisionen gedruckt.


    Wenn ich das richtig verstehe, Judith, kennst du dich damit weit besser aus...
    Wir halten uns zwar alle für total klug, aber vielleicht kannst du uns ja noch a bisserl klüger machen ;)


    Christoph


    P.S. Möglicherweise wollen die Mods das Ganze ja in einen neuen thread verschieben, wenn nein, sorry for ot ;)

  • Hallo Kristov,


    hms, die meisten Literaturübersetzer haben schon etwas von einsamen Helden, sonst würden sie Sachtexte übersetzen, da gibt es ganz andere Honorare.


    Das trifft auch für die Techniken zu, es ist immer leichter Übersetzerdatenbanken und andere Tools auf den beschränkten Wortschatz einer Fachsprache anzuwenden als auf Literatur. Zwar arbeiten die meisten Literaturübersetzer, die ich kenne, genauso, wie du es für die beiden Schritte beschreibst, aber wenn sie gut sind, kommt danach nochmals der Abgleich mit der Vorlage, zumindest bei Büchern, die länger auf dem Markt zu finden sind.


    Wie die Brown-Übersetzung durchs Lektorat des Verlages kommen konnte, wenn nicht ausdrückliche Vorgaben erfüllt hat, wäre mir wirklich schleierhaft, so fern, wie sie dem Original bisweilen ist.


    Klar, es könnte auch sein, dass wie es in Horst-Dieters Quelle zu lesen steht das Buch ein Brotprojekt für den Übersetzer war, denn bei der Auflage war klar, dass Tantiemen dabei herausspringen werden. Aber es ist schon so, dass man einen dürftig bezahlten Beruf nur ausübt, wenn mehr als rein pekuniäre Gründe dahinter stehen.


    Das mit den 20 MInuten pro Seite war ernst gemeint. Ein Übersetzer hat mir erzählt, dass er tatsächlich den Wecker stellt, damit er sich nicht Projekten verliert, die er liebt. Anderseits ist es so, dass wenn ein Autor eine Schreibe hat, die man als Übersetzer mag, es auch viel leichter fällt, sie zu übertragen und je öfter man einen Autor übersetzt, desto leichter wird es zudem.


    Anderseits gibt es auch welche, die an mehreren Texten gleichzeitig arbeiten und über die Masse Geld verdienen. Solche und solche, wie in jedem Beruf.


    Natürlich ist Literaturübersetzung inzwischen auch eine akademische Ausbildung, die einem jede Menge Handwerkszeug mitgibt, aber das Gefühl für Sprache, für die Meta- und Subebenen lässt zwar trainieren, hat aber auch eine Ebene, die intuitiv arbeitet und um die zuzulassen, muss man eben doch Spaß an der Sache empfinden.



    Liebe Grüße
    Judith

    Nay, thy lordship, me ain't no thief, not even a smart one - Piper Quickfingers



    Der Tokee in Die rote Kammer [buch]393991407X[/buch]

  • Judith,


    vielen Dank für die ausführliche Analyse anhand des englischen Originals. Ich fand sie sehr erhellend und lehrreich.


    Birgit
    Und damit du dich nicht als Einzige als Dan-Brown-Leserin outen musst: Hier ist noch eine. Ich habe zwar nur das "Sakrileg" gelesen und kenne "Illuminati" als Hörbuch. An beidem hatte ich sehr viel Spaß. Dennoch kann ich dem zustimmen, was du schreibst. Es liest sich weg wie nichts, ist gespickt mit Andeutungen und Geheimnissen und ich war spätestens nach dem dritten Kapitel "gezwungen" zum Weiterlesen ;-)


    Ohne mich jetzt schon zu den textlichen Feinheiten in der deutschen Übersetzung äußern zu wollen (kommt noch), möchte ich einen Aspekt anfügen, der es dem Leser des "Sakrilegs" äußerst leicht macht: Das ist die Kürze der Kapitel. Es gibt wenige, die mehr als 10 Seiten haben. Die meisten haben 3-4 oder gar nur 2 Seiten. Beim Lesen denkt man sich dann "Ach, was soll's. Eins geht noch". Und schwupps, ist man durch.


    (OT: Von der Verfilmung war ich etwas enttäuscht. Nach den Hörbüchern, die von Wolfgang Pampel eingelesen worden sind, dem Synchronsprecher von Harrison Ford, konnte ich mich mit Tom Hanks in der Rolle des Robert Langdon überhaupt nicht anfreunden. Nur Jean Reno als Bezu Fache hat mir gut gefallen.)


    Einen schönen Freitagabend noch von
    Andrea Martini

  • Zitat

    Original von Judith


    Schiller oder Shakespeare scheinen solche Ängste jedenfalls nicht oder nur wenig gehabt zu haben.


    sie haben ihr publikum ernst genommen und sich selbst als autoren auch. ihr ziel war, menschen gut zu unterhalten! denn qualität weiß jeder zu schätzen 8-)

  • mir gefällts *rotwerd* :D


    kurz aus der hüfte :colts
    wahrsacheinlich ist der roman aus 2 perspektiven geschrieben? professor und albino, gut und böse. die leser erleben beide im wechsel. allein das baut bereits spannung auf. ein dritter zieht im hintergrund die fäden und gibt dem albino befehle. show, don't tell. ausgefeilte dialoge, rasantes erzähltempo. infos werden aus sicht der protas transportiert, sind mit der handlung verwebt, z. b. rückblende. viele fragen werden aufgeworfen wie puzzelteile, die noch wahllos und ohne ihren zusammenhang erkennen zu lassen, auf dem tisch liegen.


    nach den paar seiten lektüre - dan brown versteht sein handwerk. ob die geschichte auch inhaltlich volumen hat ... mal schauen :)


    :strauss