William Conescu: Der Mann in der Schlange vor der Kinokasse


  • "Being written" heißt der Roman im Original, und genau das ist es, was Daniel Fischer glaubt: Dass er geschrieben wird, also eine Figur innerhalb eines Buches ist. Daniel hört nämlich zuweilen das Geräusch eines Stifts, der schreibend über Papier geführt wird. Dieses Kratzen ist nicht immer da, sogar eher selten, aber als der Durchschnittstyp in einer Bar zu seiner eigenen Überraschung eine außerordentlich gutaussehende Frau abschleppt, wird es intensiver als je zuvor.


    Am Morgen danach lernt er, noch im Bett bei seiner Eroberung liegend, Graham kennen, ihren Freund. Die hübsche Delia hat Daniel nämlich nur benutzt, um Graham eine Lehre zu erteilen. Das hindert den eher farblosen, wenig interessanten Mann nicht daran, alles zu versuchen, um in Delias Dunstkreis zu verharren - und eine wichtige Rolle in jenem Buch zu spielen, das sich, wie er meint, um jene Delia und ihre originellen Freunde dreht: Graham, der talentierte, aber faule Klaviervirtuose, der heimlich auf den Strich geht, um an Geld zu kommen, Monty, der eigentlich in Delia verliebt ist und auch in Daniels Beratungsfirma arbeitet, Jon, der feingeistige Homosexuelle, und natürlich Delia, die eine gute Sängerin ist, aber nicht an die eigene Karriere glaubt. Fortan mischt sich Daniel intensiv ein, aber all seine Versuche, die Intention des Autors, der ihn schreibt, zu interpretieren, schlagen fehl. Was auch immer er unternimmt, um die Handlung voranzutreiben und selbst zu einer Hauptfigur zu werden, geht in die falsche Richtung.


    Dem Amerikaner William Conescu ist mit diesem flotten, witzigen, spannenden und überraschenden Roman ein bemerkenswerter Erstling gelungen. Sein tragischer Held, der mediokre "Junge" von nebenan, sieht die Chance, im Wortsinn Geschichte zu schreiben, sich aus der Masse zu erheben, und er tut alles - wirklich alles - um seine persönlichen fünfzehn Minuten Ruhm zu erleben. Der unkonventionelle Perspektivwechsel (Daniels Sicht wird in der zweiten, die der anderen Figuren in der dritten Person erzählt) und der saloppe, aber anspruchsvolle Stil runden dieses originelle Leseerlebnis ab. Sehr empfehlenswert.


    ASIN/ISBN: 3351032609

  • Was tut man, wenn man überzeugt ist, sich am Rande eines Romangeschehens zu befinden, weil man immer wieder einen kratzenden Stift hört? Daniel, der Protagonist von "Der Mann in der Schlange vor der Kinokasse" (auf englisch viel passender: "Being written"), möchte unbedingt eine Rolle in dem Roman spielen. So sucht er in einer Kneipe den Kontakt zu der hübschen jungen Sängerin Delia, weil um sie das Kratzen ist. - Worauf sie eine Nacht mit ihm verbringt. Als Daniel Einblick in Delias Beziehungskiste zu dem Pianisten und heimlichen Strichgänger Graham erhält, wählt er die Rolle des geduldigen, alles ertragenden Freundes, um seinen Part in dem Roman zu sichern. Doch eines Tages begeht er eine fatale Tat, um das Buch spannender zu machen. Oder weil es der Wille des Romanautors ist?


    Die Kapitel alternieren zwischen den Er-Erzählern Delia, Graham, deren exaltierten Freunden Monty und Jon, sowie dem Du-Erzähler David: Bei allem, was David betrifft, rückt Autor William Conescu durch Verwendung der zweiten Person Singular den Leser konsequent in Davids Rolle. Die tolle Idee und ihre einfache, aber konsequente Ausführung durch das einzige surreale Element des kratzenden Stiftes sind ziemlich gelungen. Die sonstige Handlung um Delia und Graham ist dagegen etwas zäh geraten. Das beinahe einzige Spannungselement liegt darin, ob David Delia bekommt, ob er sie wirklich will, oder ob es ihm nur um seine Romanrolle geht. Das Ende fällt einerseits konsequent aus, andererseits bleibt die Geschichte letztendlich unaufgeklärt, weil der Erzähler, wenn es denn einen Romanautor gibt, sich nicht offenbart. So bleibt der Leser ein wenig unbefriedigt zurück. Dennoch ist William Conescus Debut wegen der Idee und ihrer schönen Umsetzung lesenswert.