TA 5: D. F. Wallace - Unendlicher Spaß (Romanauszug)

  • Zitat

    Original von Horst Dieter
    Momentan bewegt sich das noch nicht weit weg von der Behauptung, dass der Übersetzer es nicht gut gemacht hat. Da muss noch etwas mehr Stoff kommen.


    Ja, das stimmt!


    Angebot, Horst Dieter: Du tippst die erste deutsche Seite (S. 7) hier in einen Zitat-Kasten rein.


    Und ich übersetzte die erste Seite im Original ganz neu für das Forum runter - und dann schauen wir, wer hier besser und idiomatischer übersetzt bzw. wie man es auch hätte machen können.


    Schon mal eine Kostprobe:


    Zitat

    "Hal's as right as rain"

    heißt es im Original.


    Und was übersetzt unser Wundermann? Das da:


    Zitat

    "Hal ist voll auf dem Posten."


    Die Anapher, also das zweimalige "r", geht dabei aber verloren. Ich hätte übersetzt:


    Zitat

    "Hal geht's gut wie Gold."


    Damit hätte ich die Anapher imitiert und die lapidarische Kürze des Originals beibehalten.

  • Hallo Thomas,


    hier ist Seite 7 aus dem von Kipenheuer & Wich angebotenen PDF zum Ausdrucken:


    JAHR DES GLAD-MÜLLSACKS


    Ich befinde mich in einem Büro, umgeben von Körpern und Köpfen.
    Meine Haltung kongruiert bewusst der Form des harten Stuhls, auf
    dem ich sitze. Es ist ein kaltes Zimmer, das zur Universitätsverwaltung
    gehört, holzgetäfelt, remingtonbehängt und doppelverglast gegen die
    Novemberhitze, durch das Empfangsareal draußen von Verwaltungsgeräuschen
    abgeschirmt. Dort wurden Onkel Charles, Mr deLint und
    ich vorhin empfangen.
    Ich bin hier drin.
    Auf der anderen Seite des Konferenztischs aus poliertem Kiefernholz,
    der im spinnfädigen Mittagslicht von Arizona glänzt, schälen
    sich über leichten Sommersakkos und halben Windsors drei Gesichter
    heraus. Sie gehören den drei Kommissionsleitern – Zulassung, Studiendekanat
    und Hochschulsport. Welches wem gehört, weiß ich nicht.
    Ich glaube, ich wirke neutral, vielleicht sogar liebenswürdig, dabei
    wurde mir eingebläut, neutral zu bleiben und nicht zu versuchen,
    eine mir liebenswürdig erscheinende Miene aufzusetzen oder gar zu
    lächeln.
    Ich schlage sorgfältig, so hoffe ich, die Beine übereinander, Knöchel
    auf Knie, Hände im Schoß der Hose. Meine verschränkten Finger sehen
    aus wie eine Serie des Buchstaben X im Spiegelkabinett. Im Sitzungszimmer
    sind außerdem: der Literarische Gutachter der Fakultät,
    der Universitäts-Tennistrainer und der Prorektor Mr A. deLint. C. T.
    sitzt neben mir; die anderen sitzen bzw. stehen und stehen am Rand
    meines Gesichtsfeldes. Der Tennistrainer klimpert mit Kleingeld in
    der Tasche. Ein leicht digestiver Geruch liegt im Zimmer. Die Profilsohle
    meines von Nike gesponserten Turnschuhs ist parallel ausgerichtet
    zum ausgelatschten Loafer des Halbbruders meiner Mutter,
    anwesend in seiner Eigenschaft als Rektor. Er sitzt auf dem Stuhl, so
    hoffe ich, gleich rechts neben mir und sieht ebenfalls die Kommissionsleiter
    an.
    Der Kommissionsleiter zur Linken, ein schmaler, gelblicher Mann, [...]



    Edit: es heißt Witsch, ich weiß. :(


    Edit II: Da steht ein Müllsack in der Überschrift. Wo kommt der Müllsack her ;( ;( ;(


    Liebe Grüße
    Judith

    Nay, thy lordship, me ain't no thief, not even a smart one - Piper Quickfingers



    Der Tokee in Die rote Kammer [buch]393991407X[/buch]

  • Zitat

    Original von Judith
    JAHR DES GLAD-MÜLLSACKS


    Warum übersetzt er eigentlich "GLAD-Müllsack?" Im Original steht nur:" YEAR OF GLAD"


    Ich hätte übersetzt:


    Zitat

    Jahr des Froh

    ... und damit ist jetzt nicht der Wagner-Gott im Rheingold gemeint, denn da steht weder: "Year of Being Glad" noch "Year of Gladness", aber vielleicht ist GLAD ja auch ein Acronym für irgendwas, das ich nocht nicht kenne.


    Vermutlich Werbung vom Kölner Müllverband oder sowas.


    Wahrscheinlich finanzieren sie bei KiWi so die wahnsinnig teure Übersetzung.

  • Hallo ihr Lieben,


    Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson



    Wahrscheinlich finanzieren sie bei KiWi so die wahnsinnig teure Übersetzung.



    Guckst du auch hier


    Dabei fällt mir auf, ob wir wohl einen eigenen Fred dafür aufmachen sollten?


    Liebe Grüße
    Judith, die eigentlich arbeiten sollte

    Nay, thy lordship, me ain't no thief, not even a smart one - Piper Quickfingers



    Der Tokee in Die rote Kammer [buch]393991407X[/buch]

  • Zitat

    Original von Judith


    Dabei fällt mir auf, ob wir wohl einen eigenen Fred dafür aufmachen sollten?


    Liebe Grüße
    Judith, die eigentlich arbeiten sollte


    Finde ich nicht. Die Übersetzung gehört mit zum Text.


    überzeugte Grüße


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Hier könnte Ihre Werbung stehen.


    Gelöscht. War zu peinlich. Danke für Ihr Verständnis.

    “Life presents us with enough fucked up opportunities to be evaluated, graded, and all the rest. Don’t do that in your hobby. Don’t attach your self worth to that shit. Michael Seguin

    Einmal editiert, zuletzt von Marvin ()

  • Zitat

    Original von Marvin
    …Erstaunlicherweise liest sich der verschachtelte, komplizierte Stil nicht so holprig, wie ich es erwarten würde. Woran das liegt, kann mir hier vielleicht jemand erklären.


    Das ging mir auch so. Ich fand, dass es sich gut las (ausbremsen durch Nachschlagen bei Fremdwörtern mal beiseite gelassen). Vielleicht liegt es unter anderem auch daran, dass die langen, verschachtelten Sätze immer wieder mit Kurzsätzen - 4, 3, 2 Wörter, aber auch hier und da 1 Wort) kombiniert werden.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von Wolf P
    - Ist der Einsatz von Fremdwörtern und Jargon ein legitimes Stilmittel für den modernen Erzähler?


    Auf jeden Fall!


    Und zwar nicht nur für den modernen, sondern immer schon. Melville gebraucht Spezialwortschart über die Seefahrt und den Walfang, Hermann Löns hat es mit der Jägersprache, Faust kann man angeblich ohne Kommentar sowieso nicht lesen, mindestens 50 Gelehrte auf der ganzen Welt leben davon, dass sie uns erklären, an welcher Straßenecke in Dublin Joyce wann genau wohin gepinkelt hat und wie das im großen Ulysses sich auswirkt. Und noch viele andere Werke tischen uns jede Menge Jargon aus den unterschiedlichsten Gebieten auf.


    Gehen tut das also schon. Ich stelle mir jedoch die Fragen: Sind Jargon und Spezialwortschaft im Text überhaupt notwendig? Sind Sie Teil der Aussage, der künstlerischen Welt, die der Text aufbaut? Anders ausgedrückt: Fügen sie Welt und Text etwas hinzu, das ohne sie nicht da und damit ein klarer Mangel im Text wäre?
    Oder ist es nur schmückendes Beiwerk, will da einer vielleicht nur auf den Putz hauen, zeigen, dass er studiert hat, klug, gebildet ist? Oder vielleicht nur mehr Lexika und Wörterbücher in Reichweite hat als andere. Ist es also leeres Wortgeklingel, vor sich hergetragene Selbstgefälligkeit, ein Protzen und Prunken mit Sprache? Also nur Flitter, Lametta und Geflimmer?


    Meine Antwort: Ich weiß es noch nicht. Ich kenne bis jetzt 50 Seiten von diesem Monster und vielleicht, ja vielleicht ist dieser Aufwand gerechtfertigt durch das, was da später noch kommt.


    Beispiel: Muss ich einen ordinären Krawattenknoten mit der Benzol-Formel vergleichen und auch noch deren Entdecker, einen Mann namens Kekulé, der nur noch Spezialisten etwas sagt, als Namensgeber für einen – nicht existenten – Krawattenknoten einführen? Oder will ich nur zeigen, dass ich von Kekulé und Benzol schon mal gehört habe, in Wirklichkeit aber weder vom Benzol noch von Kekulé etwas weiß?


    Denn wenn DFW vor mir sitzen sollte, dann würde ich fragen: Was war denn die entscheidende Bedeutung von Benzol in der Industrie des 19. Jahrhunderts? Warum war und ist Benzol wichtig, welche Klasse von Chemikalien hat es gewissermaßen geboren und was hatte das für ein Auswirkung ab 1870? Und warum wurde Benzol in Deutschland entdeckt?


    Und dann würde ich gerne mal hören, was DFW – ohne Lexika – mir einfach so on the spot sagen würde.


    Natürlich, irgendwie ahnen wir ja schon, worauf es hinausläuft: Da ist das katatonische, unartikulierte Wunderkind, das jedem Erwachsenen - und jedem professionellen Akademiker sowieso - die Schneid abkauft, und damit wir das auch gut verstehen, haut DFW uns immer wieder unterirdische Geistelblitze und laserschnelle Assoziationsketten um die Ohren.


    Ich sehe bis jetzt noch nicht den Grund für das ganze Geklingel, aber vielleicht kommt er noch. Ich kann nur sagen, dass mich die Hauptfigur bereits jetzt mit Abneigung und Verachtung erfüllt, weil ich Scheingenies, die keinen vernünftigen Satz reden, mit ihrem Onkel aufs Klo gehen müssen und als Kinder den Schimmel von den Wänden gelutscht haben, nicht so gerne mag.

  • Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson
    …aber vielleicht kommt er noch. Ich kann nur sagen, dass mich die Hauptfigur bereits jetzt mit Abneigung und Verachtung erfüllt, weil ich Scheingenies, die keinen vernünftigen Satz reden, mit ihrem Onkel aufs Klo gehen müssen und als Kinder den Schimmel von den Wänden gelutscht haben, nicht so gerne mag.


    Mal ganz vorsichtig gefragt: ist dann jeder negative Protagonist, insbesondere wenn er Abneigung erweckt, als Kriterium für die Beurteilung einer Geschichte/eines Buches heranzuziehen?


    Natürlich hast du das in deinem Zitat nicht gesagt, sondern nur deine Empfindung mitgeteilt, die aber nach einigen Ausführung, die mitteilen, dass du dich noch im Findungsprozess hinsichtlich der Beurteilung dieses Buches befindest im Zusammenhang mit einigen kritischen Anmerkungen, und da lockst du die Leser deiner interessanten Rezension mit dem "… bereits jetzt …" schon auf die Fährte, dass eben aus diesem Grund eine Ablehnung möglich wäre.


    Ich frage das jetzt einen Experten in Sachen »negativen Protag« 8-)


    erwartungsvolle Grüße


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann



  • nee, das triffts auch nicht, finde ich.


    ich kriegs nicht kurz formuliert. das ist auch zu viel verlangt *find* denn in englisch ist grundsätzlich alles knapper gesagt.


    dem sinn nach etwa so:


    hal ist genau richtig wie er ist. so wie es nicht nur sonnenschein geben kann, sondern auch mal regen.


    :achsel

  • und zu "glad" - scheint so, als sei das ein markenname unter dem müllsäcke in den usa verkauft werden. und da in deutschland diese marke unbekannt ist, hat der übersetzer den zusatz "müllsack" als erklärung angehängt.

  • Hallo Siempre,


    tja, deshalb meine ich ja, dass es ohne Fußnoten nicht geht, der Übersetzer entscheidet sich für den Müllsack statt eine Erklärung anzufügen, die die Mehrdeutikeit auch aufzeigt. :( und das ist schon eine ziemlich eindeutig Entscheidung darüber, welche Bedeutung der Leser gefälligst als Hauptbedeutung wahrzunehmen hat. Da hätte ich dann doch lieber die entsprechende Freiheit.


    Liebe Grüße
    Judith, zwischen Frankfurt und Odenwald

    Nay, thy lordship, me ain't no thief, not even a smart one - Piper Quickfingers



    Der Tokee in Die rote Kammer [buch]393991407X[/buch]

  • Zitat

    Original von siempre
    ich kriegs nicht kurz formuliert. das ist auch zu viel verlangt ...l


    Uhm … yeah. I’m sure you would have come up with the very best translation in the world, the finest, the juiciest, the raciest, the choicest, the most sterling translation of them all if … if only you had tried a little bit harder. I know! :P

  • bevor ich analysiere, muss ich einfach mal den rotstift ansetzen - ich-perspektive präsens und andere ungereimtheiten =);)


    JAHR DES (GLAD-)MÜLLSACKS


    Umgeben von Körpern und Köpfen - mir ist kalt. Das Zimmer, das zur Universitätsverwaltung gehört, ist holzgetäfelt, remingtonbehängt und doppelverglast gegen die Novemberhitze, durch das Foyer von Geräuschen abgeschirmt. Dort wurden Onkel Charles, Mr deLint und ich vorhin begrüßt. Meine Haltung kongruiert der Form des harten Stuhls, auf dem ich sitze. Ich bin nicht hier! Auf der anderen Seite des Konferenztischs aus poliertem Kiefernholz, der im spinnfädigen Mittagslicht von Arizona glänzt, schälen sich über leichten Sommersakkos und halben Windsors drei Gesichter heraus, Kommissionsleiter Zulassung, Studiendekanat und Hochschulsport. Welches wem gehört, weiß ich nicht. Meine Visage ist neutral, vielleicht sogar liebenswürdig, jedenfalls so wie es mir Onkel Charles eingebläut hat. Bloß nicht lachen. Mein rechtes Bein liegt lässig Knöchel auf Knie, Hände im Schoß. Meine verschränkten Finger sehen aus wie eine Serie des Buchstaben X im Spiegelkabinett. Im Sitzungszimmer sind außerdem: der Literarische Gutachter der Fakultät, der Universitäts-Tennistrainer und der Prorektor Mr A. deLint. C. T. sitzt neben mir; die anderen sitzen oder stehen am Rand meines Gesichtsfeldes. Der Tennistrainer klimpert mit Kleingeld in der Tasche. Ein leicht digestiver Geruch liegt im Zimmer. Die Profilsohle meines gesponserten Turnschuhs ist parallel ausgerichtet zum ausgelatschten Loafer des Halbbruders meiner Mutter, anwesend in seiner Eigenschaft als Rektor und Onkel [...]


    :bitte


    :bier

  • Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson

    Und ich übersetzte die erste Seite im Original ganz neu für das Forum runter - und dann schauen wir, wer hier besser und idiomatischer übersetzt bzw. wie man es auch hätte machen können.



    Kommt's noch?

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Hallo ihr,


    mir ist gerade eine Rohübersetzung der ersten fünf Sätze zusammengebrochen, weil ich mit meinen krummen Fingern die Seite geschlossen habe. Jetzt reicht die Kraft nicht mehr, um das alles noch mal zu machen. Aber deine Verbesserungen, Siempre, verstehe ich nicht so ganz. Liegt vielleicht am Wattekopf, aber ist das eine Überarbeitung der Übersetzung oder eine Korrektur oder das, was du schreiben würdest an Wallace Stelle? :achsel=)


    Was mir auffällt am Originaltext und was in der Übersetzung untergeht, sind die vielen, vielen Alliterationen, die die Sätze klingen lassen und sie auch da segmentieren, wo es Satzzeichen nicht unbedingt tun. Dazu fängt es ja langsam an.


    I am seated in an office, surrounded by heads and bodys.


    Kurzer Satz, hilfsverbkonstruiert (wie die meisten Sätze von Hal - und ja, die Verbindung zu HAL setzt zusammen mit O.N.A.N die SF oder zumindest alternative reality Ebene, in der das Land auf alle nördlichen Amerikas erweitert ist (Mexiko inklusive)..


    seated/surrounded führen gleich die Alliterationen ein


    heads and bodys bezieht sich auch auf die Struktur der Fakultäten (das ist so eine Stelle, die eigentlich einer erklärenden Fußnote bedarf)



    My posture is consciously congruent to the shape of my hard chair.


    Mehr Alliterationen, congruent ist dabei im englischen Wortschatz viel weiter verbreitet und hat auch die zu erwartende Präposition, die in der Übersetzung verschwindet (ist kongruent zur/kongruiert mit). Dadurch, dass der Übersetzer sie weg lässt, beschränkt er die Wortbedeutung nicht nur auf die mathematische Ebene (wenn kongruieren im allgemeinen deutschen Gebrauch auftaucht, dann heute mit einer Präposition), sondern überhöht das Register.


    Posture - hat eine Bedeutungsbandbreite, die von Körper- bis zu Geisteshaltung reicht.


    hard chair - konnotiert die Verhörstuhl, der auch immer extrem unbequem ist, wird später auch durch die doppelte Bedeutung von interview room gestützt und gespiegelt.


    Dann folgt erste lange Satz. Voller Doppeldeutigkeiten


    z.B. remington-hung - hat neben der offensichtlichen Bedeutung der Westernschinken des Malers auch nur die Möglichkeit als Waffen- oder/und Computerhersteller zu wirken),


    nur die eine Stelle, in der Wallace das Wort mit der eingeschränkten Bedeutung wählt, nämlich insulated (was isoliert im technischen Sinne auch von insulated glass windows (Doppelglasfenster) meint und eben keine Metapher trägt) wird ignoriert und wie isolated übersetzt, dass auch bildhafte Bedeutungen wie eingekapselt, verinselt, (ab)schirmen etc. trägt)


    Auch, dass der Text Onkel, deLint und Hal quasi als Firmennamen einführt (bei einer schlichten Aufzählung hätte ein Komma vor dem "and" gesetzt werden müssen) muss in nicht kommentierten Übersetzungen untergehen.


    Dann ein echter Bruch der Lesererwartung. Bis zur Novemberhitze klingt alles nach uralter Universität (so lange man Remington nicht mit den anderen Bedeutungen als der des Malers belegt, trotz der Motive), dann muss man als Leser auf die Reise in wärmere Gefilde gehen und kommt erst bei Arizona noon am richtigen Ort an.


    In diesen wenigen Sätzen sind die Regeln des Spiels klar. Trau nichts und niemanden, nicht dem ersten Eindruck, nicht der Figur, alles kann Scherz sein.


    Mag ich den Helden? Nö, muss ich auch nicht, aber ich kann mich daran erfreuen, wie er es den anderen "zeigt". Die Voyeuristin in mir wartet auf den Ausbruch dieses Komödianten. Da ist einer, der versucht seinen Weg durch die Mühlen zu finden, ein Jester, ein Trickster, einer der weiß, aber es nicht lassen kann, einer, der jeden zur Weißglut treiben kann, wenn er es will, einer mit einer halb hysterischen, halb narzisstischen Grundhaltung (hier sind die Charaktertypen nicht die Persönlichkeitsstörungen gemeint) mit ein bisschen schizoidem Salz und depressivem Pfeffer, der gerade aufgrund dieser eigentlich unmöglichen Konstellation all den anderen Narzissten den Spiegel vorhalten kann.


    Weiß ich, warum es in dem Buch geht?


    Ein anderes Amerika, um Hochschulpolitik, aber sicher nicht, dass Infinite Jest ein Film ist, um den sich alle schlagen werden werden, weil er die Menschen so vereinnahmt, dass sie das Essen und Trinken vergessen. Aber allein die ersten paar Sätze machen mir klar, dass ich mich auf ein Vexier einlasse, dass ich gute 1100 Seiten lang nicht einmal Wort werde trauen können. Und das verspricht unendliche Lesefreude, auseinanderbauen, neu zusammenfügen, erweitern, verkürzen, denn auch jedes weitere Lesen wird neuen Text entstehen lassen.



    Schreibt da einer ohne Regeln?


    Nein, im Gegenteil, er reizt sie aus bis hin zur Überhebung über den Leser, den er zwingt, manches nachzuschlagen. Wobei mir der Stil im Original weniger hoch im Register erscheint als in der Übertragung.


    Englisch hat nun mal die doppelte Menge an Wörtern und ab einem bestimmten Bildungsniveau jede Menge in die Umgangssprache integrierte Fremdwörter, mehr jedenfalls als das Deutsche IMHO. digestive odor, z.B., kann man digestive Geruch nennen, aber digestive ist viel verbreiteter im Englischen, als digestiv im Deutschen, wo es eigentlich nur im Sinne von Verdauungsschnaps auftritt oder als (Neu?)Entlehnung in der Medizin auftritt. Wenn es um Verdauungsgase geht, sprechen wir im Hochregister von Flatulenzen, sonst vom anderen F-Wort. :evil


    Defäkation kam vor der Übersetzung bei uns höchstens in Fachsprachen, z.B. als Defäkationsvakuole der Einzeller, vor, im Englischen gibt es das auch gemeinsprachlich. Es ist also keine Neuschöpfung des Textes.


    Mancher Ärger könnte hier wirklich an der Übersetzung hängen, weil die im Zweifel das ungewöhnliche Wort bevorzugt, die im Deutschen unübliche Latinisierung. Dabei bleibt ja auch sonst Rätselhaftes genug jenseits dieser dem Text neu auferlegten Schrägheit.


    Und die Regeln?


    Alliterationen, Konstruktionen bis ins bedeutungsunterscheidende Komma hinein, im wesentlichen Hilfsverbkonstruktionen, wenn wir in Hals Kopf sind. Die Konzentration auf die Fehler der anderen, selten wirklich kommentiert, aber doch deutlich in der Art, auf was sich Hal konzentriert und wo die Dinge für ihn austauschbar bleiben. Ja, der eine Dean hat gelbe Haut, aber gelb steht eben auch für feige. Eine Figur gezeichnet in einem Farbwort. Oder die gekreuzten Hände, im Deutschen mit einem Spiegelkabinett verglichen. Warum? Das Register weiterzuheben, nehme ich an, dabei ist das auch so schon hoch, nur nicht so betulich und mal wieder über die Alliterationen gegliedert:


    My fingers are mated in a mirrored series of what manifests, to me, as the letter X.


    Bisweilen ein nettes Wort wie Kekulean, das nachzuschlagen wäre, wenn man es nicht kennt, aber typisch für die Multiple-Scheiß-Fragen in Aufnahmetest, die wie in den Fernsehshows Inselwissen abfragen und zwar häufig genug solches, auf das man nicht aufgrund von verstandenem Prinzip kommt. (Dazu war Knotentheorie in den 90ern in der Mathematik ziemlich en vogue) Wortgeklingel bei den Deans, um die direkte Anschuldigung zu vermeiden etc. Jede Menge Spielereien wären zu finden.


    Mittendrin der Jester, oder zumindest dessen Sohn, noch abhängig von den äußeren Mächten wie Denny Kaye im endlichen Jester-Film, vorbereitet (coached), aber ausgeliefert, vielleicht sogar desinteressiert. Aber alles in sauber geformten, lesbaren Sätzen, selbst hier:


    ; the other sit, stand and stand, respectively, in the periphery of my focus.


    Wieder geht es um das scheinbar fehlende Komma, das anzeigt, dass es sich eben nicht um eine Aufzählung handelt, sondern um einen Hauptsatz mit einer zweiteiligen Aufzählung und einem Teilsatz, der sich mit dem Hauptsatz das Subjekt teilt (Syllepse) und über "and respectivly" an ihn angeschlossen wird:


    Die anderen sitzen, stehen bzw. stehen/befinden sich am Rand meiner Wahrnehmung/meines Blickfeldes/meiner Konzentration/meines Fokus.


    Ja, das klingt immer noch schräg auf Deutsch, aber die Konstruktion ist logischer, die Betonung zwingt einem auch auf Deutsch keinen Knoten mehr auf.


    Nein, der Text löst auf der sprachlichen Ebene keine Regeln auf, er spielt mit ihnen und mit der Geduld des Lesers, aber eben nicht so abgehoben, wie man es anhand der Übersetzung meinen könnte IMHO.


    Liebe Grüße
    Judith

    Nay, thy lordship, me ain't no thief, not even a smart one - Piper Quickfingers



    Der Tokee in Die rote Kammer [buch]393991407X[/buch]

  • Zitat

    Original von Judith
    aber ist das eine Überarbeitung der Übersetzung


    ja. ohne den originaltext zu kennen. für mich klingt das stimmiger so. insgesamt liegt mir der stil sehr. könnte glatt von mir sein, der schrott ;)


  • ich lese das so: er würde am liebsten eins werden mit dem stuhl = sich in luft auflösen.


    :achsel