Überarbeitung von Prosatexten

  • Guten Abend zusammen,


    wer von euch hat Erfahrungen mit der Überarbeitung von längeren Prosatexten (speziell Romanen)? Ich habe gerade ein Buch über das Schreiben von literarischen Texten zu Ende gelesen ("Romane und Kurzgeschichten schreiben" von Alexander Steele) und bin etwas verwirrt. Dort steht als Empfehlung für die Überarbeitung, dass man mindestens zwei Fassungen von einem Text anfertigen soll. In der Regel soll von der ersten Fassung nicht mehr als ein, zwei Sätze übrig bleiben. Wie soll das bei einem fünfhundert Seiten Roman funktionieren? Da braucht man ja das halbe Leben, um mit seinem Roman fertig zu werden. :achsel
    Und was macht man mit den ganzen anderen Ideen, die einem zwischenzeitlich in den Sinn kommen? :brille
    Würde gerne mal eure Meinung dazu hören. Vielleicht gibt es ja den einen oder anderen, der mit einer etwas sanfteren Methode Erfolg hatte.
    :bier
    Viele Grüße
    Nicola

  • Priwjet,


    sicherlich will der Autor, dass außer ihm es keiner schafft, ein Buch zu veröffentlichen. Ich halte von Schreibtipp-Büchern im Allgemeinen so wenig, wie von Schreibschulen. Wenn ich einen Tipp geben würde, wäre das:


    Man sollte das Manuskript zehnmal lesen, sich jedes Wort merken, dann bei Mitternacht den einzigen Entwurf des Buches im Mondschein verbrennen, am besten unter einer Linde oder Esche. Danach sollte man zu Hause ein Bad nehmen, laut singen (russisch am besten), noch ein Buch vom hilfreichen Schreiberlehrerautor kaufen und sein eigenes Manuskript aus dem Kopf von hinten nach vorn noch einmal aufschreiben - PER HAND!


    Hehe, liebe Nicola


    Das ist nicht so böse gemeint, wie es klingt. Aber solche Tipps kannst du Dir getrost aufs Brot schmieren. jeder sollte seinen eigenen Stil der Überarbeitung finden und vor allem, sollte man anerkennen, dass das eigentliche Schreiben erst der Anfang des Schmerzes ist.


    solong Stani

  • Zitat

    Original von Pearl
    ich find das albern


    Dem kann ich mich nur anschließen. Überarbeitung ja. Nochmal überarbeiten? Ja Ja ... nochmal ..... und sicher gibt es auch den einen oder anderen Tipp, der hilft und nutzt. Aber wenn Du selbst, wie ich in diesem Fall zwischen Deinen Zeilen zu lesen glaube, für einen Ratschlag nur Zweifel und Wundern aufbringen kannst, dann ist er auch nicht der richtige Tipp für Dich. Jeder muss es wohl selbst herausfinden.


    Bei mir persönlich hilft: eine inhaltlich abgeschlossene Passage mehrmals lesen. Dabei nehme ich schon die meisten Kürzungen vor (weil ich zu erklärenden Worten neige, damit ja auch jeder Leser versteht, was ich gerade sagen will.:D ) und feile an dem einen oder anderen Satz/Formulierung. Und später laut lesen! Gleich mit richtiger Betonung wie bei einer Lesung. Hilft mir ungemein! Dabei merke ich unrunde Stellen, unschöne Formulierungen und Unschlüssigkeiten usw. Übrigens merke ich dabei auch langweilige Passagen oder unnötigen Text, der die Sache weder voran bringt noch besonders interessant ist.
    Außerdem gibt es bei mir eigentlich nicht die erste, zweite ... Fassung des gesamten Romanes, sondern mehrere Bearbeitungsstufen der einzelnen Kapitel. Wenn eines der Kapitel oder ein inhaltlicher Abschnitt meiner Meinung nach steht, lasse ich es dann auch erst einmal. Bei einem anderen Kapitel gibt es vielleicht mehrere Fassungen, bis dieser Zustand erreicht ist.


    Aber wie gesagt, jeder muss es herausfinden, wie es am besten für ihn funktioniert. Also lass Dich bloß nicht verrückt machen.


    Aufmunternder Gruß
    Cordula

  • hallo nicola,


    ich würde schon deshalb nichts wegwerfen, weil die erste versiom, so schlecht sie sein mag, schon hundert ideen enthält. ansonsten: am besten für ein paar wochen oder monate komplett weglegen und dann mit maximalem abstand neu lesen. da entdeckst du auf einmal sachen wie, dass du eine passage noch besser in 50% der länge hättest erzählen können. wenn du informationen sammelst und den 1. entwurf schreibst, willst du unweigerlich viel davon wiedergeben. mit etwas abstand merkst du, wieviel du davon wirklich brauchst. wenn du denselben zu oft nacheinander durchgehst, übersiehst du außerdem zuviel, weil dein gehirn zuviele abkürzungen nimmt.


    viele grüße,
    michael

  • Ich lese grundsätzlich alle Tipps, die ich kriegen kann, lasse sie wirken, und dann filtern sich die für mich passenden irgendwie heraus und werden genutzt.
    Denke es gibt so viele Tipps wie Autoren und so viele Fehler wie Tipps...
    Schon mal versucht, aus einem Feuerwehrschlauch Wasser zu trinken? :bier

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt

  • Hallo.
    Vielen Dank für eure Antworten. Ich sehe das genauso wie ihr. In der Regel lasse ich einen Text mehrere Wochen bis Monate liegen. Das hat den Vorteil, dass ich genügend Abstand zu dem Text habe, um wirklich eine Überarbeitung vorzunehmen. Manchmal passiert es mir aber, dass ich einen anderen Ansatz finde oder mir plötzlich andere Ideen kommen. Dann kann der Text sich stark verändern. Mir ist es tatsächlich auch einmal passiert, dass ich den gesamten Text neu geschrieben habe (bei einer Kurzgeschichte ist das allerdings nicht so schmerzhaft). Eigentlich ist das dann aber keine Überarbeitung mehr, sondern ein Zweittext, der ebenfalls überarbeitet werden muss. Mir ist schon bewusst, dass es kein Patentrezept gibt. Ich finde es aber trotzdem wichtig, sich gerade über ein so wichtiges Thema mit anderen Autoren auszutauschen, weil Überarbeitung nunmal eines der wichtigsten Werkzeuge eines Schriftstellers ist.
    Viele Grüße
    Nicola

  • Kauf Dir einen anderen Ratgeber und da steht dann was anderes drin ;)


    Ich halte das für Blödsinn, natürlich verändert sich mit den Überarbeitungen der Roman, aber zwei Fassungen schon am Anfang zu schreiben ist doch Unsinn.


    Ich tippe meinen Rohtext, wende mich dann einem anderen Text zu, denn ist etwas Zeit vergangen und ich nehme mir den Rohtext vor. Mit der Methode komme ich am besten klar.


    LG
    Maren

  • Wie viel und welche Art von Überarbeitung nötig ist, hängt einzig und alleine von der Qualität der zu bearbeitenden Fassung ab.


    Schreibratgeber haben in etwa den gleichen Nutzen wie Erziehungsratgeber. Meistens sind es die einzigen Bücher mit nennenswerten Verkaufszahlen, die die jeweiligen Autoren verfaßt haben. Und Kochrezept-Tips sind immer Schwachsinn, egal in welchem Lebensbereich.

  • Zitat

    Original von Tom
    Wie viel und welche Art von Überarbeitung nötig ist, hängt einzig und alleine von der Qualität der zu bearbeitenden Fassung ab.


    Schreibratgeber haben in etwa den gleichen Nutzen wie Erziehungsratgeber. Meistens sind es die einzigen Bücher mit nennenswerten Verkaufszahlen, die die jeweiligen Autoren verfaßt haben. Und Kochrezept-Tips sind immer Schwachsinn, egal in welchem Lebensbereich.


    Leute,


    ich seh das genauso!


    wichtig ist: gar nichts überarbeiten! Schreiben vollzieht sich ausschließlich im Rausch der Inspiration – das weiß doch jeder! Der erste Entwurf ist – wie bei der Allfresco-Malerei – immer der beste. Danach keinesfalls mehr was ändern.


    Alle, ich wiederhole: alle Meisterwerke der Weltliteratur sind binnen weniger Tage, allenfalls Wochen entstanden und von ihren Autoren nie mehr überarbeitet worden. Nur die dritte und vierte Garde (Günther Grass, Hermann Hesse, Gaby von Schönthann, Hermann Broch, Elfriede Jellinek, Rudolf Steiner etc.) ist ständig am Überarbeiten. Und warum? Weil sie’s von Anfang an nicht können.


    Denken wir nur an die großen Vorbilder:


    Der Ulysses wurde von Joyce in zwei intensiven Wochen lässig hingerotzt, und nebenbei fand Joyce sogar noch Zeit, die Odyssee zu lesen, literweise Guinness zu trinken und seine Nachbarin zu vögeln, was man dem Buch auch anmerkt.


    Der Mann ohne Eigenschaften war die Eingebung eines launigen Sommerwochenendes in Mödling; Madame Bovary wurde im Zug zwischen Fontainebleau und Paris verfaßt, Don Quijote in der Postkutsche, das Herz ist ein einsamer Jäger auf dem Klo, Fiesta von Hemingway auf der Großwildjagd.


    Mozart hat die Don Giovanni-Ouvertüre in der Nacht vor der Aufführung komponiert, Rossini hat für keine Oper länger als zwei Wochen gebraucht, Beethoven hat Für Elise in zehn Minuten improvisiert (obwohl Elise dann gar nicht kam), und Gershwin hat die Rhapsody in Blue ebenfalls in der Eisenbahn komponiert.


    Natürlich gibt es Ausnahmen: Thomas Mann hat am Doktor Faustus jahrelang geschuftet, aber das Ergebnis ist halt auch entsprechend schlecht. Wagner hat für den Ring sogar zehn Jahre gebraucht, und da sieht man dann, was dabei herauskommt: eine neofaschistische Orgie inzestuöser Götter, übergewichtig und jaulend, die zum Schluß auch noch untergehen. Kein Wunder, daß das Hitlers Lieblingsmusik war.


    Und der einzige in diesem Forum, der seinen Test wieder und wieder überarbeitete, der arme Lyrx, hat sich genau dadurch vollkommen in die Scheißen hineingeritten. Die erste, bereits ziemlich schlechte Version seines Textes, wurde durch dauerndes Überarbeiten immer schlechter, bis er endlich den ganzen Plan, einen Roman zu schreiben, aufgab, sich aus diesem Forum zurückzog und dann Selbstmord beging, was aber auch das einzige ist, was ein anständiger Mensch in Berlin, dieser Odelgrube unter den deutschen Städten, tun kann.


    All das, was ich hier über das Überarbeiten gesagt habe, gilt natürlich ceteribis paribus et omnibus auch für das Recherchieren. Finger weg davon! Ohne lange Planung und Recherche darauf losschreiben ist das Beste! Einfach weiterschreiben bis zum Ende, dann den Text ausdrucken und gleich an den Verlag schicken. Gar nicht mehr lange anschauen, bringt alles nichts!


    Das, was Tom über Schreibratgeber sagt, ist goldrichtig: Aus Büchern kann man überhaupt nichts lernen, nicht kochen, nicht vögeln, nicht denken, nicht glauben! Ich kannte mal eine Frau, die hatte sich einen Ratgeber (von Goldmann ... oder Heyne... ?) mit dem Titel gekauft: Wie Frau billig, hygienisch und rasch ihren eigenen Gebärmutterhalstumor operiert. Diese Bekannte las den halben Ratgeber, legte sich dann auf ihren Küchentisch und schnitt sich die Bauchhöhle auf. Genau in dem Moment, als sie den Tumor zu fassen bekam, rutschte sie mit dem Küchenmesser ab, stach sich in den Arm und verblutete. Als ich nur Stunden später mit dem Hausmeister in die Wohnung kam, bot sich uns eine unglaubliche Sauerei dar. Drei illegal in Deutschland lebende Frauen mit Migrantenhintergrund aus Pristina mühten sich zehn Stunden lang, bis man die Küche wieder betreten konnte.


    Ich denke, das zeigt eindrucksvoll, daß man aus Büchern wirklich gar nichts lernen kann - außer vielleicht, wie es nicht geht!