Mal wieder was zu E-Books

  • Schöner Artikel! :anbet


    Wie es der Zufall so will, habe ich das Thema heute Morgen (allerdings zum x-ten Mal) mit meinem Agenten diskutiert. Der redet übrigens schon seit knapp zehn Jahren vom Ende des gedruckten Buches.


    Ein wesentlicher Aspekt in diesem Zusammenhang sind die Geschehnisse in der Musikindustrie. Die hat nämlich ein ganzes Zeitalter auf unglaubliche Weise verschlafen. Branchenriesen gerieten in die Krise, nicht wenige kleinere Label hat es erwischt, und die Krise ist längst nicht ausgestanden (ganz im Gegenteil: es sind neue Kräfte entstanden, während die alten nach wie vor auf Notstrom laufen). Musiker verdienen heutzutage durchschnittlich - seit über vierzig Jahren erstmals wieder - mehr Geld mit Live-Auftritten als mit konservierter Musik, nicht zuletzt natürlich über vervielfachte Eintrittspreise. Menschen mussten mehrere hundert Euro abdrücken, um Madonna jüngst "live" auf Videowänden zu sehen, aus mehr als hundert Metern Entfernung. Ob sie tatsächlich live gesungen hat, verkam dabei zu einer Nebenfrage. Ich selbst habe fast neunzig Euro für "Depeche Mode" bezahlt, das sind nahezu hundertachtzig Mark. Anfang des Jahrtausends wäre außer Frank Sinatra niemand auf die Idee gekommen, solche Preise aufzurufen (für den habe ich übrigens auf seiner letzten Tour 500 Mark bezahlt - aber das war ein Sonderfall. Ein ziemlich obskurer.)


    Die wirtschaftlichen Zwänge werden allenthalben größer. Bücher sind unwirtschaftliche Produkte, wenn man sie mit Daten, sogar mit Datenträgern vergleicht. Die Rendite selbst bei verbilligten eBooks ist deutlich größer, sogar wenn die Micro-Payment-Anbieter (zumeist Kreditkartenfirmen) zwanzig, dreißig Prozent vom Umsatz abgreifen. Solange keine Demokratisierung des Verlagswesens damit einhergeht, also immer noch eine qualitative (oder trendorientierte) Eingangsprüfung stattfindet, sich die Konsumenten insofern Material zuwenden, das nicht von "irgendwem" stammt, sondern gewissen Anforderungen genügt, ist der Schritt in die Elektrobuchzukunft unabwendbar. Und tatsächlich sogar aus Autorensicht wünschenswert, da es keine Remmittenden, Verramschungen oder vergriffenen Bücher mehr gäbe. Nicht wenige Autoren, die sich längst vom Markt wähnten, würden eine späte Renaissance erleben.


    Aber die Entwicklung ist mit derjenigen des Musikmarktes eben nicht vergleichbar. Was jetzt forciert wird, unterstützt durch nicht immer verlässliche Statistiken und Prognosen, berührt eine andere Form von kultureller Wahrnehmung als das Hören von Musik, das von jeher einer zusätzlichen Technik bedurfte. Ich wage die Prognose, dass der endgültige Durchbruch erst mit wirklich integrierter Technik (warum zehn Geräte, wenn eines alles könnte?) erfolgt, sich dann aber mit einem langfristigen Marktanteil von zwanzig, dreißig Prozent einpendeln wird. "e" hat Vorteile, aber auch viele Nachteile. Einige davon sind gefühlte Nachteile, aber längst nicht alle. Das gedruckte Buch als Luxusartikel sehe ich frühestens für das Ende des Jahrhunderts.

  • Hi Nudelsuppe!


    Vielen Dank für diesen hervorragenden Artikel, alle Achtung. :strauss
    Du beschreibst ein Thema, das ich ebenfalls schon lange und genau verfolge. Im Gegensatz zu Tom bin ich allerdings der Ansicht, das sich der "Wechsel" vom gedruckten zum digitalen Buch wesentlich rascher vollziehen wird als bis zum Ende des Jahrhunderts. Alleine die jährlichen Zuwachsraten sind atemberaubend.
    Möglicherweise ist es tatsächlich eine Chance für viele Autoren, die derzeit kaum Chancen auf Veröffentlichung haben. Billig produzieren zu können, wenig Verlustrisiko, keine Lager- und Transportkosten zu haben, hieße für so manchen Verlag, auch mehr Autoren "ausprobieren" zu können, als bisher.
    Nostalgie hin oder her, diese Entwicklung ist mMn so wenig aufzuhalten, wie der Wechsel zur CD, bzw. zum MP3 download.


    Lieben Gruß an Dich,
    Manuela :)

  • Ich weiß nicht, ich bleibe bezüglich eBooks skeptisch. Wenn ich aus beruflicher Hinsicht schon genug Zeit vor dem Bildschirm verbringe, bin ich froh, wenn ich daheim beim Lesen auf bedrucktes Papier schauen kann. So ähnlich dürften auch viele andere denken. Von daher wird das gedruckte Buch wohl auch noch in hundert Jahren seine Leser und Käufer finden...

  • Zitat

    Original von fictionmaster
    Ich weiß nicht, ich bleibe bezüglich eBooks skeptisch. Wenn ich aus beruflicher Hinsicht schon genug Zeit vor dem Bildschirm verbringe, bin ich froh, wenn ich daheim beim Lesen auf bedrucktes Papier schauen kann. So ähnlich dürften auch viele andere denken. Von daher wird das gedruckte Buch wohl auch noch in hundert Jahren seine Leser und Käufer finden...


    Keine Frage, dass ein richtiges Buch wesentlich mehr Charme hat, als ein E-book. Aber das Argument mit dem Bildschirmkucken ist ein wenig wackelig. Tatsächlich steht die E-ink genauso ruhig vor dem Auge, wie gedruckte Schrift. Das ist kein Bildschirmlesen im herkömmlichen Sinn. Ich hab das mehrfach ausprobiert.


    Manuela :),
    die auch keine richtige Freude mit dieser (unaufhaltsamen) Entwicklung hat, aber ... :achsel

  • Zitat

    Original von Manuela K.
    …Tatsächlich steht die E-ink genauso ruhig vor dem Auge, wie gedruckte Schrift. Das ist kein Bildschirmlesen im herkömmlichen Sinn. Ich hab das mehrfach ausprobiert.
    …. :achsel


    Solange ich aber für das Lesen der Bücher, die ja bislang kaum weniger kosten als gedruckte Ausgaben, noch ein teures Gerät kaufen muss (meine Brillen sind teuer genug und auf die kann ich auch nicht verzichten, wenn ich ein e-Book-Lesegerät habe), und solange mir die eBook-Anbieter nach Lust und Laune gekaufte eBooks vom Reader löschen können, ohne dass ich eingreifen kann, verzichte ich dankend. Und (noch) bin ich mir sicher, dass ich damit zu keiner Minderheit gehöre.


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Horst-Dieter: Du gehörst ganz sicher nicht zu einer Minderheit. Die Hersteller versuchen zwar, mit viel Trara zu suggerieren, dass der Vormarsch noch schneller wäre als derjenige der MP3-Player, aber das täuscht natürlich nicht darüber hinweg, dass der Standardleser zwei Bücher im Jahr kauft (in Amerika ist das die weit, weit überwiegende Mehrheit!) und deshalb einfach nicht Zielgruppe ist - noch nicht. Das Klientel für eBooks sind die Viel- und Berufsleser, da beißt die Maus keinen Faden ab. Die "anderen" aber bestimmen den Buchmarkt, weil sie zwar pro Nase wenige Bücher kaufen, aber sehr viel mehr Leute sind.


    Man versucht hier, etwas zu forcieren, und das ist verständlich. Alle wollen vorne auf diesem Zug sitzen. Das Desaster, das die Musikbranche erlebt hat, soll sich nicht wiederholen. Aber bei Musik oder Digitalkameras oder Telefonen verhält sich der Durchschnittskäufer anders als bei Büchern. Möglicherweise ändert sich das, wenn hochintegrierte Geräte kommen, aber ein Kameraebooktelefon mit A5-Display muss man auch erstmal unter die Leute bringen, und eben vor allem unter's gemeine Volk. Und das besteht, wie gesagt, in der Hauptsache aus Seltenlesern, aus Dan-Brown-, John-Grisham- und Iny-Lorentz-Kunden. Für die also all jene praktischen Vorteile (Gewichtsreduzierung, viele Titel immer dabei, Online-Einkauf) keine sind, da sie ohnehin nur einmal pro Jahr am Flughafen ein Buch kaufen, auf dem Weg zum Ballermann. Und da greifen sie nach dem Titel, von dem der größte Stapel vorhanden ist.

  • Zitat

    ... unter's gemeine Volk. Und das besteht, wie gesagt, in der Hauptsache aus Seltenlesern, aus Dan-Brown-, John-Grisham- und Iny-Lorentz-Kunden. Für die also all jene praktischen Vorteile (Gewichtsreduzierung, viele Titel immer dabei, Online-Einkauf) keine sind, da sie ohnehin nur einmal pro Jahr am Flughafen ein Buch kaufen, auf dem Weg zum Ballermann. Und da greifen sie nach dem Titel, von dem der größte Stapel vorhanden ist.


    :rofl :rofl

  • Tom und Manuela,


    habt vielen Dank für die Blumen! :strauss


    Die Wenig-Leser wird man auch irgendwann packen - wenn die Verlage das möchten. Vorstellen kann ich mir mittelfristig einen Preis von rund 100 Euro für das Lesegerät, eine Harry Potter-Edition, Subventionsmodelle wie bei Mobiltelefonen, Buchclub-Modelle etc. Bisher erleben wir nur Vorgeplänkel, dafür läuft der Laden aber schon erstaunlich gut.


    Möglich, dass der Durchbruch aber auch im Bildungsbereich passiert und Schüler und Studenten in Zukunft mit Lesegeräten hantieren - die Vorteile gegenüber dem "normalen" Buch sind hier einfach zu deutlich.

  • @H.D.


    Zitat

    (meine Brillen sind teuer genug und auf die kann ich auch nicht verzichten, wenn ich ein e-Book-Lesegerät habe)


    Na ja. Du kannst das Schriftbild nach Geschmack varieren und mehrfach vergrößern. So kannst du dann auch ohne Brille lesen. 8-)
    Ich brauche seit zwei Jahren leider eine Lesebrille. Allerdings nicht mehr am Schirm, seit ich mir einen 24'' Monitor zugelegt hab. Das liest sich, wie an der Schultafel.


    Lg, Manuela :)

  • Zitat

    Original von Manuela K.
    …Allerdings nicht mehr am Schirm, seit ich mir einen 24'' Monitor zugelegt hab. Das liest sich, wie an der Schultafel.


    Lg, Manuela :)


    Wenn es einen 48" Monitor gibt, kann ich mir den vermutlich nicht leisten :achsel

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  • Ein Kindle, das die Welt nicht braucht


    Eigentlich könnte so ein eBook eine richtig tolle Sache sein. 1,4 Gigabyte Speicherplatz! Eine ganze DIN A4-Seite mit Schreibmaschine von oben bis unten komplett beschrieben benötigt gerade mal 1,2 Kilobyte an Speicherplatz. Bei optimaler Nutzung passen also rund eine Million Seiten in den Speicher des Kindle. Das entspricht 2000 Büchern mit je 500 Seiten. Selbst wenn es wegen aufwändigerer Dateiformate nur 200 Bücher sind spart man allein an nicht mehr benötigten Bücherregalen den Kaufpreis des Kindles wieder ein. Von der Wohnungsmiete, die die Regalquadratmeter jedes Jahr kosten will ich gar nicht erst anfangen.


    Ein weiterer riesen Vorteil liegt in den Zugriffszeiten des Verbauten Speichers. Bis ich auch nur darüber nachgedacht habe in welchem Buch eine bestimmte Passage zu finden sein müsste hat der Kindlenutzer sie bereits per Volltextsuche gefunden .... - aber nur wenn - ja wenn dieses unbrauchbare Ding eine Volltextsuche hätte, die den Namen auch verdient. Einmal abgesehen von der viel zu kleinen 9 Zoll Anzeige ( kann sich noch jemand an die 14 Zoll Monitore der ersten PCs erinnern?), von den meiner Ansicht nach viel zu hohen Buchpreisen, vom DRM-Overkill und von Bedenken wegen des Datenschutzes würde ich mir sofort eins kaufen. Wie kann man nur die absolut genialen Möglichkeiten, die ein eBook eigentlich bietet, so mies realisieren, dass jegliche Kritik nicht schon im Ansatz scheitert? :bonk

    4 Mal editiert, zuletzt von Dustin Singh ()

  • Zitat

    Original von Dustin Singh


    Ein weiterer riesen Vorteil liegt in den Zugriffszeiten des Verbauten Speichers. …


    Das man das nicht generalisieren darf, zeigt ein Test von Fränzi

    BLOG: Welt der Fabeln


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    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von Nudelsuppe
    Die Nachrichten überschlagen sich ja wieder, heute hatte ich Zeit, das Thema E-Book etwas mehr in der Tiefe zu verfolgen. Vielleicht hat der eine oder die andere Lust, es zu lesen.


    *tief durchatme*Das E-Book und das Ende des Buches


    Lieber Marcel,


    klasse geschrieben und aufbereitet - für mich sehr interessant, da die amerikanischen Verhältnisse, wie sie sich derzeit entwickeln, nicht mehr so unbekannt sind.
    Sage ich, weil ich im Thema stecke ... - nein, nicht steckengeblieben bin.


    viele Grüße von Monika 8-)


    http://twitter.com/mo_books


    geht mal auf die Seite- eine Schule hat schon seine Lesegeräte...

  • Zitat

    Original von Monika


    http://twitter.com/mo_books


    geht mal auf die Seite- eine Schule hat schon seine Lesegeräte...


    Wie war das doch noch mit der »einen« Schwalbe?


    Mir liegt eine Studie vor, die besagt, dass erst 2013/14 mit einer guten Verbreitung von Lesegeräten zu rechnen ist und auch dann erst die Zeit der E-Books wirlich beginnt. Einmal, weil die Lesegeräte noch zu teuer sind und dann auch, weil die Verlage glauben, E-Books müssten genau so teuer (oder nur um weniges billiger) sein als gedruckte Bücher (diesen Fehler hat die Musikbranche auch lange gemacht).


    Das erste Problem könnte sich allerdings schneller lösen, wenn Asus dieses Jahr noch mit einem preiswerten (und hoffentlich funktional gutem) Lesegerät kommt. Aber m.E. wird dann aus 2013/14 allenfalls 2012/13


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


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    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von Horst Dieter
    [quote]Original von Monika


    http://twitter.com/mo_books


    geht mal auf die Seite- eine Schule hat schon seine Lesegeräte...


    Wie war das doch noch mit der »einen« Schwalbe? ::::::aus manchen Schwalben werden zwei oder viele.


    Mir liegt eine Studie vor, die besagt, dass erst 2013/14 mit einer guten Verbreitung von Lesegeräten zu rechnen ist :::::::::::::::::::::::::::::::::::::könntest du die mir gütigerweise zumailen?


    :anbet Monika

  • Liebe Monika,


    hab vielen Dank!


    Wenn man überlegt, wie lange es dauert, bis neue Medien sich durchsetzen, ist eine Prognose von drei bis vier Jahren sogar ziemlich kurzfristig gedacht. Auf breiter Basis denke ich, dass wir eher über mindestens fünf Jahre sprechen. Die sind aber auch schnell vorbei.


    Zu Asus, Amazon und Google habe ich hier letzte Woche etwas geschrieben (sozusagen die Fortsetzung aus einer anderen Perspektive):


    Das E-Book und die Jagd nach dem verlorenen Büchern.


    :blume
    Marcel