Meine Hauptfigur hat kein Gesicht!

  • Zitat

    Die nämlich, dass die sog. Chick Lit überwiegend von banaler und klischeehafter Art ist, gemacht für verbl ..., sorry, für anspruchslose LeserInnen.

    Aber Didi: Wikipedia definiert Chick Lit ausdrücklich als anspruchslose Frauenliteratur! Von versteckten Erkenntnissen, die du mit vehementem Einsatz ans Licht fördern müsstest, kann nun wirklich keine Rede sein.


    Um den Bogen gewaltsam zum Thema zurückzuführen (eine elegante Überleitung fällt mir grad nicht ein). H Dieters Textbeispiele fand ich toll. Mir als Leser würden sie genügen, um mein Kopfkino anzuregen.


  • Um den Bogen gewaltsam zum Thema zurückzuführen (eine elegante Überleitung fällt mir grad nicht ein). H Dieters Textbeispiele fand ich toll. Mir als Leser würden sie genügen, um mein Kopfkino anzuregen.


    Bist Du Dir sicher, dass Du den richtigen meinst?

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Was ich damit sagen will: ich denke, es ist niemals die "Schuld" irgendwelcher Bücher, Genres, Formate etc., was sie bewirken oder anrichten. Es kommt immer drauf an, wer am anderen Ende sitzt.


    ich glaube, das ist nur die halbe wahrheit.


    neulich gab es einen interessanten bericht über facebook und die algorithmen, die den nutzern fb-inhalte vorschlagen auf grundlage der persönlichen likes. wer z. b. eher gegen flüchtlinge eingestellt ist, bekommt von fb auch eher nur solche inhalte vorgeschlagen. derjenige fühlt sich bestätigt und in bester gesellschaft mit leuten, die seine meinung teilen. der rest der welt wird ausgeblendet, meinungsvielfalt existiert in der eingeschränkten weltsicht nicht mehr.


    und so kann es auch mit z. b. chicklit sein. die dosis macht das gift. da es so unglaublich viele neue titel davon gibt, da muss die nachfrage ja wohl auch hoch sein. warum lesen so viele frauen am liebsten geschichten von traumprinzen? warum finden sie das unterhaltend und wieso können sie über die dargebotenen plattitüden auch noch lachen? da sitzen also ziemlich viele leidensgenossinnen am anderen ende. das hat durchaus eine gesellschaftliche relevanz, finde ich. mir gefällt das nicht.


    neulich war ich ohrenzeugin:
    mitarbeiterin kommt mit baby an ihren arbeitsplatz zu besuch und wird begrüßt: wie schön, die kleine maus schnuppert schon mal büroluft bei uns.
    ihre mutter antwortet: nee, kommt gar nicht in frage, sie wird später mal chefsekretärin.


    :kopfhau

  • Zitat

    Krimis vereinfachen die Darstellung von Ermittlertätigkeiten in drastischer und manchmal unverantwortlicher Weise. Es wird suggeriert, dass die Ermittler praktisch frei in ihren Entscheidungen sind - Vorgesetzte sind höchstens Pappkameraden, Staatsanwälte korrupt oder dumm -, sich immer nur einem (Mord-)Fall zugleich widmen, ungeheuer (persönlich) engagiert an die Sache gehen und praktisch jeden Fall lösen, oft unter Tränen. Auf Kommissar Zufall können sie sich fest verlassen. Kriminalkommissare sind überdurchschnittlich klug, verfügen über mindestens 7 Sinne, haben aber ausnahmslos ein schwieriges Privatleben; meistens sind sie Einzelgänger. Sie verlieben sich in jeden zweiten Zeugen, ertränken allabendlich ihre Arbeitserlebnisse in reichlich Alkohol und suchen besonders gefährliche Schauplätze immer allein auf. Sie rufen niemals um Hilfe oder nach Verstärkung. Regionalkrimiermittler sind regional eigenartig. Die Bösen sind besonders böse und nie "einfach nur" Kriminelle. Und. So. Weiter.


    Wer verkauft hier wen für dumm? ;)


    Ach so, ganz wichtig: Ermittler speichern sofort alle Zeugendaten in ihren Telefonen und geben die eigenen Rufnummern auch gerne weiter. Sie erkennen jeden Zeugen, mit dem sie einmal gesprochen haben, am Klang der Stimme, merken sich jeden Namen und erkennen an der Rufnummer, wer sie anruft.


    Das ist eine so herrliche Zusammenfassung. :rofl Darf ich die zitieren, wenn ich mal wieder gefragt werde, warum es in meinen Thrillern keine Ermittler gibt?


    Kristin: Zu deiner Anfangsfrage: Bei meinen Büchern beschränkt sich die Beschreibung der Äußerlichkeiten meiner Figuren meist nur auf Statur, Alter und bei Frauen vielleicht noch die Haarlänge. Und das nur, um dem Leser ein grobes Bild als Ansatz zu bieten. Viel mehr gibt es nicht, es sei denn es handelt sich um ein Merkmal, dass in der Außenwirkung der Figur bei den anderen Figuren bewusst oder unbewusst eine Rolle spielt. Zum Beispiel eine sehr toughe Frau, die aber klein und zierlich ist und bei einigen eher den Beschützerinstinkt weckt, als sie zum Leader einer Gruppe zu machen. Oder ein grobschlächtig wirkender Krimineller, der sich im Laufe der Geschichte als Sensibelchen herausstellt. Will sagen: Bei der Frage, was ich von den Äußerlichkeiten der Figur preisgebe, geht nicht nur darum, was ich dem Leser an die Hand geben will, sondern auch um die Wirkung der Figur innerhalb der Geschichte.

  • Ich stimme mit Cordula überein. So halte ich es auch und ich hasse es auch, den doofen Spiegeltrick anzuwenden, um den/die Protag zu beschreiben. Merkmale kann man sehr gut auch im Text scheibchenweise einstreuen. Jedenfalls die, die mir wichtig sind. Notfalls geht auch noch ein Hinweis in der wörtlichen Rede: "Hallo, schönes Kind." (Wer kennt das Zitat?) ;)


    Wobei ich allerdings auch warnen muss vor dieser Technik. Bei einem meiner Romane haben sich meine Leserinnen mehrfach darüber beschwert, dass ich die beiden Protagonisten nicht ausreichend beschrieben hätte. Hatte ich schon, aber eben nicht in einem Rutsch, sondern nach und nach, was ihnen dann wohl, weil nicht so geballt, nicht aufgefallen war.


    Will heißen, es gibt Genres, da sollte man doch die geballte Beschreibung wählen, weil die Leser es erwarten. Dies betrifft insbesondere Liebesromane, aber auch andere typische Frauenromangenres, wie den historischen (Liebes)Roman und verwandte Gattungen.

  • Mal abgesehen davon, dass mir außer dem doofen Spiegeltrick nur wenig einfällt


    Der Grund dafür, dass ich diesen Thread aus dem Keller geholt habe, ist der:


    Ich habe begonnen, Christopher Isherwoods Roman „Der Einzelgänger“ („A Single Man“, 1964 erstveröffentlicht, 2009 verfilmt) zu lesen. Ziemlich am Anfang lernt man die Hauptfigur kennen, auch, indem sein Gesicht beschrieben wird, das er nach dem Aufstehen im Badezimmerspiegel betrachtet. Entweder, der Spiegeltrick war vor 50 Jahren noch nicht so abgegriffen, oder Isherwood machte was anders, denn diese Szene ist überhaupt nicht abgeschmackt, finde ich. Es fängt damit an, dass nicht von „ihm“ die Rede ist, sondern von „es“. Es hat zwar einen Namen – George – funktioniert aber mehr unbewusst, weshalb ich auch dem Betrachten im Spiegel kaum Absicht unterstellen kann, dem Leser das Aussehen der Figur zu beschreiben (was aber natürlich passiert!). Es sind nicht nur das Aussehen alleine, nicht nur oberflächliche Merkmale, sondern die Eigenschaften, die diesen Merkmalen unterlegt sind, die Vergangenheit. Der „gequälte, abgestumpfte Blick“, die heruntergezogenen Mundwinkel … da wird einer beschrieben, mit dem das Leben nicht immer milde umgegangen ist und der weiter zu kämpfen haben wird.
    Nach dieser Beschreibung ist die Rede von den Gesichtern, die dieser Mann vorher gehabt hat: „konserviert wie Fossilien auf überlagerten Schichten“.


    Also, das nur am Rande: So ein verpönter Spiegeltrick kann auch funktionieren.