Der Schriftsteller Heinrich Seidel (1842 - 1906) schrieb in einem autobiografischen Text:
Zitat
Ich bin ein Kopfarbeiter, und viele meiner Erzählungen habe ich fünfzehn Jahre und länger mit mir herumgetragen, bis sie endlich reif und fertig waren. So kommt es, daß immer eine ganze Anzahl von Geschichten in meinem Kopfe friedlich beisammen wohnen und langsam heranwachsen, bis sie mir durch die lange Bekanntschaft wie eigenes Erlebniß vokommen. So spinne ich z. B. augenblicklich abwechselnd an mindestens 10 verschiedenen Kunkeln. Das Aufschreiben macht mir wenig Vergnügen, besonders wenn die Arbeit von größerem Umfange ist. Im Geiste stand mir Alles viel schöner vor Augen, und da die eigentliche Schaffensarbeit gethan ist, so verläßt mich beim Niederschreiben niemals ein Gefühl der Unzulänglichkeit, und ich kann wohl sagen, meine besten Sachen sind unter Ekel und Abscheu auf's Papier gekommen.
Auf eine gewisse Art und Weise fühle ich mich mit ihm verwandt. Ich schreibe selten etwas spontan auf und wenn, dann sind das nur ganz kurze Sachen (Kurzprosa, schon seltener eine Kurzgeschichte). Manche Texte habe ich Jahrelang einfach nur "im Kopf", andere zumindest ein paar Tage, ehe ich anfange, sie aufzuschreiben oder in Notizen zu fixieren. Dass das Aufschreiben anstrengender ist als das Durchdenken einer Geschichte gebe ich unumwunden zu. Allerdings habe ich niemals unter Ekel oder Abscheu gearbeitet. Wenn das mal eintritt, würde ich das Schreiben aufgeben. Tage, in denen es mir schwerfällt, die nötige Anzahl Zeichen zu schreiben, damit der Abgabetermin halbwegs eingehalten oder zumindest nicht kritisch überschritten wird, gibt es allerdings.
Mich interessiert, wie es anderen geht. Wer mag dazu etwas schreiben?