Emily St. John Mandel: Das Meer der endlosen Ruhe

  • Träum weiter, Hund!


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    Woody Allen oder Douglas Adams (ich bin nicht sicher, aber das „A“ am Anfang des Nachnamens stimmt jedenfalls) erklärten irgendwo, dass wir uns im Traum eines schlafenden Hundes befänden, ergänzt um den Hinweis, dass bitte niemand diesen Hund wecken solle. Diese Behauptung lässt sich ebenso wenig widerlegen wie viele andere - teilweise recht steile - Theorien, die es zu unserer Existenz gibt, von der Gottesbehauptung über die streng wissenschaftliche, generative Sichtweise bis zur so genannten Simulationshypothese, die der Träumereisache ja ähnelt: Wir alle sind nicht real und befinden uns nur in einer Simulation (mit der irgendwer herumspielt, aus Gründen, die wir nie erfahren werden). Da wir die Simulation nicht verlassen können und Systeme nicht von innen heraus widerlegt oder bewiesen werden können, müss(t)en wir uns mit der Möglichkeit abfinden, dass es einfach so ist. Viele Geschichten und Filme - etwa „The Matrix“ - haben sich mit diesem Gedanken befasst. Sie finden unterschiedliche Antworten auf die Frage, ob es denn überhaupt wichtig sei, ob man und das eigene Leben nun real existiere oder nicht. Dem schließt sich regelmäßig die Frage an, wie „Realität“ zu definieren sei, wo doch die Auffassungen ohnehin so verschieden und subjektiv sind.


    Von Emily St. John Mandel hatte ich bislang noch nicht gehört und bin eher zufällig über diesen Roman gestolpert, der auf dem Umschlag den Hinweis „New York Times-Bestseller“ trägt; Klappentext und Ausstattung gefielen mir, also ließ ich mich darauf ein. Das Erlebnis war allerdings in der Hauptsache ernüchternd.

    St. John Mandel konfrontiert Menschen zu unterschiedlichen Zeiten mit einer Singularität, einem kleinen, seltenen, gut versteckten Fehler in der Matrix, nämlich mit offenbar zwei sich überlappenden Szenen zu verschiedenen Zeiten. Da im Jahr 2400langsam Zeitreisen - unter strenger Aufsicht - möglich sind, geht man in einem „Zeitinstitut“, das in „Kolonie Zwei“ auf dem Mond logiert, insgeheim dieser Sache nach. Wir erfahren so von den Geschichten verschiedener Leute, etwa die eines jungen, adligen Briten, der im frühen zwanzigsten Jahrhundert ins kanadische Exil gehen muss, oder die einer Autorin im zweiundzwanzigsten Jahrhundert, die eine Lesereise absolviert, während eine Pandemie auszubrechen droht. Sie und ein paar andere Figuren waren - direkt oder indirekt - Zeugen der fraglichen Singularität, und sie sollen diskret befragt werden, um damit dann beweisen zu können, ob all das eine Simulation ist oder nicht.


    Die nicht besonders neue Idee ist leider ziemlich halbherzig, nicht allzu clever und unter Missachtung der einen oder anderen Logikregel umgesetzt, wovon die Autorin abzulenken versucht, indem sie das Gerüst um die Kernhandlung möglichst unüberschaubar hält, während ihre Zukunftsperspektiven ebenfalls oberflächlich und fantasiearm ausfallen. Sie hat zudem mehr in die formale Struktur als in die Dramaturgie investiert, aber unterm Strich scheitert der Roman vor allem daran, dass seine Figuren - von der lesereisenden Autorin vielleicht abgesehen - eher uninteressant sind, dass es keine besonders spektakuläre Antwort auf die bereits häufig gestellte Frage gibt und dass die Handlung einfach nie spannend zu werden beginnt. Folgerichtig endet es auch lapidar, nein, eigentlich versandet es sogar, und das ist mindestens enttäuschend.


    Ich werde den früheren - und anscheinend besseren - Romanen der Autorin durchaus noch eine Chance geben, aber dieser hat mich - abseits einiger wirklich schön erzählter Abschnitte - nicht begeistert.

    ASIN/ISBN: 3550202156

  • Die nicht besonders neue Idee ist leider ziemlich halbherzig, nicht allzu clever und unter Missachtung der einen oder anderen Logikregel umgesetzt, wovon die Autorin abzulenken versucht, indem sie das Gerüst um die Kernhandlung möglichst unüberschaubar hält, während ihre Zukunftsperspektiven ebenfalls oberflächlich und fantasiearm ausfallen. Sie hat zudem mehr in die formale Struktur als in die Dramaturgie investiert, aber unterm Strich scheitert der Roman vor allem daran, dass seine Figuren - von der lesereisenden Autorin vielleicht abgesehen - eher uninteressant sind, dass es keine besonders spektakuläre Antwort auf die bereits häufig gestellte Frage gibt und dass die Handlung einfach nie spannend zu werden beginnt. Folgerichtig endet es auch lapidar, nein, eigentlich versandet es sogar, und das ist mindestens enttäuschend.

    Hallo Tom,


    das könnte haargenau mein Fazit zu ihrem späteren Roman Station Eleven sein. Ich rate dir daher ab, es mit einem weiteren Buch von ihr zu versuchen, das scheint bei ihr Prinzip zu sein.


    Ich hab mich zu einer recht ausführlichen und teils bissl flapsigen Rezension hinreißen lassen, hier.