Ich habe den Content-Produzenten von Netflix-Serien lange widerstanden. Ich habe mich geärgert, dass man offenbar versucht, mich auszurechnen. Das ging so weit, dass ich Serien in meine Wunschliste gesetzt habe, die ich mir niemals anschauen würde, nur um den Algorithmus zu ärgern.
Jetzt haben sie mich doch gekriegt.
„The Eddy“ dreht sich um einen Jazz-Club in Paris – geht noch mehr Klischee? Und trotzdem. Paris bedeutet in dieser Serie Peripherique und Banlieues statt Eiffelturm, Handkamera. Dazu ein ständiger Wechsel zwischen Französisch, Englisch, Arabisch und ein bisschen Polnisch. Sich das Ganze mit Synchronisation anzuschauen, nutzt also sowieso nicht. Wer nicht zufällig alle diese Sprachen spricht, kommt um Untertitel nicht herum. Das alles mit viel Musik, die ganz wirklich live gespielt wird, man fragt sich, wo diese Multitalente alle herkommen, denn auch schauspielerisch ist das toll, wirkt oft improvisiert und authentisch, wenn es nicht oft so tolle, treffsichere Punchlines gäbe, die keinem Menschen im echten Leben spontan einfallen können.
Die Musik ist Jazz. Ok, ein bisschen „Boppy-Poppy“ (wie es eine der Personen im Film ausdrückt) ist es schon. Es gibt eine klare Betonung auf dem Gesang und den Lyrics, orientiert sich an einer klassischen Besetzung und Solos sind selten.
Genauso ist die Geschichte. „Boppy-Poppy“. Die Jazz Klischees sind alle da – dunkle Kellerclubs, Drogen, Armut gepaart mit Genialität. Und doch wird mit eben diesen Versatzstücken so schön und stellenweise anrührend gespielt, vielleicht so wie ein Coltrane-Solo über Blues Changes. Alles ist irgendwie luftig und lose und frei. In jeder Folge gibt es eine andere Figur, die den thematischen Schwerpunkt bildet, an den Rändern der Geschichte tun sich immer neue menschliche Abgründe auf und dazwischen wir immer wieder Musik gemacht.
Großartig. Ich kann nicht genug davon bekommen. Netflix für Leute, die gerne so Sachen sagen wie „Diskurs“ oder „Narrativ“. Bitte guckt euch das an, damit die Nutzerzahlen in die Höhe schnellen und es noch mehr Staffeln gibt