Robert Charles Wilson: Quarantäne

  • In nicht allzu ferner Zukunft: Irgendwo am Rand des Sonnensystems sind gewaltige Teleskope installiert, die erstmals einen Blick auf extrem weit entfernte Objekte erlauben. Als diese Teleskope nach und nach zu versagen drohen, werden experimentelle Quantencomputer in Betrieb genommen, um die noch auswertbaren Daten zu interpretieren und aus all dem Signalrauschen Bilder zu generieren. Verblüffenderweise leisten die sich selbst programmierenden und kaum verstehbaren Maschinen weit mehr. Sie zeigen das Leben auf zwei 50 Lichtjahre entfernten Planeten. Und zwar nicht einfach in einem Draufblick, sondern aus einer Perspektive, als wäre ein Kameramann live vor Ort.
    Im Forschungszentrum "Blind Lake" irgendwo im Mittelwesten der Staaten befindet sich eines der beiden "Augen", die solche Bilder liefern. Eine riesige Crew von Wissenschaftlern beobachtet den Alltag von "Subjekt", einer nur entfernt menschenähnlichen Kreatur, die vom Volksmund wegen seiner Hautbeschaffenheit "Hummer" genannt wird, und der Ort, in dem das Subjekt arbeitet und lebt, folgerichtig "Hummerhausen". Ganze Abteilungen interpretieren Sozialverhalten, Arbeitswelt, Nahrungsaufnahme, Gestik und Mimik des stillen Objekts der Beobachtung. Sie bemühen sich angestrengt darum, die neue Welt kontextfrei zu sehen und das Leben auf dieser anderen Welt vorurteilsfrei einzuordnen. Es nicht als Geschichte zu sehen, die mit der eigenen zu tun hat.
    Drei Journalisten besuchen die Einrichtung, und kaum als sie angekommen sind, schließen sich die Tore - es gibt keinen Weg mehr hinaus, keine Informationsflüsse, keine Idee, warum die riesige Forschungsstätte in Quarantäne genommen wird. Zwar liefern unbemannte Panzerfahrzeuge regelmäßig die Dinge des täglichen Bedarfs, aber die vielen hundert Eingeschlossenen wissen nicht, worin das Problem besteht. Man versucht, den Alltag aufrechtzuerhalten, und die Forscher forschen weiter. Da beginnt das Subjekt plötzlich, sein Verhalten grundlegend zu ändern ...
    "Quarantäne" ist ein vielschichtiger und mit interessanten, gut konturierten Figuren besetzter Roman, der wirklich solide geschrieben, intelligent und sehr, sehr spannend ist. Er wirft viele Fragen auf, die meistens ziemlich clever beantwortet werden. Das Buch ist zugleich eine Liebegeschichte, manchmal ein Kriminalroman, in der Hauptsache aber eine überaus pfiffige, philosophische und technisch interessante SF-Geschichte über nicht weniger als die Kernfragen des Seins. Sehr empfehlenswert.


    ASIN/ISBN: 3453523164

  • Ist schon seit einiger Zeit auf der Amazon-Wunschliste. Ich bin neugierig.


    Gruss,


    Bernd

    "Der erfolgreiche Abschluss infamer Aktionen steigert Ihren Bekanntheitsgrad, was für Ihren Feldzug zur absoluten Weltherrschaft unglaublich wichtig ist." (aus dem Benutzerhandbuch des PC-Spiels Evil Genius)

  • Zitat

    Original von Tom
    Bernd: Ich nehme an, daß es Dir gefallen wird. Steht in klassischer Erzähltradition, ist aber vom Setting her wirklich originell und intelligent. "Spin" hat mir bereits recht gut gefallen, aber ich fand "Quarantäne" fast noch besser. "Axis" ist vorbestellt.


    Spin hat mir sehr gut gefallen, das habe ich verschlungen. Axis habe ich auch schon auf dem Wunschzettel stehen.
    :D


    Gruss,


    Bernd

    "Der erfolgreiche Abschluss infamer Aktionen steigert Ihren Bekanntheitsgrad, was für Ihren Feldzug zur absoluten Weltherrschaft unglaublich wichtig ist." (aus dem Benutzerhandbuch des PC-Spiels Evil Genius)

  • Tom


    interessante Besprechung.
    Vieles darin hat mich an die Bücher von Stanislaw Lem erinnert.
    Mal sehen, ob es stimmt.
    Habe es auf meine Leseliste gesetzt.


    gruß

  • Gestern Nacht damit angefangen und gleich mal die ersten 50 Seiten weggelesen, bis die Uhr gnadenlos eingefordert hat, jetzt doch endlich mal das Licht auszuknipsen.
    Bisher ist mein Eindruck sehr gut und ich bin äußerst gespannt, wie die Geschichte weitergeht.


    Gruss,


    Bernd

    "Der erfolgreiche Abschluss infamer Aktionen steigert Ihren Bekanntheitsgrad, was für Ihren Feldzug zur absoluten Weltherrschaft unglaublich wichtig ist." (aus dem Benutzerhandbuch des PC-Spiels Evil Genius)

  • Leider gibt es von Wilson zu wenige Bücher! Ich fand, daß "Quarantäne" mit seiner Darstellung der Erst-Kontakt-Problematik (Woher weiß ich, wie ein Alien denkt und ob es überhaupt denkt usw) den größten philosophischen Tiefgang hat.


    Vom Aufbau der Erzählung her hat mir "Spin" am besten gefallen; bei "Axis" hatte ich ein bißchen Angst, daß er sich gewissermaßen auf dem Vorgänger ausruht und einfach noch ein bißchen mit dem Personal des ersten Romans weiterarbeitet - das Ende von "Spin" gäbe das her und läßt es sogar vermuten. Aber es ist dann doch alles ganz anders - zum Glück!


    Mir gefällt auch die Wahl seiner Hauptfiguren. Es sind doch eher durchschnittliche Menschen, die mit einer sehr bizarren und beunruhigenden Situation fertigwerden müssen. Gut ist zB die Idee, in "Spin" nicht den genialen Forscher, sondern seinen engsten Freund zur Hauptfigur zu machen. Weil dieser Mann mit ganz alltäglichen Problemen zurecht kommen muß und phasenweise auf den ganzen außerirdischen Scheiß keine Lust mehr hat, wird die Geschichte gut 'geerdet' und somit plausibler.


    "Quarantäne" ist auch sehr welthaltig. Da gibt es bürokratische Machenschaften und Eifersüchteleien im Forschungszentrum "Blind Lake", einen Chef, der seine Stellung nutzt, um seine Ex-Frau zu tyrannisieren, ein Trio teamunfähiger Journalisten und noch einiges mehr. Außerdem liefert Wilson eine interessante Idee, wie die Kommunikation zwischen uns und ihnen doch stattfinden könnte - auch wenn es von Mensch zu Mensch so schwierig bleibt wie es immer war... :D

  • In einer für mein Lesetempo ungewöhnlich kurzen Zeit habe ich "Quarantäne" nun fertiggelesen, was für die immense Spannung spricht, mit der mich die Geschichte fesseln konnte.


    Wilson erzählt geradlinig und mit einem überschaubaren Personal von der Erforschung fremder Welten, und das von der Erde aus. Die Idee das Ganze aus einem den ganzen Plot hindurch abgegrenzten Gebiet (die unter Quarantäne stehende Forschungseinrichtung) heraus zu erzählen ist clever, denn so kann er sich komplett auf die Entwicklung seiner handvoll Figuren einlassen und schafft sich mit der totalen Informationssperre von außen ausreichend Spielraum jenseits von Weltpolitik oder Öffentlichkeitsinteresse, was man als Leser bereits nach wenigen Seiten nicht mehr hinterfragt.


    "Quarantäne" ist SF im klassisch positiven Sinn. Wie bereits bei "Spin" schafft es Wilson hervorragend Technologie und Philosophie unter einen Hut zu bringen und eine sich rasant entwickelte Geschichte zu erzählen. Tolles Buch und für Genre-Freunde ein Pflichtkauf, für den auf jeden Fall ein Platz im Bücherregal reserviert werden muss.


    Gruss,


    Bernd

    "Der erfolgreiche Abschluss infamer Aktionen steigert Ihren Bekanntheitsgrad, was für Ihren Feldzug zur absoluten Weltherrschaft unglaublich wichtig ist." (aus dem Benutzerhandbuch des PC-Spiels Evil Genius)

  • Ha! Dankeschön für den Tipp. Mir fehlte noch ein kleines Geschenk für meinen Kerl, dass ich ihm zum Zusammenkommtach schenken kann.
    Ist bestellt!

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt