Literaturcafé: Tom über "Selfpublishing"

  • Warum kann man nicht einfach den Markt/den Leser entscheiden lassen? Wie in der Musik: Die einen lieben Brahms, andere Free Jazz und dritte die Wildecker Herzbuben. Und dann gibts noch die Karaokesänger auf Youtube.


    So lang für die Werke all derer, die sich zum Autorsein bemüßigt fühlen, nicht Unmengen von Bäumen gefällt werden müssen, soll mir's recht sein ...


    Schon im alten Rom stellte meines Wissens des Satiriker Flaccus die Frage: "Wer soll das ganze Zeug lesen?" Hat sich daran was geändert?

  • Hallo, Susanne.


    Der "Mist, der sich gut verkauft", wird immer wieder als Argument dafür herangezogen, dass es "den Verlagen" ausschließlich um Geld geht - und nicht um die Schreibkunst. Tatsächlich ist es so; Verlage sind Unternehmen, die profitabel arbeiten müssen. Dennoch verkaufen sie nicht nur Mist, der nachgefragt wird, und herausgefilterten Nichtmist. Das verkürzt die Tätigkeit der vielen Verlagsmitarbeiter - und der publizierten Autoren - auf sehr unschöne Weise. Zudem gibt es nicht wenige Verlage mit nachweisbarem kulturellem Anspruch.


    Die kleine Randdiskussion, die ich im Literaturcafé gerade mit Kerstin Rachfahl führe (sie hat meine hiesigen Äußerungen über ihre Website und ihren Roman gefunden), zeigt einen der wichtigsten Unterschiede. Diese Autorin hat sogar einen Lektoratsdienst in Anspruch genommen, wofür sie ungefähr 7 € je Druckseite bezahlt hat - keine kleine Summe (laut Beschreibung umfasst der Roman 420 Normseiten, das macht fast drei Riesen!), und dennoch ist ihr Text, wie sich schon anhand der Leseprobe zeigt, alles andere als perfekt. Möglicherweise wäre er sehr viel besser, hätte er eine intensive Redaktionsphase mit einem guten Verlagslektor absolviert, aber sehr viel wahrscheinlicher wäre er ausgefiltert, also nie publiziert worden. Die Autorin versucht, über die Gratisaktionen Aufmerksamkeit zu generieren, was ihr auch gelungen ist (das Buch hält Platz 1 der Gratis-Charts), aber der exemplarischen Qualität des Textes hilft das auch nicht. Vielleicht wird er dennoch begeisterte Leser finden.


    Will sagen: Es geht nicht nur um das Filtern oder Nichtfiltern. Es geht um - möglicherweise talentierte - Autoren, die sich selbst sabotieren, weil sie ihre Frühphasen-Diarrhoe verkloppen wollen, statt an sich zu arbeiten. Ein Siegel wie "Qindie", so es sich durchsetzt, mag für jene hilfreich sein, die es erhalten, aber eigentlich adaptiert es das Filterungs-Ausgrenzungssystem der Verlage nur auf die Selbstveröffentlicherwelt. Damit mag der Substanz zu einem Sieg verholfen sein, aber die Probleme der Selbstveröffentlicher, die, weil sie von den anderen hierzu ermuntert werden, ihren Dünnsinn raushauen, bleiben die gleichen.

  • Tom, das seh ich doch nicht die Bohne anders! Du glaubst gar nicht, wie oft ich hoffnungsvollen Jungautoren schon den Rat gegeben habe: Klopp das jetzt nicht raus, leg es weg, schreib weiter, hol dir Feedback - in ein paar Jahren wirst du dich ärgern und/oder schämen, dass du das Ding so veröffentlicht hast.


    Aber das will ja keiner hören. Die träumen vom schnellen Geld.


    Ich bin ein Fan von guter (Verlags)Redaktionsarbeit. Ich liebe die Arbeit mit meinen LektorInnen. Und natürlich sind in der Branche ebensoviele Schwachmatiker unterwegs wie in jedem Beruf.