Bruno Preisendörfer: Die letzte Zigarette

  • Es gibt sie noch, die neuen deutschen Autoren, die ohne verkopfte Metaphernlawinen (Juli Zeh) oder larmoyante Naseweisereien (Sven Regener) auskommen! Feuerzeug, Aschenbecher und Kippen bereitgelegt, hier ist Bruno Preisendörfer mit seinem witzigen, lakonischen und originellen Debüt: "Die letzte Zigarette".


    Sein Held ist um die vierzig, Raucher, Journalist, Ex-Ehemann von "Kreta", Ex-Liebhaber von Paula, Anne, Philine und einigen anderen. Er würde so gerne Schriftsteller sein, und er würde so gerne mit dem Rauchen aufhören, und er hätte Kreta so gerne zurück. Doch seine Biographie des Suchtmittel-Namensgebers Jean Nicot kommt nicht voran, das mit den Kippen ist überhaupt so eine Sache, und Kreta redet nicht mehr mit ihm.


    Neben kulturgeschichtlichen Hintergründen, beziehungstechnischer Vergangenheitsbewältigung und suchtbedingter Selbsttherapie bietet "Die letzte Zigarette" intelligenten Sprachwitz, überraschende Ansichten und das eine oder andere Plädoyer für Toleranz, Genuß und Abhängigkeit. Der Leser wird direkt einbezogen, angeredet und auch ein bißchen drangsaliert, denn beim Lesen rauchen darf man nur, wenn das entsprechende Symbol erscheint: --- ~.


    Eine wunderschöne Liebesgeschichte und -erklärung, amüsant, unkonventionell und toll erzählt. Bravo! Und die eingefügte Rezension über Rauchentwöhnungsbücher ist einfach großartig.


    ASIN/ISBN: 3821807768

  • :D Habe es inzwischen auch gelesen, ohne Deine Rezension vorher angeschaut zu haben (extra, weil ich mir das Buch eh kaufen wollte und am liebsten völlig unvoreingenommen dran gehe). Deine Rezension ist super, appetitanregend - aber.


    Ui, ich war doch glatt Nichtraucher, bevor ich das Buch gelesen habe (reiner Zufall). Es ist wirlich sehr amüsant, die "Liebesgeschichte", die auf dem Klappentext angepriesen wird, finde ich super rübergebracht, und das Raucherproblem ist auch Klasse niedergeschrieben. Aber ehrlich gesagt: Ich wollte schon länger mit dem Rauchen aufhören und ich bin froh, dass ich es vor der Lektüre des Buches getan habe (übrigens für immer und übrigens mit einem dieser Bücher zum Rauchenaufhören - man glaubt nicht, wie gut das klappt). Das soll jetzt nicht heißen, dass Raucher das Buch nicht lesen sollen. Es ist eine persönliche Erfahrung :D, ich hätte mich nur soooooo schlecht gefühlt, immer auf die blöden Raucherzeichen warten zu müssen :wow.


    Nein, Spaß beiseite, die Abteilung Romanze meistert Preisendörfer wirklich super. Das mit dem Rauchen ist halt irgendwie mühselig, am Anfang hat es etwas Angestrengtes, bevor der Noch-Raucher-Leser angestrengt wird und der Nicht-Mehr-Raucher-Leser sich selbstgefällig zurücklehnt (klar, dass der Niemals-Nicht-Raucher-Leser das Buch eh nicht verstehen kann, jedenfalls mehr als die Hälfte nicht).


    Naja, letztendlich denkt man als (Ex)Raucher nur: Warum bin ich nicht auf diese Idee gekommen (Und das allein zeigt schon, wie gut das Buch ist).


    Grüße,
    Karen

    Fiction has to be realistic, unlike real life.
    Ian Rankin

  • hm, ich bin nun durch damit und findet es nicht hundertprozentig gut, naja, ich bin ja auch nichtraucher und möchte damit erst im alter von 70 anfangen, aber wahrscheinlich dann mit pfeife.


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    "Die letzte Zigarette" teilt sich in drei Abschnitte: Im ersten Teil beschreibt der Ich-Erzähler all seine Ex-Freundinnen anhand ihrer Rauchgewohnheiten. Diesem Abschnitt merkt man recht deutlich an, dass der Autor Bruno Preisendörfer lange für Zeitschriften geschrieben hat, denn es liest sich wie eine Serie von Essays, die locker zusammenhängen.


    Der zweite und längste Teil des Buches erzählt von der Ehe mit Kreta und ihrem Scheitern, sowie einem ebenso erfolglosen Romanprojekt, einem historischen Roman, in dem es ebenso ums Rauchen geht. Dieser Unterroman ist schön in die Haupthandlung eingebunden, auch die Sprache gefällt mir, wobei Preisendörfer manchmal durch seine äußerst flüssige Schreibweise manchmal ins Schwafeln gerät.


    Im letzten Teil geht es hauptsächlich um die Geliebte Paula, die Anlass für der Trennung von Kreta war, sowie um Versuche mit dem Rauchen aufzuhören. Dieses Kernproblem wird übrigens wunderbar in dem Lied "Meine letzte Zigarette" von "Ruth Händle" besungen und behustet. Immer wieder störend, da albern fand ich bei Preisendörfer die häufige direkte Anrede, z.B. an den "verehrten rauchenden Leser", die von Eichborn überflüssigerweise noch groß und fett gedruckt wurde, was eindeutig unter dem hohen Niveau Preisendörfers ist.


    Das Buch "Die letzte Zigarette" ist ein sehr kluger, liebevoll geschriebener Roman, der mich allerdings nicht hundertprozentig gepackt hat. Vielleicht liegt's daran, dass ich Nichtraucher bin. Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass dem Roman der große Spannungsbogen fehlt, weil schnell klar wird, dass die Ehe mit Kreta scheitert und ebensowenig überrascht, dass alle Aufhörversuche zum Scheitern verurteilt sind.

  • Mir hat das Buch weniger gut gefallen.


    Vielleicht liegt es daran, dass ich selbst nicht (mehr) rauche – so perfekt und professionell das Buch auch geschrieben ist, ich komme nicht rein.
    Bruno Preisendörfer schreibt gut, sicher.
    Stilistisch und sprachlich perlt die Geschichte wie Kohlensäure im Sprudel (oder war es Sekt?).
    Aber es zieht mich einfach nicht rein.
    Auch die direkte Anrede des Lesers finde ich nicht so gut. Das ist Geschmacksache, selbstverständlich.
    Was Preisendörfer alles über den Tabakkonsum weiß, ist beachtlich, und er bringt es auch gekonnt an den Mann oder die Frau, wie man/frau es nimmt. So Manches davon kenne ich nur zu gut. Auch noch nach 20 Jahren.


    Es ist auch sehr nett, wie der Autor den Autor und Erzähler in der Ich-Perspektive über seine zahlreichen Beziehungen reden lässt. Keine der Frauen, so unterschiedlich auch ihr Rauchverhalten ist, kommt bei ihm schlecht weg.


    Teilweise nimmt der Text satirische Formen an.
    Das Leid des Rauchers wird das Leid des Lesers. Aber er schweift in und mit seinem Text immer ab.


    Preisendörfer beschreibt den Entzug so eindringlich, dass der rauchende Leser nicht umhin kommt, sich in den dafür vorgesehenen Zigarettenpausen, sich erst einmal der Sehnsucht nach einem glimmenden Stängel bewusst, eine anzustecken.


    Im zweiten Teil des Buches ist viel von seiner großen Liebe die Rede.
    Und von Jean Nicot.
    Über den möchte der Erzähler gerne einen historischen Roman schreiben.
    Dieser Part hat sich gut und unterhaltsam lesen lassen.
    Hier, in diesem Teil des Buches, nerven weder immer wieder neue Namen von Zigarettenmarken noch von Frauen; vielleicht auch Gewöhnungssache.
    Anzumerken sei vielleicht noch, dass Passagen, wie die über den Marlboromann nun nicht wirklich so neu sind.


    Schließlich ist Teil drei des Buches dem Aufhören gewidmet. Der Protagonist will „aufhören anzufangen“. Er will endlich sein Buch schreiben, will endlich nicht andauernd anfangen mit dem Rauchen aufzuhören.


    Mir kommt der Protagonist recht oberflächlich vor. Ich kann keine Beziehung zu ihm aufbauen.
    Obwohl Rauchgewohnheiten viel über einen Charakter aussagen sollen, bleibt er für mich doch ziemlich ungezeichnet.
    Da ist seine Studentenzeit, in der wir von ihm selbst eigentlich wenig erfahren, mehr über die Frauen, mit denen er zusammen ist; und sein Verhältnis zum Nikotin.
    Das ist auch das Thema des Buches. Schön. Von seiner Familie erfahren wir nichts. Noch erfahren wir wohin er geht, als er sich von seiner ihm angetrauten Frau trennt. Wir erfahren nicht wie er lebt.
    Er arbeitet bei der Zeitung und wieder erfahren wir mehr über das Haus und die darin Beschäftigten, als über ihn.
    Seine Abstecher sind amüsant, aber es sind Abstecher. Und die Geschichte selbst ließe sich mit ein paar Worten erzählen, würden aber kein Buch ergeben, weil die Geschichte gar keine richtige Geschichte ist. Es ist ein Rahmen, an dem alles andere angehängt ist.