ChickLit (in welcher Schreibung auch immer) ist frauenfeindlich, in Bezug auf die Rollenbilder antiemanzipatorisch, höchstgradig konservativ, eigentlich sogar reaktionär. Schon der Begriff sagt vieles: "Chick" steht für "Chicks", also "Hühner", ein diskriminierender, diskreditierender Begriff für junge (im Kontext schwingt "eher nicht so kluge" mit) Frauen, die klassische Rollenmaxime - Mann, Kinder, Haus, Herd - ausleben und in erster Linie hübsch zu sein versuchen, um Konkurrentinnen auszustechen. Frauen, die die Vervollständigung des eigenen Bildes durch "finding mr. right" anstreben. Auch der zweite Teil des Begriffs, das Diminutiv, verweist darauf, dass es nicht um "richtige" Literatur geht, sondern eben nur um "Lit", quasi Ein-Drittel-Literatur, wenn man die Anzahl der Silben zum Maßstab nimmt.
Der Begriff bedeutet gar nichts. Es ist als "abwertender" Begriff entstanden und wird auch so benutzt, was aber nicht heißt, dass er damit quasi wertneutral wird und die damit bezeichnete Literaturgattung ausreichend kennzeichnet.
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Autoren und Autorinnen, die ChickLit schreiben und sich dieser Kategorisierung unterordnen, müssen sich den Vorwurf absolut gefallen lassen, dieses Bild und Wertgefüge zu transportieren,
Nicht alle ordnen sich unter. Einige werden auch untergeordnet. Und selbstverständlich müssen diese Autoren sich den Vorwurf nicht gefallen lassen.
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… Die Ausrede, es ginge "nur" um Unterhaltung, um das Abschalten und das Ausblenden des Alltags, halte ich für eingeschränkt zulässig, weil sie alles rechtfertigen würde, also auch jede andere Form von minderheiten-/gruppenfeindlichen Ideen als Teil, sogar Kernmerkmal (schlimmstenfalls: Botschaft) belletristischer Werke. Dabei geht es nicht um Komponenten, Figurenverhalten, Konflikte und dergleichen, sondern um den Gesamttenor der Erzählungen. Es ist okay, wenn man das machen und/oder lesen will, weil wir glücklicherweise (noch) nicht in einer Welt leben, die von der Political Correctness beherrscht wird, aber man sollte sich das mindestens vergegenwärtigen, bevor man jemandem, der auf genau diese Umstände hinweist, seinerseits Frauenfeindlichkeit oder sogar -hass unterstellt. Und auch die Tatsache, dass es hier Autorinnen und Autoren (seltener, und wenn, dann meistens unter Pseudonymen) gibt, die ChickLit schreiben, sollte nicht zur Folge haben, dass man Kritik diesem Genre gegenüber ausblendet. Es gibt auch andere literarische Subgenres, die mit vergleichbaren Wertvorstellungen einhergehen. Die Macho-Detektiv-Romane mit den einsamen, saufenden Underdogs als "Helden" beispielsweise gehören dazu.
Grundsätzlich findet man in allen Literaturgenres Wertvorstellungen, die mal subtil, mal allzugrob transportiert werden. Deshalb halte ich deine Kategoriesierung hier nicht einmal eingeschränkt für zulässig - worauf es allerdings genausowenig ankommt, wie auf deine Generalisierungen.
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Und wenn es Ironie in der ChickLit gibt, dann auch im Rahmen des Rollenbildes. Die (bezogen auf das Umfeld) selbstbewussten Protagonistinnen setzen sich höchstens im Rahmen des klassischen Rollenmodells durch, akzeptieren dies aber ohne Ausnahme. Es geht um ein Bestehen in der Männerwelt, ohne diese je aktiv zu hinterfragen. Um Frauen, die quasi ihren Mann stehen (was für eine widerwärtige Formulierung!), aber auch und vor allem, um ihn zu kriegen, ihm zu gefallen. Die amerikanische Autorin Siri Hustvedt hat sich vor ein paar Jahren zu diesem Thema geäußert und prägnante Worte gefunden, die ich aber leider gerade nicht finde, weil ich mich nicht an den Namen der Publikation erinnere. Und wer sich in Frauenforen umtut, in denen es um Fragen der Emanzipation, der Gleichberechtigung und der Gesellschaftsentwicklung geht, wird viele sehr kluge Äußerungen finden, die kein gutes Haar an solchen Büchern und Filmen lassen.
Das Chick Lit umstritten ist, nicht nur in Frauenforen, ist bekannt. Wir erleben das gerade auch in diesem Fred, in dem es eigentlich um ein anderes Thema geht. Das besagt aber nur, dass Chick Lit und das damit vermeintlich transportierte Frauenbild umstritten ist.
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Wenn Didi also schreibt, dass es in solchen Romanen überwiegend um Äußerlichkeiten geht, um - was im Kontext mitschwang - reaktionäre Rollenbilder, und dies in die (erkennbar sarkastische) Wertung ummünzt, dass damit durchaus eine gewisse Minderung der Mentalkompetenz einhergehen müsse, dann ist das überzogen und provokant, aber durchaus eine zulässige Bewertung, was den Kern der Aussage anbetrifft. Wir kommen von solchen Rollenbildern, Vorurteilen und Verhaltensmustern niemals weg, wenn wir sie kleinreden und verniedlichen - oder dadurch rechtfertigen, dass es "nur" um Unterhaltung ginge. Vorausgesetzt, wir streben an, uns von derlei zu lösen. Wer das nicht will, dem sei das natürlich zugestanden, aber es hat noch nie etwas gebracht, wenn man den Botschafter getötet hat - die Botschaft blieb immer.
Es ist nicht nur überzogen und provokant, sondern auch anmaßend, nicht weil Didi das so äußert, sondern weil dahinter kein Wissen steht, sondern ein selbstgefasste Meinung auf der Basis von Vorurteilen. Wir kommen von Rollenbildern, Vorurteilen und Verhaltensmustern nicht deshalb nicht weg, weil sie in den Büchern stehen, sondern weil ihnen mit ebensolchen Vorurteilen und Verhaltensmustern begegnet wird.
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Ich habe keine Ahnung, wie ich jetzt noch die Kurve kriegen soll, um jenen Autorinnen und Autoren, die hier zugange sind und sich mit derlei aktiv befassen, mitzuteilen, dass ich durchaus respektiere und manchmal sogar schätze, was sie tun und wie sie es tun. Alltägliche Gegebenheiten, folgenreiche Richtungsentscheidungen oder simpel die Zwänge des Daseins lassen nicht immer zu, dass man etwas tut, das "nur gut" ist. Womit nicht gesagt werden soll, dass ChickLit prinzipiell schlecht wäre, der Antichrist der belletristischen Unterhaltung o. ä. - zuweilen lässt sich eine Veränderung am besten bewirken, wenn man direkt im Auge des Zyklons agiert. So oder so, ich halte es für sinnvoll, sich jederzeit kritisch mit dem auseinanderzusetzen, woran man arbeitet, mit wem und für wen man arbeitet. Und wenigstens zu versuchen, innerhalb dieser Parameter zu überprüfen, ob es nicht möglich ist, hier und da ein paar Gedankengänge einzustreuen, die das Absurde des Fundaments, nun, nicht unbedingt hinterfragen, aber wenigstens unterstreichen.
Andersherum könnte ich jetzt umständlich zu erklären versuchen, dass es mir nicht darum geht Chick Lit schönzureden oder mehr hineinzuinterpretieren, als überhaupt drin ist. Was mich nervt sind die Vorurteile, die auf dieses ganze Genre abgeladen werden, sogar noch mit der schwerwiegenden Behauptung, es wäre mitverantwortlich dafür, dass Rollenbilder nicht aufgelöst werdne können etc. Dass ist einfach Dünnschiss.
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Selbstverständlich dürfen Autoren alles. Nicht nur, weil es um Kunst geht, sondern auch und vor allem, weil niemand die Welt allein retten muss. Aber es kann hilfreich sein, sich hin und wieder ein paar Gedanken zu machen - und nicht gleich jeden zu erschlagen, der mit kritischen Anmerkungen daherkommt, ganz egal, wie er sie formuliert hat.
Kritische Gedanken sind immer gut, auch oder besser: insbesondere dann, wenn sie unbequem sind. Unqualifizierte Aussagen, die lediglich für sich in Anspruch nehmen, zu überziehen oder provozieren zu wollen, helfen aber selten.