Ulrike Nolte: Die fünf Seelen des Ahnen

  • Ulrike Nolte
    Die fünf Seelen des Ahnen
    Atlantis-Verlag, Stolberg

    ASIN/ISBN: 393674260X



    Die Menschheit hat die Erde zerstört und treibt jetzt in riesigen Raumschiffen, so genannten Archen, durchs Weltall, auf der Suche nach anderen bewohnten Welten. Eine solche Arche stößt auf einen Wasserplaneten. Beim Versuch der Erkundung verschwindet ein Matrose (so werden die Mitglieder Crew des Raumschiffs genannt), taucht aber später wieder auf und kann sich an nichts erinnern. Tatsächlich muss er sogar alles neu Lernen, was ihm überraschend schnell gelingt. Das ist aber nicht die einzige Überraschung. Letztendlich entpuppt sich der Matrose als ein Bewohner des Planeten, der sich den Körper des toten Matrosen zu Nutze gemacht hat. Es handelt sich aber nicht um eine der schon gewohnten „bösen“ Alienvarianten, sondern um eine, die Kooperieren will. Warum wird spät klar.


    Das Leben auf der riesigen Arche ist ziemlich kompliziert. Es gibt die „Crew“, die gewisse Sonderrechte haben und die Passagiere. Da niemand wirkliche Aufgaben hat, vergnügt man sich in unterschiedlichen Gilden. Neben dem realen Leben findet auch ein Leben „im Strom“ statt, einer gewissen ständigen Virtualität, in die sich jeder per Augenzwinkern ein- und ausklinken kann dank eines Implantats. Wer das nicht hat, ist allerdings der Virtualität hilflos ausgeliefert (wieso wird nicht erklärt).


    Nicht alle sind mit dem Versuch, den Planeten in Besitz zu nehmen, einverstanden und so kommt es zu Aufständen und einer Verschwörung an dessen Ende dann die Demokratisierung der Arche steht (vorher war der Kapitän - bzw. die Kapitänin Alleinherrscher). Bevor das funktioniert, taucht eine weitere Arche auf, die allerdings andere gesellschaftliche Strukturen entwickelt hat und recht kriegerisch ist. Sie hat den Planeten bereits vereinnahmt - auf eine schreckliche Weise und hier liegt auch die Motivation für den Alien an Bord, Kooperation zu suchen.


    Das ist alles nicht wirklich neu. Archen im Weltraum, Aliens, die Gestaltwandler sind, kuriose Gesellschaftsformen einer nicht mehr an die Erde gebundenen Menschheit hat es schon häufiger in der SF-Literatur gegeben. Originell ist, wie die Autorin die Handlung spinnt. Es tritt tatsächlich nicht immer das Erwartete ein und so ist die Motivation, zu Ende zu lesen, zumindest dann ständig da, wenn man das erste Drittel geschafft hat. Das allerdings ist etwas mühsam zu lesen, da die Autorin sehr „geschwätzig“ ist und viel erklärt. Ein verständiger Lektor hätte hier sicher einiges retten können. Merkwürdig auch, warum mit etwas platten Klischees gearbeitet wird (z.B. das kriegerische Archen-Raumschiff ist ein afrikanisches, in Tansania gestartet und der Führer ist eine Art Diktator-Stammeshäuptling, allerdings mit einem hohen technologischen Vorteil). Auch die Umsetzung des Mottos „mit Gentechnologie kann man alles möglich machen“ finde ich etwas naiv, wenngleich das zu einer der interessantesten Szenen im Buch führt: Der Alien hat die Gendatenbank im Raumschiff entdeckt und in seiner Gier, sich alle Geninformationen einzuverleiben und auszuprobieren gerät er außer Kontrolle.


    Das Buch selber hätte es im Buchladen bei mir schwer gehabt. Ein düsteres, einfallsloses Cover mit unelegant hingeklatschter Beschriftung. Ein Innenlayout mit einer katastrophalen Typografie. Warum überhaupt noch etwas Rand gelassen wurde, ist nicht sofort einsichtig. Vernünftig Korrektur gelesen ist es allerdings, es waren kaum Fehler beim Lesen auszumachen. Bücher von Bastei haben im allgemeinen mehr Fehler zu bieten ;-)


    Insgesamt ein Buch aus dem SF-Genre, das lesenswert ist. Warum es allerdings „Sieger des Deutschen Science Fiction Preises 2007“ geworden ist, ist mir nicht ganz einsichtig. Vielleicht gibt es derzeit in Deutschland nicht genügend originelle Autoren, die dies Genre bedienen können. Möglicherweise kommen aber auch die richtigen Texte nicht aus den Schubladen heraus was wiederum an der Unlust der Verlage liegen könnte, solche Sachen zu veröffentlichen und zu fördern. Insofern ist es allerdings lobenswert, das solch kleine Verlage den Mut haben, weiterhin am Rande des traditionellen Buchmarkts solche Titel herauszugeben.

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    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Hallo Horst Dieter,


    sag mal, liest du eigentlich überhaupt noch normale, zumindest einigermaßen gute Bücher - oder nur noch solchen Schrott? Ist dir die Zeit für solchen Mist eigentlich nicht zu schade? Was für ein erbärmlicher Kram! :colts


    Bei mir ist genau anders herum: je weniger Zeit ich habe, und ich habve nur noch wenig Zeit, desto besser werden die Bücher, die ich lese - wenn ich nicht sowieso schon immer wirklich ausgezeichnete Bücher gelesen hätte.

  • Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson
    Hallo Horst Dieter,


    sag mal, liest du eigentlich überhaupt noch normale, zumindest einigermaßen gute Bücher - oder nur noch solchen Schrott? Ist dir die Zeit für solchen Mist eigentlich nicht zu schade? Was für ein erbärmlicher Kram!


    Entgehen mir gerade hier in diesem Forum irgendwelche versteckten Späße? Oder bin ich nur zu "geradeaus", um die verwinkelte Ironie zu verstehen?


    Falls Du das ernst gemeint haben solltest: Man sollte bei dem Siegerbuch des SF Preises 2007 nicht unbedingt davon ausgehen dürfen, dass man hier Schrott liest.


    Zitat

    desto besser werden die Bücher, die ich lese - wenn ich nicht sowieso schon immer wirklich ausgezeichnete Bücher gelesen hätte.


    Herzlichen Glückwunsch. Toll, dass Du ohne Ausnahme bereits vor dem Lesen die 1A-Qualität eines Buches erkennst. Solche Kritiker braucht das Land.


    trotzdem freundlichen Gruß
    Cordula

  • Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson
    Hallo Horst Dieter,


    sag mal, liest du eigentlich überhaupt noch normale, zumindest einigermaßen gute Bücher - oder nur noch solchen Schrott? Ist dir die Zeit für solchen Mist eigentlich nicht zu schade? Was für ein erbärmlicher Kram! :colts



    Hallo Thomas,


    manchmal ist das vorher gar nicht abzusehen, was man da zum Lesen in die Finger bekommt. Ich lege auch durchaus schon mal ein Buch weg und lese es nicht zu Ende, wenn es mir zu dumm wird. Bei diesem Buch wurde es mir nicht zu dumm. Ich würde es zwar nicht in die Reihe "hervorragende Bücher" einordnen, aber es hat mich zumindest unterhalten und das ist ja schon mal was.


    Ansonsten halte ich es so, wie ich es schon seit meinem 12 Lebensjahr gehalten habe: Ich lasse mir von niemanden vorschreiben, was ich lesen soll. Wenn mich was interessiert, lese ich das und ich brauche auch keinen neutralen Umschlag, um einen Buchtitel im Zug oder an anderen öffentlichen Orten zu verstecken.


    Die Rezensionen, die ich hier einstelle, bilden nur einen kleinen Ausschnitt meiner Lektüre und es muss eine bestimmte Motivation geben, dass ich eine solche verfasse. Bei diesem Buch war es das Unverständnis, dass es für dieses Buch eine Auszeichnung gegeben hat.


    Bei mir ist es eher so, dass ich mehr lese, wenn ich keine Zeit habe. Die Zeit dafür hole ich mir in den ungewöhnlichsten Situationen, in denen ich sonst eigentlich eher nicht lese und manchmal auch, indem ich mir die Zeit dafür vom Schlaf abspare.


    Ja und bei mir ist es zum Beispiel so, dass ich hervorragende Bücher dadurch entdeckt habe, dass ich mich auf das Risiko eingelassen habe, ein schlechtes zu erwischen. Ansonsten erwarte ich eine gehörige Portion Dankbarkeit dafür, dass ich dich vor diesem Buch gewarnt habe ;)


    Horst-Dieter


    PS: Wüste ist jetzt durch, vielleicht stelle ich demnächst hier ein Buch zum Regenwald vor.

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    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von Cordula
    Entgehen mir gerade hier in diesem Forum irgendwelche versteckten Späße? Oder bin ich nur zu "geradeaus", um die verwinkelte Ironie zu verstehen?


    Alles! Dir entgehen versteckte Späße, du bist zu geradeaus, zu wenig verwinkelt, zu sehr Frau und zu schön. :blume

  • Horst Dieter, Tipp von mir:


    Elisabeth Edl ist zwar eine Frau und eine Österreicherin und hat auch schon eine Totaloperation hinter sich, was sie also für so Manches ziemlich unbrauchbar macht, aber sie ist auch eine verdammt gute Übersetzerin und Herausgeberin. Gerade ist ihre neue Übersetzung der Kartause von Parma erschienen:

    ASIN/ISBN: 3446209352


    Ihre Übersetzung von Rot und Schwarz, der Kommentarteil und der ganze kritische Apparat sind sehr gut, auch wenn sich die Edl als alte Hermeneutikerin dem hemmungslosen Biographisieren nicht entschlagen kann.

    ASIN/ISBN: 3446204857


    PS: Ich gehe jetzt mal davon aus, dass Frau Edl von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, aber dafür gibt es Polinnen auf Minijob-Basis, die ihrerseits wieder nicht Stendhal übersetzen. Suum cuique!


    PSS: Ich stelle gerade mit Erschrecken fest, dass auch dieser Beitrag misogyn ist. Das war nicht geplant - das hat sich einfach so ergeben!

  • Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson
    Horst Dieter, Tipp von mir:



    Das ist ja schon mal was. Wäre nicht der erste Tipp (auch von dir) dem ich gefolgt bin. Ich erinnere mich zwar, das mich Stendal vor fast 40 Jahren mal mächtig gelangweilt hat, aber das mag an mir, am Wetter, vielleicht an einem Schnupfen oder sonstwas gelegen haben. Warum also nicht noch mal versuchen?


    Horst-Dieter


    PS: … aber erst kommt noch das Buch über den Regenwald

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  • Zitat

    Original von Th. Walker Jefferson
    PSS: Ich stelle gerade mit Erschrecken fest, dass auch dieser Beitrag misogyn ist. Das war nicht geplant - das hat sich einfach so ergeben!


    "Das" fällt weder vom Himmel noch wächst es in irgendwelchen Beiträgen. Mann ist misogyn oder Mann ist es nicht. Man kann natürlich auch damit kokettieren, zum Beispiel in einem Forum wie diesem.:clown, anonym versteht sich.


    Zitat

    Alles! Dir entgehen versteckte Späße, du bist zu geradeaus, zu wenig verwinkelt, zu sehr Frau und zu schön.


    Da Du so viele Fremdworte in Deinen Sprachschatz integriert hast, schau doch noch einmal unter "Kommunikation" nach, insbesondere unter "Kommunikationsziele". :brille


    Cordula

  • Zitat

    »Die fünf Seelen des Ahnen« verbindet ein spannendes, ideenreiches SF-Szenario mit einer utopischen, aber uns gar nicht einmal so fremden, Gesellschaftsform. Zudem vom Stil her ausgereift, hebt sich dieser Roman positiv von den anderen SF-Werken des vergangenen Jahres ab.


    Aus diesen Gründen zeichnet das Komitee dieses Werk mit dem Deutschen Science Fiction Preis 2007 für den besten Roman des vergangenen Jahres aus.


    Entnommen dem Laudatio der Jury des Preises. Was die inhaltliche Einschätzung anbelangt - die meiner doch etwas entgegensteht, siehe Rezension - ist nicht viel zu sagen. Meinungen differieren erfreulicherweise. Was die Einschätzung des Stils anbelangt ("ausgereift") habe ich doch Zweifel an der Kompetenz des Komitees.


    Horst-Dieter

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    Emanuel von Bodmann