ASIN/ISBN: 3453056655 |
Case, ein Hacker mit implantierter Kopplungsmöglichkeit zur virtuellen Welt, arbeitet als hochbezahlter Spezialist, bis er einen Auftraggeber hintergeht. Der rächt sich, in dem er Case Nervensystem so schädigt, dass ein Zugang zur virtuellen Welt nicht mehr möglich ist. Case verdient sich, da der Schaden irreperabel scheint, seinen Lebensunterhalt als Auftragsmörder und auf dem Schwarzmarkt und ist den Drogen verfallen, als er von der kypernetisch aufgebesserten Molly aufgegabelt und für einen mysteriösen Armitage rekrutiert wird. Dieser lässt Case Schaden beheben und gleich eine neue Bauchspeicheldrüse einsetzen, die gegen Drogen immun ist. Als Preis für diese Wiederherstellung muss Case mit Molly in die Zentrale des Medienkonzerns Sens/Net eindringen und digitales Wissen stehlen. Case und Molly ermitteln heimlich über ihren Auftraggeber und erfahren, dass es sich um einen ehemaligen Offizier William Corto handelt, der eine berüchtigte militärische Operation in Russland als einziger überlebte. Inzwischen nimmt die künstliche Intelligenz Wintermute Kontakt zu den beiden auf, weil Corto/Armitage immer unzuverlässiger wird, und unterstützt sie bei dem Einbruch in die »Villa Straylight«, das Projekt, für das Case und Molly eigentlich angeworben wurden, wo sie etwas entwenden sollen, was die KI benötigt, um sich mit einer zweiten, dem Neuromancer, zu verbinden. Der dritte im Bunde, Paul Riviera, erweist sich als ein Verräter, der beinahe das Projekt verhindert. Eine Art überdimensionaler chinesischer Virus, den Case mit Hilfe einer digitalen Kopie eines andere Hackers, Dixie, in das Systemnetz von Straylight einschleust, ermöglicht dann aber doch die endgültige Durchführung.
Diese (fast zu) kurze Zusammenfassung des Romans gibt kaum etwas davon wieder, was er bewirkte, als er 1984 erschien. Es war nicht die erste Geschichte, die dem Cyperpunkt zugerechnet werden kann, aber es war der erste bedeutende Text dazu. Und bis heute ist es William Gibson, der mit dieser Stilrichtung der Science Fiction immer als erstes verbunden wird. Bruce Bethke (der den Begriff 1983 prägte), Bruce Sterling (mit dem Gibson eng zusammen arbeitete), Pat Cadigan (eine der wenigen Autorin dieser Richtung) und andere werden erst in der Folge, wenn überhaupt, erwähnt. Verdient hat William Gibson das durchaus, denn kaum einer konnte diese dichte Sprache vorweisen, diese zusammendrängen von unsagbaren Vorstellungen in einen Satz oder Halbsatz. Wie bewegt man sich in der Virtualität, welche Vorstellungen hat man dabei, was für Empfindungen stellen sich ein? Das waren Fragen, die zumal in einer Zeit, in der die rasante Entwicklung der Digitalisierung erst langsam an Fahrt gewann, alles andere als leicht zu stellen war. Nicht immer gelingt Gibson das glaubwürdig, zumindest rückblickend. Aber bis heute ist es faszinierend zu sehen, mit welch visionärer Kraft er dieses Thema aufgriff und umsetzte.
Probleme hatte damit auch der Übersetzer, denn er sah sich genötigt, dem Leser so manchen Begriff durch Fußnoten zu erklären, etwa: Console, Cursor, Megabyte, RAM, Blackbox, Pixel usw. Da die Geschichte zum Teil im asiatischen Raum spielt waren auch Erklärungen zu japanischen Begriffen nötig, wobei dem Übersetzer auch so etwas wie: Sushi = jap. Reisgericht, gelang.
Während das Buch langsam beginnt, am Anfang fast zu viel Wert auf Ausgestaltung des Settings legt, nimmt es spätestens nach dem ersten Drittel langsam an Tempo zu. Die Spannung in der zweiten Hälfte erwartet man am Anfang (fast) nicht, weil die Ausgestaltung des Szenarios dem Leser viel abverlangt.
Manches, was Gibson visionierte ist heute Wirklichkeit geworden (das weltumspannende Netzwerk, bei dem man sich fast überall einklinken kann z.B.), manches ist noch so unerreichbar wie vor 25 Jahren (die Mensch/Maschine-Schnittstelle) und einiges ist inzwischen so überholt, dass ein Lächeln sich einstellt, wenn man es liest, etwa das Disketten in der Zukunft noch eine Rolle spielen.
Bisher gab es in jedem Band von Gibson, den ich gelesen habe, ein Wort, das mir irgendwann auf den Wecker ging. In Mustererkennung war das z.B. Testosteron. Im Neuromancer stieß mir das Wort „pink“ auf, dass er bis zum Ende in inflationärer Weise einsetzte. Ich bin inzwischen zum dem Schluss gekommen, das dies Absicht vom Autor ist.
Neuromancer ist der erste Band der Neuromancer-Trilogie und als Einzelband schon länger vergriffen. Für Dezember ist eine neue deutsche Ausgabe aller drei Bände dieser Trilogie (+ Biochips + Mona Lisa Overdrive) vorgesehen. Wie bei Gibson üblich hängen diese Romane nur lose zusammen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Mein erster Einstieg war Ende der 80er Jahre der zweite Band "Biochips".
ASIN/ISBN: 3453526155 |