Perspektivenfrage

  • Liebe kundige 42er-Forum-Autoren,


    Perspektiven sind ja was Feines, eigentlich mein Lieblingsthema, aber jetzt komme ich grade selber nicht mehr klar damit.
    Folgendes Problem: Ich habe eine Protagonistin und einen Protagonisten, alles ist aus ihrer Sicht erzählt, in dritter Person und Präteritum. Die beiden führen Gespräche, das heißt, sie treffen sich, um miteinander zu reden (keine Sorge, die Geschichte ist definitiv spannender, als jetzt vermutet 8)).
    So spricht also er immer in direkter Rede. Und sie interpretiert und reflektiert.
    So weit so gut, das soll eigentlich so sein.


    Aber nach weit mehr als 100 Seiten wird das doch etwas anstrengend, zumal die direkte Rede ja immer dem Verdacht des Trivialen ausgesetzt ist. Und immer wieder ertappe ich mich dabei, dass ich gerne auch in seine Perspektive wechseln würde, aber das geht aus dramaturgischen Gründen wirklich gar nicht.


    Deshalb meine Frage an euch: gibt es noch andere Möglichkeiten, ab und zu seine Sicht zu zeigen, ohne die Perspektive zu wechseln, außer eben die direkte Rede - auch der Wechsel zur indirekten Rede klappt eigentlich nicht - und ihre Sicht auf das Ganze?


    Über Tipps, vielleicht auch Hinweise aus der Literatur, und Anregungen würde ich mich freuen.


    Nächtliche Grüße
    Ingrid

  • Ich persönlich ziehe eine konsequente personale Erzählhaltung (Perspektive ist was anderes, nämlich Innen- oder Außensicht!) der auktorialen oder dem beliebten Head-jumping um Längen vor und habe das bislang jedesmal so gehalten. Drei Romane sind durchgängig aus der Sicht einer Person geschrieben, in einem Roman gibt es zwei Personen, deren Sicht im Wechsel, aber jeweils über längere Passagen durchgängig geschildert wird.


    Neben der wörtlichen Rede und der Reflexion gibt es eine Vielzahl von außen erkennbarer Signale, die einiges über das Innenleben einer Person verraten. :zwinker


    Davon ab halte ich es überhaupt nicht für sinnvoll oder gar "spannungssteigernd", den Leser mehr wissen zu lassen als für den Augenblick unbedingt notwendig.


    Noch was: Wörtliche Rede gilt keineswegs als "trivial". Diese Behauptung gehört zu den Totschlagsargumenten aus der Apologetik der "Unterhaltungsliteratur".

  • Hallo Ingrid,


    verrate doch noch ein kleines bisschen mehr über Dein Romanprojekt. Kommen nur diese beiden Personen in der Geschichte vor? Was für ein Text wird das, psychologisch ausgerichtet? Müssen seine Reaktionen während des Gesprächs erkennbar sein?


    Die Möglichkeiten, die Du hättest, hängen meiner Ansicht nach auch von diesen "Rahmenbedingungen" ab.


    Liebe Grüße
    Anja

  • Zitat

    Aber nach weit mehr als 100 Seiten wird das doch etwas anstrengend


    Ach was? Nach über einhundert Seiten Dia- oder eher Monolog wird es für Dich etwas anstrengend? 8o Auch schon mal an den Leser gedacht? :P Wenn Du das Gefühl hast, da stimmt was nicht und das Schreiben wird über Gebühr anstrengend, dann stimmt etwas mit dem Manuskript nicht. :achsel

  • Danke für eure Antworten. Jetzt seh ich schon wieder viel klarer.


    @Iris:

    Zitat

    Noch was: Wörtliche Rede gilt keineswegs als "trivial". Diese Behauptung gehört zu den Totschlagsargumenten aus der Apologetik der "Unterhaltungsliteratur".


    Danke v.a. dafür, das beruhigt und zeigt mir, dass ich einfach sehr genau mit dem Mittel umgehen muss.


    Zitat

    gibt es eine Vielzahl von außen erkennbarer Signale, die einiges über das Innenleben einer Person verraten. :zwinker


    Ja, klar.


    Zitat

    zwei Personen, deren Sicht im Wechsel, aber jeweils über längere Passagen durchgängig geschildert wird.


    Das wäre natürlich eine elegante Möglichkeit, aber die kommt für mich eben nicht in Frage.


    Anja:

    Zitat

    Kommen nur diese beiden Personen in der Geschichte vor?


    Ja. Und es geht vor allem darum herauszufinden, wer und was dieser Mann ist.


    @Rocker:

    Zitat

    Wenn Du das Gefühl hast, da stimmt was nicht und das Schreiben wird über Gebühr anstrengend, dann stimmt etwas mit dem Manuskript nicht. :achsel

    :achsel:achsel:achsel :achsel:achsel:achsel:achsel:achsel:achsel:achsel:achsel


    Dann werde ich mich also weiter in den Tunnel der Dame begeben - man soll ja gar nicht wissen, was er wirklich denkt ;)! Das ist mir jetzt wieder ganz klar geworden.


    Danke euch also fürs Zuhören und Mitdenken!
    Ingrid

  • Zitat

    Original von Ingrid
    Und es geht vor allem darum herauszufinden, wer und was dieser Mann ist.


    Genau dann sollten die Hinweise wohl dosiert sein. :zwinker
    Ansonsten erfährt der Leser m.A.n. zu viel zu früh.


    Ich verweise als Beispiel mal auf John Le Carrés Roman Absolute Freunde:

    ASIN/ISBN: 3548605478

  • Hi Ingrid,


    klingt interessant, dein Projekt. Ich tät mich anschließen - gerade in diesem Fall kann sicher das Minimum an Infos spannend sein; und über Beschreibungen von Worten, Gesten, Mimik kann man ja schon einiges machen. :zwinker
    Und die Sache mit der direkten Rede, pöh, denk einfach nicht dran. Solcherlei Generalverdacht fördert bloß Blockaden.


    Zitat

    Original von Ingrid
    immer wieder ertappe ich mich dabei, dass ich gerne auch in seine Perspektive wechseln würde


    ... Ich glaub, dass das ganz normal ist. Mir geht meine gewählte Erzählperspektive schon nach weniger als 100 Seiten auf die Nerven. :D


    Sonnige Grüße, Berit

    Frau: "Warum müssen Frauen immer still sein?"
    Mann: "Weil sie dann länger schön bleiben."
    (Der Hexer, 1964)

  • Zitat

    Original von Berit
    Mir geht meine gewählte Erzählperspektive schon nach weniger als 100 Seiten auf die Nerven. :D


    Das ist wirklich beruhigend, danke, Berit!
    Bei Kurzgeschichten neige ich dazu, einfach parallel eine neue Geschichte zu schreiben, sogar bei einem Theaterstück habe ich das mal ausprobiert, aber bei dem jetzigen Projekt würde mich das doch eher überfordern. Da gilt also: Disziplin.
    Gruß
    Ingrid