Die folgsame Schar der Moralisten

  • Ich finde schon den Begriff trügerisch, denn wenn jemand für mich entscheiden will, was korrekt - also richtig - ist, beansprucht derjenige, mehr über eine etwaige Wahrheit (deren Existenz ich abstreiten möchte) zu wissen als ich. Ein beliebtes Argument für PC ist, dass man ja wohl niemanden beleidigen wollen kann, weshalb man politische Korrektheit nicht ernsthaft ablehnen könne, der es schließlich darum ginge, einen diskreditierungs- und beleidigungsfreien Sprachgebrauch zu etablieren. Dagegen gibt es sehr viele äußerst schlüssige Argumente, die ich hier nicht alle wiederholen muss, aber das eine, schlagende durchaus: Eine Beleidigung ist eine Nachricht des Senders, keine Interpretation des Empfängers.


    Wenn man dahergeht und argumentiert, etwa mit der unangenehmen und unangebrachten Überidentifikation mit Opfergruppen, die nicht sinnvoll sein kann, wird man leider sofort politisch kategorisiert. Eine sehr unschöne Sache, das.


    PC und das Gendern und einige andere Dinge sind instrumentalisiert. Die Ansätze und Grundideen finde ich eigentlich gut, denn mehr Achtsamkeit im Umgang verbessert denselben fraglos, aber es wird schwierig, wenn es um Vorschriften geht, um Bevormundung, um den Entzug von wichtigen Freiheiten - und darum, jene, die sich aus vielen - auch nachvollziehbaren - Gründen dem verweigern, vor der Ächtung und Stigmatisierung zu schützen. Beispielsweise mich selbst. Wobei es mir in der Hauptsache um die Kunst und die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Rede geht. Ich habe aber, wie angedeutet, nichts dagegen, sich im Sprachgebrauch zurückzuhalten, wenn klar ist, dass man sonst Schaden anrichtet. Das gebietet aber auch schon der vermeintlich gesunde Menschenverstand. Anders gesagt: Wenn eine Gruppe - etwa die Sinti und Roma - erwartet, nicht mehr "Zigeuner" genannt zu werden, breche ich mir nun wirklich keinen ab, wenn ich dem folge. Ein bisschen anders verhält es sich, wenn mir untersagt werden soll, den Begriff "Zigeuner" fortan und in welchem Kontext auch immer zu verwenden.


    Das größte Problem dieser Debatte besteht jedoch darin, dass keiner an einer Lösung interessiert ist, sondern dass es nur noch um die Durchsetzung der Standpunkte geht.

  • Das größte Problem dieser Debatte besteht jedoch darin, dass keiner an einer Lösung interessiert ist, sondern dass es nur noch um die Durchsetzung der Standpunkte geht.

    Diese traurige Tatsache wabert wie Nervengift über der derzeitigen Debattenkultur, zu sehen insbesondere in den social media, aber durchaus auch in Presse und TV. Ich behaupte, Konzilianz, Respekt vor anderen Meinungen und vor allem geistige Weite gehen uns - und keineswegs nur denen auf den radikalen Positionen - nach und nach aus. Das Sonderbare dabei ist, dass diese Entwicklung in den demokratischen Gesellschaften einhergeht mit der größtmöglichen Meinungsfreiheit, die man sich denken kann. Überspitzt könnte man formulieren: Je mehr Freiheit, desto stärker das Bedürfnis nach Mainstreambildung, nach, wie du es ausdrückst, "politischer Kategorisierung" anderer Meinungen, ja sogar von Sachverhalten, und damit nach Schulterschluss in irgendwelchen Blasen. Als Folge davon sehen wir den Siegeszug von Simplifizierungen, die erschütternd sind.

    Den schwer errungenen demokratischen Privilegien, insbesondere jener der Meinungsfreiheit, scheinen abschreckende Elemente von Orientierungslosigkeit innezuwohnen, was gerade im Zeitalter grenzenloser öffentlicher Artikulationsmöglichkeiten zu unseligen ideologischen oder auch nur dummen Meinungspools führt, die allesamt eines gemein haben: gnadenlose Kompromisslosigkeit - nur ein anderes Wort für Demokratiefeindlichkeit.

  • Es gibt kein Problem.


    In Degenhardts "Befragung eines Kriegsdienstverweigerers durch den liberalen und zuvorkommenden Kammervorsitzenden" heißt es: "Hier darf jeder sagen, was er will - im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, versteht sich."


    Was im Lied ironisch gemeint ist, meine ich ganz ernst: Es gibt kein Problem.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Hallo Didi,


    die Frage, die sich mir dabei stellt, ist allerdings, ob es diese demokratiefeindliche Haltung nicht immer schon gegeben hat. Aber das Internet macht es jetzt eben (leider) möglich, dass jeder schreiben kann, was er will. Und so merken einige Menschen (leider) plötzlich, dass sie mit ihrer Demokratiefeindlichkeit und ihren extremen Haltungen gar nicht alleine sind.


    Ob das immer mit Überforderung zu tun hat ...? Zu einem gewissen Teil wahrscheinlich schon, da gebe ich Dir recht und deshalb habe ich Deinen Beitrag auch "geliked". Allerdings kann man diese Art der Überforderung sehr oft feststellen. Je mehr die Menschen dürfen, umso eher suchen sie nach klaren Orientierungspunkten.

    Da ist es völlig egal, ob man (übelste Form) an Extremismus denkt, an den Rückzug vieler Frauen in alte Rollenbilder oder, ganz anderes Beispiel, an die Hinwendung zur Esoterik, weil die Kirche das Bedürfnis nach Orientierung oder nach Spiritualität nicht mehr zu erfüllen scheint.


    Je mehr Freiraum, je größer der Wunsch nach einem Regelsystem.


    Und wenn dann die Falschen am lautesten ihre kruden Behauptungen in die Welt rausbrüllen und das auch noch in genau der "Eindeutigkeit", die manche anscheinend brauchen, geht das leider in eine ziemlich gefährliche Richtung.


    Aber: Alexander hat, finde ich, auch Recht, wenn er auf unsere demokratische Grundordnung verweist. Allerdings hätte es eher heißen können: "Wir müssten kein Problem haben/wir hätten kein Problem, wenn ..." ... wenn eben alle diese Ordnung noch achten würden.


    Hm. Normalerweise halte ich mich mit politischen Äußerungen eher zurück, ist eigentlich nicht meine "Kernkompetenz":).

  • Ich verstehe Dich so, Alexander, dass es kein Problem gibt, weil ja jeder machen kann, was er will. Man könnte sich dem entziehen, Haltung bewahren, sich das Gute nehmen und das Schlechte ignorieren.


    Theoretisch.


    Faktisch:

    Zwei Schriftstellerinnen, mit denen ich bekannt und eigentlich auch ein bisschen befreundet bin (und die ich bis dato bewundert habe), haben sozusagen intern angekündigt, sich auf Facebook von solchen Leuten zu trennen, die in ihren Kommentaren nicht gendern und politisch korrekt agieren. Im Montségur-Autorenforum gibt es mehrere Threads dazu, wie man Prosatexte politisch korrekt verfasst, ohne die Geschichte allzu sehr zu verschandeln, dasselbe wiederholt sich in diversen Threads zum Thema "Gendern", und all das vermischt sich mit Ausläufern von Nina Georges #frauenzählen-Projekt, so dass man nicht mehr getrennt argumentieren kann (ich habe das deshalb aufgegeben - eine Konsequenz, die man immer häufiger erlebt). Ich habe in diesem Jahr bereits mehrere Leserbriefe bekommen, in denen mir Sexismus und eine frauenfeindliche Sprache vorgeworfen wurde, verbunden mit dem wenig subtilen Hinweis, dass das "Folgen" haben werde.


    Ich erlebe ständig mit, wie intelligente Menschen von anderen intelligenten Menschen als "Rechte" bezeichnet werden, weil sie sich nicht auf eine bestimmte Sprache und/oder Verhaltensweise einlassen wollen. Mit "Rechte" ist nach meinem Gefühl immer und ohne Umwege das Extrem gemeint, oder wenigstens diese feuchtschimmelige Grauzone zwischen simplen Freizeitpopulisten und nicht wesentlich komplexeren Neonazis.


    Diese Ächtung dringt auch vor, wird von der Gesellschaft angefeuert und von den Medien kolportiert. Künstler müssen bei ihren Äußerungen vorsichtig sein, sonst kündigen Verlage, Produktionsbuden und Plattenfirmen. Diese Entwicklung aus den U.S. of A. schwappt in großer Stärke über die restliche westliche Welt, was umso absurder ist, wenn man bedenkt, wer das Land regiert. So oder so: Wer sich dort nicht politisch korrekt verhält, darf sich zum White Trash mit ihren 40-Dollar-Zigaretten in die gelbmarkierten Bereiche stellen. Woanders sind diese Leute nicht mehr willkommen.


    Das ist keine Überzeichnung.

  • Zitat

    Diese Ächtung dringt auch vor, wird von der Gesellschaft angefeuert und von den Medien kolportiert. Künstler müssen bei ihren Äußerungen vorsichtig sein, sonst kündigen Verlage, Produktionsbuden und Plattenfirmen. Diese Entwicklung aus den U.S. of A. schwappt in großer Stärke über die restliche westliche Welt, was umso absurder ist, wenn man bedenkt, wer das Land regiert.



    Es reicht längst nicht mehr, sich politisch nirgendwohin zu deklarieren. Für das ekelhafte Mobbing durch politisch Korrekte (die rund zwei Drittel der Österr. Medienlandschaft dominieren) sowie pauschaler Zuordnung in die rechte Ecke reicht es schon, wenn man sich nicht ausdrücklich links deklariert.

    Wer sich gegen die Verstümmelung der Deutschen Sprache wehrt, indem er gegen die dekadent/blödsinnige Genderei argumentiert, ist für unsere Moralapostel sowieso ein hoffnungsloser Macho und/oder Sprachfaschist.

  • Hallo Manuela,


    ich glaube, ich weiß, was Du meinst: Extremistische Parteien polarisieren. Und man verbindet schnell mit ihnen einen ganzen Pool von "Werten" (mir fällt gerade kein passenderer Ausdruck dafür ein). Das heißt auch, man kann nicht mehr zu einzelnen Themen Ansichten vertreten, sondern man wird gleich der einen oder anderen Seite zugeordnet. Das heißt, man wird gleich dem einen oder anderen Lager samt einem ganzen Paket von Meinungen zu unterschiedlichsten Themen zugeordnet. Meinst Du das?


    Mal ganz plakativ: Wer gegen das Gendern ist, der ist gleichzeitig auch gegen Flüchtlinge, gegen Umweltschutz, negiert den Klimawandel etc. Das heißt dann (für Dich) aber auch, dass "ausdrücklich links" eben einen ganzen Pool von Meinungen zu diversen Themen beinhaltet, richtig?


    Zum Teil bemerke auch ich diesen Trend hier in Österreich schon länger. Es wird sehr stark in ein "dafür" oder "dagegen" polarisiert, die einzelnen Themen werden dabei nicht mehr einzeln diskutiert.


    Aber von einem "ekelhaften Mobbing durch politisch Korrekte" erkenne ich nun doch nichts. Wer wird denn wo von wem gemobbt?

    Damit übernimst Du genau die Polarisierung, die Du denen, die Du "politisch korrekt" nennst, vorwirfst.

  • Manuela

    Ich denke, die Machtverhältnisse in Österreich sind ein wenig andersherum.

    https://www.zeit.de/politik/au…rmin-wolf-orf-forderungen

    Dein Begriff "ekelhaft" schließt sich an die Sprache von Strache an, der die Arbeit des Journalisten Wolf immer wieder als "widerlich" bezeichnet.


    Die Pressefreiheit ist in Gefahr und zwar nicht durch linke, feministische oder andere beständig diffamierte Gruppen, die sich täglich Hassreden und Bedrohungen ausgesetzt sehen.

    "Reporter ohne Grenzen" haben Österreich bzgl. Pressefreiheit von Rang 11 auf 16 heruntergestuft. Das ist immer noch gut, aber die Entwicklung ist negativ.


    Diese Verdrehung der Bedrohungslage, gerade in Österreich, kann doch hier nicht einfach so stehen bleiben.

  • Zitat

    Dein Begriff "ekelhaft" schließt sich an die Sprache von Strache an, der die Arbeit des Journalisten Wolf immer wieder als "widerlich" bezeichnet.

    Siehste, Heike. Quod erat demonstrandum!:kopfhau

  • Hallo Heike,


    damit da zwischen Dir und mir keine Missverständnisse entstehen: Ich bin komplett Deiner Meinung.

    Es ging mir in meinem Beitrag (den Du vielleicht gelesen hast) nur um die Polarisierung zwischen "dafür" und "dagegen", die mir hier in Österreich schon lange vor Strache und Co. aufgefallen ist. Und die macht sachliche Diskussionen zu EINZELNEN Themen unglaublich schwierig.


    Für oder gegen Extremismus ist gar nicht die Frage, die stellt sich nicht. Aber es geht tatsächlich um diese "Pools", die entstehen.

  • Heike D.


    Zum Hrn. Wolf kann man durchaus geteilter Meinung sein.


    1. Mich interessiert die persönliche politische Ansicht des Hrn. Wolf nicht. Ebensowenig, wie die der Fr. Thurnher oder eines Hrn. Tarek Leitner oder anderer öffentlich/rechtlicher Gesinnungsgenossen.

    Wolf kann seine Ansichten vertreten wo er will, aber bitte nicht im gesetzlich gebührenpflichtigen, öffentlich/rechtlichen Rundfunk. Wenn er das will, soll er zu einem Privatsender gehen, so das dort erwünscht ist. Wolf nützt seine ORF-Prominentenstellung ohnehin gnadenlos auf Twitter und Facebook aus, wo er gefühlte 100 postings täglich absetzt, um permanent auf die Gefahren von rechts und speziell der FPÖ hinzuweisen.

    2. Die Aufgabe eines öffentlich rechtlichen Rundfunks mit gesetzlicher Gebührenpflicht ist es, eine sachliche, politisch unparteiische, auf Faktenlage basierende Berichterstattung zu praktizieren und keine persönlichen Animositäten zu äußern, wie Wolf es so gerne tut.

    3. Wolfs bizarrer Vergleich eines (geschmacklosen) Flugblattes der jungen steirischen FPÖ mit der Nazi-Hetzschrift Der Stürmer war untergriffig und tendenziös. Überzeugungstäter können offenbar nicht anders.

  • Und schon geht's wieder um ganz was anderes.


    Und, nein, liebe Manuela, das was Du da vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk erwartest, entspricht nicht seiner Definition oder Aufgabe. Und Journalisten sind nicht grundsätzlich zu einer Objektivität, die frei von jeder Position ist, verpflichtet, weder im ö/r Kontext, noch bei anderen Medien. Das wird zuweilen verlangt, wenn man von einem auch noch einflussreichen und reichweitenstarken Medium besonders angepisst ist, aber es ist ein falscher Wunsch, der auf einem ausgedachten Axiom basiert. Man sollte eher damit umzugehen lernen, dass es andere Menschen - darunter auch Journalisten - gibt, die etwas anderes für richtig und sinnvoll halten als man selbst.

  • Bundesverfassungsgesetz über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks (BVG Rundfunk)

    Das Bundesverfassungsgesetz definiert den Rundfunk als öffentliche Aufgabe und legt die Rahmenbedingungen für die Sicherung der „Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe“, die mit der Programmgestaltung des Österreichischen Rundfunks betraut sind, fest.

  • "Das Wort als solches ist schon älter, hat aber erst seit Beginn der 1990er Jahre größere Verbreitung gefunden. Damals wurde es von der politischen Rechten bzw. Konservativen in den Vereinigten Staaten aufgegriffen, die die Verwendung und Dominanz „politisch korrekter“ Sprache als Zensur und Einschränkung der Redefreiheit kritisierten. In der Folge griffen auch konservative Kreise in Europa diese Kritik auf." https://de.wikipedia.org/wiki/Politische_Korrektheit

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Manuela, Berichterstattung ist aber nicht alles, was ein Medium macht. ;) Gleich im Anschluss geht es in Deinem Zitat darum, die Meinungsvielfalt abzubilden, und genau dazu gehört es dann auch, dass Meinungen vertreten werden dürfen, sogar von Journalisten, die sich im Rahmen ihrer Berichterstattung um Objektivität bemühen.


    Alexander, dass "die Konservativen" gegen politische Korrektheit vorgegangen sind, heißt nicht, dass sie die einzigen sein dürfen, die das für sich beanspruchen, und eben auch nicht, dass sich umgekehrt jeder, der gute Argumente dagegen hat, rechts der Mitte befindet. Es ist auch nicht so, dass politische Korrektheit ein Ziel aller Linken darstellt.

  • Endlich habe ich den Artikel gelesen. Und komisch, ich empfinde ihn - wie zunehmend die Debatte über das Gendern, die political correctness etc. - als seltsam inhaltsleer. Ich weiß gar nicht richtig, warum, irgendwie hat der Mann ja in vielem Recht. Vielleicht nerven mich abstrakte Sätze wie dieser: Demokratie stirbt, wenn sich niemand mehr für ihre Grundlagen einsetzt. Vielleicht liegt es aber auch nur an meiner aktuellen Tageslaune, dass es mich anödet. Und vielleicht ist das einer der vielen springenden Punkte, die da vor meinen Augen hin und her springen und mir in der Summe die Sicht vernebeln. Wie auch immer. Ich halte es für geistige Trägheit, und zwar hüben wie drüben, wenn versucht wird, für einen unüberschaubaren Riesenkomplex aus Phänomenen, Unterphänomenen und Subunterphänomenen, den eine Gesellschaft nun mal darstellt, eine Lösung zu finden, die es verdammt nicht gibt. Aber irgendwie wollen alle eine, und immer weniger Menschen scheinen sich zuzutrauen, im Einzelfall und für sich zu entscheiden, was Recht und Unrecht ist, oder lustig und nicht lustig.


    Neulich saß in einer Talkshow Hannelore Hoger. In irgendeinem Zusammenhang erzählte sie, dass sie als Kind eine Negerpuppe hatte. Der Moderator zuckte zusammen und korrigierte (einem Reflex oder den Vorgaben des Senders gehorchend): "Sie hatten also als Kind eine Puppe mit dunkler Hautfarbe". Da habe ich mich vor Fremdschämen schon gewunden. Frau Hoger rief dann auch genervt: "Mein Gott, ich hatte eine Negerpuppe, fertig." Das war so erfrischend! Oder: Ich habe neulich eine Szene geschrieben, in der ein fünfjähriges Mädchen sich vorstellt, dass drei Zigeuner auftauchen und das Baby und die Wäsche der Nachbarin klauen. Die Szene spielt in den Siebzigern, und so hat das Kind es gehört. Soll ich jetzt Zigeuner durch Sinti und Roma ersetzen, oder soll ich mühsame Reflektionen darüber anstellen, dass das Mädchen als erwachsene Frau und aus heutiger Sicht den Begriff "Zigeuner" nicht mal mehr denken würde, obwohl das überhaupt nichts mit der Geschichte zu tun hat? Oder: In einem Cartoon von Tom Touché gibt es drei Toiletten nebeneinander: Damen, Herren und Dinger. Ist doch lustig. Oder auch nicht. Der eine Transsexuelle lacht drüber, der andere nicht. Und wenn sich jemand auf den Schlips getreten fühlt, dann darf er oder sie (hier passt es wieder, finde ich) sich beschweren, aber doch nicht ich für ihn. Oder sie.


    Ermüdend. Es hat, mit Verlaub auch viel mit Doofheit zu tun, glaube ich. Wenn Tom schreibt, er kriegt saure Briefe des Inhalts, dass er ein Sexist sei, dann muss ich an den Schauspieler Joachim Luger denken, der mal erzählt hat, er wäre auf der Straße nicht nur einmal dafür angemacht worden, dass Hans Beimer fremdgeht. Insgesamt weniger Regeln und Vorschriften, bitte gerne. Und mehr Flexibilität. Und Achtsamkeit. Und Gelassenheit. Und Humor!! Damit wir wieder unserem gesunden Menschenverstand, unserer humanistischen Grundhaltung und unserem Demokratieverständnis trauen können, falls vorhanden. Falls nicht, lässt sich eh nicht mehr viel ausrichten.

  • Damit wir wieder unserem gesunden Menschenverstand, unserer humanistischen Grundhaltung und unserem Demokratieverständnis trauen können, falls vorhanden. Falls nicht, lässt sich eh nicht mehr viel ausrichte

    Was gesunder Menschenverstand ist weiß keiner, auch wenn viele behaupten, ihn zu haben.


    Was eine humanistische Grundhaltung ist, müsste definiert werden. Ich vermute aber, es wird dann nicht nur eine Definition geben. Oder es gibt eine und jeder weiß, dass es nicht seine ist.


    Demokratieverständnis wird je nach politischer Verortung ebenfalls unterschiedlich gesehen.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann