Perspektivfrage

  • Hallo liebe Forenmitglieder,
    ich stelle meine Frage mal hier in die "Sprechstunde". Denn ich könnte mir vorstellen, dass es noch mehr Autoren gibt, die das interessiert.


    Wie haltet Ihr das?
    In meinem Manuskript wird aus der Sicht mehrerer, konkret dreier, Figuren erzählt, jeweils personaler Erzähler und hübsch voneinander (kapitelmäßig) getrennt. Nun, gegen Ende, treffen zwei dieser Figuren (A und B) zusammen. Der Leser durfte bisher den Figuren, ihrer Wahrnehmung, ihrer Gedanken und Emotionen folgen. Wie löst Ihr die Situtation? Lasst Ihr den personalen Erzähler nun hin- und herspringen? Oder verzichtet Ihr darauf, Wahrnehmungen zu erzählen, die nur eine der Figuren haben kann? Das Kapitel besteht zwar zum großen Teil aus Dialogen und Handlungen. Dennoch möchte ich natürlich nicht vollkommen auf entsprechende Formulierungen verzichten, die etwas über die momentanen Gefühlssituationen der Figuren aussagen.
    Konkretes (gerade nur für die Frage erfundenes) Beispiel braun ist quasi neutral, weil beide Figuren es wahrnehmen können, Blau ist Figur B (bzw. das, was eigentlich nur er wahrnehmen kann, z.B. A's Gesicht war blass und rot ist Figur A:


    "Wer war es?" A's Gesicht war blass. Seine Arme hingen kraflos am Körper herunter. Trotzdem hatte er die Hände zu Fäusten geschlossen.
    Der Junge tat B. leid. Aber er konnte ihm die Wahrheit nicht mehr ersparen.
    "Es war XY", antwortete er.
    "Warum hast du mich angelogen?" Wie in Zeitlupe hob A seinen Arm, hielt ihn in Höhe seines Kopfes wie ein Boxer, der einen gegnerischen Schlag abwehren wollte.
    Dieses Mal würde er zuschlagen. Dieses Mal würde er nicht wieder kuschen. Wenn ihm B. jetzt nicht eine einleuchtende Erklärung brachte, dann würde er ihn niederschlagen. Sein Mund war trocken und die Muskeln seines Oberarmes schmerzten. Warum sprach der Kerl nicht endlich weiter?
    "direkte Rede B (Erklärung, was geschehen war)". Beim Sprechen beobachtete B A. Jetzt musste er die richtigen Worte finden. Die Belastbarkeit des jungen Mannes war ausgereizt. Nicht abzusehen, wie A reagieren würde, wenn er ihn nicht bald besänftigen konnte.


    Kann der Leser diesem Wechsel ohne Probleme folgen, da er die Figuren jeweils mehrere Kapitel allein begleiten durfte? Oder sollte man darauf verzichten? Oder aber abgetrennt z.B. in getrennten Absätzen.
    Bin gespannt auf Eure Antworten :blume

  • Mich irritieren solche Perspektivwechsel generell. Und wenn ein Buch bis zum letzten Kapitel sauber die Perspektiven trennt, dann würde es mich noch mehr irritieren, wenn es im letzten Kapitel anders wäre und es für einen Fehler halten.


    Was mir bezüglich Deiner konkreten Fragestellung einfiel, möchte ich an Deinem Beispiel erkläutern:



    Wenn Du einen Absatz machst und die Gedanken von A. hervorhebst? Meinetwegen auch kursiv als deutliche Absetzung?


    Andererseits, falls wirklich eine Tätlichkeit folgt, hast Du sie durch Bs Wahrnehmung schon hinreichend vorbereitet durch seinen Satz "Die Belastbarkeit des jungen Mannes war ausgereizt. Nicht abzusehen, wie A reagieren würde, wenn er ihn nicht bald besänftigen konnte." As innere Sicht auf die Dinge ist hier m.E. gar nicht mehr nötig.

  • "Wer war es?" A's Gesicht war blass. Seine Arme hingen kraflos am Körper herunter. Trotzdem hatte er die Hände zu Fäusten geschlossen.
    Der Junge tat B. leid. Aber er konnte ihm die Wahrheit nicht mehr ersparen.
    "Es war XY", antwortete er.
    "Warum hast du mich angelogen?" Wie in Zeitlupe hob A seinen Arm, hielt ihn in Höhe seines Kopfes wie ein Boxer, der einen gegnerischen Schlag abwehren wollte.
    Dieses Mal würde er zuschlagen. Dieses Mal würde er nicht wieder kuschen. Wenn ihm B. jetzt nicht eine einleuchtende Erklärung brachte, dann würde er ihn niederschlagen. Sein Mund war trocken und die Muskeln seines Oberarmes schmerzten. Warum sprach der Kerl nicht endlich weiter?
    "direkte Rede B (Erklärung, was geschehen war)". Beim Sprechen beobachtete B A. Jetzt musste er die richtigen Worte finden. Die Belastbarkeit des jungen Mannes war ausgereizt. Nicht abzusehen, wie A reagieren würde, wenn er ihn nicht bald besänftigen konnte.

    1. Man kann alles machen, auch sowas.
    2. Es gibt Schriftsteller, die das machen (viele merken es nicht, manche machen es absichtlich)
    3. Ich mache es NIE, denn
    4. ich finde es schlicht grauenvoll. Für mich sind das nichts anderes als Perspektivfehler. Vor allem, wenn das ganze Buch hindurch perspektivisch sauber erzählt wurde, empfinde ich dieses Wechselbad als hochgradig unprofessionell.
    5. Ich achte IMMER, unter allen Umständen, in jeder Erzählsituation, peinlichst auf die Beibehaltung der richtigen Perspektive und würde mich bei dieser Passage angewidert abwenden.
    6. Man kann so eine Szene durchaus zusammenhängend erzählen, ohne getrennte Abschnitte aus jeweils unterschiedlicher Perspektive zu schreiben. Dann muss man sich eben auf die Sicht einer Figur beschränken und ein paar Kniffe einbringen, um die Gefühle der anderen nicht vernachlässigen zu müssen, etwa so (aus Sicht des B.):


    "Wer war es?" A's Gesicht war blass. Seine Arme hingen kraftlos am Körper herunter. Trotzdem hatte er die Hände zu Fäusten geschlossen.
    Der Junge tat B. leid. Aber er konnte ihm die Wahrheit nicht mehr ersparen. "Es war XY", antwortete er.
    "Warum hast du mich angelogen?" Wie in Zeitlupe hob A seinen Arm, hielt ihn in Höhe seines Kopfes wie ein Boxer, der einen gegnerischen Schlag abwehren wollte. Die Bewegung hatte etwas Bedrohliches. Es sah so aus, als würde er dieses Mal zuschlagen. Dieses Mal würde er nicht wieder kuschen, das fühlte B. Wenn er jetzt nicht eine einleuchtende Erklärung brachte, dann würde A. ihn niederschlagen. Er musste endlich reden - hier und jetzt.
    "direkte Rede B (Erklärung, was geschehen war)". Beim Sprechen beobachtete B A. Er musste unbedingt die richtigen Worte finden, denn die Belastbarkeit seines Gegenübers war erkennbar ausgereizt. Nicht abzusehen, wie A. reagieren würde, wenn er ihn nicht bald besänftigen konnte.


    Das geht bestimmt noch origineller - ist nur eine Anregung. Aber jedenfalls würde so eine handwerklich saubere Sache draus. Das da oben ist ja zum Gruseln. Jemandem, der sowas hier in der BT-Runde einstellen würde, müsste man es in aller gebotenen Freundlichkeit um die Ohren hauen.

  • @Didi: Dein Vorschlag ist ja nichts anderes als eine Entscheidung für eine Figur. Du bleibst in der Perspektive bei nur einer, obwohl der Leser die andere Figur einschließlich Innensichten genauso gut kennt wie die andere.


    Das ist eine Möglichkeit, aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass natürlich auch einiges verloren geht. Außerdem fragt sich der Leser ggf. auch, warum er nun die Figur A nur noch aus Sicht der Figur B wahrnehmen darf.


    Dein Vorschlag mag zwar ein perspektivisch "sauberer" sein, und beantwortet die Frage, wie Du es lösen würdest. Mich interessieren aber Alternativen.

  • Andrea: Dein Vorschlag überzeugt mich auch noch nicht komplett. Denn dadurch, dass die Gedanken des A in kursiv dazwischen gesetzt werden, erhalten sie beinahe noch mehr Gewichtung als die Figur B.


    PS zu Didi:

    Zitat

    Jemandem, der sowas hier in der BT-Runde einstellen würde, müsste man es
    in aller gebotenen Freundlichkeit um die Ohren hauen.

    Du magst es widerlich finden, was aber nicht heißt, dass es handwerklich falsch ist. Denn dann müsstest Du jede Geschichte, die durch einen auktorialen Erzähler erzählt wird (nichts anderes ist mein Beispiel) dem Autor um die Ohren hauen.


  • 4. ich finde es schlicht grauenvoll. Für mich sind das nichts anderes als Perspektivfehler. Vor allem, wenn das ganze Buch hindurch perspektivisch sauber erzählt wurde, empfinde ich dieses Wechselbad als hochgradig unprofessionell.


    Lieber Didi,


    wenn ich das, was du unter 1. geschriebne hast, mit einbeziehe, dann würde ich als erstes fragen, wenn nach sauber durchgehaltenem Buch gegen Ende diesen Perspektivenmischmach kommt, was der Schriftsteller damit im Sinn hat. Es kann Gründe geben, so etwas zu tun. Die müssen sich dem Leser aus dem Kontext erschließen können. Beispielsweise wenn eine multiple Persönlichkeit damit vorgestellt werden soll (nur mal jetzt blind aus der Luft gegriffen!). Erschließt sich der Sinn dieses Perspektivenmischmaschs, dann ist für mich alles in Ordnung. Es muss mir dann immer noch nicht gefallen, ich kann es aber in den Gesamtzusammenhang des ganzen Textes stellen und muss nicht von der Unfähigkeit des Schriftstellers ausgehen. Erschießt sich mir nicht, warum es am Ende (oder meinetwegen auch mittendrin) dazu kommt, würde mir vermutlich das ganze Werk dadurch mies gemacht werden.

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    Emanuel von Bodmann


  • Du magst es widerlich finden, was aber nicht heißt, dass es handwerklich falsch ist.

    Oh doch. Du sagst, das gesamte Buch sei perspektivisch durch Abschnitte oder Kapitel sauber getrennt - also aus personalen Perspektiven - erzählt. WENN das so ist, dann ist dieser plötzliche Wechsel in ein gemischtperspektiv erzähltes Kapitel nichts anders als handwerklich fragwürdig, um nicht zu sagen: falsch.


    Abgesehen davon unterliegst du offensichtlich (wie viele) dem grundsätzlichen Irrtum, eine mutwillige (und damit verwirrende) Vermischung der Erzählperspektive als "auktorialen Erzählstil" zu bezeichnen. Was du da in deinem Beispiel hast, ist keineswegs auktoriales Erzählen, sondern die ungelenke Vermischung zweier personaler Erzählperspektiven.
    Lies mal das hier, das ist in aller Kürze (und literaturwissenschaftlich auch nicht hundertprozentig, aber hinlänglich richtig) eine ganz hilfreiche Definition zur auktorialen Erzählperspektive: http://www.buecher-wiki.de/ind…torialeErzaehlperspektive

  • Zitat

    Es kann Gründe geben, so etwas zu tun.

    Also in meinem Fall (übrigens theoretischem Fall! Es geht bitte nicht um "meinen" Text oder mich als Autorin, okay? Ich finde die Problemstellung interessant und habe deshalb ein entsprechendes Beispiel hier im öffentlichen Forum gepostet) könnte der Grund in folgender Frage liegen:


    Nachdem ich zwei Figuren lange Zeit eine "gleichberechtigte" Stimme gegeben habe und mich nun, wenn beide aufeinandertreffen, nur für eine der Figuren entscheide: Welche Wirkung erzielt das beim Leser? Ich vermute, er verbindet mit dieser Entscheidung eine klare inhaltliche Gewichtung, oder?


    Die Wirkung eines plötzlich auktorialen Erzählers kann aber auch so negativ sein, wie es bisher hier übereinstimmend erklärt wurde, dass der Autor beim Zusammentreffen beider Figuren auf jegliche Perspektivzuordnung verzichtet. Also ausschließlich Dialog und Handlung wirken lässt. Innensichten etc. bleiben außen vor.


    Ein andere mögliche Wirkung ist aber, dass der Leser nach vielen Kapiteln den Erzähler gar nicht als wirklich auktorial wahrnimmt, da er beide Figuren gleich gut kennt.

  • Mein lieber Didi, ich kenne die buecher-wiki-Erklärung und noch viele Aufsätze über den auktorialen Erzähler mehr


    Natürlich zeigt sich in den wenigen Beispielzeilen kein auktorialer Erzähler. Dennoch kann man ihn (zur Abgrenzung) so nennen, da der Erzähler in diesem Moment Einsicht in die Außen- und Innenwelt beider Figuren hat. Aber wenn Du damit glücklicher bist, nennen wir ihn auch gerne wechselnder personaler Erzähler.

  • Die Wirkung eines plötzlich auktorialen Erzählers

    Das trifft eben nicht zu. Es ist kein "auktorialer Erzähler", sondern eine plötzliche Vermischung zweier personaler Perspekiven. Siehe oben.

  • Also ausschließlich Dialog und Handlung wirken lässt. Innensichten etc. bleiben außen vor.


    Damit hättest Du einen neutralen Erzähler, was durchaus auch eine Wirkung haben kann, indem beide Figuren quasi gleichberechtigt nebeneinander ständen.


    Allerdings würde mich als Leserin auch das verwirren (und ärgern), wenn nur an einer Stelle des Buches eine andere Erzählhaltung eingenommen wird, und darauf liefe es ja hinaus. Käme sie öfter im Buch vor, hätte ich damit keine Probleme.

  • Natürlich zeigt sich in den wenigen Beispielzeilen kein auktorialer Erzähler. Dennoch kann man ihn (zur Abgrenzung) so nennen, da der Erzähler in diesem Moment Einsicht in die Außen- und Innenwelt beider Figuren hat. Aber wenn Du damit glücklicher bist, nennen wir ihn auch gerne wechselnder personaler Erzähler.

    Meine liebe Cordula,


    wenn es keiner ist, kann man ihn auch nicht so nennen. :evil

  • Zitat

    Damit hättest Du einen neutralen Erzähler, was durchaus auch eine
    Wirkung haben kann, indem beide Figuren quasi gleichberechtigt
    nebeneinander ständen.

    Diese Situation hast du aber phasenweise ständig, nämlich jedes Mal, wenn Du längere Dialogphasen oder wenn Du unkommentierte Handlungsphasen hast. Letztere werden vom Leser als die Perspektive, besser Sichtweise der Figur empfunden, die bisher durch den personalen Erzähler begleitet wird.
    Insofern irritiert das den Leser in der Regel nicht, wenn nun ein Kapitel kommt, in dem beide bisher personal erzählten Figuren aufeinandertreffen.


    Die Frage bleibt aber: Ist es nicht schade, auf Innensichten, gedachte Rede ... zu verzichten, wenn man sich nicht für eine der Figuren entscheiden möchte? Und wie könnte man das umsetzen?

  • Diese Situation hast du aber phasenweise ständig, nämlich jedes Mal, wenn Du längere Dialogphasen oder wenn Du unkommentierte Handlungsphasen hast.


    Solche Phasen stehen aber selten allein als Kapitel da, sondern sind eingebunden in eine Szene, und in der Szene gibt es bei personaler Erzählweise einen Erzähler. Dem schreibt man als Leser auch automatisch den Dialog zu und die unkommentierten Handlungsphasen, insofern habe ich es dann nicht mit einem neutralen Erzähler zu tun.

  • Richtig. Also bist Du der Ansicht, man könne das nicht über eine ganzes Kapitel ausdehnen, wenn man den Leser nicht verwirren will? Oder liest der Leser die jeweilige Handlung nicht automatisch aus der Sicht der jeweiligen Figur, da er beide gut kennt?


    Was ist mit einem wechselnden Point of View (was mir in diesem Zusammenhang im übrigen viel besser gefällt als Perspektive), der in größeren Abständen und durch Absätze getrennt erfolgt?

  • Ich vermute, er verbindet mit dieser Entscheidung eine klare inhaltliche Gewichtung, oder?


    Vermutlich, aber das ist doch dann auch in Ordnung, dächte ich. Man möchte ja das erzählen, was in dem Moment für den Leser am unterhaltsamsten ist. Und darum würde ich mich für die in dem Moment interessantere Perspektive entscheiden. Aber ich würde mich entscheiden. Als Leserin schätze ich es eher so ein, dass es nicht so gut hinhaut, wenn plötzlich - zumal am Ende, wenn man beim Lesen schon so richtig kuschelig drin ist - eine weitere, ganz anders geartete, nämlich auktoriale Erzählstimme dazukommt. Das Dialogbeispiel würde ich dann wohl auch als unfreiwillig und somit falsch empfinden. Beziehungsweise wäre ich erstmal verwirrt und würde die Szene nochmal und nochmal lesen. Was mich natürlich völlig rauswerfen würde.


    Ich würde auch gar nicht versuchen, die Regungen der anderen Person durch irgendwelche Kniffe reinzubringen. Naja, und mit dem Verzicht - ich glaube ja sowieso, dass die Sachen, auf die man beim Schreiben letztlich mit blutendem Herzen verzichtet, dem Leser nicht die Bohne fehlt, bitter aber wahr. Außerdem hat die andere Person ja in einem der nächsten Kapitel wieder ihren Auftritt. Und könnte sich - sofern für die Handlung wichtig - zum Beispiel an die Szene erinnern: Als B. vor ihm gestanden hatte, war er kurz davor gewesen, ihm eine zu verpassen. Das einzige, was ihn abgehalten hatte, ich mitten in sein mitleidiges Grinsen zu schlagen, etc. Vielleicht stellt sich dann sogar heraus, dass sich die Wahrnehmungen komplett unterscheiden, was für den Leser ja auch wieder überraschend und interessant sein kann. Ist natürlich auch ein Kniff, aber der würde mir wohl in dem Beispiel mehr behagen.




    Ein andere mögliche Wirkung ist aber, dass der Leser nach vielen Kapiteln den Erzähler gar nicht als wirklich auktorial wahrnimmt, da er beide Figuren gleich gut kennt.


    Meinst Du das in dem Sinne, dass er den Wechsel instinktiv akzeptiert? Das wiederum glaube ich nicht. Er wird auf jeden Fall was merken. Er wird zwar nicht denken: oh, wie auktorial! Er wird eher denken: hä, was ist das denn jetzt.


    So oder so - eine spannende Frage.

    "Aim high, expect nothing."

    (Uschi Obermaier?)

  • Also bist Du der Ansicht, man könne das nicht über eine ganzes Kapitel ausdehnen, wenn man den Leser nicht verwirren will?


    Ich finde schon, dass die Perspektive von Szene zu Szene wechseln darf, das ist dann ja deutlich, wenn Du insgesamt auf das Buch gesehen aus zwei oder mehr Figurenköpfen erzählen willst.


    Mich verwirrt zum Beispiel auch das, was Val McDermid neuerdings macht - oder es ist mir erst jetzt aufgefallen: In einer Szene sitze ich als Leserin im Kopf der einen Figur, dann steckt mittendrin ein Absatz, der aus der Sicht einer anderen Figur erzählt ist, da stehen Dinge drin, die die erste Figur so nicht wahrnehmen kann. In der angloamerikanischen Unterhaltungsliteratur ist solch eine Erzählhaltung (nicht ganz personal, aber auch nicht ganz auktorial) ziemlich verbreitet, wie mir scheint, und das gefällt mir immer weniger.


    Was ist mit einem wechselnden Point of View (was mir in diesem Zusammenhang im übrigen viel besser gefällt als Perspektive), der in größeren Abständen und durch Absätze getrennt erfolgt?


    Was ist der Unterschied zwischen Point of View (POV) und Perspektive? Für mich war das bisher ein- und dasselbe.

  • zum Beispiel an die Szene erinnern: Als B. vor ihm gestanden hatte, war er kurz davor gewesen, ihm eine zu verpassen. Das einzige, was ihn abgehalten hatte, ich mitten in sein mitleidiges Grinsen zu schlagen, etc. Vielleicht stellt sich dann sogar heraus, dass sich die Wahrnehmungen komplett unterscheiden, was für den Leser ja auch wieder überraschend und interessant sein kann. Ist natürlich auch ein Kniff, aber der würde mir wohl in dem Beispiel mehr behagen.


    :klatsch
    Das gefällt mir sehr :)

  • Zitat


    Ja, das gefällt mir auch. :)


    Zitat

    Was ist der Unterschied zwischen Point of View (POV) und Perspektive? Für mich war das bisher ein- und dasselbe.

    Die Begriffe Erzählperspektive, Erzählsituation und POV liegen in ihrer Bedeutung sehr dicht zusammen, haben aber im Laufe der Zeit in den unterschiedlichen Erzähltheorien und auch im Hinblick auf das Umfeld (Literatur/Film) feine Unterschiede herausgearbeitet. Bei der Erzählperspektive, die auch teilweise alternativ Erzählsituation genannt wird, spielt auch die gewählte Distanz eine Rolle. Ein personaler Erzähler kann ganz dicht an eine Figur herangehen, selbst also extrem in den Hintergrund treten (erlebte Rede, Bewusstseinstrom ...) oder deutlich hervortreten. Der POV bezeichnet schlicht nur "aus der Sicht/Blickrichtung der Figur, egal wie der Erzähler das an den Leser bringt.
    Das ist jetzt sicher sehr laienhaft ausgedrückt. Bei Interesse musst Du da mal tiefer in die Theorie einsteigen.

  • Ich gehe auch mit Kristin. Und ich mache es selbst auch so, genau beim Zusammentreffen aller relevanten Figuren am Schluss meines Romans. Ich finde das sogar interessant, eine Szene nur aus der Sicht der einen Person zu erzählen und erst mal offen zulassen, wie das wohl für die andere Person ist. Der Leser kennt ja zu dem Zeitpunkt die Figuren schon sehr gut und denkt sich seinen Teil, wie das Ganze wohl für diese andere Person ist, deren Perspektive gerade fehlt. Dieser Annahme kann man dann später folgen oder sie auch widerlegen und für Überraschung sorgen. Die Person kann sich erinnern, darüber sprechen oder auch handeln entsprechend der früheren Situation und so etwas von ihrer Perspektive, ihrem Innenleben preisgeben.
    Das gegen Ende zu mischen, ist nicht unmöglich, aber ich würde es mir nicht zutrauen. Philippe Djian wechselt manchmal im Satz die Perspektive, hält sie dann wieder eine Weile durch usw., ist schon hohe Kunst, aber über das ganze Buch hinweg.
    Am Ende halte ich die Einführung eines neutralen Erzählers nicht für sinnvoll.