ASIN/ISBN: 3785723741 |
Bundestagswahl 2009 - zur allgemeinen Überraschung spielen die bisher bekannten Parteien kaum noch eine Rolle. Gewinner mit fast 70 % Stimmen ist die VWM, die Volksbewegung zur Wiedereinführung der Monarchie. Tatsächlich wird wenig später jemand im Aachener Dom gekrönt, der interessanterweise auch König heißt.
Der Roman beginnt im Jahr 2000 und setzt vor dem Wahlkampf in den USA ein, bei dem George Bush als Sieger hervorging und Al Gore auf der Strecke blieb. Das Theater in Florida, was niemals richtig geklärt werden konnte, bildet sozusagen den ersten Höhepunkt des Romans. Vincent Wayne Merrit, ein Hacker im Alter von 21 Jahren, kommt für kurze Zeit hinter Gitter, weil er ein Programm geschrieben hat, mit dem andere Kreditkartenbetrug im großen Stil betrieben hatten. Um in Zukunft auf der sicheren Seite zu sein, wechselt er nach dem Gefängnisaufenthalt von Philadelphia nach Florida und arbeitet sich in einer kleinen Softwarefirma zum Projektleiter hoch. Doch dann bekommt er plötzlich den Auftrag, einen Wahlcomputer so zu programmieren, dass die damit erfassten Stimmen beliebig manipuliert werden können. Selbstverständlich nur, um zu demonstrieren, dass Wahlcomputer nicht fälschungssicher sind. Er hört nichts mehr davon, reimt sich aber den Ausgang der Wahl in Florida entsprechend zusammen. Damit ist die Sache aber für ihn nicht ausgestanden. Der Freund seiner Chefin, ein italienischer Zauberer mit Mafia-Verwandschaft, möchte das Geschäft mit Wahlergebnissen im großen Stil betreiben - und zwar in Deutschland. Vincent wird in seinem Haus festgesetzt und zur Programmierung gezwungen. Er stellt zwar das Programm fertig, schafft es aber dann doch zu fliehen.
Der zweite Teil des Romans spielt in Deutschland und hat im Mittelpunkt jenen Simon König, der nicht nur Gymnasiallehrer für Geschichte und Politik ist sondern auch der Vater von Vincent. Ein Seitensprung während eines Aufenthalts in den USA führte zu dessen Existenz. Er findet die CD mit dem Programm in seiner Post, am Abend hat es der italienische Zauberer ihm aber bereits wieder entwendet. Über Vincents Kontakte findet er Zugang einer Gruppe von jugendlicher Nerds und Spielefans. Als Vincent ihnen mitteilt, dass in seinem Programm eine Falle ist, die bei Erkennen der Buchstabenkombination VWM (Vincents Initialen) dieser die Mehrzahl der Stimmen zuführt, gründen sie eine Partei um bei der Wahl auf diesen Schwindel aufmerksam zu machen. Allerdings bekommt die Sache dann schnell eine gewisse Eigendynamik.
Der dritte Teil des Romans schildert dann die Wahl und die Zeit danach. (Es gibt noch einen eingeschobenen kurzen Teil zum Wahlablauf - aber den zähle ich nicht, da er nicht handlungstragend ist).
In die Handlung des ersten Teils sind viel Informationen eingewoben, die der Realität entsprechen. Tatsächlich ist mir auch noch kein Roman begegnet, der derart viel Fußnoten mit konkreten Informationen enthält (also nicht simulierten, zur Romanhandlung gehörenden). Zahlreiche Links weisen auch auf die realen Hintergründe vieler geschilderten Sachverhalte hin. Das würde die Lektüre unglaublich bremsen, wenn Eschbach nicht inzwischen ein so versierter Erzähler wäre, dass man diese »abgesetzten« Informationen mitnimmt ohne sich davon in der Lektüre stören zu lassen. Das Anliegen des Autors ist deutlich (fast überdeutlich): vor der Gefahr der Manipulation von Wahlen durch Computer zu warnen. Das dies nicht zu einer ermüdenden Angelegenheit mit zu vielen erhobenen Zeigefingern führt, ist der Trick mit der Monarchie. Darin lebt sich Eschbachs Sinn für Humor aus, der in den vorangegangenen Büchern viel zu kurz gekommen ist. Das Buch endet fast zu realistisch und zu märchenhaft (also zu schön), als das man von einem richtig befriedigenden Plot sprechen könnte. Aber darauf kommt es diesmal wirklich nicht an, und das zeigt der Autor dann auch am Schluss, in dem er in einem Nachwort eindringlich darauf hinweist, dass ein Wahlcomputer niemals Grundlage einer fairen Wahl sein kann.
Das Eschbach die Computerspieler entsprechend vorführt, dem »richtigen« Adel die Meinung sagt, Steuer- und Bildungspolitik kritisiert und mit überraschend einfachen Lösungsmöglichkeiten würzt (alles mit dem nötigen Humor), die Regenbogenpresse als nicht unwesentliche Königsmacher mit einbindet macht die Lektüre noch zusätzlich vergnüglich.
Gestört hat mich eigentlich nur die Person »Sirona«. Sie gewinnt an keiner Stelle wirklich Profil, ist aber unverzichtbar, da sie ein wichtiges Bindeglied von Vincent zu Simon König darstellt. Am Ende verpufft sie wirkungslos. Der Versuch, ihr etwas mysteriöses anzuhängen, kommt nicht wirklich überzeugend herüber. Fast hatte ich das Gefühl, dass der Autor sie dafür bestraft, das er nicht auf sie verzichten konnte, sie mit sich aber auch nicht mehr anfangen lies.
Ein gutes Buch und zeitgemäß über die Wahl in diesem Jahr (2009) hinaus, zumindest so lange, bis Wahlcomputer endgültig aus der Diskussion verbannt sind, am Besten durch einen neuen Absatz im Grundgesetz. Solange bleibt das Thema brisant und dieser Roman ebenfalls.