LiteraturPARKours Rauischholzhausen 18.06.2006

  • Auszüge aus meinem kleinen Reisetagebuch:


    Sonntag, 18. Juni
    Eine unruhige Nacht, durchsetzt mit Albträumen von über mir zusammenbrechenden Duschvorhängen, nahm sehr früh ein jähes Ende. Unbarmherzig dröhnt die Stimme Heikes, einem Kerkermeister gleich, in den Alkoven hinein. "Aufwachen!"


    Mein Mund ist trocken, selbst nach dem Zähneputzen. Keinen Ton werde ich herausbringen. Was tue ich hier eigentlich?


    Das Schloßgelände ist malerisch schön. Eine gemäldegleiche Impression in der ich wie eine Comicfigur wirke - andere auch. Gott sei Dank.


    11.30 Uhr, Susanne ist nicht da. Was habe ich jetzt nur für einen Durst? Ich soll jetzt als Erster lesen. Susanne, was habe ich Dir nur getan? Keinen Ton werde ich herausbringen. Ach herrje, ein Mikrofon.


    11.31 Uhr, unter den wachen Augen der angereisten 42er und Büchereulen stolpere ich durch meinen Text. Furchtbar.


    11.44 Uhr, ist das so etwas wie Beifall? Wahrscheinlich Mitleid mit der Comicfigur da vorne, die wie ich aussieht.


    Alles in allem ein toller Tag. Am 42er-Stand war richtig was los und es blieb immer noch genug Zeit für jede Menge Plaudereien. Hoffentlich wird die Veranstaltung nächstes Jahr wiederholt und ein paar mehr 42er finden sich dazu ein. Ihr habt echt was verpasst.


    Gruss,


    Bernd

    "Der erfolgreiche Abschluss infamer Aktionen steigert Ihren Bekanntheitsgrad, was für Ihren Feldzug zur absoluten Weltherrschaft unglaublich wichtig ist." (aus dem Benutzerhandbuch des PC-Spiels Evil Genius)

  • liebe gemeinde,


    bin noch etwas zerknatscht zurück im büro, das ist bei mit aber immer so am tag nach einer langen zugfahrt.


    war eine wunderschöne veranstaltung, in aller gebotenen bescheidenheit kann ich sagen, dass wir den 42ern ehre bereitet haben. das sage ich unabhängig von der qualität dessen, was sonst zum teil so vorgelesen wurde.


    bernd zb hat ein hervorragendes lese-debüt gegeben, sehr sonor und schön betont, harry rowohlt hätte bestimmt freude daran gehabt.


    diese veranstaltung sollte unbedingt wiederholt werden, am besten mit noch mehr publikum und tischen, am besten vor der großen tribüne auf dem schlossplatz (aber die war wohl nur für der name der rose nächste woche aufegbaut).


    viele grüße,
    michael

  • Ich habe das Album um einige weitere Fotos ergänzt. Außerdem gibt es zwei kurze, stark verwackelte Videos von Bernd und Iris. Wer die sehen will, muß mir eine PN schreiben.


    War ein toller Tag. Göttliches Wetter, sehr angenehmes Ambiente. Schade, daß die Pavillons so zerstreut angeordnet waren, daß die Autorengruppen sich vor allem selbst zuhörten und sofort gingen, wenn andere drankamen, daß es keine Kaffeebecher gab und als Speise nur Kuchen. Ansonsten hat das wirklich großen Spaß gemacht, trotz des vergleichsweise hohen Altersdurchschnitts des Publikums. Die 42er haben sich gut verkauft, was Vortrag und - vor allem - Inhalte anbetrifft; was einige der anderen so gelesen haben, war teilweise ziemlich ulkig.
    Superschön, daß eine Fankurve von den Büchereulen angereist war.
    Schöne Sache, das. Hat sich gelohnt. :)

  • So, etwas ausführlicherer Bericht.


    Ich bin am Samstag gen Mittag losgefahren, bei meiner ersten Pause irgendwo südlich von Hannover zeigte das Thermometer ganze 15° an; es kam mir bitterkalt vor. Gegen vier Uhr nachmittags war ich in Marburg, da waren über 24°; ich hatte den Bauch voller BiFis und Kaffee und labbrigem Mineralwasser. Deshalb - vermute ich jedenfalls - war an Schlaf auch nicht wirklich zu denken (die Nacht zuvor war ziemlich kurz gewesen), aber wir waren ja ohnehin für 19.00 Uhr in der "Sonne" verarbredet. Michael Höfler, Heike Wolf, Bernd Diehl, Helmut Kammerer, Silke Porath und Susanne Gerdom trafen nach und nach ein, einige nebst Lebensgefährten, Iris Kammerer folgte später am Abend, direkt von der Arbeit an Historischem kommend. Wir futterten Ulmer Schnitzel oder grünschillernden Schafskäse und unterhielten uns in der Hauptsache über das originelle (wahrscheinlich aber überaus praktische*) Kotzbecken im Männerklo (siehe Foto in der Galerie). Der Abend endete vergleichsweise früh (nämlich vor Mitternacht); einige nächtigten in Marburg, andere vor Ort in Rauischholzhausen (nach Gerdom'scher Fahrweise etwa zwei Stunden von Marburg entfernt, mit Unterstützung meines Nawwies hat's 'ne Viertelstunde gedauert).


    Der Schloßpark beherrscht ein pittoreskes Anwesen, in dessen Mitte, auf einem Hügel, das namensgebende Schlößchen steht - erbaut 1870 von einem Waffenfabrikanten, wenn ich richtig gelauscht habe. Leider ist dieser Veranstaltungsort so beliebt, daß sich die Veranstalter gegenseitig in die Quere kommen. Im Schloßhof stand nämlich bereits die Tribüne für die demnächst stattfindende Aufführung von "Der Name der Rose", und deshalb konnten die insgesamt 7 Pavillons des LiteraturPARKours nicht dort aufgebaut werden, sondern am Randes des Weges, der um den See herumführt. Machte aber nichts - Wetter und Ambiente waren so herrlich, daß sicher auch niemand was dagegen gehabt hätte, wäre die Veranstaltung auf 15 Minuten eingedampft und auf die Liegewiese verlegt worden. Immerhin, dann hätte man eine Menge verpaßt.
    Fünf der sieben Pavillons wurden von den verschiedenen Autorengruppen besetzt, darunter die 42er, außerdem eine Seniorengruppe, Leute von der VHS und andere. Insgesamt waren angeblich fast 70 Autoren vor Ort. Allerdings fürchteten wir, als wir gegen elf den Stand liebevoll dekoriert und den Büchertisch dreißig Mal umsortiert hatten, unter uns zu bleiben. Falsch gefürchtet.
    Bereits zur Eröffnung an der "Speaker's Corner" füllten sich die heugepolsterten Ränge, und auch die Eulen-Fankurve traf rechtzeitig ein. Aus den üblichen Ansprachen (und den Entschuldigungen dafür, daß der zuständige Landrat lieber zum Feuerwehrfest gegangen ist) stach die Rede des GroVo Helmut Kammerer eindeutig hervor. Nach ausgiebigem Applaus zog die Gruppe zu Pavillon eins, wo die 42er den Lesereigen eröffneten. Eigentlich sollte das durch Susanne Gerdom erfolgen, aber die malte noch ihre eigene Landkarte, was Bernd Diehl das selige Vergnügen verschaffte, als Debütant auch noch zuerst lesen zu müssen. Das hat er bravourös gemeistert; seine liebevolle Adoleszenz-Geschichte "Karins Busen" paßte auch ziemlich gut zu Wetter und Ambiente - eine sympathische Sache. Es folgte Helmut mit stimmig vorgetragener Lürik, dann verpaßte ich den etwa 40 Zuhörern die "30 Biere" aus "Idiotentest", anschließend las Michael Höfler seine originellen Gedichte. Silke Porath folgte mit einem überaus professionellen Vortrag aus "Gottes Weber", und die schließlich doch noch eingetroffene (inzwischen von Falk unter Vertrag genommene) Susanne Gerdom schloß diese Runde mit dem Prolog aus "Nebelkönig". Susanne liest einfach vortrefflich.
    Dem anschließend vortragenden PoetrySlam raubten wir ungefähr ein Viertel des Publikums, jedenfalls des örtlichen - die Jungs waren so laut, daß man es überall im Park hören konnte, auch ohne am Pavillon zu sitzen.


    Zwischenzeitlich am Stand beantworteten wir immer wieder die Frage, was der Name "42erAutoren" zu bedeuten hat, redeten mit Aufnahmeintressierten und potentiellen Lesern. Der Park war zwar nicht überfüllt, aber die schätzungsweise zwei- oder dreihundert Gäste waren wenigstens sehr interessiert.


    Die zweite Leserunde fand am Schloß in Pavillon sieben statt. Die Gruppe, die vor uns auftrat, überzog, und zwar in beiden Bedeutungen des Wortes. Jesus. Betroffenheitslürik und brachial komische Schüttelreime. Das hielt die mitgebrachten Familienmitglieder aber nicht davon ab, juchzend zu applaudieren.


    Die zweite Runde eröffnete Silke mit einem weiteren Auszug aus "Gottes Weber", den sie mit den Worten "Bin ich fertig?" schloß, gerichtet an unserer GroVo, der uhrenarmschüttelnd und sonstige Gesten fabrizierend darauf hinzuweisen versuchte, daß ihr Beitrag bitte zu enden habe. Interessanterweise paßten diese Schlußworte an den Text. Anschließend las Heike Wolf den Prolog eines Textes, der sich in Arbeit befindet. Auch ein sehr sympathischer Vortrag. Iris Kammerer bildete eigentlich den Schlußpunkt dieser Runde - mit einem Auszug aus "Der Tribun" (extrem solide!). Da noch etwas Zeit war, schubste ich den Prolog aus "Idiotentest" hinterher. Das war auch eine sehr schöne Leserunde.


    Anschließend mußte ich leider ins Auto springen; Nawwie führte mich zielsicher an den Staus auf A4 und A2 vorbei, so daß ich nach knapp 5 Stunden in der heimatlichen Hauptstadt aufschlug.


    Fazit: Eine wirklich zauberhafte Veranstaltung, der man mehr Publikum wünschen würde. Supernette Gespräche, amüsierte Zuhörer und ein Wetter wie aus dem Bilderbuch. Schön! :anbet



    (* vorausgesetzt, man denkt im Notfall daran, daß es diese Einrichtung gibt)

  • :rofl :rofl


    Ich plane jetzt ein neues Buch. "Die Kartographin".
    Wahlweise auch "Die Forschungsreisende".


    Danke für den hinreißenden Bericht!


    (N.B.: Tom übertreibt nicht die Bohne. Ich war schon halbwegs in Erfurt, als uns endlich jemand per Handy in den Schlosspark lotste ...
    Navi steht jetzt definitiv auf dem Einkaufszettel.)


  • Vorsichtige Nachfrage: Wie hast du denn nach Marburg gefunden?


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von Horst Dieter
    Vorsichtige Nachfrage: Wie hast du denn nach Marburg gefunden?


    Für die 225 Km haben wir dann auch nicht viel länger gebraucht. War ganz einfach. Falk Routenplaner.
    Der hat aber kläglich versagt, als es um die vierzehn km nach Rauischholzhausen ging - und nach ihm dann eine Reihe sehr netter Eingeborener, die uns zielsicher in die Karpaten geschickt haben. Wahrscheinlich alles Angehörige des hessischen Tourismusverbandes, die uns ein wenig von der wirklich malerischen Gegend zeigen wollten.
    Und unser Autoatlas war bei der Identifizierung von zwei-Haus-Dörfern, durch die wir gerade gondelten, auch nicht wirklich hilfreich.
    Irgendwann hab ich überlegt, ab jetzt einfach nur noch geradeaus zu fahren, so lange, bis wir auf eine etwas größere Stadt treffen (Gießen oder Kassel oder meinetwegen Erfurt) und dann nix wie auf die nächste Autobahn nach Düsseldorf ... Mein Bedarf an Autokilometern war für den Tag jedenfalls reichlich gedeckt. (Und die Lesungen der anderen hab ich auch noch verpasst, das war das Schlimmste daran!)

  • Zitat

    Original von Tom
    So, etwas ausführlicherer Bericht.


    Etwas??? :wow
    Aber große Klasse!


    Infos zum Schloß gibt's z.B. hier!
    Es ist wirklich ein begehrter Platz für Festlichkeiten aller Art. Heike überlegt ja auch schon, ihre Hochzeit dahinzuverlegen!


    Zitat

    Original von Gerdom
    Und unser Autoatlas war bei der Identifizierung von zwei-Haus-Dörfern, durch die wir gerade gondelten, auch nicht wirklich hilfreich.


    Immer Maßstab 1 : 200.000 nehmen, da ist dann jede Milchkanne drin verzeichnet, was, selbst wenn man viel blättern muß, viel Rätselraten spart.


    Nicht nur als topographischer Depp sollte man Navi und Atlas dabeihaben! Auch der beste Navi kann irren! =)

  • Zitat

    Auch der beste Navi kann irren!


    Ute* wußte auf dem Weg nach Rauischdingens manchmal auch nicht, wo ich gerade entlangfahre - und meldete: "Off Road". Aber das machte nichts, ich habe ja einen Geländewagen. 8)


    (Mein Nawwie heißt Ute, weil es nach der Zieleingabe immer sagt: Ute ist berechnend (oder sowas)).

  • Hallo Ihr lieben alle!
    Bin leider etwas kränklich, deshalb nur ganz kurz: es war hamerschön und wir kommen wieder, wenn wir dürfen! Dann mit der ganzen Family =) - und liebe Grüße allen, die ich mal (wieder) persönlich sehen konnte, es war wuuuunderschöööööön! Aber sowas von!
    Und großen Dank übrigens an die Organisatoren. Chapeau!!!