Christian Kracht: Eurotrash

  • Egal


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    Ein nicht mehr junger Mann namens Christian Kracht, der vor dreißig Jahren als Autor des Romans „Faserland“ eine gewisse Bekanntheit erreichte und seither zu den enfants terribles der westeuropäischen Kulturszene zählt, unternimmt mit seiner achtzig Jahre alten Mutter eine Reise durch die Schweiz. Die kurze, zähe und nicht sehr ereignisreiche Erzählung, deren Hauptfigur auf seltsame Weise der Taxifahrer zu sein scheint, der die beiden meistens chauffiert, besteht im Kern aus Dialogen zwischen Mutter und Sohn, aus Erinnerungen und aus Schweiz-Bashing. Die Dialoge sind insofern interessant, dass sich der Sohn darin generös als der Mutter unterlegen zeigt, der er Klugheit, Scharfblick und sogar parapsychische Eigenschaften zugesteht, während sich der erzählende Nachwuchs ganz im Understatement, sogar in der Selbstverleugnung sonnt. Die Erinnerungen reflektieren Kriegs- und Nachkriegsgeschichte – und insbesondere die Verflechtungen der eigenen, schwerreichen Familie in dieselbe. Es geht um Kunst und Kultur und Gewinnlerei, um Beziehungen, Status und Häuser überall auf der Welt. Ja, und dann ist da noch das Schweiz-Bashing. Das fällt in eine ähnliche Kategorie wie Karikaturen von Lothar Matthäus, hat also pleonastische Züge. Und über allem schwebt diese kluge, zwanghaft lässige, extrem punktuell kenntnisreiche, aber im Wortsinn asoziale, distanzierte und distanzierende, ich-erzählende Stimme, die es darauf anlegt, dass man ihr unaufhörlich nachhaltig in den Gesäßbereich treten möchte, wofür man durch die Lektüre aber zu ermüdet ist.


    Literarisch und erzählerisch ist „Eurotrash“ vollständig uninteressant, ganz und gar belanglos, versinkt in der larmoyanten Selbstreferenz, verweigert sich allem und gibt sich betont breteastonellisesk, aber die coole und deshalb umso mehr als absichtsvoll erkennbare Provokation verpufft darin. Dieses „Faserland II“ ist, wie fast alle Fortsetzungen und Sequels, Merchandising - für die noch nicht verstorbenen Fans des frühen Kracht, für diejenigen, die nach wie vor an das Phänomen „Popliteratur“ glauben, für ehemalige „Tempo“-Leser. Für alle anderen ist dieses im Wortsinn nichtssagende Büchlein höchstens dann unterhaltsam, wenn sich Kracht als Kehlmann ausgibt oder wenn der Taxifahrer aktiv wird, und sei es als potentieller Protokollant der Ereignisse. Beides geschieht jedoch lediglich homöopathisch.


    Das titelgebende Adjektiv fasst nicht nur zusammen, was dieses Buch in und mit mir ausgelöst hat, sondern auch, was, so unterstelle ich, im Autor vorging, als er es geschrieben hat, an einem Wochenende im Chalet. Dieses Urteil relativiert lediglich die Schlussszene, die beinahe Qualitäten hat.


    „Faserland“ war zu seiner Zeit eine Studie über Teile einer Generation, ein Puzzle, das eine Landkarte ohne Beschriftungen ergab, ein Versuch der Positionierung. „Eurotrash“ ist wie der abgenutzte Deckel des Kartons, in dem dieses Puzzle aufgehoben wird – unansehnlich, von geringer Bedeutung und eigentlich: Egal.

    ASIN/ISBN: 3462050834