Religion und Populismus

  • Danke, für den Hinweis, Tom. Bereits korrigiert. Wie auch immer. Es geht mir nur darum, zu beweisen, was im Schutze einer sogenannten Religionsgemeinschaft möglich ist.

    Einmal editiert, zuletzt von Manuela ()

  • Gerne.

    Auf Bobby Henderson und das FSM hatte ich ja vorher schon verwiesen. Das ist übrigens die am schnellsten gewachsene Religionsgemeinschaft der Menschheitsgeschichte, vergleicht man Wachstumszeiträume und Zuwachszahlen.


    Im übrigen ist FSMismus die einzige Religion, die eine plausible Erklärung für Gravitation liefert.


    Bobby Henderson: Das Evangelium des Fliegenden Spaghettimonsters

  • Kann es sein, dass Ihr Euch ein bisschen langweilt, meine lieben Atheisten? ;-) So ganz ohne richtigen Antagonisten?


    In Rechtsgeschichte erzählte uns der Prof. diese Geschichte vom Machtkampf zwischen Kaiser und Papst seit dem Mittelalter. Und davon, dass diese sophistischen Juristen des Kaisers mit der Frage nach Rom kamen: "Wenn Gott allmächtig ist, kann er dann einen Stein erschaffen, der so schwer ist, dass er ihn selbst nicht heben kann?" Auch bekannt als Allmachtsparadoxon.


    Und der Papst antwortete: "Er kann, aber er will nicht." Bei Wiki ist diese Verweigerung, sich auf sophistische Klugscheißerei einzulassen, überschrieben mit "Allmacht, die über der Logik steht".


    Im Prinzip geht es bei Diskussionen wie in diesem Thread, wo Laternenanbeter sich am Glauben abarbeiten, immer um dieses Spannungsfeld. Da werdet Ihr Ungläubigen NIEMALS irgendeinen "Überzeugungs"-Erfolg haben, weil das gar nicht das Spielfeld der Gläubigen ist. Und das ärgert Euch. :evil Viel Spaß noch! :saint:

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Da muss ich dir widersprechen. Denkverbote darf es überhaupt nicht geben, sie sind der Inbegriff des Totalitarismus und zerstören die Grundlagen der Menschlichkeit. Und für Sprechverbote, also Verbote, etwas (öffentlich) zu sagen oder zu schreiben, kann es als legitime Grundlage eigentlich nur das Strafrecht geben, also Tatbestände wie Beleidigungen, Volksverhetzung etc. Meinungen zu verbieten halte ich für wesentlich schlimmer als jede Meinungsäußerung, egal wem sie nützen mag.


    Im übrigen könntest du Populisten und Verschwörungstheoretikern keinen größeren Gefallen tun, als ihre Äußerungen zu verbieten. Denn damit bestätigst du ja ihre Theorie.

    Du missverstehst mich, Siegfried. Ich will Populisten nicht das Reden verbieten sondern darauf hinweisen, dass sie das Argument für sich vereinnahmen.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Tom

    Das mit den "persönlichen Erfahrungen" hättest du besser nicht geschrieben. ;) Deine Argument mit deiner Hausärztin und der Krankenkasse fällt mir da sofort ein. Woher weist du so genau, dass beide mit Ihren Argumentationen dir gegenüber nicht genau die "Globoli" für Menschen wie Dich bereithalten?


    Und was die Wissenschaft anbelangt, die ich nicht angreife und auch nicht wiederlegen will, die ist nicht so objektiv und zweifelsfrei, wie du sie hinstellst. Ich verweise da auf den zur Genüge bekannten Fall mit den Magengeschwüren. Die Forscher John Robin Warren und Barry Marshall mussten durch Selbstversuche nachweisen, dass Bakterien die Ursache dafür sind. Dies ist vorher vehement bestritten worden, weil es nicht sein kann, dass in der Magensäure überhaupt Bakterien überleben können. Es konnte aber sein und das gab dann für die beiden Forscher den Nobelpreis. Heute zweifelt das niemand mehr an.


    Siegfried

    Auch du argumentierst mit der übliche Methode, einfach zu folgern, dass etwas nicht möglich sein kann weil es nicht vorstellbar ist. Das Argument, das auch Krankheiten von alleine heilen, schlägt dabei noch dem Fass den Boden aus. Mit dem Argument schickst du jeden Arzt in die Wüste.


    Nochmal: Ich plädiere nicht dafür, die Homöopathie als wirksam anzuerkennen. Das kann ich nicht, dazu fehlt mir die Kompetenz und ich habe selbst zu viele Zweifel. Im Zusammenhang mit Homöopathie erfolgte Heilungen aber mit dem Hammer zu erklären oder einfach zu ignorieren ist mir doch etwas zu dumm. Oder zu unvernünftig? ;)

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  • Das hättet Ihr gerne, dass man das so ernstnimmt, aber so ist es nicht. Ich empfinde Religionen durchaus als vielfältige Bedrohungen, aber ganz sicher nicht als intellektuelle. Was Ihr Euren Göttern andichtet, ist mir schlicht schnurz. 8-)

    Anscheinend nicht, denn du argumentierst ja gerne damit, ob das der brennende Dornbusch ist oder Mohammeds Erleuchtung.

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  • Nein, Horst-Dieter, ich beschäftige mich nicht damit. Ich befasse mich nicht mit Alexanders Allmachtsparadoxon, das übrigens überhaupt kein Paradoxon ist, sondern ein Spiel mit falschen, erlogenen Axiomen, ich beschäftige mich auch nicht mit dem Theodizee-Ulk, der Priester und Theologie-Studenten (Theologie-Studium - so ein schräger Scheiß. Ein mehrjähriger Rhetorikkurs auf Kosten der Allgemeinheit!) in den Wahnsinn treibt, und auch nicht mit allerlei Wundern und Prophezeiungen und Offenbarungen und Erscheinungen und all diesem Zeug. Ich befasse mich damit, dass sich Menschen, die dazu in der Lage sind, ihre Schuhe selbst zu binden, sich ernsthaft mit diesen Fragen befassen. Es für bare Münze nehmen (oder so tun - die meisten Kirchenobrigen machen auf mich keinen sonderlich frommen Eindruck). Leute, die Macht und Einfluss haben, zuweilen auch kluge Menschen, und Multiplikatoren, die diese Unfassbarkeiten weitergeben, als wäre all das echt und real und nicht bloß der Fantasie von ein paar Leuten entsprungen, die wahrscheinlich schwer auf Myrrhe waren. Oder sich einen riesigen Spaß erlauben wollten, auf Kosten der Leichtgläubigen.


    Alexander versucht es wieder, dieses Herunterziehen der Realität auf die religiöse Fantasieebene. Die Theisten schreiben allen Menschen vor, welche Spielchen zu spielen haben. Ihr Glockengeläut darf schließlich überall ertönen, ihre Steuer ist auch von Leuten zu bezahlen, die keiner Kirche angehören, und ihre Regeln und Gesetze dürfen Weltliches außer Kraft setzen. Ich habe nichts gegen Menschen, die glauben. Sollen sie doch. Jeder hat das Recht, auf die Art glücklich zu werden, die ihm richtig vorkommt - so lange er nicht andere damit belästigt. Aber die real existierende Religion ist Belästigung. Und eine gefährliche noch dazu. Und, mit Verlaub und ohne das persönlich zu meinen: außerdem noch eine ziemlich dumme.

  • ... halten wir an dieser Stelle fest, dass sich nicht nur Religion in Fanatismus steigern kann, sondern auch areligiöse Überzeugungen ... ;-)

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  • Hallo, Alexander.


    Auf einen Fantatiker treffen zwei besondere Eigenschaften zu. Die eine: Ein Fantatiker ist felsenfest davon überzeugt, dass sein Standpunkt der richtige ist. Und der zweite: Ein Fanatiker ist vernünftigen Argumenten nicht zugänglich.


    Ich bin tatsächlich äußerst überzeugt davon, dass es keinen Gott und keine Götter gibt (und keine Teekanne, die uns in zehn Lichtjahren Abstand umkreist, und keine Zahnfee und kein lebendiges Pumuckl und - leider - auch keine Klingonen), das ist insofern zutreffend. Aber ich wäre vernünftigen Argumenten gegenüber aufgeschlossen, ich bin das seit Jahren und warte auf sie. Nur gibt es keine. Es gibt lediglich irrationale Annahmen ("Da MUSS etwas sein!"), den Verweis auf die wirklich schräge Kirchengeschichte (die eine Religionsgeschichte von unendlich vielen ist) oder Thesen und Fragestellungen, die lediglich innerhalb des axiomatischen Systems des jeweiligen Glaubens relevant sind, wie Dein Allmachtsparadoxon oder die Theodizee.


    Glauben ist irrational, deshalb heißt er so. Diese Irrationalität durchdringt immer noch unsere Welt und bestimmt sie, verursacht Leid und Kriege, grenzt Menschen gegeneinander ab, definiert Eliten (nämlich Gläubige) und Nichtswürdige (Nicht- oder, fast schlimmer, Andersgläubige, wobei "anders" marginale Unterschiede bezeichnen kann, etwa rituelle Abweichungen). Jo, und behaupteterweise ist sie natürlich wichtig für den Umgang und hat uns Nächstenliebe (Ministranten stehen total auf dieses Wort) und Fürsorge gebracht, die es ohne sie nicht gäbe, was zu beweisen wäre - es gibt hochentwickelte, sehr gerechte Sozialstrukturen ganz ohne diesen Hokuspokus. Im Jahr 2019, zweitausend Jahre, nachdem die Christensekte mit Konstantins Hilfe ihren Erfolg über die ganzen anderen Sekten errang, Dein einer Gott, der neben vielen anderen angebetet wird, und der vielen, vielen anderen folgte, auf die Pole-Position rutschte, im Jahr 2019 also, während wir Fotos von Schwarzen Löchern machen, Gentherapien gegen (gottgewollte?) Tumoren anwenden und Higgs-Boson nachgewiesen haben, muss ich immer noch miterleben, wie das Leben von Leuten, die mit Glauben nichts am Hut haben, weiter unter diesen Hut gezwungen wird, und nicht zuletzt, wie mein Kind mit diesen Märchen konfrontiert wird, wie an einer staatlichen Schule Erzieher vom "lieben Gott" faseln, immerhin Einzelfälle, aber so funktioniert das weiterhin, oder so wird es versucht.


    Während die Kreationisten mit ihrem absurden "Intelligent Design" hantieren, hatte meiner Erinnerung nach der Oberkathole Ratzinger angemerkt, dass sich christliche Schöpfungsgeschichte und Urknall- (übrigens von einem belgischen Pfarrer aus der Taufe gehoben) und Evolutionstheorie nicht widersprächen, weil Gott eben die Materie vor dem Urknall geschaffen habe. Als ich das gehört habe, habe ich mir ein irres Kichern gegönnt. Ich stelle mir jemanden vor, der aufgrund irgendwelcher archaischen Gesetze im Knast sitzt, etwa, weil er beim Pinkeln geblinzelt hat oder so. Er sitzt seit Jahren ein, wird drangsaliert und gefoltert, aber man hat inzwischen erkannt, dass es dieses Gesetz gegen das Pinkelblinzeln nicht gut ist, einfach nicht mehr zeitgemäß, doch man kann diesen Typen auf keinen Fall entlassen, weil man sonst einen krassen, elementaren Fehler eingestehen müsste und das ganze System zusammenbräche. Also erfindet man ein anderes, weicheres, weniger leicht als falsch erkennbares Gesetz, um ihn in Haft zu halten, etwa eines, das alle Schwarzhaarigen zu Straftätern macht. Und so geht es unaufhörlich weiter, bis man ihm am Ende, kurz vor seinem Tod, verkündet, dass er im Knast sitzt, einfach, weil es Gesetze gibt, fertig. Denn schon vor der Erfindung der Gesetze habe man ihnen, den Gesetzgebern, zugestanden, immerfort recht zu haben, ganz gleich aus welchem Grund. Sie haben das Recht gepachtet. So, wie Ratziner den Anspruch auf die Schöpfungspacht auch unter extrem schwierigen Bedingungen zu zementieren versuchte, indem er Urknall und Evolution eine gewisse Begründbarkeit zuerkannte, aber dann eben die Zeit davor seinem Gott zuschrieb. (Ich frage mich, ob er das wirklich glaubte, als er das gesagt hat. Das wäre erstaunlich.) Wenn irgendwann erklärt werden kann, was vor dem Urknall passiert ist, werden sich zweifellos Theologen finden (hast Du mal auf meinen Link zum Rhetorikkurs geklickt? Philipp Möller hat da einen wirklich guten Vortrag gehalten, der zwar nicht viel Neues enthielt, es aber perfekt komprimierte), die auch das unter Einbeziehung der "heiligen" Schriften so umdeuten, dass sich da ein Göttlein drin finden lässt.


    Ich bin kein Fanatiker, ich bin nur wütend. Nicht auf Dich persönlich, der Du das sehr wahrscheinlich gut meinst, der Du Deinen persönlichen Glauben lebst, der sich übrigens verblüffenderweise von jedem anderen Glauben unterscheidet, denn trotz der Existenz von Amtskirchen und Dogmen scheint das eine überaus individuelle Sache zu sein. Was fraglos von Vorteil ist, denn jeder kann sich auf diese Weise von jedem Zweifel befreien, durch kleine Umdeutungen und Erkenntnisverweigerungen. So oder so, dieses Recht sollte jeder haben. Was mich zornig macht, das ist die Beharrlichkeit, mit der so getan wird, als gäbe es da etwas, für oder gegen das man argumentieren könne, aber das ist eben nicht so. Es gibt keine vernünftigen, rationalen Argumente für den Glauben, es gibt keine Beweise, die außerhalb der Glaubenssysteme funktionieren, es gibt keine These, über die man streiten könnte. Aber mir wird immerzu unterstellt, ich würde an etwas glauben, weil ich einfach nicht anzunehmen bereit bin, dass diese Nichtexistenz von Rationalität absurderweise gerade eben irgendwas beweist. Nämlich dieses Märchen, das sich viele Menschen in vielen Versionen ausgedacht oder in Variation einer älteren Fassung aufs Tapet gebracht haben. Ich bin da nicht nur zornig, sondern auch traurig, weil ich meine, dass wir in einer wirklich geilen Welt leben könnten, gäbe es das nicht. Aber darüber müssen wir nicht diskutieren.


    Ramen.

  • Hallo Tom,


    Aber ich wäre vernünftigen Argumenten gegenüber aufgeschlossen, ich bin das seit Jahren und warte auf sie. Nur gibt es keine. Es gibt lediglich irrationale Annahmen


    Glauben ist irrational, deshalb heißt er so.


    Was mich zornig macht, das ist die Beharrlichkeit, mit der so getan wird, als gäbe es da etwas, für oder gegen das man argumentieren könne, aber das ist eben nicht so. Es gibt keine vernünftigen, rationalen Argumente für den Glauben, es gibt keine Beweise, die außerhalb der Glaubenssysteme funktionieren, es gibt keine These, über die man streiten könnte.

    Ja, ja und ja. Dreimal. Zu jedem Zitat.


    Und genau aus diesem Grund wirst Du niemals "vernünftige Argumente" hören, die Dir Glauben und Religion und Gott oder Götter "beweisen". Die gibt es nicht.


    Und wird es nie geben. Wie Du richtig schreibst, ist Religion "unvernünftig". Worum es dabei geht entzieht sich dem naturwissenschaftlichen Weltbild. Diesem Weltbild kann man sich nicht bösartigerweise entziehen: Was da nicht drin ist, ist nun mal nicht drin - ich kann es leider nicht ändern. ;-)


    So ist das mit Werten allgemein. Ich kann auch Menschenrechte nicht beweisen. Ich kann nur sagen, dass ich an sie glaube und dass ich es wichtig finde, wenn ein Staat sie beachten muss.


    Ja, das Beispiel hinkt, aber vermutlich weißt Du, worauf ich hinaus will: Wenn wir nur noch in einer Welt von Vernunft und Beweisen lebten, dann wäre da auch kein Platz für ganz irdische Gefühle


    Es tut mir wirklich leid - Du suchst nach etwas, das es leider nicht gibt. Im Prinzip sind wir in einem Punkt gleicher Auffassung: Man sollte von seinem Glauben überzeugt sein und sonst halt sagen: Da ist nichts. Nur kann ich mich über diese höchstpersönliche Entscheidung leider mit niemandem vernünftig-argumentativ austauschen.


    Ich kann nur sagen, welches Buch mich dazu gebracht hat, mich der Religion "intellektuell" zu nähern. (Da müsste man eigentlich auf jeder Seite zwei Anführungsstriche setzen.) Es war "Falls es keinen Gott gibt" von Leszek Kołakowski.

    Zitat

    Ich bin da nicht nur zornig, sondern auch traurig, weil ich meine, dass wir in einer wirklich geilen Welt leben könnten, gäbe es das nicht. Aber darüber müssen wir nicht diskutieren.

    Ich hatte gedacht, Gemeinsamkeiten von Religion und Populismus seien das Thema dieses Threads, und nicht nur Sinn und Unsinn von Religion.


    Meine unmaßgebliche Auffassung: Wenn wir keine Religionen hätten und keine Glaubenskriege oder päderastische Priester ... dann hätten wir trotzdem intolerante, populistische, fanatische, pervertierte ... Ideologien.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Hallo, Alexander.


    Oh je.


    Du versuchst es weiter, ist ja auch in Ordnung und verständlich. Aber das "naturwissenschaftliche Weltbild", wie Du es nennst, und ein - welches eigentlich? - religiöses Weltbild stehen einander nicht gegenüber, Alexander. Wenn überhaupt, dann hat das eine - gegen den energischen Widerstand der Kirchen - nach und nach das andere ersetzt, weil man es für eine Welterklärung nicht mehr brauchte (siehe "Häftlings-Analogie" in meinem Posting). Aber auch das stimmt so nicht wirklich.

    Ich habe ebenfalls eine Menge Literatur zu diesem Thema gelesen und hunderte solcher Gespräche geführt. Nichts davon kam etwas Überzeugendem auch nur marginal nahe. Und Dein Menschenrechte-Vergleich hinkt nicht nur, der muss umgehend in die Notaufnahme. ;)


    Die Argumentation, die Welt bestünde ohnehin nur aus Krebs (Glaubenskriege, Missbrauch, Fortschrittsverweigerung, Dogmatismus, Frauenfeindlichkeit, Irrationalität) und Cholera (Hitler, Pol-Pot, Idi Amin, al-Gaddafi - Marxismus-Leninusmus, Faschismus usw.), höre ich immer wieder gerne. Die ist wirklich lustig.


    Ja, dieser verlagerte Thread sollte sich mit etwaigen Gemeinsamkeiten von Populismus und Glauben oder Religion (Glauben und Religion sind nicht dasselbe) befassen, aber dafür ist doch hilfreich, die besonderen Eigenschaften des einen zunächst herauszuarbeiten, oder? Ich fand da vor allem Manuelas längeren Vortrag sehr interessant.


    Ein Erfolgsrezept des "religiösen Weltbildes" besteht darin, relativ einfache Antworten (Gott eben, außerdem: Schöpfungsgeschichte) auf komplexe Fragen zu liefern, dazu Regeln, die man zu befolgen hat, ohne sie verstehen zu müssen, und nicht zuletzt, sondern zuvorderst versprechen die abrahamitischen Religionen ein Paradies im Jenseits, was ja sogar Leute dazu bringt, sich und andere dorthin zu bomben (weil sie nicht ganz richtig verstanden haben, unter welchen Bedingungen man dort landet, aber die AGB der meisten Religionen sind auch wachsweich formuliert).


    Populismus macht das mit den einfachen Antworten auf die komplexen Fragen genauso (Warum geht es mir schlecht? Wegen der Flüchtlinge!), bietet Verhaltensregeln und Rituale an, verspricht eine elitäre Struktur, aber die Wähler sind nicht schlau genug, um zu erkennen, dass sie der überwiegend nicht angehören werden. Als nützliche Idioten akzeptiert und hofiert man sie dennoch.


    Die meisten Veränderungen, die Religionen organisatorisch erfahren haben, etwa durch Reformationen, Ausgründungen, Spin-Offs wie den Islam oder selbsternannte Propheten wie Mormonenhäuptling John Smith, dienten dazu, die Machtstrukturen den Gegebenheiten anzupassen, sie zu aktualisieren, um regionale oder historische Probleme auszugleichen. Auch das machen Populisten besonders gerne. Die Wahrheit von gestern hat heute nichts zu bedeuten.


    Religion ist Politik. Sie dient der Machtsicherung, der Ausgrenzung, der Kontrolle und der Etablierung von Hierarchien ("heilige Ordnung"). Sie bietet im Gegenzug die Reduzierung von Verantwortung und, vor allem, Zukunftsängsten. Religion lullt ein. Das macht Populismus auch.

  • Hallo Tom,

    Ich habe ebenfalls eine Menge Literatur zu diesem Thema gelesen und hunderte solcher Gespräche geführt. Nichts davon kam etwas Überzeugendem auch nur marginal nahe.

    es liegt mir fern, Deine Beschäftigung mit diesem Thema in Abrede zu stellen. Deine Position ist mir seit meiner Kindheit aus meiner Familie wohlbekannt. Auch der missionarische Eifer, die "Wahrheit" zu verkünden. Vielleicht lag es ja nicht immer an den anderen, dass Du nicht "Überzeugendes" festgestellt hast. Manchmal kann man sich auf andere Auffassungen auch schlicht einlassen und sie einfach mal gelten lassen.


    Das Thema Religion ist Dir sehr wichtig, Tom, und Du bringst es öfter aufs Tapet. Allerdings für meinen Geschmack in einer kompromisslosen Weise, die ein Gespräch erschwert.


    Zum Abschluss in diesem Thread für mich noch ein Witz zur Auflockerung:


    "Was bekommt man, wenn man einen Atheisten mit einem Zeugen Jehovas kreuzt?

    Ich weiß es nicht genau, aber es wird jemand sein, der vollkommen grundlos von Tür zu Tür geht und klingelt!"


    Zürne nicht so viel, Tom! :-)


    Herzliche Grüße


    Alexander

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Schade, dass Du Dir nur ein paar Sentenzen herauspickst, um Sie in Deinem Sinn zu verwenden, statt wenigstens den Versuch zu unternehmen, auf das einzugehen, was ich ausführe. Das "erschwert" ein Gespräch. Und wie (und warum) bitteschön sollte man jemanden missionieren, der behauptet, es gäbe da eine Welt, die mir und meinesgleichen einfach verschlossen ist? (Und mir im gleichen Atemzug Kompromisslosigkeit vorwirft?) Der allen Ernstes erklärt, Emotionalität und Religiösität wären quasi dasselbe. Der Wahnsinn im Auftrag der Religionen damit rechtfertigt, dass es diesen Wahnsinn ohne Religionen ja auch gäbe. Und. So. Weiter.


    Ich verstehe den Hang zur Spiritualität. Ich kann es nachvollziehen, wenn man sich eine Welt bauen will, in der es einfach besser und schöner und kuscheliger und einfacher ist als in der erkennbaren, erfahrbaren. Der realen.

    Aber das ist dann eben eine Fantasiewelt. :achsel


    Edit: Ich habe übrigens was von Kolakowski gelesen, aber nicht das von Dir verlinkte Buch, sondern einen längeren Text, in dem es um Konsequenz und Ausschließlichkeit ging - konsequentes Denken und Handeln. Oder eher inkonsequentes. Ist länger her, war aber beeindruckend. Der Mann war Marxist, oder?

  • Diskussionen dieser Art führen in der Regel zu keinem brauchbaren Konsens. Tatsache ist, dass, regressiert man alle naturwissenschaftlichen Erkenntnisse der Menschheit bis zum Urknall zurück, eines offen bleibt und vermutlich für alle Zeiten offen bleiben wird, da es Grenzen der menschlichen Erkenntnis gibt. Nämlich, das Warum! Naturwissenschaft kann das Wie erklären, und zunehmend mehr davon, aber nicht das Warum. Fragen, wie: Was war vor dem Urknall, sind ohnehin müßig. Das Kontinuum Raum/Zeit ist zugleich mit dem Urknall entstanden. Es gab folglich keine Zeit vor dem Urknall, also auch kein davor. (Keine Bewegung, keine Zeit.)

    Aber die Frage ist zulässig, warum es einen Urknall gab. Und darauf geben Religionen im Gegensatz zur Physik Antworten, wenn auch für nüchterne Pragmatiker schwer nachvollziehbare. Die meisten Menschen beschäftigen sich aber nicht mit Urknall, Raumzeit, Gravitationstrichtern, Zeitdilatation, Elementarteilchen oder sonstigen kosmischen Realitäten. Sie suchen Erlösung von der Urangst aller Menschen, der Angst vor dem Tod, der Angst vor der endgültigen Auslöschung. Einer Angst, die ausschließlich der Mensch kennt und ihn von Kindesbeinen an bedrängt. Und wie Ertrinkende sich an einen Strohhalm klammern, klammern sich Gläubige so gut wie aller Coleurs an Götter, die Auferstehung und ewiges Leben verheißen.

    Ich denke, dass wir allesamt, Atheisten wie Theisten, NICHTS wissen. Je länger ich mich mit Kosmologie und Physik (laienhaft) beschäftige, desto klarer wird mir, dass ich nichts weiß. Und es macht mich krank, niemals zu erfahren, was "vor dem Urknall" war, so unsinnig diese Frage auch ist, bzw. wohin oder wo hinein sich das Universum unaufhaltsam ausdehnt, falls es so etwas wie Raum "außerhalb" des Universums überhaupt gibt. Und dass es Menschen vermutlich nie möglich sein wird, unsere Galaxis von außen zu betrachten. Wir sind und bleiben gewissermaßen Innenarchitekten. Gott ist eine, wenn auch gewagte, Antwort auf alle offenen Fragen. Ich behaupte: Gott steht für das, was die Wissenschaft (noch) nicht weiß.

    Woran ich glaube? Nein, Alexander, nicht an irgendwelche Laternenpfähle. Ich glaube an das, was ich weiß und da ich im kosmischen Sinne nichts weiß, glaube ich nichts, das nicht verifizierbar ist.

    Wie es nach wissenschaftlichem Stand derzeit aussieht, wird sich das Universum bis ans Ende aller Zeiten ausdehnen. Und das immer schneller. Irgendwann wird der letzte Funken Wasserstoff zu Helium fusioniert sein, es werden keine neuen Sterne mehr entstehen und das Universum wird langsam immer kälter und dunkler und kälter und dunkler und kälter und dunkler bis zur absoluten Finsternis, bis zum absoluten Kältepunkt. Und sich dessen ungeachtet immer weiter ausdehnen. Wo wird dann Gott sein, bzw. wofür bräuchte dieses leblose Universum dann noch einen Gott? Ich sage: Mit dem letzten Menschen stirbt auch Gott!


    In diesem Sinne! :)

    Einmal editiert, zuletzt von Manuela ()

  • Ich verstehe nicht, warum diese Frage überhaupt wichtig ist. Wäre die Religion von der Erde verbannt, wäre doch nichts wirklich besser. Denn das Vernichtende, die Freude an Macht, Unterdrückung und Ausbeutung, das Destruktive, es ist dem Menschen innewohnend. Er wird sich eine Ideologie, eine Religion oder irgendwas zurechtlegen, um das im Zweifelsfall zu rechtfertigen. Und die Gesellschaftsform ist wohl die beste, die das Unmenschliche im Menschen am besten kontrolliert und zivilisiert. Die Demokratie steht da nicht ganz schlecht da, und das heißt wohl auch Pluralismus der Weltanschauungen, Liberalität und Toleranz spielen eine große Rolle. Auch dem Glauben gegenüber, an wen oder was auch immer.

    Warum sollen Menschen nicht an etwas glauben, solange Religion und Staat getrennt sind und solange die berechtigten Grenzen, Bedürfnisse und Rechte anderer dadurch nicht verletzt werden? Da ist in unserer Gesellschaft Luft nach oben, durchaus.

    Ich erinnere mich an eine schöne Textstelle aus dem autobiografischen Roman von Amos Oz "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis". Ich kann sie nur ungefähr wiedergeben. Ein Rabbi wird konfrontiert, es gebe keinen Gott. Er meint dazu in etwa: "Niemand weiß, ob es Gott gibt. Die Chancen stehen fünzig zu fünfzig. Das ist für einen Überlebenden der Shoa nicht schlecht."

  • Ich stimme Dir zu Manuela, dass wir wahrscheinlich nicht einmal über ein Nanoteil eines Bruchteils eines Bruchteils eines Splitters des akquirierbaren Wissens verfügen, über ein Higgs-Boson Wissen im Weltall quasi. Aber, nein, "Gott" liefert nicht nur die Erklärungen für die Leerstellen, die die Wissenschaft lässt. Spiritualität füllt auch jede Menge Leerstellen, die überhaupt nicht existieren. Jenseits und Leben nach dem Tod beispielsweise. Wie willst Du etwas beweisen bzw. widerlegen, das schon qua Idee außerhalb des Systems und der erfahrbaren, erklärbaren Welt angesiedelt wird? Und ich denke, das wird nicht enden, solange es Menschen gibt, ganz egal, wie weit die Wissenschaft kommt. Denn, Du hast recht - Gott wird endgültig sterben, wenn die Menschen ausgestorben sind. Aber erst kurz vorher, im allerletzten Moment, wird die Hoffnung sterben - diese Klischeephrase trifft nämlich leider (manchmal auch glücklicherweise) zu. Möglicherweise gelingt es, das zurückzudrängen, aber ganz aufhören wird es nie.


    Denn, wie Alexander ausführt: Es gibt da eine Welt, die wir nicht sehen, die wir nicht erfahren können, die nur existiert, wenn man glaubt. Es spielt keine Rolle, wie übergroß die andere, die erfahrbare, verstehbare, gestaltbare Welt wird, diese andere Welt wird weiter für sich und verschlossen bleiben. In jedem einzelnen, der glaubt.

  • Heike, dagegen sagt doch niemand etwas. Religion, Spiritualität, Glauben - wenn sie hilfreich sind, wenn sie zur eigenen Lebenserfüllung gehören, wenn sie glücklich machen, dann her damit. So viel jeder mag. Unbedingt.


    Aber bitte im privaten Raum. Unter gleichzeitiger Minimierung der Belästigung anderer hierdurch. Und Belästigung reicht vom nächtlichen Glockenläuten über die Indoktrination von Kindern bis hin zu religiös motivierten Kriegshandlungen.

  • Hallo Heike!


    Wenn Staat und Kirche nur wirklich getrennt wären. Aber sie sind es nicht. Wenigstens nicht in Österreich oder m.W.n. in Deutschland. Wir, und damit meine ich auch Nichtgläubige, haben Konkordatsforderungen zu erfüllen, die von gesetzlich garantiertem Religionsunterricht in öffentlichen Schulen über gesetzliche Feiertage bis zu garantierten Sendezeiten im ORF reichen. Und das ist längst nicht alles. Selbstredend werden die Religionslehrer und ihre Ausbildung vom Steuerzahler finanziert, die Kirchen wurden schlauerweise vom Vatikan in den Besitz der Nationalstaaten überführt. So darf der (ungläubige) Steuerzahler auch die Erhaltung dieser Kirchen und Kathedralen finanzieren. Dazu kommen Steuererleichterungen bzw. -befreiungen für klerikale Einnahmen und noch vieles mehr. Kein Cent wurde kirchlicherseits für den Wiederaufbau von Notre Dame gespendet. Wenn die Kirche überhaupt jemals Geld gibt, dann nur via erhaltener Spenden, also aus dem Klingelbeutel. Die eigentliche Substanz wird so gut wie nie angetastet. Sie wächst und wächst und wächst; ganz im Sinne von Jesus Christus, der besitzlos, in Ledersandalen und grobem Kaftan durchs Heilige Land reiste und seine Lehre predigte. ;)

    Anbei: Das Gesamtvermögen der katholischen Weltkirche wird auf einen Betrag zwischen mindestens 1 Billion bis 3 Billionen Euro geschätzt. Sie ist der mit Abstand größte Grundbesitzer dieses Planeten. Ein Viertel Italiens und rund ein Drittel aller Immobilien Roms gehören direkt oder indirekt dem Vatikan. Kein Wunder. Zweitausend Jahre unheiliger Raffgier, und das meist noch steuerfrei, sprechen für sich. Von einer echten Trennung Staat/Kirche kann daher leider nicht gesprochen werden.


    Sincerely