Mehr Wumms: Literatur und Unterhaltung

  • Zitat

    Original von Jürgen B.
    Anscheinend bezieht sich der Autor dabei auf Kehlmanns "Vermessung der Welt" und nicht auf Wallace oder Bolano.


    Was die Leute an Kehlmanns Vermessung fanden (und zuvor an Ich und Kaminski), und vor allem: wie dieser Hype um das Buch zustande kam, konnte ich noch nie nachvollziehen. Müßig wäre es allerdings, bei jedem Bestseller heausfinden zu wollen, weshalb er gerade funktioniert hat.


    Anyway, was Bolano und Wallace anbelangt: Menschen grundsätzlich zu solcher Literatur hinzuführen finde ich klasse. Was hätten wir doch für eine Kultur in Deutschland, wenn sich die Leute statt Harry Potter massenweise solche Romane reinziehen würden. Mich würde - davon abgesehen - interessieren, wie viele, die die Bücher erworben haben, sie überhaupt gelesen haben, oder sie nur als Briefbeschwerer nutzten. Ernsthaft stelle ich mir jedoch die Frage, was es mir bringt, wenn jemand Literatur liest, die besser (E) oder schlechter (U) ist, außer dass ich mich mit ihm dann (nicht) darüber unterhalten kann. Und über 2666 kann ich mich im richtigen Leben mit niemandem unterhalten, hingegen über Frank Schätzing schon eher.


    Was das Marketing von Hype-Büchern anbelangt ertappe ich mich beim In-die-Falle-Tappen (bzgl. des Kaufs von Büchern) manchmal selbst. Zuletzt ging es mir bei dem Roman Cash (Richard Price) und Schneller als der Tod (Josh Bazell) so: ein interessant geschriebener, Lust-auf-mehr-machender Artikel im SPIEGEL, Tage später nochmals ein ähnlicher Bericht auf spiegel.de oder zeit.de und dann gedacht: wow, ein richtiger Geheimtipp (!) der dann ne Woche später bei REAL Supermarkt ausliegt. Gut gemacht.


    Herzlichst Jochen.

  • Zitat

    Original von siegfried


    Ein großes Problem ist das nur für jemanden, der immer noch vom Projekt Aufklärung träumt.


    Hallo Siegfried,
    aber wir sind beide doch wohl froh, dass es noch Institutionen gibt, die vom Projekt der Aufklärung nicht nur träumen, sondern es auch tagtäglich realisieren, wie z.B. unser Rechtssystem, das an dem Ideal der Autonomie und Selbstbestimmung des Individuums festhält; es verzichtet grundsätzlich (ob praktisch ist eine andere Frage) auf den Einsatz der Folter und verfolgt grundsätzlich (z. B. mit dem Strafvollzug) aufgeklärte Erziehungsideale.
    Ich meine, wenn der Rechtsstaat am Projekt Aufklärung weiterarbeitet, können wir (angehenden) Künstler das auch.
    Viele Grüße
    Jürgen


    edit: RS-Fehler

    ASIN/ISBN: 395494104X


    "schönheit ist das versprechen, daß das werden kann, was wir uns wünschen." (Ronald M. Schernikau: Die Tage in L.)

    2 Mal editiert, zuletzt von Jürgen B. ()

  • Zitat

    Original von Jürgen B.
    … dass es noch Institutionen gibt, die vom Projekt der Aufklärung nicht nur träumen, sondern es auch tagtäglich realisieren, wie z.B. unser Rechtssystem, das an dem Ideal der Autonomie und Selbstbestimmung des Individuums festhält; es verzichtet grundsätzlich (ob praktisch ist eine andere Frage) auf den Einsatz der Folter und verfolgt grundsätzlich (z. B. mit dem Strafvollzug) aufgeklärte Erziehungsideale.


    Das, lieber Jürgen, ist auch ein wenig träumen. Die Verwaltungsgerichtse zum Beispiel sind überwiegend damit beschäftigt, Verwaltung generell »zu retten«, nicht selten sogar, deren Missbrauch zu legitimisieren.


    Dein ... ob praktisch ist eine andere Frage ... ist ja gerade die Hauptfrage. Unser Rechtssystem ist lebensfremd, bürokratisiert und in Strukturen gefangen, die nicht selten an die »Zeit des Vorfalls Köpenick« erinnert. Also gut preußisch herübergerettet in die Bundesrepublikanische Wirklichkeit haben wir es schon ;)


    Zitat


    Ich meine, wenn der Rechtsstaat am Projekt Aufklärung weiterarbeitet, können wir (angehenden) Künstler das auch.
    Viele Grüße
    Jürgen


    edit: RS-Fehler


    Der Rechtsstaat kann nicht am Projekt Aufklärung weiterarbeiten. Das ist ein Konstrukt, eine Organisation, die nur eine Hülle ist. Man könnte auch in Abwandlung eines bekannten Spruchs sagen: »Die Organisation (oder der Rechtsstaat) frisst seine Kinder«


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von JochenAlexander


    Was die Leute an Kehlmanns Vermessung fanden (und zuvor an Ich und Kaminski), und vor allem: wie dieser Hype um das Buch zustande kam, konnte ich noch nie nachvollziehen. Müßig wäre es allerdings, bei jedem Bestseller heausfinden zu wollen, weshalb er gerade funktioniert hat.


    Also mir hat "Die Vermessung der Welt" sehr gut gefallen. Das Buch ist witzig und sehr gut geschrieben. Der Autor des Artikels scheint ja Lesbarkeit als einen Makel zu empfinden.


    Ob Kehlmanns Roman jetzt diese riesige Aufmerksamkeit gegenüber anderen gleichzeitig erschienenen Romanen verdient hat, das ist eine andere Sache, aber dafür kann Kehlmann ja nichts. Dieses Phänomen, dass ein bestimmtes Buch plötzlich in aller Munde ist, gab es ja schon oft. Ich erinnere mich da an "Das Parfum", "Schlafes Bruder" oder "Der Vorleser". Da wird manchmal ein Nerv getroffen.


    Aber jetzt ganz ehrlich. Wer von uns wäre denn nicht froh, wenn ein Buch von ihm plötzlich einen Medienhype auslöste? ;)


    Liebe Grüße
    Siegfried

  • Zitat

    Original von siegfried


    Aber jetzt ganz ehrlich. Wer von uns wäre denn nicht froh, wenn ein Buch von ihm plötzlich einen Medienhype auslöste? ;)


    Liebe Grüße
    Siegfried


    Nun, eine kennen wir, die darüber nicht froh wäre, die hat sich dazu ja im inneren Kreis geoutet, nicht wahr ;)


    aber unabhängig davon hättest du recht, wenn man das nicht differenzieren müsste. Ich schreibe zum Beispiel nicht so, dass ich das erwarten kann, würde das aber durchaus genießen, wenn es unvorhergesehen passiert :D es sei denn, es ist so ein Medienhype wie bei einer jungen Autorin kurz vor der letzten Leipziger Buchmesse. Über solch einen Medienhype wäre ich alles andere als froh und sicher die meisten anderen Autoren und Autorinnen auch nicht 8o


    Horst-Dieter

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  • Zitat

    Original von siegfried


    ...
    Ein großes Problem ist das nur für jemanden, der immer noch vom Projekt Aufklärung träumt.


    ...
    Liebe Grüße
    Siegfried


    Genau! Da sind wir doch am Nerv dieses Artikels...
    Eben genau den Verlust des Träumens, des Utopierens, beklagt Hielscher.
    Alles reagiert ohne weitere Fragen nach Plan der Marktbelange...finde, um Literatur geht es da nur zweitrangig. Es geht um die Frage: von was kann die deutsche Bevölkerung eigentlich noch alles überzeugt werden...ohne großen Aufwand...? Und wie gefährlich kann das werden für unsere Demokratie und jeden Einzelnen der darin lebt.
    Hielscher sehnt sich (und mich auch) ein wenig zurück in die Zeit der Romantik...die war ja auch geboren aus einer unaushaltbaren, verunsichernden Realität. Rettung durch Utopie!

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt

    Einmal editiert, zuletzt von lametta ()

  • Zitat

    Original von Jürgen B.
    aber wir sind beide doch wohl froh, dass es noch Institutionen gibt, die vom Projekt der Aufklärung nicht nur träumen, sondern es auch tagtäglich realisieren, wie z.B. unser Rechtssystem, das an dem Ideal der Autonomie und Selbstbestimmung des Individuums festhält; es verzichtet grundsätzlich (ob praktisch ist eine andere Frage) auf den Einsatz der Folter und verfolgt grundsätzlich (z. B. mit dem Strafvollzug) aufgeklärte Erziehungsideale.
    Ich meine, wenn der Rechtsstaat am Projekt Aufklärung weiterarbeitet, können wir (angehenden) Künstler das auch.


    Hallo Jürgen,


    ich plädiere ja nicht dafür, die Entwicklung umzukehren. Ich glaube nur offengestanden, dass das Projekt Aufklärung tot ist, bzw. seinen Zenit längst überschritten hat. Und das meine ich als Feststellung einer Tatsache.
    Unser Rechtsstaat ist vielfach einfach ein Gerichtestaat. Wenn irgendwo auf der Welt religiöse Fanatiker losziehen, dann relativieren wir ganz schnell unsere Pressefreiheit. Ganze Generationen haben Bildungsprogramme entworfen, aber es gibt Millionen Analphabeten und die Ausbildung ist weitgehend abhängig vom sozialen Status.
    Und das wichtigste ist, dass nach meinem Eindruck auch keiner mehr dran glaubt, außer vielleicht Jürgen Habermas ;).
    Ich glaube eher, dass es in absehbarer Zeit eher darum gehen wird, Reste von Demokratie und Rechtsstaat zu retten. Die Vorstellung, noch immer allen Menschen das Licht der Vernunft bringen zu wollen, halte ich für eine Illusion.


    Liebe Grüße
    Siegfried

  • Also eigentlich ist das Projekt Aufklärung kulturhistorisch doch abgeschlossen?
    Wir befinden uns in der Postmoderne. Wiederverzauberung ist vielleicht gerade angesagt?


    Wag ich jetzt mal in die Runde zu werfen...in der Hoffnung, das auf einen meiner Beiträge mal eingegangen wird...wenn auch kritisch...will doch auch lernen.

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt


  • Tja, lieber Horst-Dieter und Siegfried,
    bin halt n unverbesserlicher Hegelianer.


    Viele Grüße
    Jürgen

  • Zitat

    Original von lametta
    Also eigentlich ist das Projekt Aufklärung kulturhistorisch doch abgeschlossen?
    Wir befinden uns in der Postmoderne. Wiederverzauberung ist vielleicht gerade angesagt?


    Wag ich jetzt mal in die Runde zu werfen...in der Hoffnung, das auf einen meiner Beiträge mal eingegangen wird...wenn auch kritisch...will doch auch lernen.


    Hallo Lametta,
    ich bin der Auffassung, dass das Projekt der Aufklärung, d.h. der Prozess der Selbstbefreiung des Individuums aus selbstverschuldeter Unmündigkeit, noch nicht abgeschlossen ist, er auch gar nicht abgeschlossen werden darf, weil die Konseqenzen für uns unerträglich wären: Wenn wir unser Zusammenleben nicht auf unserer Autonomie begründeten, müssten wir uns aus Furcht vor einem gegenseitigen Abschlachten unter die Kuratel eines Anführers stellen und an die Weltanschauung der Ungleichheit (z.B. Religionen) glauben.
    Als Hegelianer aber weiß ich, dass es ein solches Zurück nicht geben kann Pünktchen Pünktchen Pünktchen.
    Viele Grüße
    Jürgen

  • gerade haben wir zeitgleich gepostet, Jürgen.


    Hast schon recht. Ein zurück geht nicht mehr.
    Aber ein Verinnerlichen aller Versatzstücke unserer kulturhistorischen Entwicklung geht vielleicht?
    Die Aufklärung allein ist nicht das Allheilmittel. Weil nur vernunftgesteuertes ein Denken ist, dass Mitgefühl z.B. ausklammert...
    Finde schon, dass genau das passiert ist. Das rationale Handeln gilt in unserer Gesellschaft als das einzig richtige. Das mag Fortschritt ermöglichen. Aber nur in der Welt der Dinge. Auch finde ich wichtig, das Fühlen, die Emotionen mit seinem Verstand zu durchdringen (wohlgemerkt: nicht zu verdrängen)...
    Aber dazu braucht es mehr als Ratio...es braucht das Träumen dazu...in übertragenem Sinn...

    [buch]3866855109[/buch]


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  • Zitat

    Original von siegfried


    Also mir hat "Die Vermessung der Welt" sehr gut gefallen. Das Buch ist witzig und sehr gut geschrieben. Der Autor des Artikels scheint ja Lesbarkeit als einen Makel zu empfinden.


    Lieber Siegfried,
    m.E. wendet der Autor sich gegen lesbare Bücher, die Literarizität vortäuschen, aber im Grunde nur "angenehm genießbar, verdaulich, schmerzfrei" sind, so dass sie dem Leser Lebensmöglichkeiten vorenthalten. Ihm schwebt wohl eine Lektüre vor, die (um eine Formulierung vom späten Lukács zu gebrauchen) nicht den ganzen Menschen, sondern den Menschen ganz ergreift. Beim Lesen soll der Leser bis ins Innerste erschüttert werden, so dass er aus eingefahrenen Wahrnehmungsmustern des Alltags ausbrechen kann. Dies gehört in der Tat zum Projekt Aufklärung, das bis in die Antike zurückreicht.
    Viele Grüße
    Jürgen

  • Zitat

    Original von Nudelsuppe
    Diese "Realisten" tragen nun - wie jüngst Tom im Literaturcafé - ihre neoliberalen Ansichten in die Literaturwelt hinein -


    Ich wusste gar nicht, dass Tom Sprachrohr eines neoliberalen Diskurskartells ist 8o


    Scherz beiseite. Ich habe mal das getan, wovon Herr Hielscher (der Autor des SZ-Artikels) behauptet, dass es kaum noch jemand tut, ich habe mir die Zeit genommen und ganz in Ruhe gelesen. Seinen Artikel.


    Mein Eindruck: Wie üblich im deutschen Literatur-Feuilleton geht es um U und E, wie üblich beklagt der Feuilletonist Kommerzialisierung, Verflachung, Verlust, wie üblich enttarnt er am Ende Unterhaltungsliteratur als Surrogat (Parodie der Erlösung). Er spricht gut kulturpessimistisch von den Resten einer Bildungsgesellschaft, wo ich bescheiden optimistisch die Anfänge einer solchen vermuten würde. Ich will nicht direkt sagen, dass er faselt, aber bei Leuten, denen der Referenzrahmen weggebrochen ist, bin ich immer ein bisschen skeptisch. Um die Wahrheit zu sagen: Wenn ich einen Artikel lese, aus dem mir der allzu wohl bekannte Mief des deutschen Literaturbetriebs entgegenschlägt, dann stelle ich mir vor, was ich in den letzten 15 Jahren hätte lesen müssen, wenn Lektoren wie Herr Hielscher mir das hätten vorschreiben können. Bücher, die mich mit utopischen Gegenentwürfen zu meinem spießigen Lebenskonzept konfrontiert, die mir etwas abverlangt, mich aber gleichzeitig auch herausgeführt hätten aus der erstickenden Immanenz meines Alltags. Ist schon ganz gut, dass ich meine Lektüre selbst auswählen darf. Dafür ertrage ich sogar geduldig alle möglichen Diskurskartelle.


    Ist jetzt ein bisschen salopp gesagt, aber es ist ja auch schon spät.


    Enno

  • Hallo Enno,


    Hielscher ist ja Programmleiter Literatur bei C. H. Beck. Bevor du das uralte Fass "U/E" aufmachst - schau dir einfach das Programm an.


    Es geht um Verengung. Tatsächlich hat man als Leser eine unglaubliche Auswahl, inzwischen kann man auch über Digitaldruck ansprechende Bücher in Kleinauflagen herstellen, die auch preislich nicht (wie bei BoD fast notgedrungen) über die Stränge schlagen. Im Augenblick erleben wir auch einen Umbau des Buchmarktes - im Prinzip analog zur Gesellschaftsentwicklung. Das beschreibt der Artikel ganz gut im Sinne einer fehlenden Utopie und einem Wertesystem, dem ein Zahlenwerk zugrunde liegt - wie viel ist ein Mensch wert? Das koppelt sich immer mehr am materiellen Erfolg.


    Andersherum: In letzter Zeit höre ich immer öfter, dass sich Qualität über Erfolg definiere.


    Was bedeutet das aber für Schreibende und Schriftsteller? Anspruchsvolles hatte es schon immer schwer, ein Publikum zu erreichen. Man muss sich nur die Publikationsgeschichte des Ulysses ansehen. Joyce hätte sich bestimmt viel Ärger erspart, wenn er beim Schreiben des Manuskripts an Vermarktbarkeit/Zielgruppe etc. gedacht hätte. Hat er aber nicht. Zum Glück.


    Hier kommen die Verlage ins Spiel.


    Eines der ersten Bücher des Rowohlt Verlages war die Gedichtsammlung "Katerpoesie" von Paul Scheerbart. Ernst Rowohlt bezeichnete ihn sogar als "ersten Autor des Verlages". Kommerziell erfolgreich waren die Bücher von Scheerbart nie, übten aber einigen Einfluss aus (ich bin über Walter Benjamin auf ihn gestoßen). Rowohlt ist heute ein anderer Verlag, Scheerbart hätte mit seinen skurillen Werken keine Chance mehr - obwohl man die auch auf der Seite der U-Literatur sehen kann.


    Die These, dass Bestseller eben auch Experimente unterstützen, stimmt so schon lange nicht mehr. Fast im Gegenteil. Der Fischer-Verlag hat für eine irrsinnige Summe die Rechte für "Das Spiel des Engels" von Carlos Ruiz Zafón erworben - die drei Millionen Euro - nur für Lizenzen - musste Fischer erstmal aufbringen und hoffte, mittelfristig ohne Blessuren davonzukommen - mit Gewinn wurde da nicht gerechnet. Es liegt auf der Hand, was diese Investition für andere Titel bedeutet.


    Auf der schreibenden Seite bedeutet die Entwicklung, dass nur noch durch Förderung manche Titel (und Übersetzungen) überhaupt erscheinen können - was jene zum Aufheulen bringt, die für den Markt schreiben - der Schritt zur Diskreditierung der so geförderten Literatur ist nicht weit, Begriffe wie "Weltfremdheit" fallen. Eine Gesellschaft braucht aber einen Platz für alle Sorten von Menschen und wenn man sich die Literaturgeschichte ansieht, dann wimmelt sie von Sonderlingen (im positiven Sinne), Utopisten, Eigenbrötlern (Arno Schmidt), Elfenbeinturmbewohnern und Visionären, die nicht selten "eigentümliche" Werke geschaffen haben, die sich jeglicher Kategorisierung entziehen und/oder eine eigene geschaffen haben. Die Möglichkeit der kontinuierlichen Ausnahme zu erhalten, darum geht es. Dazu braucht man Vermittler. M. E. leistet das Feuilleton das derzeit nur noch bedingt, wenn überhaupt - zu groß ist die Verknüpfung mit dem Literaturmarkt, das heißt den Verlagserzeugnissen. Und die überlassen das "Perlentauchen" inzwischen lieber den Kleinverlagen, man kann ja - wie bei Tannöd - immer noch die Lizenz kaufen.



    Grüße,
    die Nudelsuppe

  • Zitat

    Original von Nudelsuppe
    Die These, dass Bestseller eben auch Experimente unterstützen, stimmt so schon lange nicht mehr. Fast im Gegenteil. Der Fischer-Verlag hat für eine irrsinnige Summe die Rechte für "Das Spiel des Engels" von Carlos Ruiz Zafón erworben - die drei Millionen Euro - nur für Lizenzen - musste Fischer erstmal aufbringen und hoffte, mittelfristig ohne Blessuren davonzukommen - mit Gewinn wurde da nicht gerechnet. Es liegt auf der Hand, was diese Investition für andere Titel bedeutet.


    @Nudelsuppe:
    Interessanter Beitrag. Nur ein kurzer Einwurf eines Laien auf dem Gebiet der Literaturvermarktung: Ich frage mich, ob die 3 Mio. Euro (bei 2 Mio. verkauften Büchern des Vorgängers) nicht doch realistisch sind, wieder reinzukriegen. Selbstverständlich weiß man das vorher nie, aber dass ein Verlag von der Größe des Fischer-Verlags sich durch einen Titel an die Wand fährt? Vielleicht gibt es ja noch jemanden, der dort irgendwann eine Vorlesung in Kostenrechnung besucht hat?