Gendern in der Sprache

  • Wenn man bedenkt, dass weit über 90 Prozent aller kriminellen Taten von Männern begangen werden, müsste es besser der Kriminalität heißen, als die Kriminalität. :evil

  • Ich höre gerade, dass der Artikel nicht öffentlich zugänglich ist, daher referiere ich zwei Argumente, die Eisenberg gegen das Gendern anführt.
    Wörter wie Bäcker, Läufer, Lehrer, Denker etc. wurden aus den Verben backen, laufen, lehren, denken etc. durch Hinzufügung des er-Suffix gebildet. Eisenberg sagt nun, dass die so gebildeten Substantive aufgrund dieser spezifischen Entstehungsweise das generische Maskulinum haben (wie unangefochten auch Öffner, Bohrer, Summer etc.). Mit einem anderen Wort: Die er-Substantive sind Worte der höchsten Allgemeinheitsstufe, die alles (Geschlechts-) Spezifische miteinfasst (also auch "weiß", "schwarz", "blond", "muslimisch" etc. etc.). Erst durch Hinzufügung einer weiteren Endung (zum Beispiel des in-Suffix) findet eine Besonderung statt und wird zum Beispiel mit dem weiblichen Genus auch der weibliche Sexus benannt. Aufgrund dieser Suffix-Bauweise der Substantive sind die -er und -erin-Endungen nicht beliebig vertauschbar, weil sie eben unterschiedliche Abstraktionsgrade benennen.
    Außerdem entsprechen die Paarformeln wie zum Beispiel "Bürgerinnen und Bürger", "Studentinnen und Studenten" nicht den Gesetzen unserer Sprache, weil in den Formeln immer zuerst die kurze und dann die längere Form üblich ist: "bang und bänger", "bete und arbeite" etc.
    Worauf Eisenberg hinaus will: Wenn man in unsere Sprache eingreifen und sie "verbessern" will, dann sollte man die Erweiterungen in Rücksicht auf die Gesetzmäßigkeiten des Systems Sprache machen und nicht auf der Grundlage von vielleicht spontan einleuchtenden "Thesen" in sie hineinpfuschen.

    ASIN/ISBN: 395494104X


    "schönheit ist das versprechen, daß das werden kann, was wir uns wünschen." (Ronald M. Schernikau: Die Tage in L.)

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  • Wenn man bedenkt, dass weit über 90 Prozent aller kriminellen Taten von Männern begangen werden, müsste es besser der Kriminalität heißen, als die Kriminalität. :evil


    Und weil Männer auch Freude, Trauer empfinden und die Sonne mögen, sollte es auch der Freude, der Trauer und der Sonne heißen. Und weil sie (nein: er!) auch Menschen sind, heißt der Plural ab sofort: der Menschen. ")"

  • Der Gendersport ist für mich ein Lifestyle-Thema für den Phililogen-Salon. Taugt aber gut zum Warmmachen der rhetorischen Muskulatur, dass man sich keine Zerrung holt, wenn dann die richtigen Themen kommen. :)

  • Zitat

    Und weil Männer auch Freude, Trauer empfinden und die Sonne mögen,
    sollte es auch der Freude, der Trauer und der Sonne heißen. Und weil sie (nein: er!) auch Menschen sind, heißt der Plural ab sofort: der Menschen.

    Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Empfindungen wie Freude oder Trauer sind relativ gleichmäßig über die Geschlechter verteilt, im Gegensatz zu meinem angeführten (Spaß)Beispiel. ;)

  • Dazu passt doch die neueste Folge aus der Realsatire "Spaß mit Deutschland":


    Eine leibhaftige Frauenbeauftragte des Familienministeriums findet, man müsse die Nationalhymne zurecht gendern: Vaterland und brüderliche Hände geht ja gar nicht. Das Ganze wird immerhin so ernst genommen, dass nach Kanzlerin jetzt auch noch der Bundespräsident es für nötig hält, dazu Stellung beziehen zu müssen. :bonk


    Und was wird aus der Muttersprache? und Mutter Erde? :irre

  • Und was wird aus der Muttersprache? und Mutter Erde? :irre

    Absolut irre. Und niemand denkt an der Wasserhahn. Der verzweifelte Aufschrei der unterdrückten Wasserhennen verhallt ungehört auf dem weiten Feld der sprachlichen Frauenfeindlichkeiten ... !oo-)

  • Wenn jemand für sich selbst beschließt, gendergerecht zu schreiben, soll er das ruhig tun. Dann kann er doch mal ein demokratisches Vorbild sein und sein Tun zur offenen und freien Diskussion stellen. Aber wenn zum Beispiel Studenten per Institution gezwungen werden, ihre Masterarbeit mit großen I's oder * zu verzieren, hört meines Erachtens der Spaß auf. Okay, durch solche speziellen und formalen Sperenzien kriegt man unsere Sprache nicht kaputt. Sprache ist schließlich kein Spielzeug, sondern eine Art Apriori, das heißt, sie ist ein System mit eigenen Gesetzen, die sich - da können wir uns auf den Kopf stellen, so viel wir wollen - hinter unserem Rücken einfach durchsetzen. Mit anderen Worten: Solange die Sprachmehrheit keine Master- und Doktorarbeiten schreibt und nur eine Sprachminderheit mit Nachdruck Wert auf Geschlechtsmarkierungen legt, braucht man sich um unsere Sprache keine großen Sorgen zu machen.

    ASIN/ISBN: 395494104X


    "schönheit ist das versprechen, daß das werden kann, was wir uns wünschen." (Ronald M. Schernikau: Die Tage in L.)

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  • Hallo, Jürgen.


    Zitat

    Aber wenn zum Beispiel Studenten per Institution gezwungen werden, ihre Masterarbeit mit großen I's oder * zu verzieren, hört meines Erachtens der Spaß auf. Okay, durch solche speziellen und formalen Sperenzien kriegt man unsere Sprache nicht kaputt.


    Doch! Möglicherweise ist "kaputt" nicht der richtige Begriff, aber es ist in der Geschichte - auch der jüngeren - schon mehrfach bewiesen worden, wie langfristig erfolgreich solche "Spirenzien" sein können. Dazu gehören auch die PC-Bestrebungen und die Aktivitäten der Linken seit den Sechzigern in diesem Bereich, aber auch andere in der früheren Geschichte und von anderen Seiten aus. Die neue Rechte versucht das ebenfalls gerade wieder. Und es geht nicht nur um Begriffsbesetzungen und Neologismen, sondern eben auch um die Veränderung der Grammatik, der Sprachgestaltung, der Bedeutungen und Kontexte. Um die Sprachverwendung.


    So oder so, hier wie meistens gilt: Etwas bleibt hängen. Und das ist ja auch gut, weil es viele positive Beispiele gibt, und weil die Durchsetzung solcher Bestrebungen auch davon zeugt, dass die Kräfte, die das initiiert haben, relevant sind.
    Ich bin froh darüber, dass man Frauen hierzulande nicht mehr als "Fräulein" anspricht, wenn sie unverheiratet sind - ich fand diese Anrede schon als Kind peinlich, als sie noch zum guten Ton gehörte, ganz selbstverständlich war. Die Abschaffung dieser Sonderbezeichnung aus dem Amtsdeutschen ist noch nicht so schrecklich lange her (in der DDR hat man das bis zur ihrem Ende verwendet), und offizielle Regelungen gibt es ansonsten nicht, weil der Staat Sprache nicht regeln darf.

  • Zitat

    Das männliche Pendant wäre dann wohl: Herrlein.


    Ein Blick ins etymologische Wörterbuch belehrt einen, dass "Fräulein" nicht allein aus Gendergründen, sondern analog nach dem Mittelhochdeutschen vrouwelin gebildet wurde und bis in die 1820er Jahre reserviert war für unverheiratete Frauen aus dem Adel (so noch in "Faust": "der Herr dich für ein Fräulein hält"). Erst im Zuge des antifranzösischen Ressentiments beginnt "Fräulein" die bis dahin üblichen "Mamsell" und "Demoiselle" zu ersetzen und damit die unverheiratete Frau des bürgerlichen Stands zu bezeichnen. Adlige junge Frauen hießen fortan "gnädiges Fräulein". Das Verschwinden des "Fräuleins" hängt also auch mit der Abschaffung des Adels und der ständischen Differenzierung zusammen.

  • Hallo, Jürgen.



    Doch! Möglicherweise ist "kaputt" nicht der richtige Begriff, aber es ist in der Geschichte - auch der jüngeren - schon mehrfach bewiesen worden, wie langfristig erfolgreich solche "Spirenzien" sein können. Dazu gehören auch die PC-Bestrebungen und die Aktivitäten der Linken seit den Sechzigern in diesem Bereich, aber auch andere in der früheren Geschichte und von anderen Seiten aus. Die neue Rechte versucht das ebenfalls gerade wieder. Und es geht nicht nur um Begriffsbesetzungen und Neologismen, sondern eben auch um die Veränderung der Grammatik, der Sprachgestaltung, der Bedeutungen und Kontexte. Um die Sprachverwendung.
    (...)


    Meine These lautet, dass Sprache als Apriori nicht einfach durch Beschluss und Befehl von oben verändert werden kann. Dass Worte wie "Neger" oder "Fräulein" eine Geschichte haben und verschwinden, ist ein eigengesetzlicher Prozess, der von PC-Forderungen allenfalls begleitet, aber kaum von einer Minderheit initiiert oder gar von ihr maßgeblich angetrieben werden kann. Bestes Beispiel ist die Nazizeit, in der entgegen allen verbreiteten Gerüchten kaum in die Sprache eingegriffen wurde. Im Gegenteil wurde die schon eingeleitete Rechtschreibreform nach der Stalingradschlacht abgebrochen und die reformierte Dudenauflage eingestampft. Was 1996ff aus der wiederaufgegriffenen Reform geworden ist, sehen wir ja heute. Oder man sehe sich die Bemühungen der "Sprachschützer" an, die seit über hundert Jahren gegen Kompositionen ("Donaudampfschifffahrtsgesellschaft") und eingeschleppte Wörter ("Handy") kämpfen: Gerade diese "Verfallserscheinungen" entpuppen sich heute als die produktivsten Elemente unserer Sprache ("Babydecke", "Eisbärenbaby").
    Auch wenn wir (Autoren) tagtäglich die gegenteilige Erfahrung machen - (es gibt eben auch Selbsttäuschungen, Adorno und Co. nannten dies u.a. "Verblendungszusammenhang") - Sprache ist kein rein intentionales Konstrukt, das vollständig unter unserer bewussten Kontrolle steht, sondern ein - Apriori.
    Viele Grüße
    Jürgen

    ASIN/ISBN: 395494104X


    "schönheit ist das versprechen, daß das werden kann, was wir uns wünschen." (Ronald M. Schernikau: Die Tage in L.)

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