Philip Kerr - Das Wittgensteinprogramm

  • ASIN/ISBN: 3499253127





    Ich muss hier jetzt auch mal ein Buch vorstellen und zwar vor allem, weil ich mich so geärgert habe.


    Ich hatte viel über das Buch gehört - zumeist positives - "ein philosophischer Thriller", "gut recherchiert", "viel Hirnforschung"... Das mag auch alles sein, es täuscht leider nicht darüber hinweg, dass das Buch in seiner Hauptsubstanz nichts weiter ist als ein Thriller. Und zwar ein schlechter.


    1992 erschienen spielt diese schmalspurphilosophische Verbrecherjagd in der damals nahen Zukunft von 2013. Die technischen Extrapolationen wirken heute zumeist lächerlich, vielleicht gerade, weil sie so dumm nicht waren. Sie liegen zumeist haarscharf neben der Wirklichkeit in 2010. "Piktofone" sind eine Art Bildtelefonhandy, RA ist der hier gebrauchte Begriff für das, was man heute wohl "Cyberspace" nennen würde.
    Vor diesem Hintergrund erzählt das Buch in einer oft schwammigen personalen Erzählperspektive die Jagd einer Polizistin auf einen Serienmörder, der der Reihe nach Männer umbringt, die sich in einem neurobiologischen Wissenschaftsprogramm als potentielle Mörder herausgestellt haben. Die Öffentlichkeit will den Killer tot sehen, die (natürlich) aufrechte Polizistin will ein Gerichtsverfahren. So weit, so vorhersehbar. Am gelungnsten sind wohl noch die Passagen, in denn der Mörder in der Ich-Perspektive seine Sicht der Dinge verbreitet. Hier hört man zumindest einer interessanten Erzählstimme zu, die in ihrer antisozialen Grundhaltung ("die Regeln der einfachen Leute sind für mich nicht gültig") bisweilen an die BTs von TWJ erinnert, sie aber bei weitem nicht erreichen kann (ganz echt).


    So können die ganzen Lockvögel, die dieses Buch für Bildungsbürger interessant machen könnten (Hirnforschung, Philosophie) nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich hier im Wesentlichen um einen schlecht geschriebenen Thriller handelt.
    Keine Ahnung, warum der sogar den deutschen Krimipreis gekriegt hat.

    “Life presents us with enough fucked up opportunities to be evaluated, graded, and all the rest. Don’t do that in your hobby. Don’t attach your self worth to that shit. Michael Seguin

  • Ich fand's auch scheiße. (Bin von Kerr generell nicht begeistert. Keins seiner Bücher - und ich habe ein paar probiert, weil er so gelobt wurde) hat mich wirklich überzeugt. Da schreibt Katzenbach weit besser.)

  • Ich habe von Kerr "Gameover" gelesen. Ganz witzige Idee und die Handlung war auch flott. Aber nun wirklich nichts Tiefgründiges.


    Komischerweise hat mich das Buch davon abgehalten, weitere Werke von Kerr lesen zu wollen...

  • Zitat

    Original von Gerdom
    Ich fand's auch scheiße. (Bin von Kerr generell nicht begeistert. Keins seiner Bücher - und ich habe ein paar probiert, weil er so gelobt wurde) hat mich wirklich überzeugt. Da schreibt Katzenbach weit besser.)


    Von Philip Kerr kenne ich noch nichts, aber Katzenbach hatte ich kürzlich erst mit "Die Rache". Und das fand ich zwar nicht schlecht, aber alles andere als überragend; in der 1. Hälfte viel zu lahm, beim Showdown dann ein ziemlich offenes Ende.


    @Marvin: Viel Hirnforschung gibt es in diesem Thriller, den fand ich ganz gut:

    ASIN/ISBN: 3548269540

  • Zitat

    Original von Maren
    Katzenbach hatte ich kürzlich erst mit "Die Rache". Und das fand ich zwar nicht schlecht, aber alles andere als überragend; in der 1. Hälfte viel zu lahm, beim Showdown dann ein ziemlich offenes Ende.


    Ja, sorry, ich war unpräzise. Ich hab auch schon Katzenbachs frustriert ins Eck geschmissen. Wenn du eins seiner "Guten" lesen willst: Die Anstalt oder Der Patient. Beide wirklich stark.


    Was hältst du von Deaver?


    LG


    Susanne

  • Zitat

    Original von Gerdom


    Ja, sorry, ich war unpräzise. Ich hab auch schon Katzenbachs frustriert ins Eck geschmissen. Wenn du eins seiner "Guten" lesen willst: Die Anstalt oder Der Patient. Beide wirklich stark.


    Was hältst du von Deaver?


    Von dem habe ich noch nichts gelesen, allerdings sind mir seine Werke schon öfter aufgefallen. Ich mag an Thrillern generell gerne Wissenschafts-Thriller, wie z. B. Michael Crichtons Bücher.


    Katzenbach fand ich stilistisch ganz gut, nur hat mich die "Die Rache" gestört, dass er die Vorgeschichte dreimal erzählte; aus Sicht der Täterin und aus der der Mitläufer. Das mag ja gut sein, um die Figuren wirklich auszuleuchten, aber für einen Thriller fehlte mir da einfach Tempo.

  • Zitat

    Original von Maren
    Katzenbach fand ich stilistisch ganz gut, nur hat mich die "Die Rache" gestört, dass er die Vorgeschichte dreimal erzählte; aus Sicht der Täterin und aus der der Mitläufer. Das mag ja gut sein, um die Figuren wirklich auszuleuchten, aber für einen Thriller fehlte mir da einfach Tempo.


    Das ist sein Hauptproblem - er neigt zu Länge. Und hat kein Lektorat, das ihm das austreibt. Fast alle seiner Thriller wären besser, wenn sie hundert, hundertfünfzig Seiten kürzer wären. Oder mehr =)

  • Zitat

    Original von Gerdom


    Das ist sein Hauptproblem - er neigt zu Länge. Und hat kein Lektorat, das ihm das austreibt. Fast alle seiner Thriller wären besser, wenn sie hundert, hundertfünfzig Seiten kürzer wären. Oder mehr =)


    Bei "Die Rache" ganz sicher. Wäre da die 1. Hälfte eingekürzt worden, hätte mir das Buch sicherlich viel besser gefallen. Denn als dann die Action losgeht, schreibt er wirklich sehr temporeich und richtig gut. Mit 150 oder 200 Seiten weniger wäre das Buch klasse.

  • Zitat

    Ich mag an Thrillern generell gerne Wissenschafts-Thriller, wie z. B. Michael Crichtons Bücher.


    Ich gebs zu - den mag ich auch. Obwohl der nun wirklich nicht tiefgründiger ist als Kerr. Zuweilen sogar politisch nicht mehr so ganz korrekt (siehe das klimakritische Hetzwerk 'state of fear').
    Trotzdem ist das irgendwie - sagen wir mal - stimmig.

    “Life presents us with enough fucked up opportunities to be evaluated, graded, and all the rest. Don’t do that in your hobby. Don’t attach your self worth to that shit. Michael Seguin