... wirklich passiert ...

  • Unsere Steuergelder


    „… Und dann noch die ganzen Ausländer! Die machen sich bei uns breit. Die kommen ja alle zu uns. Die kommen ja nur, weil sie sich bei uns durch füttern lassen wollen.“
    „Die leben ja sowieso von unseren Steuergeldern.“
    „Ja, und dann arbeiten sie nicht. Na, ja, der Merkel werden wir es heute jedenfalls zeigen!“
    Mein Zug fährt in Prenzlau ein. Ich starre auf den untersetzten Mann vor mir, dessen Blick auf seine Begleiterin gerichtet ist. Der Zug bremst. Kurz überlege ich, ob ich mich in dieses Gespräch einmischen will. Der Zug hält. Die beiden steigen vor mir aus. Ich trottete ihnen wortlos nach und starre noch immer hinterher, - fasziniert von soviel Dummheit auf vier Beinen. Mein Vater winkt mir zu, ich übersehe ihn bis er irgendwann dicht vor mir steht, mit den Händen wedelt und mich anspricht.
    „Erschrickt nicht", sagt er, "vor dem Bahnhof wimmelt es von Polizei. Ich weiß nicht was da los ist. Nirgendwo stand etwas. Ich glaube, die Stadt will extra kein Aufsehen erregen.“ Der kleine Ort in dem meine Eltern leben, fasst knapp 20.000 Einwohner und ist eine recht verschlafene und ehemalige Garnisonsstadt in der Uckermark. Schweigend steigen wir in das Auto ein und fahren los. Polizeiwagen drängen sich aneinander, schwarze uniformierte Männer überall, aber sonst ist niemand zu sehen. Ein Stück weiter unten an der Straße kann ich durch die Fensterscheiben des Autos ein Dutzend Menschen am Straßenrand ausmachen. Drei von ihnen halten A4 große Papierblätter in den Händen auf denen zwei mal Nazis raus und einmal kein Missbrauch mit dem Missbrauch zu lesen ist.
    "Was ist das?“, frage ich ihn.
    "Keine Ahnung, irgend eine Demonstration."
    "Aber gegen was, Missbrauch? Nazis? Verstehe ich nicht.“
    „Wird sicher morgen in der Zeitung stehen", versichert er mir.
    Am nächsten Tag lese ich folgendes in der Zeitung: Zum 3. Mal meldet ein Richter aus Schleswig Holstein in Prenzlau Demonstration unter dem Motto "härtere Strafen für Pädophile!" an. ... Angereist waren neben dem Veranstalter allerdings nur 2 weitere Personen. Dagegen erschienen 15 Gegendemonstranten die mit selbst gebastelten Schildern und Plakaten ihren Unmut über die Instrumentalisierung des Themas Kindesmissbrauch durch rechte Gruppen zum Ausdruck brachten. ...Am Bahnhof standen etwa 20 Einsatzwagen, also waren sicherlich 80-100 Beamte im Einsatz. Das entspräche Einsatzkosten von mindestens 10.000 €. Nach einer Stunde löste die Polizei die Versammlung am Bahnhof auf. ... Das Geld, das der Steuerzahler für diesen Einsatz zahlt, hätte besser genutzt werden können.


    Ob es sich bei den beiden von mir beobachteten Mitreisenden nun tatsächlich um die beiden einzigen Demonstranten handelte, bleibt im Dunkeln.
    Aber diese Anekdote ist doch wirklich eine Kurzgeschichte wert, oder?

  • Aber diese Anekdote ist doch wirklich eine Kurzgeschichte wert, oder?


    In jedem Fall, dORIT.


    Manchmal kann das wahre Leben so unecht sein: Herr X befindet sich in einem Einzelcoaching, um seine Bewerbungsunterlagen zu optimieren. Zum Glück Einelcoaching. Seie Tiraden möchte man keiner Gruppe zumuten. Was Deutschland so alles reinlässt. Und dafür zahlen wir. Er wirft mir einen kumpeligen Blick zu, den ich nicht erwidere. Aber das wäre doch so, oder? Die würden doch alle nur kommen, weil sie hier alles vorn und hinten reingesteckt bekämen. Und alles von unseren Steuergeldern.
    Ein Blick auf seinen Lebenslauf. Ich wage die Aussage: "Eher von meinen. Sie haben doch bis jetzt nur einmal kurz gearbeitet und sind Dauerkunde beim Jobcenter. Welche Steuern meinen Sie denn dann?"
    Erboste Worte: "Ja meinen Sie denn, ich zahle keine Steuern? Jeder zahlt Steuern. Beim Einkaufen und so."
    Auf eine weitere Diskussion konnte ich getrost verzichten.

    "NOW is the happiest time of your life." Daevid Allen ( :gitarre )

  • Zitat

    Ich wage die Aussage: "Eher von meinen. Sie haben doch bis jetzt nur einmal kurz gearbeitet und sind Dauerkunde beim Jobcenter. Welche Steuern meinen Sie denn dann?"
    Erboste Worte: "Ja meinen Sie denn, ich zahle keine Steuern? Jeder zahlt Steuern. Beim Einkaufen und so."
    Auf eine weitere Diskussion konnte ich getrost verzichten.


    Herrlich :rofl


    Noch jemand noch so ne Geschichte? Dann bringen wir ein Kurzgeschichtenbändchen raus mit "unseren Steuergeldern"

  • Ich habe ja mal in einem Dialysezentrum gearbeitet.
    Mann liegt an der Dialysemaschine. Seine Dialysebehandlung kostet ein paar tausend Euro im Monat. Er arbeitet nicht, hat auch kaum gearbeitet in seinem Leben. Es wird ihm wie allen anderen neuerdings zugemutet, für die Taxifahrt dreimal die Woche Fahrgemeinschaften mit anderen Dialysepatienten zu bilden.
    Sein Statement dazu: "Ausländer müsste man sein. Die kriegen alles genehmigt, die kriegen alles hinten reingeschoben. Aber an uns Deutschen spart man! Die würden von mir keine Dialyse kriegen. Sollen sie doch zurückgehen in ihr Land und sich da dialysieren lassen. Da könnten sie lange drauf warten, haha!"
    Im gleichen Zimmer lagen eine Türkin, der es sehr schlecht ging, und ein Russe.
    Ich habe gesagt, solche Sprüche würden wir hier nicht hören wollen. Es seien ausländische Patienten da, die genauso ihr Päckchen zu tragen hätten.
    "Ja, dann gilt man gleich als ausländerfeindlich. Ich bin aber nicht ausländerfeindlich."

  • Immer wieder wahr: „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“ (Albert Einstein)

  • Nun, es sind nicht notwendigerweise diese Menschen selbst, die zu solch dummen Folgerungen gekommen sind. Nicht selten sind es Boulevardjournalisten, die das vorformuliert haben. Und damit ist nicht nur dieser Dreck mit den vier Großbuchstaben gemeint. Ergänzt wird er um die versammelte Pennerschaft, die per Web aus Märchen Wahrheiten zu machen versucht, ohne jede Rücksicht.


    Eigentlich wollte ich nie und an keiner Stelle etwas zu den Vorgängen sagen, aber die Edathy-Affäre hat mich tief betroffen gemacht. Nein, nicht, weil es vermeintlich um Kinderpornografie ging (was nicht bewiesen ist), oder um Geheimnisverrat und all das, was da noch so geschehen ist, sondern im Hinblick auf die "Volksmeinung" zu dieser Sache. Leute mögen noch so blöd sein, das Maul zerfetzen können sie sich immer. Vom Dumpf-Schauspieler-Promi bis zum letzten Säufer in der Trinkhalle, alle wissen etwas dazu, wollen und müssen urteilen. Diese feigen, verspießerten Pantoffelhelden. Diese selbstgerechten, selbstherrlichen Wichser. Es ist fraglos schlimmer als vorstellbar, was in dieser "Branche" geschieht, aber die öffentlich - und übrigens auch von der Justiz - inszenierte Hexenverbrennung, die her stattgefunden hat und noch immer stattfindet, erreicht dieses Maß an Schlimmheit fast auch. Nein, ich verwechsle hier nicht Täter und Opfer.


    Und wenn die inszenierte Öffentlichkeit so vorgehen darf, warum soll nicht der deutschtümelnde Dialysepatient behaupten dürfen, die Ausländer wären Schuld daran, dass er sich ein Taxi teilen muss?


    Bitte lesen:


    http://www.zeit.de/2014/10/staatsanwaltschaft-fall-edathy

  • Du hast absolut recht, Tom, aber das selbstverliebte Auftreten des Herrn Edathy hat ihm jetzt auch keine Sympathien eingebracht. Sich als Kotzbrocken zu inszenieren, macht es solcher Presse und den Stammtischhelden auch sehr leicht. Mal ein bisschen Selbstreflexion und leise Zweifel hätten der ganzen Diskussion im Land gutgetan, auf beiden Seiten.
    Und ich denke, jeder Mensch hat auch selber eine Verantwortung zu denken. Es gibt außerdem auch ganz dumme und ungebildete Menschen, die ein Gefühl für ihre Mitmenschen haben und nicht alles glauben, was man ihnen erzählt. Dieser Dialysepatient war nicht nur ein Propagandaopfer.

  • Liebe Dorit,


    Dummschwätzer gibt es überall reichlich - nicht nur in Deutschland.


    Auch hier in Spanien waren bis vor einigen Jahren Deutsche relativ beliebt, jetzt stand kürzlich in einer spanischen Zeitung: Deutschland soll aus der EU austreten, dann würde es den anderen Europäern endlich wieder gutgehen.


    Liebe Grüße
    Linda

    "Gedanken sind nicht stets parat. Man schreibt auch, wenn man keine hat."
    Wilhelm Busch


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    meine Homepage: lindacuir.de

  • Hier noch einen Beitrag zur Ausländerfeindlichkeit. Ich habe es so erlebt.
    Ich war abends in den Berliner Festspielen bei einer Lesung von Ian McEwan. Etwa um 22 Uhr habe ich mir eine Taxe bestellt, weil ich so spät nicht gern mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahre.
    Die Taxe kam schnell und ich stieg ein. Der Taxifahrer war ein dunkelhäutig und fuhr ziemlich schnell. Die Reifen quietschten und ich fragte ihn, was los sei.
    Er fuhr jetzt langamer.
    "Der Fahrgast vor Ihnen war angetrunken."
    Ich konnte nicht verstehen, warum ihn das so aufregte. Gehörten Betrunkene nicht zu seinem Alltag, zumal um diese Zeit?
    Nach einer längeren Pause sagte er mit leiser Stimme, fast vorsichtig.
    "Ich weiß nicht, ob Sie bemerkt haben, dass ich ein Brauner bin." Er sagte nicht 'ein Schwarzer', sondern ein Brauner. Es klang so entschuldigend, dass ich ganz gerührt war.

  • Entschuldigung, meine Geschichte war noch nicht fertig,
    Er erzählte, dass der Fahrgast "Migrantenarschloch" zu ihm gesagt habe und zahlen wollte er auch nicht.
    Erst als er mit der Polizei gedroht habe, hätte der Gast bezahlt.Trinkgeld bekäme er aber nicht.
    Von mir hat der Braune ein ordentliches Trinkgeld bekommen.
    Ich werde diese Taxifahrt nicht vergessen und sie ist schon zu einer Kurzgeschichte geworden.