Friedrich Forssmann (Suhrkamp) über E-Books. Hinreißend.

  • Danke für den Hinweis, Tom.


    Hasstirade auf digitale Bücher" ist natürlich eine schwachsinnige
    Formulierung im Intro von buchreport.



    An dem Interview selbst haben mir vor allem zwei Dinge gefallen,
    nämlich der Hinweis auf die satirische Überzeichnung in seinem ersten Beitrag
    (die, sehe ich mir die verbissenen Diskussionen an, keineswegs von allen
    bemerkt werden wollten) und die am Foto erkennbare Tatsache, dass es sich bei
    Forssman um einen recht jungen Mann handelt. Man muss also offensichtlich nicht
    bereits jenseits der 60 sein, um E-Books nicht zu mögen.



    Das ist tröstlich.

  • Hallo, Horst-Dieter.


    Zitat

    Sein Denkfehler ist ja auch, dass er das Toasterbeispiel separiert. Natürlich diskutiert man nicht bei einer solchen Abwertung (Stromschlag) über die Vorteile "dieses" Toasters. Es gibt aber andere Toaster die diesen Nachteil nicht haben. Sein Fehler ist, dass er statt eines einzelnen Geräts die ganze E-Book-Geschichte einsetzt und pauschaliert.


    Mir scheint, Dein Denkfehler ist, dass Du das Toasterbeispiel nicht verstehst. Es geht nicht um konkrete Toaster, sondern um Ausschlusskriterien. Ein Toaster - jeder beliebige Toaster - kann noch so gut sein; wenn er zugleich lebensgefährlich ist, werden alle anderen Aspekte irrelevant. In Forssmanns Lesart sind alle eBooks derzeit noch so ein Toaster. DRM ist davon nur ein Seitenaspekt. Wobei er ja weder dafür (Gängelung der Leser), noch dagegen (schwere Verluste für die Buchindustrie) ist, sondern an dieser Stelle insgesamt - und unter anderem - eine Schwachstelle der Entwicklung sieht, gegen die es derzeit keine Mittel gibt (die also ergo ein Ausschlusskriterium darstellt). Und noch einmal: Das ist nur ein Aspekt.

  • Zitat

    Ich bin gegenüber neuen Techniken erst einmal skeptisch, und ich halte das für eine vernünftige Einstellung.


    Man sollte nicht vergessen, dass Skepsis gegenüber neuen Ideen immer auch den Ansporn in sich trägt, diese Ideen zu verbessern, solange sie sich noch in der Bewährungsphase befinden und man die Chance dazu hat. Kritik am E-Book ist nicht mit Nichwürdigung gleichzuzetzen. Sie bedeutet auch nicht automatisch, zu ignorieren, wie viele sich in diesem Bereich den Hintern aufreißen.

    "Die Literatur hat ihren eigenen Wahrheitsgrund." Jan Drees

  • Hallo, Horst-Dieter.



    Mir scheint, Dein Denkfehler ist, dass Du das Toasterbeispiel nicht verstehst. Es geht nicht um konkrete Toaster, sondern um Ausschlusskriterien. Ein Toaster - jeder beliebige Toaster - kann noch so gut sein; wenn er zugleich lebensgefährlich ist, werden alle anderen Aspekte irrelevant. In Forssmanns Lesart sind alle eBooks derzeit noch so ein Toaster. DRM ist davon nur ein Seitenaspekt. Wobei er ja weder dafür (Gängelung der Leser), noch dagegen (schwere Verluste für die Buchindustrie) ist, sondern an dieser Stelle insgesamt - und unter anderem - eine Schwachstelle der Entwicklung sieht, gegen die es derzeit keine Mittel gibt (die also ergo ein Ausschlusskriterium darstellt). Und noch einmal: Das ist nur ein Aspekt.


    Das ist nicht mein Denkfehler sondern Forssmanns und deiner. Stiftung Warentest, die ja angeführt werden, schließen mit ihrer Beurteilung nicht ALLE Toaster per se aus sondern einzelne aus einer Reihe getesterter, sonst gleichartiger Geräte. Wenn man nun das Beispiel eines einzelnen Gerätes nimmt unter Nichtbeachtung der anderen und ein globales Konzept dafür einsetzt, dann hinkt dieses Beispiel nicht nur ein bisschen sondern gewaltig.


    Ich verstehe Forssmann ja und akzeptiere auch seine Haltung. Insbesondere bewundere ich auch, mit welcher Vehemanz und Brachialität er diese zum Ausdruck bringt. Ich habe schon an anderer Stelle geäußert, wie positiv ich das finde. Trotz allem muss ich mich aber seiner extremen Haltung nicht anschließen und erlaube mir auch, einiges anders zu sehen und zu beurteilen.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Uh, Mann. Er will lediglich verdeutlichen, dass die (vielen) Vorteile scheißegal sind, wenn es mindestens ein Ausschlusskriterium gibt. Ob das nun einzelne Toaster(modelle) betrifft oder ganze Müllhalden voll davon, ist doch schnurzpiepe.


    Wenn man es nicht so genau nimmt, ist alles schnurzpiepe.


    Seine Ausschlussgründe sind ja in Wirklichkeit nur für ihn persönlich welche. Das muss aber nicht generell so sein. Das Thema DRM kann man ganz schnell abhaken. So wie es aussieht, hat das auch nicht mehr lange Bestand. Ein DRM, das unknackbar ist, wird es genau sowenig geben wie ein perpetum mobile. Und die Folgen, ganz darauf zu verzichten bedeutet ja nicht, dass morgen niemand mehr für E-Books bezahlt. Ich vermute mal, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Es werden mehr dafür zahlen.


    Betrachtet man das Buch, dann hat es durchaus vor einer ähnlichen Situation gestanden, sogar für eine lange Zeit. Unerlaubte Nachdrucke hat es gegeben bereits kurz nachdem die Druckerpresse ihre Verbreitung gefunden hatte. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde eine akzeptable Form des Urheberrechts und deren Durchsetzung gültig. Das heißt noch lange nicht, dass es danach keinen Missbrauch gab. Bis vor Erfindung des elektronischen Buchs wurden erfolgreiche Bücher in Raubdrucken verbreitet. In meinem Bestand findet sich auch ein solches, eines von Michael Ende, das ich in gutem Glauben gekauft und erst zu Hause als Raubdruck identifiziert habe. Man wird das nie ganz verhindern können, solange es Menschen gibt, die vorhandene Technologien nutzen, um sich unrechtmäßig zu bereichern und andere, die bereit sind, dafür weniger Geld auszugeben. Kritisch scheint das derzeit zu sein, weil sich durch die digitale Vervielfältigung ganz andere Möglichkeiten geben. Ich glaube aber nicht, dass man durch DRM irgend etwas daran ändern kann. Man kann es auch nicht ändern durch Verzicht auf das E-Book. Der Zug ist abgefahren. Es ist in der Welt und es wird sich entwickeln. Da kann man jammern, aber NICHTS mehr dran ändern.

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    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Uh, Mann. Er will lediglich verdeutlichen, dass die (vielen) Vorteile scheißegal sind, wenn es mindestens ein Ausschlusskriterium
    gibt
    . Ob das nun einzelne Toaster(modelle) betrifft oder ganze
    Müllhalden voll davon, ist doch schnurzpiepe.

    Umgelegt hieße das, wir hören am besten auf, mit dem Auto zu fahren, bei den vielen Tausenden Verkehrstoten und Krüppeln, die diese Form der Mobilität jedes Jahr alleine in Europa kostet. 8-)

  • Hallo, Manuela.


    Zitat

    Umgelegt hieße das, wir hören am besten auf, mit dem Auto zu fahren, bei den vielen Tausenden Verkehrstoten und Krüppeln, die diese Form der Mobilität jedes Jahr alleine in Europa kostet.


    Schon richtig. Umgelegt hieße es genau: Ich fahre nicht mit dem Auto (sondern lieber mit der Bahn, gehe zu Fuß, was weiß ich), weil ich nicht akzeptieren kann, dass im Straßenverkehr jedes Jahr viele Menschen sterben. Ich will nicht jemand sein, der einen anderen Menschen aus Bequemlichkeit tötet. Was definitiv jedem Autofahrer passieren kann, mit oder ohne Absicht, Schuld, Fahrlässigkeit.


    Der Kardinalfehler in dieser Diskussion besteht darin, dass sich viele persönlich angesprochen fühlen, dass sie denken, ihre eBook-Verlage, ihre Selfpublishing-Tätigkeiten, ihre eBook-Bibliotheken wären gemeint, dabei redet der Mann davon überhaupt nicht. Dieses alberne, bemüht komische Defensivgeunke, oft verbunden mit dem Versuch, Forssmann zu beleidigen, hat nur eine einzige Wirkung: Es entlarvt die Ängste der Leute, die das tun. Wenn sich alle so sicher sind, dass sie auf der richtigen Seite stehen - warum tun sie das dann?


    Ich finde, es ist richtig und der richtige Zeitpunkt, diese Entwicklung und viele andere auch mal kritisch zu beleuchten, einfach mal zu sagen: Hey, Moment, was ist das eigentlich, das Ihr mir da als Zeitgeist, gar als "die Zukunft" verkauft? Ist das wirklich gut? Oder ist das nicht doch eher ziemlich unausgegorener Käse, der wenigstens im Moment noch deutlich mehr Nach- als Vorteile hat, wenn man die Standpunkte aller Beteiligten berücksichtigt?


    Aber, hey, scheißt der Hund drauf. Die einen sind die Ewiggestrigen in Gummistiefeln, die anderen sind hippe Allwissende. Diejenigen, die das wirklich betrifft, sind wieder ganz andere. ;)

  • Das Thema gibt doch immer wieder was her. Aber meiner Ansicht nach fehlen noch ein paar Aspekte, die vor allem die sogenannten Selfpublisher betreffen, und die man berücksichtigen muss, um das Phänomen richtig einzuordnen.


    Ich finde es immer wieder amüsant, wie schnell Leute emotional werden, wenn es um E-Books geht. Und gerade bei Friedrich Forssmans Ursprungstext merkt man ja sehr deutich, dass er glaubt, sein Lebenstil werde angegriffen. Dabei ist die Frage E-Book oder Papierbuch ungefähr so sinnvoll wie der Streit ob man Bier oder Wein trinken soll. Ich habe zum Beispiel deutlich mehr E-Books veröffentlicht als Verlagsbücher, lese aber deutlich mehr Papierbücher als E-Books. Vielleicht bin ich ja schizophren, vielleicht könnte es aber einfach normal sein, beide Medien parallel zu nutzen.


    Warum alle Diskussionen zu dem Thema so schnell ausufern, liegt meines Erachtens daran, dass die meisten e-Books von Selbstverlegern stammen. Ich stimme Toms Einschätzung zu, dass etwa 90% davon für die Tonne sind. Da werden ungefiltert abertausende von Schubladen hochgeladen und da wird auf der anderen Seite versucht, auf Teufel komm raus Kohle zu machen, am besten mit ultra-brutalo-perversen Sexfantasien. Das sind die zwei entscheidenden Faktoren.


    Es gibt also einmal eine große, nein eine riesengroße Gruppe von Möchtegern-Autoren, unter denen sich aber auch einige wirklich gute Autoren befinden, die Gefahr laufen unterzugehen. Viele von denen haben wahrscheinlich keine oder nur negative Erfahrungen mit Verlagen, weil ihre Manuskripte immer abgelehnt wurden. Man braucht nicht viel Psychologie, um nachzuvollziehen, dass dort immer noch der Zweifel nagt. Wenn ich meinen Roman, den kein Lektor haben wollte, jetzt direkt von der Festplatte in die Öffentlichkeit lade, bin ich dann auch wirklich ein Schriftsteller? Wenn es sich gut verkauft, dann kann ich auf den Erfolg verweisen, oder auf positive Rezensionen. Aber es fehlt der Ritterschlag eines Verlages. Das erklärt für mich die Dünnhäutigkeit, die oft zu spüren ist, das Verlangen nach gegenseitiger Kuschelbestätigung und das oftmals aggressive Auftreten gegenüber dem etablierten Verlagswesen.


    Aber es gibt zweifellos sehr gute Romane oder andere Texte, die es nie in einen nennenswerten Verlag geschafft haben, weil der Zugang manchmal einem kafkaesken Labyrinth gleicht. Bisher blieb eben meist nur der Weg über einen Kleinverlag, wo man wenig bis nichts verdienen konnte. Und da kommt der zweite Faktor ins Spiel. Wenn ich zum Beispiel bei Amazon Kdp ein Buch hochlade, so kann ich das für 0,00 Euro tun und ich verdiene, abzüglich Luxemburgischer Umsatzsteuer von 3% und einem kleinen Cent-Betrag für die Dateigröße 70% Tantiemen. Gerade als Einsteiger kontrolliert man täglich, ach was, stündlich oder halbstündlich, wie die Verkäufe sich denn entwickeln. Außer der Möglichkeit seine Manuskripte von jetzt auf gleich zu veröffentlichen, bekommt man auch fast in Echtzeit, das heißt mit ein paar Stunden Zeitverzögerung, die Umsatzzahlen geliefert und schon nach zwei Monaten das Geld aufs Konto, zumindest bei Amazon. Ist es da ein Wunder, dass täglich neue Titel auf den Markt geschmissen werden? Die Einnahmen sind ja real. Und es gibt sie, die Legenden von den No-Name-Autoren, die über 50.000 Euro im Jahr verdienen.


    Wie groß die Verkäufe dann wirklich sind, das ist eine andere Sache. Die allermeisten Titel verschwinden nämlich im Überangebot. Wer sucht denn auch schon nach einem Autor, den keiner kennt? Das erzeugt Frust und steigert die Empfindlichkeit und das Verlangen nach Bestätigung. So sieht es aus.


    Eines darf man auch nicht vergessen: Der Selfpublisher-Markt ist auch deshalb lukrativ, weil Titel wesentlich billiger angeboten werden können, als Verlags-E-Books, und man trotzdem noch guten Gewinn machen kann. Wobei die Betonung auf "kann" liegt. Ich glaube, dass wir im Augenblick in der Wild-West-Phase sind. Irgendwann wird das Überangebot schrumpfen, einige Autoren werden sich etablieren können, einige werden doppelgleisig fahren. Das ist ja vielfach jetzt schon so. Als Autoren sollten wir das nicht ideologisch sehen, sondern versuchen, das Beste aus den Gegebenheiten zu machen.

  • Die leichte Kopierbarkeit des e-Books im Zusammenspiel mit dem Geiz der Leute UND der Möglichkeit, diese illegalen Kopien mit drei/vier Klicks herunterzuladen und auf den Reader zu ziehen sind IMHO das Hauptproblem. Und dies beschränkt sich ja nicht nur auf e-Books; Zeitschriften und Magazine sind davor auch nicht gefeit. Von Musik, Filmen und Serien ganz zu schweigen.
    Vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der die Leute auf den entsprechenden Downloadportalen ihre Forderungen und Meinungen posten, ist einfach nur zum Kotzen. Da wird sich über die Qualität von Filmen beschwert (Ton ist scheppern, Bild ist unscharf), fehlende Episoden einer Serie werden lauthals eingefordert, als ob man für die komplette Serie oder den Film schon im Voraus bezahlt hätte und damit ein Anrecht auf die Dateien besitzt. Oder es wird gequäkt, weil das neuste e-Book noch nicht in allen Formaten verfügbar ist.
    Solange sich die asoziale Einstellung der Leute, selbst noch 99 Cent sparen zu müssen/ können, nicht ändert, wird die Diskussion Buch vs. e-Book weiter in diesen Bahnen verlaufen. Denn einen großen Vorteil hat das Buch nach wie vor: Man kann es nicht tausendfach kostenfrei vervielfältigen und dann für lau unter die Leute bringen. Man muss es kaufen.


  • Aber, hey, scheißt der Hund drauf.

    Das ist ein hübsches Resumée zu dieser Diskussion.
    Schönes Wochenende allerseits! :evil

    Einmal editiert, zuletzt von H. Dieter ()