H. Dieter Neumann: Die Tote von Kalkgrund

  • Ostseeperle



    Simon Simonsen, von dem man fast bis zum Ende des Romans annimmt, er wäre in den späten Fünfzigern, vielleicht sogar schon in den Sechzigern, steht vor dem Nichts: Frau weg, Firma weg, Haus weg - und nun wird auch noch sein geliebtes Schiff, der Colin Archer "Seeschwalbe", von neureichen Berliner (ausgerechnet Berliner!) Landratten übernommen, die es flugshurtig in "Püppi" umtaufen. Simonsens Antwort auf die krisenreiche Situation besteht darin, sich in der "Fischerhütte" regelmäßig und verschärft einen auf die Lampe zu gießen - in Begleitung von Frau Sörensen, seinem treuen Hund mit den hässlichen Fledermausohren.
    Beinahe gleichzeitig mit Simonsens Abschied vom Schiff darf eine Trauergemeinschaft, die sich in der Nähe des Leuchtturms von Kalkgrund, irgendwo draußen in der Flensburger Förde, ihrerseits von einem Dahingeschiedenen verabschieden will, ein in doppelter Hinsicht makabres Erlebnis teilen, denn kurz bevor die Urne in der Ostsee versenkt werden kann, passiert eine nackte Frauenleiche das Beerdigungsschiff.
    Bald stellt sich heraus, dass es sich bei der Gemordeten um Simonsens noch nicht geschiedene Ex handelt, und weil ein Augenzeuge behauptet, sie kurz vorher, bei der letzten Fahrt, auf dessen "Seeschwalbe" gesehen zu haben, gerät der ohnehin leidgeprüfte Mann ins Fadenkreuz der Ermittler, namentlich eines mürrischen Demnächst-Pensionisten namens Edgar Schimmel und seiner hübschen, cleveren Partnerin, die Helene Christ heißt und neu in der Abteilung "Tötungsdelikte" der Flensburger Kripo ist. Während Schimmel meint, in Simonsen den Täter gefunden zu haben, ist sich Helene Christ da nicht so sicher. Außerdem dieser Mord ist nicht das einzige Verbrechen, das Simonsens Heimatort erschüttert, ein behagliches und sonst eher friedliches Örtchen an der Steilküste.


    Mit viel deutlich erkennbarer Liebe zur Region und zur Seefahrt, zu seinen Helden und Nebenfiguren hat H. Dieter Neumann einen Krimi verfasst, dem der Präfix "Regional" nicht ganz passen will, weil die Hintergründe viel weiter reichen als beispielsweise bis zum Grund der Ostsee. Fast schon im Plauderton, ungeheuer vereinnahmend und atmosphärisch pendelt die Erzählung zwischen amüsanten Episoden und sehr handfester Verbrecherjagd, bietet quasi nebenbei eine hinreißende kleine Liebesgeschichte und ist insgesamt eine Liebeserklärung an die Gegend. Die Auflösung der Kriminalhandlung gehört vielleicht nicht zum Spannendsten, was das Genre zu bieten hat, aber das gleicht Neumann durch seine unprätentiöse Erzählweise, den Detailreichtum und die grundsolide Recherche aus. Allerdings war ich redlich überrascht, als gegen Ende herauskommt, dass Simon Simonsen dichter an der Vierzig als an der Fünfzig zu sein scheint.
    Ein echter Seitenfresser, genau die richtige Lektüre für ein paar gemütliche Abende im Korbsessel am Kamin, mit Blick auf das Buddelschiff aus Onkel Heiners Nachlass oder so.


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  • Stimme Tom absolut zu, in jedem Punkt. :like Leider bin ich als Rezensent eine totale Niete und kann ich sowas nicht so treffend schreiben, sonst hätte ich das getan.


    In Rendsburg bei Liesegang liegen Deine beiden Krimis übrigens auch aus!


  • In Rendsburg bei Liesegang liegen Deine beiden Krimis übrigens auch aus!

    Ja, Liesegang ist lt. Verlag auch einer der stärksten Umsetzer meines Zeugs. Immerhin haben die ja vier Filialen in S-H. Und in all denen sind nun auch schon Lesungen vereinbart, die erste in Schleswig, dann in Eckernförde, Husum und Rendsburg. Seit ich meine Lesungsorga auf eine fähige Agentur übertragen habe, kriege ich endlich die gewünschten Termine - und das richtige Geld dafür.


    Hier ist übrigens das Plakat für meine Lesung in 14 Tagen hier in Flensburg. Ich finde, das haben die so toll gemacht, dass ich es gern mal zeige: