Hallo Alexandra,
ich glaube, der grundsätzliche Irrtum besteht darin, dass für uns Normalbürger die (sicher verkürzt wiedergegebene) Mitteilung des Staatsanwalts so klingt, als wolle er was „Schönreden“.
Aber er denkt wohl von einer anderen Seite her: Mit dem Urteil Mord muss zwingend die lebenslange Freiheitsstrafe ausgesprochen werden, und deshalb darf – um die Verfassungsmäßigkeit dieses Strafmaßes zu gewährleisten - dieses Urteil nur in wirklich besonders verwerflichen Tötungsfällen ausgesprochen werden. Und diese sind dann eben in den schon genannten Punkten wie z.B. Heimtücke geregelt. Es ist ja nicht nur die Tötung argloser Babys, die u.U. juristisch nicht als Mord gewertet wird.
Was ich wiederum einen sehr interessanten Aspekt finde, dass das deutsche Strafgesetz sehr vorsichtig mit dem endgültigen Entzug der Freiheit umgeht. Und einen großen Gewinn unserer Gesellschaft. Wir haben eine Straf-, keine Rachejustiz.Mal abgesehen davon, dass sich die wenigsten Gewalttäter vorab Gedanken um das Strafmaß machen ;-).
Übrigens ist das, was in der Zeitung steht, ja nur einmal die Begründung für den Haftbeschluss. Da muss erst noch Anklage erhoben, diese dann schriftlich formuliert, vom Gericht zum Prozess angenommen und auf Grund der Anklageschrift der Prozess geführt werden. Und in der Zwischenzeit muss einiges ermittelt werden, z.B. das Tatmotiv – woraus sich u.U. neue Punkte für Mord bzw. Totschlag ergeben können. Somit kann die Anklage anders lauten als die ursprüngliche Begründung des Haftbefehls. Man könnte auch sagen: Der Staatsanwalt hat erst einmal gesichert, dass Anklage auf Mord erhoben werden kann, ausdifferenzieren (z.B. dahingehend, dass es noch andere Gründe für das Mordmerkmal bei den Babys gibt) kann er das erst, wenn die Umstände der Tötungen genauer ermittelt wurden.
Und auch die Richter können zu anderen Schlüssen kommen als die Staatsanwaltschaft – in die eine und in die andere Richtung, denn sie sind ja nicht die Ankläger, sondern die unabhängige Instanz über Anklage und Verteidigung.
Jedenfalls hast du es geschafft, dass ich mich wieder mal mit einem Gerichtsfall beschäftigen werde, falls ich es bis zum (ziemlich sicher stattfindenden) Prozess nicht vergessen haben werde ;-).
Viele Grüße,
Ingrid